Protokoll der Sitzung vom 01.09.2015

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Was ist mit denen, die klatschen, wenn einer Böller wirft?!)

So sieht ein von gegenseitiger Achtung geprägtes Miteinander aus unserer Sicht nicht aus. Wir bekennen uns auch klar zum Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Ich persönlich habe Verständnis für jeden Bürger, der dieses Recht wahrnimmt. Aus Sicht der AfD-Fraktion ist der Protest vor den Unterkünften der Asylbewerber jedoch an der falschen Stelle. Wichtiger wäre es, den Protest vor die Institutionen zu tragen, die die verfehlte Asylpolitik zu verantworten haben – so wie es die AfD mit ihrer Demonstration vor der Staatskanzlei getan hat. Das, meine Damen und Herren, rechtfertigt jedoch noch lange nicht, dass sich die Demonstranten beschimpfen lassen müssen.

Sie schreiben weiter von Solidarität zwischen den EUMitgliedsstaaten – ein sehr guter Vorschlag. Wenn Polen in einem Jahr etwa so viele Flüchtlinge aufnimmt wie die Landeshauptstadt Dresden monatlich, während in Heidenau derzeit mehr Flüchtlinge leben als in der gesamten Tschechischen Republik, kann aber von Solidarität zwischen den Staaten keine Rede mehr sein.

Hier muss auf europäischer Ebene – wie heute bereits mehrfach angesprochen – nachgebessert werden. Es ist der Bevölkerung nicht mehr zu vermitteln, dass Deutschland die Hauptlast in Europa trägt, während die Slowakei beispielsweise ablehnt, weitere islamische Asylbewerber aufzunehmen, und die sonstige Aufnahmekapazität auf insgesamt 200 beschränkt hat. Angesichts der Vorkommnisse in Suhl, als ein Afghane wegen seines Glaubens unter aller Allah akhbar-Rufen von Muslimen angegriffen wurde, ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Skepsis in der Bevölkerung steigt.

Was passiert, meine Damen und Herren, wenn genau diese Asylbewerber dann die zentrale Erstaufnahmeeinrichtung verlassen und dezentral untergebracht werden? Werden dann in der Zukunft die Christen in Deutschland auch wegen ihres Glaubens verfolgt werden?

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Jetzt reicht es aber! Wo leben Sie denn?)

Meine Damen und Herren! Was wir beim Asyl brauchen, ist eine offene Debatte, die strikte Umsetzung von Recht und Gesetz. Was wir nicht brauchen, sind Stigmatisierungen, Beschneidungen der Diskussionskultur und Anträge wie von den GRÜNEN und LINKEN.

(Zurufe von den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Herr Lippmann spricht für die Fraktion GRÜNE, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne meinen Redebeitrag zu den Sicherheitsaspekten mit einem Dank an Sie, Herr Innenminister, mit einem Dank dafür, dass Sie in Ihrer Erklärung vorhin das Willkommensfest und die friedlichen Demonstrationen am Wochenende ausdrücklich gelobt haben. Sie loben damit jene Organisatoren und Organisationen in Sachsen, die teilweise über Jahre hinweg kriminalisiert und verunglimpft wurden und nun das Willkommensfest und die Demo am Samstag ausgerichtet haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist ein deutliches Zeichen Ihrerseits, vielleicht ein Zeichen der späten Einsicht, aber auch ein Zeichen, wie groß die Herausforderungen sind, vor denen wir hier stehen. Herr Staatsminister, wenn ich Sie höre, ist mir klar, dass Sie derzeit mit Ihrem Ministerium mit dem Rücken zur Wand stehen. In Ihr Ressort fällt die große Aufgabe, Tausende von Flüchtlingen in Sachsen menschenwürdig unterzubringen und zu versorgen. Keiner ist der Meinung, dass das eine leichte Aufgabe ist. In Ihr Ressort fällt aber auch, sich um die Sicherheit der Flüchtlinge zu kümmern und diese zu gewährleisten. In diesem Punkt, Herr Minister, erleben wir allerdings ein umfassendes Versagen.

Die ureigenste Aufgabe des Staates und seine eigentliche Ordnungsbegründung ist der Schutz von Mensch und Eigentum. Ein Staat, der diese Aufgabe nicht mehr vollumfänglich erfüllen kann, versagt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir waren diesem Versagen in den letzten Wochen näher, als wir dachten.

Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in Sachsen nach meiner Auffassung mittlerweile in einem Endspiel um das staatliche Gewaltmonopol. Das klingt hart, aber als nichts anderes lässt es sich beschreiben, wenn es nicht mehr gelingt, Ausschreitungen marodierender Neonazis sofort zu unterbinden, die Täter festzunehmen und zur Verantwortung zu ziehen, weil nicht ausreichend Polizeikräfte akquiriert werden konnten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als nichts anderes lässt es sich beschreiben, wenn in Sachsen aufgrund unzureichender Polizeikräfte zum zweiten Mal innerhalb von nur sechs Monaten ein umfassendes Versammlungsverbot erlassen werden muss. Es gilt leider zu konstatieren: Durch den jahrelang fortgesetzten Stellenabbau bei der Polizei wurde nicht nur die Sicherheit im Freistaat Sachsen gefährdet, sondern faktisch auch der Rechtsstaat zu Tode gespart. Das ist die bittere Erkenntnis der letzten Wochen. An dieser Stelle, Herr Minister, hätte ich mir heute hier ein paar deutlichere Botschaften von Ihnen erwartet.

Unsere Kritik richtet sich nicht gegen einzelne Polizeibedienstete. Diese haben sich vorletzte Woche in Heidenau in deutlicher Unterzahl rechten Gewalttätern entgegengestellt und teils erhebliche Verletzungen davongetragen. Ihnen gilt mein ausdrücklicher Dank für ihren Einsatz und den Verletzten meine besten Genesungswünsche.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kritik gilt einzig und allein Ihnen, Herr Innenminister, und der CDU, die eine solche Situation über Jahre hinweg erst herbeigeführt haben, durch den Stellenabbau bei der Polizei und durch ein falsch gemeintes Verständnis für vermeintlich besorgte Bürger, die dann eine Symbiose mit gewalttätigen Neonazis in Heidenau eingegangen sind. Herr Hartmann, ich widerspreche Ihnen dezidiert: Die Probleme sind hausgemacht. Das gilt es zu konstatieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister, ich finde es ein klein wenig unredlich, wenn Sie heute so tun, als wären Sie der weiße Ritter gewesen, der das Willkommensfest erst ermöglicht hat. Ihren persönlichen Einsatz in der Frage möchte ich nicht schmälern und ihm durchaus Respekt zollen. Die Grundlage des Verbotes war aber die Gefahrenprognose und die Erklärung eines Notstandes durch die sächsische Polizei, die meines Wissens immer noch Ihrem Haus untersteht. Ohne den polizeilichen Notstand hätte es keiner Rettung des Willkommensfestes bedurft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Versammlungsrecht ist kein Schönwettergrundrecht, liebe Kolleginnen und Kollegen, und mit der alleinigen Durchführung des Willkommensfestes ist diese Debatte für uns nicht erledigt. Hier ist es zu einer erneuten massiven Grundrechtseinschränkung im Freistaat gekommen, und der Skandal einer erneuten Deklaration eines polizeilichen Notstandes in Sachsen bedarf einer umfassenden Aufarbeitung. Die schon mehrfach angesprochene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes war eine Blamage par excellence mit Ansage für den Freistaat.

Wir brauchen jetzt nach unserer Überzeugung eine dringende gemeinsame politische Diskussion über die Einsatzfähigkeit der Polizei, und ich meine wirklich eine politische, weshalb ich mich auch nicht mit erneuten Verweisen auf die Fachkommission abspeisen lasse. Dazu

gehört ebenso eine Diskussion über Prioritäten bei Einsatzlagen im Bundesgebiet, Stichwort: Fußball. Eine solche Diskussion zu führen, Herr Minister, dafür hätten Sie unsere vollste Unterstützung. Und so traurig dies in einem demokratischen Rechtsstaat klingen mag: Wir brauchen unverzüglich ein Konzept zum vollständigen Schutz der Versammlungsfreiheit in Sachsen.

Neben der Polizei gilt es, sich auch mit einer anderen Behörde im Wirkungsbereich des Staatsministeriums des Innern auseinanderzusetzen. Wo war eigentlich in den letzten Monaten das Landesamt für Verfassungsschutz?

(Beifall bei den GRÜNEN – Lachen bei der CDU)

Uns gern von der CDU als große Monstranz vor sich hertragend als Notwendigkeit eines Elements der wehrhaften Demokratie dargestellt, konnten wir es in den letzten Wochen faktisch nicht vernehmen. Oder können Sie mir erklären, wieso die Behörde, die ein Frühwarnsystem sein soll, offenbar erst aufwacht, wenn die Böllerwürfe von Heidenau selbst in der Neuländer Straße in Dresden nicht mehr zu überhören sein dürften? Diese Disfunktionalität hat die Behörde wieder einmal eindrucksvoll bewiesen.

Kommen wir zum Thema Sicherung der Unterkünfte: Unseren Antrag zur Sicherung von Flüchtlingsunterkünften haben Sie, werte Koalition, im letzten Plenum abgebügelt und abgelehnt. Herr Minister, Sie sagten damals, wir sind auf alle Eventualitäten hier vorbereitet. Er wäre unnötig. Nur wenige Wochen später, nach Freital, nach den Ausschreitungen vor dem Zeltlager in Dresden und nach Heidenau, hoffe ich, dass so mancher Politiker in der Koalition seine Ablehnung von damals überdenkt. Wir bleiben dabei: Es braucht ein umfassendes Sicherheitskonzept für Flüchtlingsunterkünfte in Sachsen, vor allem unmittelbar im Zusammenhang mit der Eröffnung derselben. Das hat Heidenau noch einmal eindrucksvoll gezeigt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist jetzt an der Zeit, darüber gemeinsam in diesem Hohen Haus noch einmal nachzudenken.

Sie, werte Koalition, schlagen nun die Wiedereinführung der Wachpolizei als mögliche Lösung vor. Immerhin ein Vorschlag, wenn auch aus unserer Sicht kein guter.

(Zuruf von der CDU: Warum?)

Denken Sie ernsthaft, dass es eine gute Idee ist, Polizisten mit einer dreimonatigen Ausbildung ohne nennenswerte Demonstrationserfahrung in dieser brenzligen Situation vor Flüchtlingsunterkünfte zu stellen? Ich halte das für mehr als gewagt. Zudem wissen Sie selbst, dass der erste Wachpolizist in circa einem Jahr einsatzfähig sein dürfte, wenn ich das normale parlamentarische Verfahren unterstelle. Wir haben aber jetzt hier die Probleme, die es zu lösen gilt.

(Alexander Krauß, CDU: Alternativen, bitte!)

Für uns ist klar, wir brauchen jetzt Lösungen.

(Alexander Krauß, CDU: Welche?)

Wir brauchen jetzt, Herr Minister, eine deutschlandweite Verständigung unter den Innenministern, wie man zukünftig auch im Rahmen der Einsatzlagen imstande ist, Flüchtlingsunterkünfte und die Bewältigung des Versammlungsgeschehens in diesem Zusammenhang sicherzustellen. Wenn wir diese Diskussion führen, haben Sie dafür, das sagte ich schon, Herr Minister, meine volle Unterstützung.

(Christian Hartmann, CDU, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? – Bitte, Herr Kollege Hartmann.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Herzlichen Dank, Herr Kollege. Für mich ergibt sich eine Fragestellung. Erstens. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir in der Umsetzung der sächsischen Wachpolizei zwischen 2002 und 2006 schon praktische Erfahrungen gesammelt haben?

Zweitens. Sie haben die Staatsregierung und die Koalition hinsichtlich des kurzfristigen polizeilichen Kräfteeinsatzes kritisiert. Ich wäre dankbar, von Ihnen jetzt die konstruktiven umsetzbaren Vorschläge zu hören, –

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Eine Frage! Eine Frage!)

die kurzfristig dazu notwendig sind.

(Beifall bei der CDU)