Protokoll der Sitzung vom 11.06.2015

(Beifall des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gern.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Buddeberg, können Sie mir sagen, in welchen Gesetzen des Freistaates Sachsen konkret die eingetragene Lebenspartnerschaft noch nicht mit der Ehe gleichgestellt worden ist? Um welche Gesetze des Freistaates Sachsen handelt es sich dabei, für die dieser Landtag die direkte Verantwortung trägt?

Die zweite Frage schließt sich daran an: Können Sie mir sagen, wie die rechtliche Situation bis zum heutigen Tag bezüglich der Gleichstellung von Ehen zwischen Mann und Frau bzw. homosexuellen Paaren in Irland ist?

Auf die zweite Frage werde ich nicht antworten, weil ich jetzt nicht über Irland reden möchte.

Zur ersten Frage. Sie werden sich sicher an die Initiative „Zwei gleich zwei“ erinnern, die das sehr kleinteilig aufgeschlüsselt hat, und dass es 35 Landesgesetze gab, die noch nicht angeglichen worden waren. Der Prozess hat einfach sehr lange gedauert und andere Bundesländer sind da viel weiter. Ich würde jetzt gern in meiner Rede fortfahren.

Danke für keine Antwort.

(Dr. Stefan Dreher, AfD, steht am Mikrofon.)

Sie gestatten keine weiteren Zwischenfragen?

Nein, ich würde jetzt gern fortfahren. – Nun reden wir über die Umsetzung in der Kommune. Die Fraktion der GRÜNEN strebt mit ihrem Antrag eine systematische Überprüfung der kommunalen Satzung an. Die Rechtsaufsichtsbehörde soll gegenüber den Kommunen den nach der Prüfung festgestellten Anpassungsbedarf anzeigen. Dieses Vorgehen unterscheidet sich von der Passivität der Staatsregierung. Diese antwortet nämlich in ihrer Stellungnahme recht lapidar: „Verstöße gegen die Rechte der eingetragenen Lebenspartnerschaft auf kommunaler Ebene sind nicht bekannt. Sollten Verstöße bekannt werden, wird die Rechtsaufsicht umgehend eingreifen.“

Für mich klingt das – da geht es mir wie Frau Jähnigen – verdächtig nach: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“ So einfach kann die Welt sein. Aber ich sage Ihnen ganz klar: Das reicht nicht. Es geht hier nicht um Zugeständnisse und auch nicht um Wohltaten, sondern wir sprechen hier von der Umsetzung geltenden Rechts. Das ist nicht die Kür, sondern das ist die Pflicht.

In Ihrer Stellungnahme verweisen Sie – Herr Dierks hat es ebenfalls getan – auf den Aktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen. Ich habe es schon an anderer Stelle gesagt und ich wiederhole es noch einmal:

Wir begrüßen diesen Punkt im Koalitionsvertrag ausdrücklich. Wir beglückwünschen Sie zu der Entscheidung, diese längst überfällige Aufgabe endlich in Angriff zu nehmen. Aber langsam bin ich wirklich gespannt auf Ihren Aktionsplan; denn wenn Sie, wenn es um das Thema „Vielfältige Lebensweisen“ geht, immer auf diesen geheimnisvollen Plan verweisen, dann scheint mir das die Eier legende Wollmilchsau zu werden. Wir sind da eher skeptisch, aber dazu haben wir einen entsprechenden Antrag im Geschäftsgang und werden uns an anderer Stelle darüber verständigen.

Der Antrag der GRÜNEN bleibt, was konkrete Beispiele für Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft angeht, ungenau. Frau Jähnigen hat gerade ein paar Beispiele genannt. Aber das liegt vermutlich daran, dass kein genauer Überblick über den noch vorhandenen Anpassungsbedarf besteht. Das heißt aber nicht, dass die Umsetzung zu vernachlässigen wäre. Wie gesagt, es handelt sich um die Umsetzung geltenden Rechts.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die CDU inzwischen vom Oppositionsdruck bei diesem Thema geradezu genervt ist.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Aber mein Mitleid mit Ihnen hält sich diesbezüglich in Grenzen.

(Oh! bei der CDU)

Wissen Sie, warum? – Weil Sie diesen ganzen kleinteiligen Zirkus gar nicht haben müssten. Ich gebe Ihnen einen Tipp: Geben Sie Ihren anachronistischen Widerstand gegen die Öffnung der Ehe auf. Das Ganze ist doch nur so kompliziert, weil Sie an der separaten – sogar eher abgestuften – Institution der eingetragenen Lebenspartnerschaft festhalten. Solange Sie das tun, werden Sie nicht darum herumkommen, die gesamte kleinteilige Fleißarbeit zu erledigen und jedes Gesetz, jede Rechtsverordnung, jede Verwaltungsvorschrift zu prüfen und – falls notwendig – zu verändern und dazu noch bis in jede kleinste Verwaltungseinheit hinein anzugleichen – nicht zu vergessen: jedes Türschild. Es ist Ihre Entscheidung. Sie haben sich die Suppe eingebrockt, Sie müssen sie auslöffeln. Guten Appetit!

(Beifall bei den LINKEN)

Es gibt eine Kurzintervention. Bitte, Herr Dreher.

Frau Präsidentin! Frau Kollegin, Sie haben den Bogen von Irland nach Deutschland gespannt. Ist Ihnen bekannt, dass das Grundgesetz in Irland nicht gilt? In Deutschland steht die Ehe nach dem Grundgesetz unter einem besonderen Schutz.

Möchten Sie darauf antworten? – Gut. Es gibt noch eine Kurzintervention. Bitte.

Da Frau Buddeberg auf meine Fragen nicht antworten konnte, möchte ich ihr gern helfen, damit sie sich vielleicht im Nachgang informiert. Es ist tatsächlich richtig, dass noch bis vor kurzer Zeit in Sachsen um die 35 bis 40 Gesetze und Verordnungen angepasst werden mussten. Wenn Sie sich aber informieren, werden Sie feststellen, dass im Freistaat Sachsen mit der Dienstrecht- und Besoldungsreform fast alle Gesetze – fast alle! –, für die der Landtag zuständig ist, dahin gehend geändert wurden. Die Verordnungen sind reines Verwaltungshandeln, und dass Verordnungen im Nachgang zu veränderten Gesetzen angepasst und verändert werden, ist völlig normal.

Zu Irland will ich Ihnen mitgeben, dass Irland bis zu dem Sonntag, an dem darüber abgestimmt worden ist – bzw. bis zum heutigen Tag, denn die Gesetze sind bis heute in Irland nicht geändert worden – bezüglich dieser Frage viel weiter zurück war, als es Deutschland seit dem Jahr 2001 ist.

(Beifall bei der CDU)

Möchten Sie darauf reagieren? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die SPD-Fraktion an der Reihe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland und Sachsen sind weltoffener geworden, auch und insbesondere gegenüber der Liebe zwischen Männern und Männern sowie Frauen und Frauen. Aus der gesellschaftlichen Ablehnung und Kriminalisierung der Fünfziger- und Sechzigerjahre wurde Skepsis, aus Skepsis wurde Toleranz, aus Toleranz wurde Akzeptanz, und jetzt geht es darum, aus dieser Akzeptanz gleiche Rechte zu schaffen, denn das ist das Ziel: gleiche Rechte für alle Lebensentwürfe.

Heute gehen immer wieder Tausende Menschen auf die Straße, um diese gewachsene Akzeptanz zu feiern und der Forderung Ausdruck zu verleihen, dass dieser gesellschaftlichen Akzeptanz die völlige Gleichstellung in Gesetzen und Verordnungen zu folgen hat. Wir als SPD haben diese Forderungen immer unterstützt, und ich erinnere daran, dass SPD und GRÜNE mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft hier im Jahre 2001 einen wichtigen Meilenstein geschaffen haben.

Inzwischen sind wir auf der gesetzlichen Ebene weiter. Manche Schritte wurden politisch gestaltet, andere vom Bundesverfassungsgericht erzwungen, aber auch die gesellschaftliche Debatte ist weiter. Inzwischen fordern Vertreter aller Parteien im Deutschen Bundestag die Einführung einer „Ehe für alle“.

Natürlich gibt es noch einiges zu tun. In Deutschland, in Sachsen verstehe ich den heute zu debattierenden Antrag der GRÜNEN als einen Beitrag zu dieser Diskussion. Um es konkret zu machen: Wir müssen – erstens – die Gleichstellung in allen Landesgesetzen und Verordnungen durchsetzen, und wir müssen – zweitens – die trotz vieler

Fortschritte immer noch vorhandenen Ressentiments gegenüber Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen konsequent bekämpfen.

Wir als SPD haben deshalb mit unserem Koalitionspartner vereinbart – ich zitiere den schon viel besagten Passus aus dem Koalitionsvertrag –, eingetragene Lebenspartnerschaften in den Landesgesetzen und Verordnungen in den kommenden zwei Jahren umfassend und vollständig zu verankern. Das heißt, wir haben einen klaren Zeitplan. Bis Ende 2016 wird auch in Sachsen die Gleichstellung Realität.

Ich habe großes Verständnis, wenn das zum Beispiel den LGBT-Verbänden nicht schnell genug geht; denn sie haben, wenn wir ehrlich sind, sehr lange darauf gewartet. Das, was ich mir aber von Ihnen, liebe Kollegen von den GRÜNEN und den LINKEN, wünsche, ist, dass wir uns jetzt nicht im Klein-Klein verlieren, sondern dass wir gemeinsam an der Umsetzung dieses Gleichstellungsversprechens arbeiten. Das ist nicht der Anlass für Parteienstreit. Dafür ist das Thema – erstens – zu wichtig, und – zweitens – sind wir dafür zu kurz vor dem Ziel. Das heißt wiederum: Wir unterstützen die Intention von Punkt 1 Ihres Antrags, aber wir wollen das Thema umfassend bearbeiten und bis Ende 2016 zum Abschluss bringen. Sich jetzt einzelne Aspekte wie den in Ihrem Antrag formulierten herauszugreifen ist – auch wenn Ihre Beispiele alle richtig sind – hier nicht hilfreich.

Dass eine Gleichstellung in den Landesgesetzen und Verordnungen nicht ausreichen könnte und auch die Kommunen ihre eigene Verantwortung zu tragen haben, ist dabei unbestritten, und ich bin mir sicher, dass das SMGI als fachlich zuständiges Ministerium und das SMI als rechtlich zuständiges Kommunalministerium diesen Hinweis gerne aufnehmen werden und sich dessen auch schon vorher bewusst waren.

Damit komme ich zu Punkt 2 Ihres Antrags. Ich finde es wichtig, dass wir uns im Rahmen der Gleichstellungspolitik mit der Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen auseinandersetzen. Dabei geht es auch um die Diskriminierungserfahrungen, die es im Alltag heute leider immer noch gibt. Dazu ist es in der Tat wichtig, Beratungsangebote für alle Betroffenen – im Übrigen auch für ihre Familien – zu schaffen, und das nicht nur in den Großstädten. Vereine wie die „RosaLinde“ in Leipzig, „Gerede e. V.“ in Dresden und „different people“ in Chemnitz leisten hier seit Jahren eine wichtige Arbeit, für die ich mich im Namen der SPD-Fraktion herzlich bedanken möchte.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Mit dem Programm „Weltoffenes Sachsen“ fordern wir übrigens landesweit – das heißt, auch im ländlichen Raum – Aufklärungsprojekte zum Thema sexuelle Vielfalt – nur, damit Sie das auch einmal gehört haben. Man muss wissen, dass es außerhalb der Großstädte –

(Zuruf der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

hören Sie weiter zu! – keine ausreichenden Angebote zum Beispiel zur Coming-out-Beratung gibt. Wir als SPD haben deshalb mit unserem Koalitionspartner vereinbart, dass wir gemeinsam mit der Zivilgesellschaft einen Aktionsplan einrichten, der Projekte gegen jegliche Form von Diskriminierung aufgrund sexueller Identität fördert. Diesen Aktionsplan haben wir in den Haushaltsverhandlungen – das wird Ihnen sicherlich aufgefallen sein – mit 250 000 Euro pro Jahr untersetzt. Dieser Aktionsplan wird zurzeit gemeinsam mit den Vertretern der Zivilgesellschaft erarbeitet. Beteiligung braucht Zeit. Das müssten Sie von den GRÜNEN eigentlich wissen. Bereits dieses Jahr sollen erste Projekte gefördert werden; im kommenden Jahr – so ist der Plan – wollen wir richtig durchstarten.

Dass dabei eine Situationsanalyse – wie von Ihnen gefordert – Teil eines Aktionsplans sein muss, versteht sich aus unserer Sicht von selbst. Deshalb: Sachsen ist auf dem Weg zu einem Regenbogenland. Auch der CSD am Wochenende hat das eindrücklich gezeigt. Die Gleichstellung wird auf den Weg gebracht, der Aktionsplan ist in Arbeit. Damit ist Ihr Antrag weitgehend gegenstandslos.

Meine Bitte lautet deshalb, dass wir uns nicht im KleinKlein verlieren. Das verschwendet Zeit. Lassen Sie uns lieber daran arbeiten, die Akzeptanz aller Lebensentwürfe voranzutreiben, denn das ist eine tägliche Aufgabe. Unser gemeinsames Engagement dafür wird auch nicht durch Gesetze oder Aktionspläne überflüssig. Es wird lediglich davon unterstützt. Lassen Sie uns deshalb Gleichstellung auch weiterhin zum Thema machen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die AfD-Fraktion. Herr Spangenberg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ihr Antrag wird von uns natürlich abgelehnt, das sage ich gleich vorneweg. Frau Buddeberg, die Aggressivität in Ihrer Rede, die müssen Sie mir einmal erklären. Man kann das auch anders sagen.

(Zuruf von der CDU: Da hat er recht!)

Herr Scheel, Sie haben gestern so schön auf die Väter und Mütter des Grundgesetzes hingewiesen; das fand ich ganz toll. Dann kennen Sie auch Artikel 6 Nr. 2, in dem steht: „Pflege und Erziehung sind das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht.“ – Damit haben die Väter und Mütter des Grundgesetzes natürlich Mann und Frau gemeint, davon können wir ausgehen.

Wenn hier so getan wird, als wenn wir in Deutschland ein Volk sind, das laufend die Leute diskriminiert, dann, bitte, erinnern Sie sich an 1740. Wir hatten in Deutschland mit Friedrich II. die erste Person, die die Freiheit angemahnt und auch durchgesetzt hat. – Das nur als Vorspann.

Wir haben ja bei diesen Lebensgemeinschaften schon eine faktische Gleichstellung – eine Gleichstellung zwischen naturbedingten Verbindungen und den gleichgeschlechtlichen Verbindungen. Meine Damen und Herren, Sie haben zum Beispiel beim Steuerrecht schon ein Splitting durchsetzen können. Das habe ich nie nachvollziehen können; denn das Splitting war ja gedacht als steuerliche Erleichterung für die kleinste Zelle des Staates, aus der die Kinder kommen, und die Kinder sind notwendig für den Erhalt des Staates. Deswegen sollte man sie fördern.