Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

Frau Nagel sprach für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt ergreift für die AfD Herr Kollege Wippel das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kollegen Abgeordnete! Schon wieder müssen wir in diesem Hohen Haus eine Debatte über das Thema Asyl führen und es scheint mir eher eine hilflose Debatte zu sein. Ich würde ja lieber über ein paar Anträge von CDU und SPD in dieser Sache sprechen, statt sich hier in Worthülsen zu ergehen.

(Beifall bei der AfD)

Aus einer Emnid-Umfrage geht hervor, dass 90 % der Bürger Menschen helfen wollen, die wegen Krieg und Vertreibung fliehen und die nach Deutschland kommen. An der Stelle sieht man eigentlich, dass eine Willkommenskultur in Deutschland grundsätzlich vorhanden ist. Die Bereitschaft ist schon da. Die Menschen müssen natürlich dann auch alles tun, sowohl die Deutschen, die hier sind, als auch die Leute, die hier herkommen, damit das Zusammenleben klappt, wenn die Asylanträge positiv beschieden worden sind.

Allerdings: 60 % aller Bürger lehnen natürlich sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge ab. Da bin ich voll und ganz dabei. Die Wirtschaftsflüchtlinge machen nämlich eins: Sie nutzen das Asylrecht zur Einwanderung. Das ist eine Problematik in der Bundesgesetzgebung, das ist Aufgabe nicht des Sächsischen Landtags, sondern das ist Aufgabe von Frau Merkel und von Herrn Gabriel. Das sind Ihre Parteivorsitzenden; reden Sie mit denen! Die können die Rahmenbedingungen auf Bundesebene stellen.

(Beifall bei der AfD)

Wenn sich nun aber Widerstand regt, dann richtet sich dieser Widerstand selten gegen die Menschen, die hier Schutz suchen, sondern er richtet sich zuerst einmal gegen eine überforderte Verwaltung. Was dann passiert, ist genau der falsche Ansatz: Sie bauen Druck auf und versuchen, eine Willkommenskultur von oben zu verordnen. Aber das ist das Falsche. Sie provozieren auf diese Art und Weise inneren Widerstand und Ablehnung. Damit wird es den LINKEN natürlich leicht gemacht, das alles

in den Topf zu werfen. Es gibt auch schwache Geister auf der rechten Seite, die dann auch alles wieder vermischen und ihren Frust an den Menschen ablassen, die sie als Erste greifen können.

Was in Deutschland allerdings funktioniert, das sind die Vorhersagen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – die bekommen Sie in einer Regelmäßigkeit Anfang des Jahres. Man geht von 15 000 Personen aus. In der Haushaltsdebatte wurde schon bekannt, dass wir mit 20 000 Personen rechnen müssen. Das habe ich Ihnen gesagt; das haben Sie mit einem Federstrich einfach weggewischt an dieser Stelle und sich zurückgezogen auf diese Aussagen. Jetzt sind wir schon bei 23 000 Personen.

Was zeigt mir das? Sie haben die Entwicklung schlicht und ergreifend verschlafen, obwohl sie absehbar war. Sie hätten an dieser Stelle auch für Ihre Pflichtaufgaben vorsorgen müssen. Nicht nur die Kommunen haben Pflichtaufgaben, sondern auch der Freistaat Sachsen hat Pflichtaufgaben. Unter anderem gehört dazu die Unterbringung dieser Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Das kommt allerdings um einiges zu spät.

Jetzt fragt man sich natürlich, wenn Sie nach und nach immer alles versuchen wollen zu kitten, weil Sie Jahre hinterherhängen, wie Sie die Menschen mitnehmen möchten, wie Sie auch die kommunale Verwaltung mitnehmen möchten. Das funktioniert nicht. Sie ziehen wieder die Karte „Pflichtaufgabe“ und reichen den Druck nach unten durch. Unten sitzen kleine Dezernenten und Landräte, die sich den Protest der Bürger anhören müssen. Das ist aus meiner Sicht ziemlich, ziemlich einfach. Aber ich denke, der Widerstand seitens Ihrer Landräte – das ist nur eine Frage der Zeit –, wird kommen.

(Zuruf von der CDU)

In Sachsen, habe ich festgestellt, wird eigentlich keine Asylpolitik gemacht, sondern was wir haben, ist faktisches Verwaltungshandeln. Deshalb müssen Sie frühzeitig dafür vorsorgen, dass die Kapazitäten entsprechend vorhanden sind. Nutzen Sie Ihren Gestaltungsanspruch, den Sie als Regierung für sich selber reklamieren. Wir haben Ihnen dabei helfen wollen. Wir haben im Dezember schon darauf hingewiesen, dass wir ein Amt für Migration und Flüchtlinge brauchen. Den Antrag haben Sie abgewischt. Sie hätten das mit Personal unterstützen können.

Nun sind die Ausländerbehörden, aber auch das Bundesamt überfordert. Man hat nicht genug Leute. Sie haben nicht genug Polizisten, die Abschiebungen durchführen können. Sie haben nicht einmal genug Leute in den Ausländerbehörden, die die Abschiebungen vorbereiten können. Sie haben nicht genug Leute, um ausländische Intensivstraftäter zu verfolgen. Sie haben nicht genug Polizisten, die an den Grenzen stehen und feststellen können, aus welchem Land jemand kommt. Natürlich können Sie nicht von einem Syrier erwarten, der nach Deutschland geschmuggelt worden ist und den Sie in Dresden antreffen, dass er weiß, ob er über die polnische oder die tschechische Grenze gekommen ist. Aber Sie

können es von dem Polizisten erwarten, der an der Grenze steht, dass der weiß, an welcher Grenze er steht, und dass er weiß, aus welcher Richtung das Auto gerade gekommen ist.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Natürlich brauchen wir aber auch mehr Sozialarbeiter, und zwar in den Bereichen der Erstaufnahmeeinrichtungen.

Die Redezeit geht zu Ende, Herr Kollege.

Ja, vielen Dank. – Nur so können wir – – Jetzt bin ich aus dem Konzept gekommen. Also, Sozialarbeiter sind wichtig, weil wir den Leuten erklären müssen, wie die Grundregeln hier in Deutschland funktionieren, damit wir diese Konflikte draußen gar nicht erst haben. Und an einer Stelle möchte ich jetzt noch – die Zeit muss ich mir nehmen – –

Nur noch einen letzten Satz, bitte.

Wer glaubt, Frauen und Kinder draußen auf der Straße angreifen zu müssen, anderen Menschen die Asylgründe an der Nase ansehen zu können, wer Häuser anzündet, der ist ein Verbrecher, im schlimmsten Falle wird er zum Mörder. Diese Menschen haben nicht einen einzigen Funken Mitleid oder Verständnis verdient, nein, diese Menschen gehören mit Fug und Recht hinter Gitter.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die AfD-Fraktion sprach Herr Kollege Wippel. Wir fahren fort in der Rednerliste. Jetzt ergreift für die GRÜNEN Frau Kollegin Zais das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich beginnen mit der Formulierung der Kollegen Pallas und Hartmann, dass sich dieser Landtag erneut mit dem Thema Asyl befassen muss, will und auch sollte. Ich möchte hierzu bemerken, dass es leider nicht so ist, dass wir das aufgrund eines Antrags, zum Beispiel der Regierungskoalition, zum Thema Asyl machen, dass wir das aufgrund eines Antrags zum Thema „Konzept für die Erstaufnahmeeinrichtungen im Freistaat Sachsen“ machen, dass wir das aufgrund eines Antrags der Regierungskoalition machen, wie man Rassismus bekämpfen kann, dass wir das aufgrund eines Antrags der Regierungskoalition machen, wie wir Asylsuchende und Flüchtlinge im Freistaat schützen oder wie wir Bürgerinnen und Bürger mitnehmen wollen. Jede Debatte, die wir hier zu diesem Thema bisher geführt haben, ging von den Oppositionsfraktionen – von LINKEN und GRÜNEN – aus. Und da, meine Damen und Herren von der CDU und der SPD, haben Sie sich bisher nicht mit Ruhm bekleckert.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich möchte an dieser Stelle nur an die Debatte erinnern, die wir im Januar zu unserem Antrag zur Sicherheit von Asylsuchenden und Flüchtlingen, die Zustände in Hoyerswerda nicht erneut zuzulassen, geführt haben. Sie, Herr Kollege Hartmann, haben sich damals hier hingestellt und gesagt, dass wir heute im Freistaat Sachsen eine völlig andere Situation als Anfang der 1990er-Jahre haben. Die damaligen 400 000 Asylsuchenden in Deutschland seien mit der heutigen Situation überhaupt nicht zu vergleichen. Sie haben jegliche Hinweise auf steigende Asylzahlen, die wir von der Opposition, insbesondere von den GRÜNEN, gebracht haben, mit einem Federstrich weggewischt. Das ist an Ignoranz nicht zu übertreffen. Es wundert mich schon, mit welche Chuzpe Sie sich hier hinstellen und sagen: Ja, das ist eine Herausforderung, und der müssen wir uns stellen.

Ich habe mich am Anfang gefragt, wozu diese Debatte dienen könnte. Soll das ein Befreiungsschlag sein? Soll das ein Ablenkungsmanöver sein? Soll der Ministerpräsident bei seiner Regierungserklärung – morgen zum Beispiel – weniger zu diesem Thema etwas sagen? Was soll das eigentlich sein, habe ich mich gefragt.

Ich bin nach den ersten Wortmeldungen von CDU und SPD wirklich der Überzeugung, dass es wiederum nur eine fadenscheinige Debatte ist. Es wird nur suggeriert, wir tun etwas, wir haben eine Absicht, ohne dass dahinter wirklich Handlungswille steht.

Was könnte diese Debatte aus der Sicht der GRÜNEN bewirken? Sie könnte – das möchte ich positiv betrachten – endlich einen Schlusspunkt setzen hinter Wochen, Monate und Jahre, die beim Thema Asyl bis heute geprägt sind von Ignoranz, Versagen, Kleinrederei, eklatanten Fehleinschätzungen, Verdrängung, Handlungsunfähigkeit und einem – bis auf wenige Ausnahmen – kaum noch steigerungsfähigen Maß an Fahrlässigkeit der politischen Klasse innerhalb der Regierungskoalition.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – Zuruf des Abg. Dirk Panter, SPD)

Sie sind ein Mindestmaß an kritischer Reflexion Ihrer bisherigen Handlung im Hinblick auf das Thema Asyl und Flucht schuldig geblieben und wie Sie die tatsächlichen Herausforderungen in Sachsen bewerkstelligen möchten.

(Zuruf des Abg. Dirk Panter, SPD)

Frau Kollegin Nagel ist bereits darauf eingegangen, dass das Problem steigender Zahlen von Asylsuchenden nicht erst seit heute – seit dem Jahr 2015 – existiert.

Sie hat ebenfalls die Probleme der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz angesprochen. Ich komme aus Chemnitz. Bis heute müssen wir feststellen, dass sich an der Situation, der mangelnden Kooperationsbereitschaft und Handlungsfähigkeit der Regierung nichts geändert hat.

(Die Rednerin stößt versehentlich ihr Wasserglas um.)

Wir finden eine schwierige Situation vor. Die gesundheitlichen Erstuntersuchungen – die Wut geht mit mir durch – sind nicht mehr realisierbar. Der Arbeitsschutz ist gefährdet. Im Juni hat die Chemnitzer Oberbürgermeisterin erneut ein Schreiben an den Innenminister gesandt. Bis heute erfolgte keine Reaktion.

Nun stellen Sie sich heute hier hin und behaupten, dass der Minister ein Konzept vorgelegt hätte und wir die Herausforderungen bewältigen könnten. Welches Konzept meinen Sie genau? Welches neue Konzept meinen Sie? Wo ist das alte Konzept? Bisher liegt uns kein Konzept vor. Wir haben in diesem Landtag noch nie über ein Papier mit der Überschrift „Konzept für die Unterbringung in der Erstaufnahme“ geredet. Das war noch nie der Fall.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Wir haben uns beständig darüber ausgetauscht, in welchem Umfang sich das Versagen des Innenministers auch auf die Situation in den Kommunen und in den Landkreisen niederschlägt. Ich möchte an Böhlen und das dort Geschehene erinnern.

Die Redezeit ist zu Ende.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Regierungskoalition! Die Liste der Fehleinschätzungen lässt sich – das werden wir in der zweiten Runde machen – fortsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Mit Frau Zais von der Fraktion GRÜNE sind wir am Ende der ersten Runde angekommen. Die einbringende Fraktion der CDU eröffnet eine zweite Runde. Das Wort erteile ich erneut Herrn Kollegen Hartmann. Sie haben das Wort; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, am Anfang deutlich zu machen, dass ich Links und Rechts nicht auf eine Stufe stelle. Es geht um Folgendes: Populismus bleibt Populismus. Wenn er zündelt, ist er zu benennen. Das ist ganz klar der Fall.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von den LINKEN)

Wir haben von Frau Nagel etwas vernommen, das mir die Gelegenheit gibt, noch einmal Folgendes klarzustellen: Worum geht es eigentlich beim Asylrecht? Vielleicht ist das ein Bestandteil der gesellschaftlichen Debatte. Wir müssen uns diesem stellen. Das Asylrecht dient dem Schutz der Menschen, die in der Heimat verfolgt werden, und soll auf befristete Zeit stattfinden – für einen Fluchtzustand oder eine Gefährdungssituation für Leib oder Leben. Es ist ein befristeter Aufenthalt in unserem Land – zu Recht – mit den damit verbundenen Maßnahmen der Unterbringung, Betreuung sowie der Akzeptanz.

Wenn es sich um einen langfristigen Aufenthalt handelt, dann spielt auch die Integration eine Rolle. Meine sehr

geehrten Damen und Herren! Vielleicht ist es auch ein Bestandteil der gesellschaftlichen Debatte und der Emotionalisierung, dass Sie immer wieder den Eindruck vermitteln, dass jeder Flüchtling und Asylsuchende als Erstes in unsere Gesellschaft zu integrieren und langfristig zu betreuen ist. Damit definieren Sie in ihrer Dialektik das Asylrecht etwas unklar. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Asylrecht ist immer noch der befristende Aufenthalt in unserem Land mit angemessenen Unterbringungsmöglichkeiten und Perspektiven bei einem langfristigen Hiersein. Das ist einmal zur Klarstellung zu sagen.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf dieser Grundlage lässt sich einerseits über die Frage diskutieren, wer diesen Anspruch hat. Zur Wahrheit gehört, dass das deutsche Asylrecht europa- und weltweit eines der weitestgehenden ist. Darauf kann man stolz sein. Man muss aber nicht so tun, als ob in Deutschland und auch in Sachsen Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen, mit denen die Ausländer am liebsten verjagt werden sollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht darum, ein angemessenes Sowohl-als-auch zu finden. Vielleicht ist es ein Bestandteil der öffentlichen Debatte, diese Trennschärfe wieder herauszuarbeiten. Wer diesen Anspruch nach dem deutschen Asylrecht nicht hat, kann auf Dauer nicht in unserer Heimat bleiben. Das ist nun einmal so. Die Konsequenz ist die Rückführung. Wenn das Verfahren den Anspruch negiert, ist zurückzuführen.