Protokoll der Sitzung vom 09.07.2015

Nun wird der Gesetzentwurf auf Bundesebene momentan erarbeitet, er liegt als Referentenentwurf vor, Anhörungen sind gelaufen, Stellungnahmen abgegeben, und – auch das wurde schon angeführt – am 15. Juli wird im Bundeskabinett über das Gesetz entschieden.

Parallel dazu haben wir hier im Land den Prozess seit Langem in Gang gesetzt. Wir haben Gespräche mit der kommunalen Familie geführt, mit den kommunalen Spitzenverbänden, SSG, SLT. Wir haben Gespräche mit den Jugendämtern geführt, Kontakt mit den Landräten und Oberbürgermeistern aufgenommen. Die Vorbereitungen für die Anpassung an das Landesjugendhilfegesetz

laufen. Ja, und wir haben – ich denke, das zeigt die Wertigkeit dieser Aufgabe in meinem Ministerium – eine Stabsstelle dafür eingerichtet. Genau dieses Signal soll deutlich machen, dass wir hier gezielt, gebündelt – nämlich mit den Mitarbeitern aus dem Sozialministerium, mit den Mitarbeitern aus den anderen Häusern, den Vertretern der kommunalen Ebene – diese Thematik gemeinsam angehen.

Noch ein Wort zu den finanziellen Aspekten: Statistisch wird berechnet – die Zahlen sind vielleicht dem einen oder anderen bekannt –, dass ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling rund 24 500 Euro im Jahr kostet. Investitionen, die noch notwendig sind, sind dabei nicht eingerechnet. Wir gehen davon aus, dass eine finanzielle Beteiligung des Bundes noch eingefordert werden muss, weil zurzeit im Bundesgesetzgebungsverfahren davon noch nichts zu lesen ist.

Ab 01.01.2016 werden also die ersten unbegleiteten minderjährigen Ausländer nach dem Schlüssel, wenn das Gesetz verabschiedet wird, verteilt und sie werden auch hier im Freistaat Sachsen ankommen. Ja, ich weiß, es ist nicht mehr viel Zeit, und ich weiß auch, dass wir die Jugendämter beim Aufbau der neuen Strukturen unterstützen müssen. Wir müssen auch – das ist eine klare Forderung – unser Landesjugendamt mit zusätzlichem Personal ausstatten.

Meine Damen und Herren! Die geplante bundesweite Verteilung unbegleiteter minderjähriger Ausländer ist eine höchst komplexe Materie. Sie muss Schritt für Schritt, sicher in Abhängigkeit von dem Fortschritt beim bundesgesetzlichen Gesetzgebungsverfahren, letztlich umgesetzt werden. Die Staatsregierung hat von Anfang an dieses Thema intensiv auf Bundes- und Landesebene begleitet und wird es selbstverständlich weiterhin tun, und dies – das möchte ich betonen – ganz eng mit der kommunalen Familie.

Wir wissen, es geht nicht ohne die Jugendämter, und im Gegenzug brauchen die Jugendämter hierbei unsere Unterstützung. Die Versorgung der Kinder und Jugendlichen muss vor Ort individuell und passgenau gestaltet werden. Die Regierung und die Kommunen werden die Herausforderungen zum Wohl der Kinder und Jugendlichen meistern.

Frau Klepsch, ganz zum Schluss sei gesagt: Sie können sicher sein, dass ich diese Aufgabe im Schulterschluss mit der kommunalen Familie meistern werde und die kommunale Familie nicht – wie es angesprochen wurde – allein im Regen stehen lasse.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das Schlusswort hat die Linksfraktion. Frau Nagel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich will nicht mehr so viel sagen, denn es ist schon genügend dazu gesprochen worden. Eigentlich haben ich und meine Fraktion den Eindruck, dass die Debatte in die Richtung ging, dass unser Antrag tatsächlich zur rechten Zeit kommt – die Mitte zwischen zu spät und zu früh – und dass nichts entgegensteht, diesem Antrag zu folgen, um den Prozess – das ist eine wichtige Forderung, die wir immer stellen – auch als Landtag zu flankieren. Es nützt uns nichts, wenn das in Ihrem Ministerium, das natürlich federführend ist, passiert, aber wir wollen einbezogen werden und mitsprechen.

Ich will noch eine Anregung in die Debatte bringen: Es gibt schon länger stapelweise Stellungnahmen zu diesem Gesetzentwurf, und diese Stapel wachsen an. Der Bundesverband Erziehungshilfen schlägt vor – das zieht auch ein Thema, das wir schon gestern hatten, nach sich –, ein Konzept vorzulegen. Sie nennen es „Jugendhilfegerechtes Aufnahme- und Integrationskonzept für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“. Das könnte ein Bestandteil einer Unterbringungs- und sonstigen Konzeption des Freistaates sein, die wir ja noch nicht haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/1409 zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Sie an die Einladung unseres Landtagspräsidenten erinnern. Wir werden dann auch Gäste haben, und ich denke, wir werden weiterhin unsere Tagesordnung zügig abarbeiten.

(Beifall des Abg. Jens Michel, CDU)

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 7

Moratorium für Windkraftanlagen im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/2009, Antrag der Fraktion AfD

Auch hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die AfD, danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile der AfD-Fraktion das Wort; bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Die AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag beantragt heute ein Moratorium für Windkraftanlagen im Freistaat Sachsen.

Ziel des Antrages ist erstens der Erlass eines sofortigen Moratoriums für den weiteren Ausbau der Windkraft im Freistaat Sachsen. Eine Aufhebung dieses Moratoriums soll erst dann erfolgen, wenn ein rechtssicherer Nachweis erbracht ist, dass durch den Betrieb von Windkraftanlagen keine Beeinträchtigungen für Mensch und Tier ausgehen, die nach den gesetzlichen Rechtsnormen des Freistaates Sachsen unzulässig sind.

Zweites Ziel des Antrages ist die Auftragserteilung für eine Studie durch den Freistaat Sachsen zur wissenschaftlich fundierten Klärung, ob bzw. welche gesundheitlichen Auswirkungen durch Emissionen von Windkraftanlagen für Mensch und Tier ausgehen. Windkraftanlagen beeinträchtigen nicht nur unsere sächsischen Kulturlandschaften und tragen zur immer weiteren Verteuerung der Stromversorgung bei, sondern stehen auch zunehmend im Verdacht, schädlich für die Gesundheit von Mensch und Tier zu sein. Windkraftanlagen emittieren nach Untersuchungen verschiedener wissenschaftlicher Institute und Vereinigungen im Wesentlichen Infraschall von 0 bis 20 Hertz unterhalb der Hörschwelle und niederfrequenten Schall von 20 bis 140 Hertz, hörbar und spürbar.

Infraschall und niederfrequenter Schall sind seit Längerem nach Untersuchungen des Robert-Koch-Institutes dafür bekannt, dass sie als Schwingungen auf einzelne Organe und Partien des menschlichen Körpers übertragen werden. Kopf und Gehirn, aber auch andere Körperorgane werden nach diesen Untersuchungen direkt und indirekt beeinflusst. Nervosität, Schlafstörungen, Angstzustände, Depressionen, Konzentrationsmangel und erhöhtes

Herzinfarktrisiko sind die Folgen dieser Beeinflussung. In Berichten von Menschen, in deren Wohnumfeld Windkraftanlagen betrieben werden, wird über erhebliche Einschränkungen ihrer Lebensqualität geklagt und massive gesundheitliche Beeinträchtigungen häufen sich.

Was ist der Stand der Forschung? Nach einer Machbarkeitsstudie des Umweltbundesamtes gibt es in Deutschland nur sehr wenige Studien zu Infraschall, die insbesondere nicht eine Dauerexposition im Umfeld von Windkraftanlagen untersuchen.

Alarmierend ist nach dieser Studie auch die Tatsache, dass die in Deutschland angewendeten Normen und Messver

fahren für Windkraftanlagen deutliche Defizite aufweisen und keine objektive Beurteilung der Dauerbelastung durch Infraschall und niederfrequenten Schall zulassen. Insbesondere die Technische Anweisung Lärm ist demnach nicht geeignet, um das Emissionsspektrum moderner Windkraftanlagen der Megawattklasse und deren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu bewerten.

Nach amerikanischen Untersuchungen gibt es keinen baulichen Schutz gegen Infraschall. Infraschall wird auch in geschlossene Gebäude und Räume hinein übertragen. Deshalb fordern verantwortungsbewusste Ärzte Abstände von 3 bis 5 Kilometern oder sogar von 10 Kilometern zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung. Der 118. Deutsche Ärztetag im Mai 2015 bezog eindeutig Stellung zu diesen ungelösten Problemen und forderte die Bundesregierung auf – ich zitiere –: "..., die Wissenslücken zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Infraschall und tieffrequentem Schall von Windkraftanlagen durch wissenschaftliche Forschung zu schließen sowie offene Fragen im Bereich der Messmethoden zu klären und gegebenenfalls Regelwerke anzupassen, damit der Ausbau und der Betrieb von Windkraftanlagen mit Bedacht, Sorgfalt, ganzheitlicher Expertise, Nachhaltigkeit und gesamtgesellschaftlicher Verantwortung erfolgen kann.“ Als zusätzliche Ziele dieser notwendigen Forschung werden vom Ärztetag neben dem Infraschall benannt:

Erstens – die Bewertung der Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Geräuschentwicklung und Schattenwurf von Windkraftanlagen,

zweitens – die Untersuchung von Körperschall, der durch die Biegeschwingungen der Windkrafttürme entsteht und bis in Entfernungen von über 10 Kilometern nachweisbar ist.

Die Sächsische Verfassung garantiert jedem Bürger des Freistaates das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Dabei muss der Freistaat auch proaktiv tätig werden, wenn die Wahrscheinlichkeit von Gesundheitsschäden sowohl durch die Wissenschaft als auch durch die Ärzteschaft bestätigt wird. Die Sächsische Staatsregierung ist aufgefordert, durch aktives Handeln Abhilfe zu schaffen und Klarheit darüber herzustellen, welche gesundheitlichen Auswirkungen tatsächlich entstehen, wenn Menschen einer Dauerbelastung durch Infraschall von Windkraftanlagen ausgesetzt sind.

Für Nutztierhaltungen gibt es derzeit überhaupt keine Mindestabstandsregelungen für Windkraftanlagen, obwohl es augenfällig ist, dass natürlich nicht nur Menschen unter Schattenwurf, Lärm und Schwingungen leiden. Erschreckende Erfahrungen aus Dänemark zeigen, dass auch Nutztiere durch die Belastung mit Infraschall geschädigt werden. Die gegenwärtige Genehmigungspraxis

zur Errichtung und zum Betrieb von Windkraftanlagen verletzt aus Sicht der AfD die in der Sächsischen Verfassung festgeschriebenen Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit, auf den Schutz des Tierwohls sowie auf den Schutz der Umwelt als Lebensgrundlage für kommende Generationen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, nun die CDU-Fraktion; Herr Abg. Fritzsche, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der vorliegende Antrag fordert auf recht populistische Art und Weise den sofortigen Stopp des Ausbaus der Windenergie in Sachsen,

(Empörung bei der AfD)

eine Forderung – so will ich es einmal formulieren –, die hier in den Raum gestellt wurde, ohne sich wirklich über die Folgen im Klaren zu sein; eine Forderung, gestützt auf wenige mehr oder weniger valide Studien und Untersuchungen sowie Zeitungsartikel, welche in ihrem Inhalt bereits korrigiert wurden. Um es deutlich zu sagen: Auch wir als CDU nehmen die Berichte über mögliche Beeinträchtigungen durch Windenergieanlagen sehr ernst und unterstützen die bereits laufenden Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen dieser Anlagen.

Bereits vorliegende wissenschaftliche oder auch populärwissenschaftliche Studien sowie Berichte zeichnen aber ein eher uneinheitliches Bild über Ursachen und Wirkungen. Bereits mehrere Gerichte haben sich mit der Thematik befasst. Beispielsweise ist an dieser Stelle auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. Juni 2014 hinzuweisen, welches zusammenfassend feststellt, dass – Zitat – „... im Übrigen hinreichende wissenschaftlich begründete Hinweise auf eine beeinträchtigende Wirkung der von Windenergieanlagen hervorgerufenen Infraschallemissionen auf den Menschen bisher nicht vorliegen.“

Herr Fritzsche, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich würde das Zitat noch zu Ende bringen und danach die Zwischenfrage gestatten.

Bitte sehr.

„Bei komplexen Einwirkungen, über die noch keine hinreichenden wissenschaftlichen Kenntnisse vorliegen, gebietet die staatliche Schutzpflicht aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz nicht, alle nur denkbaren Schutzmaßnahmen zu treffen. Deshalb ist der Verordnungsgeber nicht verpflichtet, Grenzwerte zum Schutz vor Emission zu verschärfen oder erstmals festzuschrei

ben, über deren gesundheitsschädigende Wirkung keine verlässlichen Erkenntnisse vorliegen.“

Herr Wild, bitte, Ihre Zwischenfrage.

Herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. – Das Umweltbundesamt hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die im Labor oder auch in Langzeitversuchen von Infraschall – –