Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPD-Fraktion, meine Damen und Herren, Herr Abg. Pallas. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNE-Fraktion! Im Ziel sind wir uns vermutlich im gesamten Parlament einig, dass Asylsuchende und Flüchtlinge in Sachsen vor rassistischen Überfällen geschützt werden müssen. Der Weg dorthin ist sehr vielschichtig und bedarf einer eingehenden Diskussion und Abwägung der unterschiedlichen Möglichkeiten, die wir haben. Wir werden weit mehr brauchen als Ihren Antrag, um das dahinterliegende Problem zu lösen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Zunächst einmal müssen wir unterscheiden zwischen akuten Maßnahmen in der jetzigen Situation, die zumeist mit Verwaltungshandeln einhergehen, und den notwendigen politischen und gesellschaftlichen Debatten, dem Diskurs über Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Toleranz, um die Stimmung in unserem Land positiv zu beeinflussen.

In der Aktuellen Debatte heute Vormittag haben wir uns bereits mit den aktuellen Herausforderungen beim Thema

Asyl und Integration beschäftigt. Es ist einerseits deutlich geworden, dass die Staatsregierung gerade im Bereich der Erstaufnahme schon viel getan hat.

(Zuruf der Abg. Petra Zais, GRÜNE)

Aber wir können und müssen noch besser werden. Auch das ist deutlich geworden. Wichtig war aber auch die Feststellung, dass es in Sachsen durchaus ein Problem mit Rassismus gibt. Es wurde ebenfalls festgestellt, dass mehr Menschen davon angesteckt werden könnten und dass aus einer rassistischen Einstellung heraus unter bestimmten Bedingungen rassistische Übergriffe auf Einrichtungen oder Personen entstehen könnten. Da müssen wir ran. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.

Mir stellt sich aber die Frage – um zu dem eigentlichen Anliegen Ihres Antrages zurückzukommen –, ob ein landesweites Sicherheitskonzept uns diesem Ziel tatsächlich näherbringt. Ich habe einige Zweifel, ob ein so sperriges Instrument für die Unterkünfte vor Ort mehr Sicherheit generieren könnte.

Damit eines klar ist: Sicherheitskonzepte für die Unterkünfte vor Ort müssen sein. Aber es müssen eher individuelle Sicherheitskonzepte geschaffen werden für jede einzelne Einrichtung in jeder Kommune, die eine solche hat. Denn bei jeder Unterkunft in jeder Kommune gibt es andere Akteure. Das lokale Umfeld ist ein anderes, und auch die Notwendigkeiten für die Herstellung von Sicherheit sind andere. Das kann man unmöglich in einem Gesamtkonzept zusammenfassen, es sei denn, man will es so allgemein stricken, dass es überall so ungefähr hinpasst; denn je mehr verschiedene oder mehr oder weniger vergleichbare Sachverhalte unter das Gesamtkonzept gepackt werden, desto weniger können einzelne Variablen und deren Auswirkungen dort berücksichtigt werden.

Eine erfolgreiche Sicherheitspolitik lebt jedoch von passgenauem und lageangepasstem Verwaltungshandeln. Das gegenteilige Vorgehen führt, obwohl es sicher gut gemeint ist, nur dazu, dass ohne Mehrwert nur Arbeitskraft verschwendet wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das wirklich wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNE-Fraktion. Es sind die lokalen Akteure, es sind die Kommunen, es sind die Betreiber der Unterkünfte, es ist die lokale Polizei, die viel besser für Sicherheit vor Ort sorgen können,

(Zuruf der Abg. Petra Zais, GRÜNE)

und sie tun es bereits.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das heißt nicht, dass es nach oben nicht noch Luft gäbe. Wir können immer besser werden. Aber dieser Aspekt Ihres Antrags, liebe GRÜNE, ist nicht nur unnötig, er kann in der Sache auch schädlich sein. Das wollen wir von der SPD-Fraktion nicht.

Trotzdem bleibt die Frage, wie wir rassistische Übergriffe verhindern können. Eines muss ich Ihrem Antrag zugutehalten: Ihr Antrag vom 29. Juni weist viele Parallelen zu

einem Vorschlag der SPD-Fraktion auf, den wir zu Beginn der Eskalation in Freital am 25. Juni gemacht haben. Konkret haben wir uns für einen Anti-Gewalt-Gipfel ausgesprochen, der schnell und unkompliziert alle wichtigen Akteure zusammenbringt.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Das sind neben Polizei und Verfassungsschutz Vertreter der Kommunen, der Staatsregierung, des Landtags, des BAMF sowie der Willkommensinitiativen, der Aufbauberatung, der Migranten- und Flüchtlingsverbände und natürlich der Betreiber der Unterkünfte. Ziel dieses Gipfels soll es sein, dass sich alle ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden und alle zusammen dafür sorgen, dass Gewalt gegen Unterkünfte und Flüchtlinge bekämpft und Rassismus geächtet wird. Doch, liebe GRÜNE, die hierfür notwendigen Gremien haben wir schon längst innerhalb der Staatsregierung. Es gibt den Lenkungsausschuss Asyl unter paritätischer Führung des Innenministeriums und des Ministeriums für Gleichstellung und Integration sowie das Verbändegespräch von Frau Staatsministerin Köpping.

In diesen Foren können wir diesen Vorschlag konkret weiterentwickeln und realisieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Fraktion ist in dieser Hinsicht bereits aktiv geworden. Wir haben das Thema Sicherheit von Asylsuchenden und Ehrenamtlichen aufgrund unserer Initiative auf die Tagesordnung des letzten Lenkungsausschusses setzen lassen. Es ist dort besprochen worden. Es war ein erster wichtiger Schritt und wir alle müssen da natürlich dranbleiben. Dieser Aspekt Ihres Antrags ist also nicht falsch. Aber hier haben wir bereits einen eigenen konkreten Vorschlag gemacht, den wir jetzt auch umsetzen werden.

Lassen Sie uns bei diesem wichtigen Thema bitte keine unüberlegten Schnellschüsse aus einer emotionalisierten Stimmung heraus machen. Ihr Antrag ist in Bezug auf ein landesweites Sicherheitskonzept inhaltlich unausgereift und vielleicht sogar schädlich. Dabei ist klar, dass die Bekämpfung von Rassismus ein wichtiges, auch gemeinsames Ziel ist. Aber in dieser Hinsicht ist Ihr Antrag überholt. Wir brauchen Ihren Antrag nicht und lehnen ihn deshalb ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Es folgt die AfD-Fraktion. Herr Abg. Hütter. Sie haben das Wort, Herr Hütter.

Werte Kollegen! Der Antrag der GRÜNEN, Asylsuchende und Flüchtlinge vor rassistischen Überfällen zu schützen, ist für mich ein völlig populistischer Antrag.

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Er ist nahezu gefährlich und verschleiert die wirklichen Probleme.

Die Probleme liegen viel tiefer. In Deutschland schützen wir schon über unser Grundgesetz Artikel 3 Abs. 3 die bei uns lebenden Menschen. Die Staatsregierung kommt ihrem Auftrag momentan recht gut nach. Er ist ausbaufähig. Da bin ich voll auf Ihrer Seite. Jedoch sind Polizei und Gerichte stellenweise einfach überfordert. Dies ist natürlich ein Ergebnis des teilweise unkontrollierten Zuzugs.

Die täglich stattfindenden Übergriffe finden aber auch innerhalb der Volksgruppen der Asylbewerber statt; nicht nur von unseren Bürgern gehen diese rassistischen Übergriffe aus, sondern auch innerhalb dieser Gruppen. Übergriffe auf Frauen, Übergriffe auf Polizei, Übergriffe auf Ladenbesitzer werden hier überhaupt nicht erwähnt. Es geht nur einseitig um die Übergriffe auf Asylbewerber.

(Beifall bei der AfD)

„Ersteinrichtungen und Bewerberheime sind überfüllt. Ungebremster Zustrom sorgt für diese Situation. Straftaten, Übergriffe erhöhen sich durch den enormen Zustrom“ – O-Ton von Polizeipräsident Reißmann aus Chemnitz.

Wie können wir unsere sächsischen Rentner, Frauen und Polizisten schützen? Das wäre hier auch einmal eine Frage.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Oh!)

Wir übergehen unsere Bürger.

(Beifall bei der AfD)

Dieser Antrag wird von der AfD-Fraktion abgelehnt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde aus den Reihen der Fraktionen? – Das vermag ich nicht festzustellen. Jetzt frage ich die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Heute Morgen haben wir zu diesem Thema schon intensiv diskutiert. Deshalb möchte ich ein paar Einzelaspekte, die besonders auf den Antrag zielen, herausgreifen. Aufgrund des letzten Redebeitrages möchte ich deutlich vorwegstellen: Wir als Staatsregierung und die für Strafverfolgung zuständigen Behörden gehen konsequent gegen jede Form von Straftaten vor. Vor diesem Hintergrund möchte ich deutlich sagen, dass das unabhängig davon ist, von wem die Straftat ausgeübt wird. Das ist eine Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, und der kommen wir entsprechend nach.

Eines möchte ich klar und deutlich wiederholen: Wenn es um Meinungskundgabe geht, die eine Grenze überschreitet, wenn es in Richtung Einschüchterungsversuche geht, wenn es sogar in eine Richtung geht, wo es unanständig

ist, dann muss man auch eine entsprechende Position beziehen und eine deutliche Haltung zum Ausdruck bringen. Ich habe heute Morgen nicht nur schüchtern, Herr Richter, sondern sehr klar und deutlich gesagt, dass ich das von allen verlange, die in diesem Prozess eine entsprechende Aufgabe haben, nicht nur von Politikern – von denen ganz besonders –, sondern von jedem Staatsbürger. Das bedeutet konkret, von den Politikern, die vor Ort eine Position beziehen können. Deshalb möchte ich an dieser Stelle zu Beginn das Thema Freitaler Erklärung aufnehmen, weil Sie so intensiv diskutiert haben.

Wenn wir eine Position von Menschen vor Ort erwarten, dann muss ich das bei diesem Thema insgesamt machen. Der Erklärungsversuch von Ihnen, dass Sie gesagt haben, es handele sich zu größeren Teilen um eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes und zu einem kleinen Teil sei der Landkreis betroffen – mit der Differenzierung im Erklärungsansatz habe ich meine deutlichen Schwierigkeiten. Wenn es darum geht, dass die Menschen in einer solchen Einrichtung im Fokus stehen, dann ist es völlig egal, wer der Träger dieser Einrichtung ist. Dann geht es um die Erklärung, dass man sich für den Schutz dieser Menschen positioniert.

Es ist wichtig, dass wir uns im Freistaat Sachsen repressiv, präventiv und auch kommunikativ mit diesem Thema auseinandersetzen. Das möchte ich noch einmal deutlich zum Ausdruck bringen. Wir haben das OAZ gegründet. Das Operative Abwehrzentrum hat seit Beginn des Betriebes klare Aufgaben zugewiesen bekommen: über 300 Ermittlungsverfahren. Es gibt eine klare Aufklärungsquote: nämlich 70 %. Sie wissen, dass es einen Auftrag gibt, sobald es Angriffe gegen Asylbewerberheime gibt. Dann ist es die Aufgabe des OAZ, denn dort übernehmen die Spezialisten. Aus diesem Grunde sind wir sehr konsequent in der Strafverfolgung.

Zum Verfassungsschutzbericht, den der Bundesinnenminister vorgestellt hat: Der Bundesinnenminister kann nur mit dem arbeiten, was er von den Ländern zugearbeitet bekommt. Wenn Sie sagen, Sie hätten solche Zahlen von dieser Stelle im Freistaat Sachsen noch nie gehört,

(Zuruf der Abg. Petra Zais, GRÜNE)

dann will ich deutlich sagen, dass ich sowohl bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes als auch, wenn es um die Zahlen politisch motivierter Kriminalität ging, immer klar Position bezogen und diese Zahlen auch benannt habe. Ich habe immer deutlich gesagt, dass in Sachsen der Schwerpunkt besonders im Bereich des Rechtsextremismus liegt. Das noch einmal zu diesem Thema.

Im Bereich der Prävention habe wir eine Menge Angebote. Da gibt es die Foren, die vom Landesamt für Verfassungsschutz durchgeführt werden. Wir haben das Programm „Weltoffenes Sachsen“, welches sich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt. Ich denke, der Lenkungsausschuss Asyl und das Verbändegespräch sind ein

richtiges und vernünftiges Gremium, um sich vertieft damit auseinanderzusetzen.

Was ich auch – um auf den Antrag und die Sicherheitskonzeption zurückzukommen – sagen will: Ja, es ist richtig, Herr Pallas, es muss für jede Erstaufnahmeeinrichtung und für jedes Asylbewerberheim – es geht nicht nur um die Landeseinrichtungen, sondern um die Einrichtungen insgesamt – ein entsprechendes Sicherheitskonzept erstellt werden. Da ist die örtliche Polizeidirektion eingebunden. Sie können die entsprechenden Gefährdungslagen bestimmen und aktuell auf entsprechende Tendenzen reagieren.