Protokoll der Sitzung vom 09.07.2015

Herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. – Das Umweltbundesamt hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die im Labor oder auch in Langzeitversuchen von Infraschall – –

Ihre Frage, bitte.

Die Frage ist, ob Sie diese Untersuchung des Umweltbundesamtes kennen. Ich möchte nur kurz vortragen, was dort – –

Nein, das können Sie dann in Ihrem Redebeitrag. Sie haben die Frage gestellt, ob die Untersuchung bekannt ist.

Meine Frage: Wissen Sie, dass das Umweltbundesamt 25 schwere Erkrankungen festgestellt hat, die durch Infraschall auftreten können?

Ich kenne diese Studie, ich kenne die Untersuchung. Ich weiß auch, dass diese Studie fortgeführt wird. Ich komme in meinem Redebeitrag auch noch auf unsere Erwartungen hinsichtlich dieser Studie zu sprechen. Aber wenn Sie die Studie lesen, dann ist – darauf bin ich auch schon eingegangen – die Zusammenführung von Ursache und Wirkung, also die Klärung der Quelle des Infraschalls, nicht unmittelbar abgeschlossen. Es wird durch weitere Studien ein eher uneinheitliches Bild gezeichnet. Sie können also nicht genau auf diese oder jene Windkraftanlage verweisen. Das Gesamtbild, das gezeichnet wird, ist uneinheitlich. Daher sind auch die Erkenntnisse nicht als hundertprozentig verlässlich zu bezeichnen.

Ich fahre in meinem Beitrag fort. Die vorliegenden Studien lassen insbesondere im Hinblick auf das Thema Infraschall – ich sagte es schon – ein stark differenziertes Bild in Bezug auf die Wahrnehmbarkeitsschwelle sowie die Ursachen von Infraschall erkennen. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass im Rahmen eines geordneten Genehmigungsverfahrens für Windenergieanlagen die Auswirkungen auf die Umwelt, das heißt natürlich, auf den Menschen, aber auch auf Flora und Fauna, mit erheblichem Gewicht untersucht werden und Berücksichtigung finden. Die Fortführung der zum Teil auch in Ihrem Antrag benannten Studien des Umweltbundesamtes läuft – neben vielen weiteren Untersuchungen. Im Umweltbundesamt ist diese Studie auch richtig verortet; denn eine Veränderung der Bundesimmissionsschutzgesetzgebung, insbesondere im Hinblick auf die TA Lärm, muss in ihrer Bindung für alle Bundesländer eben auch vom Bund ausgehen. Eine eigene sächsische Studie ist deshalb nicht notwendig oder zielführend.

Wenn es Ihnen im Übrigen darum geht, den Ausbau der Windenergie zu verhindern, dann sollten Sie konsequen

terweise eine Änderung des Energie- und Klimaprogramms des Freistaates beantragen; denn dieses legt nun einmal unsere Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien fest, und diese hier von Ihnen angezettelte Stellvertreterdiskussion führt letztendlich nicht zum Ziel.

Ihren Antrag lehnen wir daher ab.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nun die Fraktion DIE LINKE; Herr Abg. Böhme, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die AfD fordert hier ein Moratorium für Windenergieanlagen. Es soll also der Bau von neuen Windrädern in Sachsen verboten werden, weil diese einen sogenannten Infraschall aussenden, der für das menschliche Ohr zwar nicht wahrnehmbar, aber doch gefährlich sei. Es ist ein sehr kurzer Antrag, und er ist aus meiner Sicht auch sehr dünn. Ich möchte zu dem Antrag drei Aspekte nennen:

Erstens. Der Antrag schürt aus meiner Sicht Hysterie und Ängste bei den Bürgerinnen und Bürgern. Weshalb? In Ihrer Begründung heißt es – Zitat –: „Angesichts sich häufender Berichte von Menschen über erhebliche Einschränkungen ihrer Lebensgewohnheiten und massive gesundheitliche Beeinträchtigungen, nachdem eine

Windenergieanlage in Betrieb genommen wurde...“ usw.

Mich würde interessieren: Welche und wie viele Berichte kennen Sie bzw. meinen Sie konkret? Dazu haben Sie keine Quelle in Ihrem Antrag angegeben, obwohl Sie das bei anderen Themen schon getan haben.

Weiter heißt es, dass das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt würde und dass sich Menschen durch Windenergieanlagen unfreiwillig wissenschaftlicher oder anderer Experimente unterwerfen würden.

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Sie suggerieren damit, dass Windräder eine Art Hexenwerk seien. Sie, die den menschengemachten Klimawandel anzweifeln und leugnen, wissenschaftliche Beweise dafür ignorieren, berufen sich jetzt auf die Wissenschaft, die noch keine Beweise geliefert hat, dass Infraschall durch Windkraftanlagen zu gesundheitlichen Einschränkungen führt. Das ist meiner Ansicht nach völlig absurd.

Was wäre denn Ihre Alternative? Windenergie abschaffen, die Windräder abschalten? Okay, das kann man machen. Doch Windenergie ist eine der wichtigsten erneuerbaren Energien, welche in Sachsen den meisten grünen Strom liefern.

(Gunter Wild, AfD: Das hat man früher von der Atomkraft auch behauptet!)

Zur Atomkraft komme ich gleich, das gefällt Ihnen sicherlich auch.

Auf Windenergie zu verzichten würde unter anderem heißen, mehr auf Kohle zu setzen und damit mehr auf

Feinstaub, Quecksilber, sinkende Trinkwasserspiegel, abgebaggerte Landstriche

(Zuruf von der AfD: Arbeitsplätze!)

und erhebliche Mengen an CO2. Das wäre Ihre Alternative, liebe Alternative für Deutschland, oder – wie Sie es sicherlich auch wollen – wieder mehr Atomkraft produzieren. Auch da bin ich auf Ihre Angaben zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit gespannt.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Brückentechnologie heißt das!)

Ich will das Problem nicht kleinreden. Ja, es gibt negative Eigenschaften von Windenergieanlagen. Sie sind nicht leise, sie machen hörbare Geräusche in unmittelbarer Nähe, sie werfen Schatten und sie geben auch Schwingungen ab. Aber keine Anlage wird heute direkt neben einem Wohnhaus gebaut. Es werden immer die Bundesimmissionsvorschriften eingehalten, die Höchstwerte für Lärm und entsprechende Mindestabstände vorschreiben. Ja, Windenergieanlagen emittieren auch nicht hörbaren Infraschall, der in unmittelbarer Nähe sogar von einigen wenigen Menschen – unter 2 % der Bevölkerung –, meist jungen Menschen, wahrgenommen werden kann. Er führt, wie hörbarer Lärm, zu den allgemein bekannten Auswirkungen von Lärm wie Stress, Kopfschmerzen oder Konzentrationsschwäche.

Sie verschweigen in Ihrem Antrag, dass es Hunderte weitere Quellen für Infraschall in unserer Umwelt gibt. Fast jede Straße in Deutschland ist lauter als ein Windrad, sowohl hörbar als auch im Infraschallbereich. Infraschall wird übrigens auch von Klimaanlagen, von Zügen, von Pumpen, von Hochdruckreinigern und von Druckern erzeugt; selbst der natürliche Wind und das Wellenbrechen an Küsten erzeugen Infraschall.

Dass Sie als Autofahrerpartei nichts gegen den Infraschall von Autos machen wollen, ist mir schon klar. Oder wollen Sie das demnächst vielleicht auch noch verbieten?

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Solche dummen Bemerkungen!)

Darüber können wir reden, aber ich denke nicht, dass es Ihr Ansinnen ist. Das haben Sie auch gerade gezeigt.

Jede Art der Energieerzeugung hat gewisse Nachteile und Auswirkungen auf die Umwelt. Doch gerade bei den erneuerbaren Energien sind es die, die am gesellschaftlich verträglichsten sind, und es werden auch vor Ort, zum Beispiel bei der Windkraft, Emissionsgrenzwerte vorgegeben. Diese werden auch in Sachsen eingehalten.

Die Weiterentwicklung dieser recht neuen Technologie zur Stromerzeugung geht auch immer noch weiter. Die Wärmeemissionen von neuen Anlagen sind heute erheblich geringer als die von alten Anlagen, und das bei erheblich mehr Leistung.

Damit komme ich schon zu meinem zweiten Punkt. Ihr Antrag hilft den von Ihnen betroffenen Menschen nicht. Die alten Anlagen, die lauter sind als neue, durch leis

tungsstärkere und leisere zu ersetzen, das sogenannte Repowering umzusetzen, ist nicht möglich. Sie können nicht ersetzt werden, weil Sie den Ausbau von weiteren Windanlagen stoppen. Dass die alten Anlagen weiterlaufen können, stört Sie scheinbar nicht. Sie gehen auf die Betroffenen nicht ein. In Ihrem Antrag steht das aber nicht. Sie wollen ein Moratorium für neue Anlagen. Wenn Sie konsequent sein wollen, dann müssten Sie den Stopp für alle Anlagen fordern, wenn denn der Infraschall so gefährlich ist.

Ihr Antrag will schlicht und einfach die Modernisierung von Windparks in Sachsen verhindern und trifft damit eine ganze Wirtschaftsbranche mit über 5 000 Beschäftigten allein in Sachsen.

Drittens. Was wir brauchen – darüber sollten Sie sich eigentlich aufregen –, ist eine bessere Bürgerbeteiligung bei der Planung von Windkraftanlagen. Liebe AfD, anstatt hier mit einem – Pardon! – dämlichen Antrag herzukommen und

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Das ist Ihr Beitrag!)

der Staatsregierung verbieten zu wollen, Windenergieanlagen zu bauen, sollten Sie lieber der Staatsregierung die Leviten lesen, was das Thema Bürgerbeteiligung vor Ort angeht. Dort gibt es erheblichen Nachholbedarf. Meine Fraktion wird dazu nach der Sommerpause einen entsprechenden Antrag einbringen, in dem es darum geht, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht nur informiert werden, sondern auch bei der Entscheidungsfindung eingebunden werden, wo und wie Anlagen gebaut werden. Es soll auch die Möglichkeit geschaffen werden, sich finanziell, zum Beispiel als Kommune, als Privatperson, als Genossenschaft oder als Verein, an einer solchen Anlage zu beteiligen.

Ich freue mich auf diese Debatte nach der Sommerpause. Sie wird sicherlich gewinnbringend für alle Beteiligten. Aber mit Hysterie und Panik, wie sie von Ihnen verbreitet wird, wird das nichts. Daher werden wir Ihren Antrag selbstverständlich ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN – Dr. Stefan Dreher, AfD: Wie wäre es, wenn Sie vor dem Reden nachdenken?)

Die SPD-Fraktion; Herr Abg. Vieweg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Urban, die Koalition hat mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages klargemacht, dass wir neue Wege in der Energiepolitik gehen werden. CDU und SPD haben darin ein klares Bekenntnis zur Windenergie abgegeben. Wir haben uns klar positioniert: Wir wollen die Windenergie in Sachsen voranbringen. Ich hoffe, das haben Sie gelesen, sehr geehrter Herr Kollege Urban.

Wir haben ganz klar einen Schlüssel definiert. Der Schlüssel liegt für uns bei den regionalen Planungsverbänden. Die Kompetenz liegt vor Ort. Die regionalen Planungsverbände sollen mit einer flexiblen Abstandsregelung selbst entscheiden, wo sie Potenzialflächen auslegen, wo sie Vorrang- und Eignungsflächen auslegen. Der Schlüssel liegt aus unserer Sicht auch auf der anderen Seite: Er liegt bei uns in der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen sie zukünftig verstärkt in die Planung einbeziehen. Die Einbeziehung muss auch finanziell möglich sein. Der Kollege von der Linksfraktion hat es gerade angesprochen: Der Schlüssel für mehr Akzeptanz liegt in der finanziellen Beteiligung. Das wollen wir zukünftig ermöglichen. Die Koalition wird konkrete Vorschläge unterbreiten, wie wir die Bürgerinnen und Bürger und die Kommunen in Sachsen finanziell an den Gewinnen, die mit Windenergie erzielt werden können, beteiligen.

Sehr geehrter Herr Urban, Sie haben sicherlich schon festgestellt, dass sich mit Windenergie gutes Geld verdienen lässt. Mit unserem Ansatz für Bürgerbeteiligung wollen wir erreichen, dass diejenigen, die im Umfeld dieser Windenergieanlagen leben, auch von der Wertschöpfung profitieren bzw. partizipieren können. Der Schlüssel liegt für uns in der Energiewende, ein Schlüssel für mehr Akzeptanz, für mehr Wind in Sachsen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen.

Sehr geehrter Herr Urban, Ihr Moratorium bedeutet, dass ab sofort jeglicher Ausbau von Windenergieanlagen in Sachsen nicht mehr möglich ist. Das steht allen Zielen, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, entgegen. Auch aus energiepolitischen Gründen kommt das für uns überhaupt nicht infrage. Aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Es gibt noch weitere Gründe, Ihren Antrag abzulehnen. Ich möchte kurz auf Ihre Begründung eingehen. Sie schreiben über die Legende vom Infraschall. Sie sagen, durch Windenergieanlagen entstehen Infraschallemissionen, die für die in der Umgebung lebenden Menschen gesundheitsgefährdend sind.

Sehr geehrter Herr Urban, dafür gibt es keinerlei wissenschaftliche Bestätigung.

(Zuruf von der AfD: Deshalb soll es untersucht werden!)

Es gibt zahlreiche Untersuchungen an Windenergieanlagen, die zu dem Ergebnis kommen, dass keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Infraschall zu ermitteln sind. Ich zitiere aus dem Faktenpapier „Windenergie und Infraschall“ des hessischen Ministeriums für Wirtsschaft, Energie und Verkehr vom Mai 2015: „Ein wissenschaftlich eindeutiger Zusammenhang zwischen Infraschall durch Windenergieanlagen und gesundheitlicher Belastung ist nicht herstellbar.“