Es passiert genau das, was an dieser Stelle, wie ich finde, den jungen Menschen nicht gerecht wird. Wir versuchen genau darauf hinzuweisen. Sie fangen an, in einer Debatte über Kinder wieder Ihre alte, von Ressentiments geprägte Politik und Argumentation gegen Flüchtlinge und Asylsuchende aufzumachen. Wer in einer Debatte über Kinder in einem ganzen Absatz über Kriminalität spricht,
wer in einer Debatte über Kinder von Überforderung spricht, wer nicht in den Blick nimmt, dass das junge Menschen sind, die am allerwenigsten für ihr Schicksal können – tut mir leid, Herr Wendt –, der vergeht sich hier an der Sache.
Herr Homann, ich habe mich ganz klar und deutlich für die Aufnahme und die kindgerechte Unterbringung von minderjährigen Asylbewerbern
ausgesprochen. Aber die Medaille hat doch zwei Seiten, und ich möchte die Staatsregierung dazu auffordern, dass sie sich darauf vorbereitet, dass es vielleicht auch Fälle geben könnte, bei denen man sich wehrt, aufgenommen bzw. hier integriert zu werden. Mehr ist es nicht.
Ich wiederhole: Ich spreche mich für die Aufnahme von Kindern aus, und wir sind hier in der besonderen Pflicht. Das, was die Staatsregierung in der Vergangenheit in Bezug auf die UMA abgeliefert hat, zeugt eindeutig von
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es kurz machen. Unsere Fraktion wird dem vorgelegten Antrag der LINKEN zustimmen. Der Antrag ist gut, der Antrag ist wichtig, der Antrag kommt auch nicht zu spät. Er kommt zur rechten Zeit. Er kommt auch deshalb zur rechten Zeit, weil wir mit großer Sicherheit davon ausgehen können, dass das mehrfach erwähnte Gesetz zur Sicherstellung der kindgerechten Versorgung, Betreuung und Unterstützung von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen so sicher kommen wird, wie das Amen in der Kirche.
Die Länder, die in besonderem Umfang von hereinkommenden Jugendlichen betroffen sind, fordern die solidarische Verteilung. Auch Sachsen wird sich darauf einstellen müssen – die Zahl wurde heute bereits genannt –, dass zwischen 1 000 und 2 000 dieser Kinder und Jugendlichen zu uns kommen werden.
Die Landesregierung wäre nach unserer Auffassung gut beraten, sich darauf vorzubereiten. Der Antrag der LINKEN gibt mit dem Berichtsteil und unter anderem auch mit der Forderung nach Einrichtung eines landesweiten Kompetenzzentrums hier eine gute Orientierung.
Ich möchte ganz kurz noch etwas zu der vom Landwirtschaftsminister unterzeichneten Stellungnahme zum
Antrag der LINKEN zu diesem Thema sagen. In der Stellungnahme zu Punkt II.3 des Antrages, in der es um die Informationen aus den Kommunen geht, findet man folgenden Satz: „Im Freistaat Sachsen liegen dezidierte Angaben zu den jeweiligen personellen und sachlichen Ressourcen vor Ort aktuell nicht vor. Sie sind nicht Gegenstand der gesetzlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik nach dem SGB VIII.“ Das stimmt. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Informationen, die öffentlich zugänglich sind. Es gibt auch die Möglichkeit – diese sollte man rege nutzen –, dass man einfach einmal anfragt. Es gibt die Gremien, es gibt den Sächsischen Städte- und Gemeindetag, es gibt den Landkreistag. Die Oberbürgermeister und Landräte sind auskunftswillig und auch auskunftsfähig.
Ich möchte ganz kurz auf das, was ich gestern schon einmal mithatte, verweisen, nämlich den Bericht der Oberbürgermeisterin der Stadt Chemnitz zum Thema Asyl. Dort bilden regelmäßig die Berichte zum Problem minderjähriger unbegleiteter Ausländer einen wesentlichen Schwerpunkt. Damit man sich schon einmal vorstellen kann, was auf uns zukommt. Die Stadt Chemnitz hat aus aktuellem Anlass die Personalkapazitäten im Clearing-Verfahren erhöht. Die Stadt geht davon aus, dass wir
für diese Aufgaben einen Personalschlüssel von 1 : 50 brauchen. Dieser Personalschlüssel wird sich weiter erhöhen müssen. Die Stadt Chemnitz geht davon aus, dass, wenn dieses Gesetz kommt – und es wird kommen –, bei einer Aufteilung auf die urbanen Räume circa 650 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge allein nach Chemnitz kommen werden. Das wird einen zusätzlichen Finanzbedarf von circa 3,6 Millionen Euro für die Stadt bedeuten.
Das ist auch einmal eine Größenordnung, damit Sie wissen, was auf uns, was auf die großen urbanen Räume zukommt. Ich sehe dies, wenn ich in den Doppelhaushalt schaue, überhaupt nicht. Das ist eine Frage, über die wir heute reden sollten. Das ist vernünftig. Wir haben keine gegensätzlichen Argumente gehört. Ich könnte überhaupt nicht verstehen, wenn man einem sehr sachlichen Antrag heute nicht zustimmen könnte. Unsere Fraktion wird das tun.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche es kurz zu machen und stelle an den Anfang: Die SPD denkt, wir sind zu früh, die AfD denkt, wir sind zu spät, wir denken, wir sind mit diesem Antrag genau richtig. Wenn ich darauf hinweisen darf, wird in der nächsten Woche im Kabinett auf Bundesebene der Gesetzentwurf besprochen. Wir können uns sicher sein – das hat meine Vorrednerin auch gesagt –, dass dieses Gesetz zum Anfang des Jahres 2016 auf uns zukommen wird. Ich glaube, die fünf Monate, die uns verbleiben, um Vorkehrungen zu treffen, sind eigentlich schon fast zu wenig Zeit. Es ist auch in den Medien, glaube ich, verlautbart worden, dass das ganz schön knapp ist.
Meine Kollegin Anne Klepsch hatte bereits auf die Landesebene verwiesen. Ich wollte noch ein paar grundsätzliche Erwägungen zu dieser Neuregelung ergänzen und was das für die betroffenen Jugendlichen bedeutet.
Die Fachverbände aus Jugendhilfe und Flüchtlingsarbeit würdigen bundesweit die Fortschritte, die in den letzten Jahren bei Aufnahme, Betreuung und Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen eingetreten sind. So ist das Kindeswohl zum Maßstab des Umgangs mit den jungen Menschen geworden, unabhängig von Aufenthaltsstatus und Perspektive der Anerkennung als asylsuchender Flüchtling. Defizite werden aber weiter bei der Alterserkennung, mit der die Jugendlichen oft älter gemacht werden, und beim Zugang zur Bildung gesehen. Das sind auch Themen, die uns hier in Sachsen betreffen.
Die auf der Bundesebene aktuell diskutierte Veränderung stellt eine quotenbasierte Verteilung der Flüchtlinge in den Mittelpunkt und droht, das Primat des Kindeswohls – und das ist eine grundsätzliche Anmerkung – wieder in
den Hintergrund zu schieben. Das lehnen wir als LINKE ab. Wir wollen keine statische Verschickung von Jugendlichen in irgendwelche Regionen Deutschlands, die eben keine Erfahrungen damit haben und wo die jungen Menschen wahrscheinlich auch nicht hinwollen.
Wir werden uns der Neuregelung stellen müssen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass es eigentlich klar ist, dass das Gesetz zum Jahresbeginn 2016 in Kraft treten wird.
Die Hauptherkunftsländer von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sind bundesweit und auch in Sachsen Afghanistan, der Irak, Syrien, Eritrea und Somalia, also der afrikanische Raum und Länder, die in Asien liegen. Als Fluchtgründe gelten vorrangig Kriege und bewaffnete Konflikte, der Einsatz von Kindern als Kindersoldaten oder Gewalt im familiären Umfeld. Es sind eritreische junge Männer, die den Militärdienst verweigert haben und aus Angst vor Folter, vor Menschenrechtsverletzungen, die ihnen in ihren Herkunftsländern drohen, hierherfliehen. Es sind junge Menschen aus dem Iran, die wegen oppositioneller Tätigkeit inhaftiert waren, die diesem Los entkommen und hierherfliehen konnten.
Wir sind uns in diesem Hohen Hause einig – darüber gab es fast fraktionsübergreifend Zustimmung –, dass wir über eine besonders schutzbedürftige Gruppe von Menschen reden, für die bestimmte Mechanismen angewandt werden müssen. Genau dies würdigen internationale Übereinkommen und Regelungen wie das Menschenrechtsabkommen, die Europäische Menschenrechtskommission und seit 2010 mit Rücknahme des ausländerrechtlichen Vorbehalts durch die Bundesregierung auch die UNKinderrechtskonvention. In diesem Sinne hat das Kindeswohl bei behördlichen Entscheidungen den Vorrang.
Ein erhebliches Problem haben bis dato allerdings die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge von 16 bis 18 Jahren, die den größten Anteil – das wurde schon gesagt – dieser Personengruppe darstellen. Neben zweifelhaften Altersfeststellungen sind sie mit einer rechtlich widersprüchlichen Situation konfrontiert. Das Asylrecht kollidiert mit Regelungen der UN-Kinderrechtskonvention. Laut dem Asylverfahrensgesetz ist eine Person ab dem 16. Lebensjahr handlungsfähig. Das ist früher, als dies für Minderjährigkeit nach der Jugendhilfelogik gilt. Für sie entfallen dann die Schutzmechanismen wie die Bestellung eines Vormundes, die Unterbringung in Jugendhilfeeinrichtungen oder eine kompetente Begleitung im Asylverfahren, so dies angestrebt wird.
In Sachsen – darauf will ich kurz verweisen – waren 70 % der 2013 eingereisten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge über 16 Jahre alt. Ein Teil von ihnen verblieb in der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz, obwohl dort keine zumutbaren Lebensbedingungen für sie vorzufinden sind.
Mit ihrem Gesetzentwurf will die Bundesregierung zumindest diese disharmonische Regelung ändern und die Altersgrenzen im ausländerrechtlichen Verfahren anheben. Das ist richtig, denn es gibt nur eine Minderjährigkeit. Die liegt eben bei 18 Jahren. Es ist sehr schade, dass
genau dieser Punkt, der auch von Fachverbänden durch die Bank als positiv erachtet wird, von unserer Staatsregierung gegenüber der Bundesregierung abgelehnt wird. So konnte ich das vorhin nachlesen.
Das Quotenverteilsystem können wir im Sächsischen Landtag nicht antasten. Es ist trotzdem problematisch. Es verlängert das gesamte Verfahren, das die Kinder und Jugendlichen durchlaufen müssen, unnötig. Es gibt weitere strapaziöse und stressige Stationen, bis die Kinder und Jugendlichen tatsächlich ihren Vormund bekommen und in die Aufnahmeeinrichtung kommen, in der sie dann auch bleiben können.
Schlussendlich lässt sich aus Sicht der LINKEN sagen, dass in dem Gesetz der Wurm drin ist. Wir müssen uns dem aber wohl oder übel wahrscheinlich beugen. Darum müssen wir auf Landesebene die Situation verbessern. Ich will nicht wiederholen, was meine Kollegin gesagt hat.
Lassen Sie uns die notwendigen Vorkehrungen treffen. Greifen Sie, liebe Staatsregierung, den Kommunen hier unter die Arme. Fordern Sie die adäquate Unterstützung vom Bund an. Es ist eine zentrale Forderung, den Bund hier auch in die Verantwortung zu nehmen.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich jetzt der Staatsregierung das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin Klepsch.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir haben heute schon viel über Asyl, über Ausländer, über sogenannte UMA gehört. Wenn wir von den UMA, von den unbegleiteten minderjährigen Ausländern oder unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sprechen, dann sprechen wir von jungen Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründe ihre Heimat verlassen haben. Wir sprechen von jungen Menschen, die ohne Eltern, ohne Familien in ein fremdes Land kommen und – so wie es in der Fachsprache heißt – aufgegriffen werden. Das sind junge Menschen, die schon allein wegen ihres Alters besonders schutzbedürftig sind.
Es wurde bereits viel über die Gesetzgebung angeführt. Bleiben wir bei den unbegleiteten minderjährigen Ausländern im Bundesland. Wenn sie aufgegriffen wurden, wurde die Aufteilung bisher immer in dem Bundesland vorgenommen, in dem der junge Mensch ankam. Das führt dazu, dass wir in unserem Freistaat Sachsen zurzeit rund 250 junge Menschen haben, die überwiegend in Dresden, Leipzig und in der Sächsischen Schweiz/Osterzgebirge untergebracht sind. Die Zahlen von Bayern hat Frau Klepsch angesprochen. In Bayern allein sind 5 000 unbegleitete minderjährige Ausländer.
Hessen, Saarland, Bayern und die anderen Bundesländer, in denen eine Vielzahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer ankommen, haben in den letzten Monaten massiv die Thematik in die Diskussion gebracht. Bisher war der Aufteilungsschlüssel, wie ich ihn eben erwähnt habe. Die anderen Bundesländer sind in einem bundesweiten Erstattungsverfahren finanziell herangezogen worden. Für unseren Freistaat Sachsen waren das in den letzten Jahren rund 8,5 Millionen Euro pro Jahr. Wenn wir die Nachrichten hören, dann wissen wir, dass die Zahlen teilweise monatlich nach oben gehen. Ich glaube, mein Kollege Ulbig kann ein Lied davon singen. Wir wissen, dass sich auch bei den unbegleiteten minderjährigen Ausländern die Zahlen in den letzten Monaten und Jahren nach oben korrigiert haben.
Nehme ich die Zahl für Sachsen, wie sie uns noch vor wenigen Wochen schriftlich zugearbeitet wurde, so war das damals ein Wert von 664 unbegleiteten minderjährigen Ausländern. Nun wissen wir, dass wir allein mit der Prognose für Deutschland von 15 000 bis 20 000 und der Berechnung nach dem Königsteiner Schlüssel, so wie er ab 01.01.2016 zur Anwendung kommen soll, bei rund 1 000 unbegleiteten minderjährigen Ausländern im Minimum in Sachsen liegen werden. Die Zahl von 1 000 muss noch deutlich nach oben angehoben werden.
Schade, Frau Zais ist gerade nicht im Saal. Die Zahl, die sie allein für Chemnitz genannt hat, müsste ich mit ihr noch einmal besprechen, weil sie für mich so nicht ganz nachvollziehbar ist. Aber gehen wir von deutlich mehr als 1 000 unbegleiteten Minderjährigen aus, dann wissen wir, dass das eine große Herausforderung für uns, für den Freistaat Sachsen, sein wird. Es ist eine Herausforderung, die wir – das wurde heute mehrfach angesprochen – nur gemeinsam mit der kommunalen Familie, mit der kommunalen Ebene annehmen und meistern können.
Die Kinder und Jugendlichen haben ihre eigene Biografie, jeder Einzelne hat ganz unterschiedliche Hilfsbedarfe, und ganz unabhängig von den politischen Entscheidungen, die jetzt anstehen, werden wir hier im Freistaat Sachsen die Kinder und Jugendlichen mit offenem Herzen empfangen. Viele von ihnen haben Schreckliches erlebt. Sie sind physisch und psychisch stark belastet oder traumatisiert. Sie kommen allein in ein fremdes Land, sprechen nicht die Sprache und müssen sich letztlich allein zurechtfinden.
Nun wird der Gesetzentwurf auf Bundesebene momentan erarbeitet, er liegt als Referentenentwurf vor, Anhörungen sind gelaufen, Stellungnahmen abgegeben, und – auch das wurde schon angeführt – am 15. Juli wird im Bundeskabinett über das Gesetz entschieden.