Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf dieser Grundlage lässt sich einerseits über die Frage diskutieren, wer diesen Anspruch hat. Zur Wahrheit gehört, dass das deutsche Asylrecht europa- und weltweit eines der weitestgehenden ist. Darauf kann man stolz sein. Man muss aber nicht so tun, als ob in Deutschland und auch in Sachsen Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen, mit denen die Ausländer am liebsten verjagt werden sollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht darum, ein angemessenes Sowohl-als-auch zu finden. Vielleicht ist es ein Bestandteil der öffentlichen Debatte, diese Trennschärfe wieder herauszuarbeiten. Wer diesen Anspruch nach dem deutschen Asylrecht nicht hat, kann auf Dauer nicht in unserer Heimat bleiben. Das ist nun einmal so. Die Konsequenz ist die Rückführung. Wenn das Verfahren den Anspruch negiert, ist zurückzuführen.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Dass das eine Erwartungshaltung ist, muss keinen verwundern. Bei über 4 300 Ausreisepflichtigen ist auch in Sachsen die Diskussion erlaubt und gestattet, wie damit umzugehen ist. Anderseits ist die Frage des Umgangs mit denen, die einen Anspruch auf Unterbringung aufgrund des Flüchtlingsstatus oder aus anderen Gründen haben, zu beleuchten. Sie haben ein Recht darauf, untergebracht zu werden.

Nun komme ich auf das Thema der Integration zu sprechen. Hierbei werden einige Sachen erheblich miteinander vermischt. Ich möchte noch einmal Folgendes deutlich – auch in die Richtung der LINKEN – sagen: Ja, die Bürger sind einzubinden. Bürger einbinden heißt aber nicht nur, sie mit der Keule zu zwingen, Akzeptanz zu zeigen. Bürger einbinden heißt auch, mit ihnen darüber zu reden, welche Bedenken und Probleme sie haben. Man muss einen klaren Kurs im Hinblick auf dieses Thema finden. Man kann das Thema nicht auf romantische Füße stellen. Man muss es als das verstehen, was es ist, nämlich eine gesellschaftliche Herausforderung, in der es Chancen und Risiken gibt. Das muss man ordentlich herausarbeiten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Herr Wippel, Sie können sich genauso wie Frau Zais hinstellen und sagen, dass dieses Hohe Haus und die Staatsregierung nichts tun würden. Vielleicht bemerken Sie alle es gar nicht in Ihren emotionalen und destruktiv

formulierten Reden. Ich möchte einmal Folgendes zur Kenntnis – auch in die Richtung der Bundesregierung – geben: Es hat am vergangenen Freitag eine klarstellende Regelung hinsichtlich des Bleiberechts und der Aufenthaltsbedingungen gegeben, nämlich eine Besserstellung von langfristig hier in Deutschland lebenden Asylbewerbern auf der einen Seite und eine Klarstellung zur Rückführung auf der anderen Seite. Die Staatsregierung hat ein Unterbringungskonzept für Asylsuchende vorgestellt.

Die Redezeit ist zu Ende.

Ich möchte bitte noch einmal an einen Punkt erinnern: Es gibt immer noch einen Unterschied zwischen der Verantwortung dieses Hohen Hauses, die wir gern und unbedingt wahrnehmen sollten, und der Verantwortung der Staatsregierung.

Die Redezeit ist zu Ende.

Während Sie an so mancher Stelle nur schimpfen, nimmt die Staatsregierung ihre Verantwortung sehr ernst.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der AfD und der Staatsregierung)

Kollege Hartmann hat die zweite Runde eröffnet. Die SPD-Fraktion bringt nun ebenfalls das Thema ein. Deshalb wird Herr Kollege Homann nun das Wort ergreifen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Laut dem UNHCR-Jahresbericht mit dem Titel „Welt im Krieg“ sind es fast 10 Millionen Menschen mehr als im Jahr zuvor. Das, was sich hier abspielt, ist eine humanitäre Katastrophe. Das müssen wir auch als solche wahrnehmen. Von den 60 Millionen Menschen kommen voraussichtlich 300 000 nach Deutschland. Rund 20 000 Menschen kommen nach Sachsen. Wer sagt, dass das eine Zahl ist, die wir nicht meistern können, hat das Verhältnis nicht im Blick. 20 000 Menschen kommen in ein Land mit 4 Millionen Einwohnern. Der Libanon hat ebenfalls 4 Millionen Einwohner. Er nimmt 1 Million Menschen auf. Wer mit einer „Das-Boot-ist-voll-Rhetorik“ Vorurteile und Ängste bei den Menschen schürt, macht sich mitverantwortlich.

87 dokumentierte Gewalttaten gegen Flüchtlinge gibt es seit 2014. Die Dunkelziffer wird höher sein. Diese Angriffe sind das Ergebnis einer gesellschaftlichen Stimmung, und manche geistigen Brandstifter unterscheiden sich von den militanten Brandstiftern lediglich durch die Tat. Das heißt für uns: Wir müssen dagegenhalten – nicht nur bei Gewalt, sondern auch bei rassistischen Sprüchen im Alltag.

Wussten Sie eigentlich, dass mehr Deutsche im Ausland arbeiten als Ausländer in Deutschland? Wenn alle Staaten dieser Welt beginnen würden, gesetzlich festzustellen, dass nur ihre eigenen Staatsbürger in ihrem Land arbeiten dürfen, dann wäre bei uns die Arbeitslosigkeit höher. Wir wären die Verlierer. Wussten Sie eigentlich, dass jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland vom europäischen Binnenmarkt abhängig ist und wir darauf angewiesen sind, dass Menschen in anderen Ländern unsere Produkte kaufen? Wussten Sie eigentlich, dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung in Deutschland das zweithöchste in der Welt ist und Sachsen die älteste Bevölkerung innerhalb Deutschlands hat? Wir haben also hier die ältesten Menschen im Land, und wir glauben, wir sind nicht auf Zuwanderung angewiesen. Wie naiv ist das denn?

Das zeigt, wir müssen Einwanderung als Chance begreifen. Wir dürfen dabei aber nicht nur von Nützlichkeitsargumenten ausgehen; denn die Frage von Flucht und Asyl ist vor allem eine Frage der humanistischen Haltung. Ich sage auch: Ausländische Fachkräfte werden sich in Zukunft ihre neue Heimat aussuchen können. Dabei wird gelten: Wer nicht die aufnimmt, die unserer Hilfe bedürfen, der kann nicht erwarten, dass jene zu uns kommen, deren Hilfe wir benötigen. Ausgebildete Fachkräfte werden uns daran messen, wie wir mit Flüchtlingen umgehen.

(Carsten Hütter, AfD: Zum Thema!)

Das heißt, wir brauchen eine Willkommenskultur in Sachsen. Wir haben uns dazu auf den Weg gemacht. Es gibt viele Maßnahmen, von der Sprachförderung über die Förderung von Willkommensinitiativen, über die soziale Arbeit, aber vor allem durch eine neue Haltung, die die Chancen in den Vordergrund stellt, ohne die Risiken zu verschweigen. Manche werden mir vielleicht vorwerfen, ich würde die Probleme dabei ausblenden. Ich bin mir dessen bewusst. Ich behaupte nicht, alle Migrantinnen und Migranten sind gut. Ich behaupte, alle Migrantinnen und Migranten sind Menschen. Sie zu dämonisieren ist genauso falsch wie sie zu heroisieren. Beides entmenschlicht, beides lehne ich deswegen ab.

Mein Plädoyer ist, nicht nur die Probleme zu sehen, sondern auch die Chancen. Mein Plädoyer ist, allen Menschen mit Respekt zu begegnen, jenen, die bei uns bleiben wollen und können, aber auch jenen, die uns wieder verlassen müssen oder wollen. Mein Plädoyer ist, dass wir uns unsere Gesellschaft nicht von Minderheiten spalten lassen, von Minderheiten auf deutscher Seite wie auch von Minderheiten bei den Migrantinnen und Migranten.

Wir sollten das Wesentliche im Blick haben. Manchmal, wenn auch nicht immer, ist eine Mehrheit ein klares Indiz für das Wesentliche. 51 % der weltweit Flüchtenden, also deren Mehrheit, sind übrigens Kinder. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird man wohl noch sagen dürfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Für die miteinbringende SPD-Fraktion war das Herr Homann. Wir kommen jetzt nur nächsten Rednerin. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Köditz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Herausforderungen bei der Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen gemeinsam meistern – Bürgerinnen und Bürger einbinden – Hass und Fremdenfeindlichkeit entschieden bekämpfen“: Frau Zais und Frau Nagel sind schon darauf eingegangen, dass diese Überschrift spätestens seit Schneeberg vor anderthalb Jahren eigentlich zu jeder Sitzung ein Thema einer Aktuellen Debatte hier im Sächsischen Landtag sein müsste, oft genug auch war.

(Beifall bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Sie hätten sie einbringen können, nun hören Sie aber auf!)

Ich habe genau bei den Rednern von CDU und SPD zugehört und freue mich, dass die SPD den Begriff Rassismus verwendet, weil das nämlich das Problem ist, während im Debattentitel von Hass und Fremdenfeindlichkeit geredet wird. Das Problem ist der Rassismus. Das muss auch so benannt werden. An der Stelle bin ich sehr dankbar, dass die SPD in ihren Reden diesen Begriff verwendet.

Rassismus muss entschieden bekämpft werden. Ich will die Zahlen zu den Übergriffen in Bezug auf Flüchtlingsunterkünfte noch einmal nennen: im Jahr 2012 acht, 2013 15, 2014 44. Bis Ende Mai dieses Jahres sind wir bei 31 Übergriffen.

Wenn wir diese entschieden bekämpfen müssen, dann müssen wir auch schauen, was dort ermittelt wird. Ich habe mich erschrocken, als erst im Juni festgestellt worden ist, dass es in Brand-Erbisdorf gar kein Blitzknaller war. Im Juni! Das war zu Silvester. Auch im Februar in Freiberg waren es keine Blitzknaller. Das waren Sprengstoffanschläge. Vor einigen Wochen haben wir uns noch über die Oldschool Society aufgeregt. Wir leben mit der Antwort, dass der GBA dort ermittelt. Seitdem ist für uns das Thema tot. Aber wir haben schon wieder vergessen, dass diese Gruppe Sprengstoffanschläge um den 8. Mai in Bezug auf eine Flüchtlingsunterkunft geplant hatte. Das wurde dieses Mal verhindert. Aber das, was dort gefunden worden ist, hätte Schlimmes angerichtet.

Bürgerinnen und Bürger einbinden: Ja. Frühzeitige Information: Das haben wir immer wieder verpasst. Aber seit Schneeberg ist diese Forderung aktuell. Die Liste von diesbezüglichen Verfehlungen ist ellenlang. Wir haben es bei Schneeberg diskutiert, bei Bautzen, bei Böhlen. Jetzt diskutieren wir es bei Freital. Über die Vorkommnisse in Görlitz könnten wir auch noch reden, wo schnell ein Studentenwohnheim leer geräumt wurde, um ebenfalls als Erstaufnahmeeinrichtung zu dienen. Es ist immer wieder

die Rede davon, Bürgerinnen und Bürger einzubinden. Dann wird immer vom Bürgerdialog gesprochen, aber wir haben meistens nur einen Dialog mit jenen, die Bedenken und Sorgen mit sich tragen und bei denen die Bedenken meist so weit gehen, dass dort Rassismus – –

(Sebastian Fischer, CDU: Sie kritisieren immer nur! … Das ist doch Ihr Problem, Frau Köditz!)

Schreien Sie mich bitte hier nicht an. Gehen Sie bitte ans Mikro.

(Beifall bei den LINKEN – Steve Ittershagen, CDU: Wer schreit denn hier? – Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der LINKEN und der CDU)

Es wird immer wieder von dem Dialog mit den Bürgern gesprochen, die rassistische Bedenken haben. Ich vermisse den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern, die sich seit Wochen und Monaten für die Flüchtlinge einsetzen. Ich vermisse den Dialog mit den Flüchtlingen. Ich glaube, dieses Hohe Haus sollte endlich einmal jenen Danke sagen, die sich vor Ort für Flüchtlinge einsetzen.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Unserer Fraktion ist das sehr wichtig. Deswegen hat unsere Fraktion auch den Willkommenspreis ausgelobt. Das ist ein kleiner Tropfen auf einen riesengroßen Stein. Aber es geht um Botschaften.

Herr Minister Ulbig, es tut mir wirklich leid, – –

Die Redezeit geht zu Ende.

(Lachen bei der CDU)

Wir brauchen Botschaften. Da muss man auch einmal auf der Seite jener stehen, die bei so einer Bürgerversammlung hinausgeschmissen oder ausgebuht werden. Aber nein, stattdessen gibt es immer wieder Äußerungen gerade aus der CDU, ob sie nun von Herrn Fischer oder Herrn Krauß stammen, –

Die Redezeit ist zu Ende.

– die genau in die Richtung gehen, die wir hier nicht brauchen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich erlaube mir immer wieder, die Rednerinnen und Redner auf die Redezeit hinzuweisen. Ich muss natürlich ankündigen, wenn sie massiv überschritten wird, denn dann muss ich das Mikrofon auch einmal abschalten.

Wir fahren jetzt fort in der Rednerrunde. Für die AfDFraktion ergreift Herr Barth das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herausforderungen bei der Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen gemeinsam meistern, wie wir Bürger dabei einbeziehen und Hass und Fremdenfeindlichkeit bekämpfen werden – das ist der Titel dieser heutigen Aktuellen Stunde. Ich möchte mich zunächst auf den Teilaspekt begrenzen, wie wir die Bürger dabei einbeziehen, und aus der Vergangenheit heraus die aus meiner Sicht relativ schlechte Kommunikationsstrategie unserer Sächsischen Staatsregierung in der Vergangenheit kurz beleuchten.

Erinnern wir uns, als im Jahr 2013 in Schneeberg mehr oder weniger kurz- und schnellfristig eine große Zahl von Asylbewerberheimen in der ehemaligen Bundeswehrkaserne eingerichtet worden ist. Als Reaktion auf diese Einrichtung der Außenstelle gab es Proteste von Bürgern vor Ort. Es gab auch Proteste der damaligen Landtagspartei NPD; und seitens der Staatsregierung war zu vernehmen, dass die Bürger künftig besser informiert werden sollten und man ihre Sorgen ernst nehme. – Das war zu Beginn des Jahres 2013.

Zu Beginn des Jahres 2015 wurde über Nacht die Turnhalle der Meißener Fachhochschule seitens der Landesdirektion in ein kurzfristiges Erstaufnahmelager umfunktioniert, und die Anwohner wurden darüber wenige Stunden zuvor durch einen Flyer im Briefkasten informiert. Sieht so gute Kommunikationspolitik aus, meine Damen und Herren?