Gerade weil Land und Kommunen eine Einheit bilden, hat die Staatsregierung unmittelbar nach der neuen Prognose der Bundesregierung zur Anzahl der Flüchtlinge mit den kommunalen Spitzenverbänden ein Sofortprogramm in Höhe von 60 Millionen Euro vereinbart. Neben der Erhöhung der FlüAG-Pauschale nach dem gemeinsamen Gutachten und der erhöhten Investitionspauschale neben weiteren Punkten zur kommunalen Unterstützung kommt dies hinzu. Deshalb sind wir mit der kommunalen Familie ständig im Gespräch, wie es auch der Ministerpräsident vorhin schon ausgeführt hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schließlich ein paar Worte zu der Frage, ob ein Nachtragshaushalt notwendig wird. Aus meiner Sicht ist das zum jetzigen Zeitpunkt nicht angezeigt. Die entsprechenden Haushaltstitel sind in der Regel schon vorhanden. In Artikel 96 der Sächsischen Verfassung ist vorgesehen, dass im Falle unvorhergesehener und unabweisbarer Bedürfnisse die Staatsregierung über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungen tätigen darf. Im Übrigen regelt § 37 Sächsische Haushaltsordnung, dass es eines Nachtragshaushaltes nicht bedarf, wenn Rechtsverpflichtungen zu erfüllen sind. Asylrecht und FlüAG bilden die Rechtsverpflichtungen.
Aus diesem Grund bin ich der Meinung, grundsätzlich ist das Handwerkszeug für die Lösung der vor uns stehenden Aufgaben im Haushaltsvollzug vorhanden. Der Sächsische Landtag muss die Ausgaben dann aber nachträglich genehmigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass wir bis zum Einsetzen der Hilfe des Bundes durch haushaltswirtschaftliche Steuerungsmaßnahmen in der gebotenen Kurzfristigkeit die Mehrausgaben für eine Überbrückungsfinanzierung tätigen können, ohne dass die laufenden Projekte und Investitionsmaßnahmen oder die Einstellung von Lehrern beeinträchtigt werden. Auch das ist ein Ergebnis der bisherigen guten sächsischen Finanzpolitik.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns deshalb alle gemeinsam diese große Gesamtaufgabe so meistern, dass sowohl im Heute als auch im Morgen für alteingesessene Sachsen und neu hinzukommende Sachsen gute Perspektiven bestehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als am Freitag, dem 21. August, mein Handy klingelte, war ich gerade auf dem Rückweg vom letzten Termin meiner Sommertour. Ich hatte mir mit Absicht ein ganzes Wochenende freigenommen, um vor dem Start ins neue Parlamentsjahr noch einmal durchzuatmen.
Ein Bekannter erzählte mir, dass er in Heidenau sei und dort eine Demonstration mit Tausend Teilnehmern der NPD stattgefunden habe, von der sich der größte Teil zur Erstaufnahmeeinrichtung aufgemacht hätte. Erste Steine und Böller würden auf die Polizei fliegen und eine Mischung aus Neonazis und sogenannten besorgten Bürgern würde versuchen, die Straße zu der neu geschaffenen Erstaufnahmeeinrichtung zu blockieren. Die Polizei sei nur mit 100 Einsatzkräften vor Ort und könne die Sicherheit weder vor Ort noch bei der Abreise gewährleisten.
Ich habe mich dann auf den Weg nach Heidenau gemacht. Um ehrlich zu sein, der Tag war sowieso schon nicht so gut. Deshalb habe ich gedacht: Fahren wir nach Heidenau. Ich musste unmittelbar miterleben, wie aus einer Gruppe von 600 bis 700 Menschen – darunter eindeutige Neonazis, auch aus dem Umfeld der früheren SSS, aber auch normal erscheinende Bürgerinnen und Bürger, Familien mit Kindern, Seniorinnen und Senioren – die Polizei um 22 Uhr angegriffen wurde. Mit Steinen, Flaschen, Knüppeln, Sprengkörpern haben sie die Verletzungen der Polizei nicht nur in Kauf genommen, nein, sie wollten sie bewusst herbeiführen. Viele der Neonazis waren noch schwerer bewaffnet. Ich habe selbst gesehen, wie ein Polizist einem Neonazi ein fast 20 Zentimeter langes Messer abgenommen hat.
Das Ziel dieser Gruppe, dieses Mobs – wie man es auch immer nennen mag – war klar: Sie wollten mit aller Macht den Einzug der Asylsuchenden in die Erstaufnahmeeinrichtung verhindern und Angst und Schrecken verbreiten. Ich habe eine solche Wut, einen solchen Hass schon seit Mitte der Neunzigerjahre nicht mehr erlebt. Die Polizistinnen und Polizisten, die dort in der ersten Reihe im Einsatz waren, haben ihre Gesundheit aufs Spiel setzen müssen. Dass über 30 Polizisten bei diesem Einsatz verletzt wurden, zeigt den enormen Hass und die enorme Gewalt.
Ich weiß, dass Landtagsabgeordnete, die genauer hinschauen, manchmal bei Polizeieinsätzen auch im Weg stehen können. Ich war aber froh, an diesem Tag dort zu sein. Den Beamtinnen und Beamten, die an diesem Wochenende im Einsatz waren, aber insbesondere denen, die dort an diesem Freitag, um es auf Deutsch zu sagen, den Arsch hingehalten haben – entschuldigen Sie, Frau Präsidentin –, möchte ich an dieser Stelle einmal ganz herzlich danken. An diesem Abend wurde ein wichtiger Beitrag dafür geleistet, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist, denn das wäre möglich gewesen.
Das Ziel der Neonazis geht aber über Heidenau hinaus. Es geht darum, das Gewaltmonopol des Staates infrage zu stellen, ein Klima der Angst für die Flüchtlinge zu schaffen und auch die Helferinnen und Helfer einzuschüchtern. Diese Konzepte sind nicht neu. Das alles war schon formuliert im Konzept der national befreiten Zonen, das in den Neunzigerjahren durchgesetzt werden sollte. Auch hier wird wieder mit der Hilfe brutalster Gewalt versucht, ein gesellschaftliches Klima zu prägen, das Rückzugsräume und Handlungsräume für Neonazis schafft, und jene einzuschüchtern, die gegen sie vorgehen und sich dieser Herausforderung stellen wollen.
Wir müssen hier dagegenhalten. Das Gewaltmonopol des Staates darf nicht zur Debatte stehen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass ein Klima der Angst entsteht; denn genau das ist das Ziel, das die Neonazis mit ihren Aktionen verfolgen.
Deshalb war das Willkommensfest in Heidenau am letzten Freitag ein wichtiges Zeichen. Ich bedanke mich bei allen, die dabei geholfen haben, dass es stattfinden konnte. In diesen Dank schließe ich den Innenminister ausdrücklich ein. Dieses Willkommensfest war in vielerlei Hinsicht ein wichtiges Zeichen.
Als Erstes war es wichtig, weil man feststellen konnte, dass unser Rechtsstaat funktioniert. Zum Zweiten war es ein Zeichen nach außen, an die Menschen in unserem Land, dass es auch ein Sachsen gibt, dass es ein Heidenau gibt, das Flüchtlinge willkommen heißt. Drittens war es ein Zeichen nach innen, und das war, wie ich finde, das Wichtigste.
Es war ein Zeichen an die Flüchtlinge in dieser Unterkunft, die ein Wochenende lang draußen gewalttätige Szenen miterlebt haben, wobei ihnen nicht entgangen sein konnte, dass sie damit gemeint sind.
Meine Damen und Herren! Natürlich müssen wir gegen diese Neonazis entschieden vorgehen. Ich bin mir sicher, dass wir mit diesem Antrag einen wichtigen Meilenstein nehmen, um mehr bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Richtern zu machen, aber wir müssen uns auch auf das konzentrieren, was ebenso wichtig ist: Das ist die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Sachsen.
Die ersten Schritte dazu haben wir gemacht, im Parlament, im Haushalt, im Kabinett. Die Staatsregierung hat den Ausbau der Erstaufnahmeeinrichtungen beschlossen. Das ist sehr wichtig, denn eigentlich hätte es die Zeltstädte nie geben dürfen. Aber jetzt sind sie da. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dass spätestens im Oktober diese Zeltstädte aufgelöst werden.
Ich möchte noch einen zweiten Punkt hinzufügen: Wir dürfen unsere Augen nicht nur auf das richten, was vor den Einrichtungen stattfindet, sondern auch auf das, was in den Einrichtungen stattfindet; denn da leben Menschen. Das sind Menschen wie Helin, ein achtjähriges Mädchen aus Syrien, das über drei Monate lang mit ihren Eltern und ihrem Onkel vor dem schrecklichen Bürgerkrieg aus ihrer Heimat in Syrien geflohen ist. An der Grenze zwischen dem Nordirak und der Türkei hat sie ihre Eltern verloren; sie sind verschollen, ihr Schicksal ist ungeklärt. So bleibt ihr lediglich ihr Onkel. Helin lebt seit über einer Woche in der Erstaufnahmeeinrichtung in Heidenau, in einem Saal mit 600 anderen Menschen. Sie kann nicht schlafen, denn sie hat Angst vor der angespannten Situation in dem Saal. Sie kann nicht schlafen, denn sie fühlt sich nicht sicher aufgrund der Aggression und der unsicheren Lage vor der Einrichtung.
Helin ist nur eines von mindestens 50 Kindern in der Erstaufnahmeeinrichtung in Heidenau und wahrscheinlich eines von Hunderten in den Erstaufnahmeeinrichtungen in ganz Sachsen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte lassen Sie uns alles dafür tun, dass zumindest die Kinder und Familien so
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem Appell möchte ich schließen, auch wenn ich eigentlich noch viel auf dem Zettel habe, aber ich habe meiner Nachrednerin schon jetzt viel von ihrer Zeit weggenommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Drei Viertel aller Deutschen sind grundsätzlich bereit, Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Zwei Drittel der Deutschen sind jedoch zukünftig nicht bereit, weitere Wirtschaftsflüchtlinge aufzunehmen. Ich gebe zu, diese Unterscheidung, die hier in der Umfrage getroffen wird, ist relativ undifferenziert und gibt den grundsätzlichen Sachverhalt nicht aufschlussreich wieder.
Meine Damen und Herren von GRÜNEN und LINKEN, Ihr Antrag kennt diese Unterscheidung ebenfalls nicht und ist in dieser Hinsicht bereits als undifferenziert abzulehnen. Doch schauen wir uns Ihren Antrag im Detail an.
Unter Punkt 1 fordern Sie eine bessere Struktur und „optimalere“ Abläufe. Mit dieser Zielrichtung hatte die AfD-Fraktion im Dezember-Plenum 2014 einen Antrag eingebracht – Herr Urban hatte dies schon ausgeführt –, die Personalstellen beim BAMF um 20 Vollzeitstellen zu erhöhen und 12 zusätzliche Richterstellen an den Verwaltungsgerichten zu schaffen, um die Asylverfahren schneller bearbeiten zu können. In der Plenarsitzung wehte uns ein Sturm der Entrüstung entgegen. Herr Schollbach nannte mich einen „Brandstifter Biedermann“, wenn ich mich noch recht erinnere, und der Antrag sei ohnehin populistisch und unnötig sowieso.
Ich habe heute hier an anderer Stelle gehört, es sind Fehler gemacht worden hinsichtlich der Prognosen. Ich möchte darauf jetzt nicht weiter eingehen.
Am 7. Juli dieses Jahres erreichte die Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses ein Schreiben des Finanzministers. Die Staatsregierung plante darin die Einrichtung von 50 neuen Stellen bei der Landesverwaltung des BAMF sowie von 20 neuen Richter- und sechs Justizsekretärsstellen an den Verwaltungsgerichten.
Interessant an diesem Schreiben war eine Anlage des Justizministeriums, aus der sich auf Seite 3 entnehmen ließ, dass die Staatsregierung sozusagen still und leise seit Mai 2014 bereits zehn Richterstellen durch Umsetzung beim Verwaltungsgericht geschaffen hatte. Wortwörtlich heißt es dort, „indem Richter und Staatsanwälte von unterbesetzten Gerichten abgeordnet“ worden seien.
Man nehme einen Antrag der AfD-Fraktion, warte sieben Monate, verdopple die Zahlen – so macht die Koalition erfolgreiche Politik im Freistaat.
Das alles hätten Sie auch deutlich eher haben können, wenn Sie im Dezember unserem Antrag zugestimmt hätten. Der Antragsstau in Sachsen hätte dann etwas geringere Ausmaße angenommen.
Meine Damen und Herren von der sächsischen CDU, uns ist ja bewusst, dass einige von Ihnen gern anders würden, wenn sie denn dürften. Der Koalitionsfrieden verbietet Ihnen das aber offensichtlich.
In Punkt 2 des Antrages fordern LINKE und GRÜNE gute Unterbringung, gesundheitliche Versorgung und individuelle Betreuung von Asylsuchenden.
Meine Damen und Herren, all das wäre finanziell und logistisch problemlos möglich, wenn abgelehnte Asylbewerber im Freistaat konsequent abgeschoben würden. Die Betroffenheitsrhetorik und Forderungen nach einem Bleiberecht für alle sind dabei kontraproduktiv. Die lasche Abschiebepraxis vor allem in anderen Bundesländern – Stichwort: Winterabschiebestopp –, aber auch in Sachsen – Abschiebungen 2013 1 209 und 2014 1 039; ich kann die Zahlen nicht oft genug wiederholen – führt dazu, dass die finanziellen, logistischen und personellen Ressourcen für diejenigen fehlen, die wirklich Hilfe benötigen.
Meine Damen und Herren, halten Sie sich einmal vor Augen: Mehr als 4 500 abgelehnte Asylbewerber leben in Sachsen. Rein mathematisch könnte man also die Zeltstadt an der Bremer Straße viermal räumen und die Asylbewerber in feste Unterkünfte verbringen.
In Punkt 3 fordern Sie faire und zügige Asylverfahren bei gleichzeitiger Vereinbarung von Bleiberechtsregelungen. Im Klartext: Das Asylverfahren soll fair und schnell sein, aber es sollen alle bleiben dürfen. Frau Nagel erwähnte dies vorhin.
Entweder, meine Damen und Herren, wir führen die Verfahren fair durch, halten uns also an Recht und Gesetz – dann kann es aber auch kein Bleiberecht für alle geben –; oder aber wir räumen allen Antragstellern ein Bleiberecht ein – dann kann von keinem fairen Asylverfahren mehr die Rede sein. Die AfD-Fraktion sagt klar, dass wir für faire und möglichst schnelle Asylverfahren sind. Das beinhaltet aber auch den Vollzug bei negativem Bescheid des Asylantrages, denn ein Rechtsstaat, der nicht mehr vollzieht, ist kein Rechtsstaat mehr. Nur so können wir garantieren, dass unsere Ressourcen ausreichen, um den wirklich berechtigten Asylbewerbern zu helfen.
In Ihrer Antragsbegründung schreiben Sie einerseits von Asylbewerbern und Flüchtlingen und gebrauchen in demselben Gedankengut das Wort des „Einwanderungslandes“, um schließlich von „Weltoffenheit, Toleranz und
Integration“ zu sprechen. Dass einige Bürger nicht in der Lage sind, zwischen Asylbewerbern, Flüchtlingen und Einwanderern klar zu unterscheiden, liegt auch daran, dass die Medien diesen Unterschied nicht transportieren und alles in einen Topf werfen.
Wenn aber Politiker, die sich in der Materie auskennen sollten, ebenfalls nicht differenzieren – wie Sie, meine Damen und Herren, in Ihrem Antrag –, dann tun sie das ganz bewusst. Zu einer sachorientierten Debatte tragen Sie somit nicht bei – zu einer Lösung des Problems erst recht nicht.
Sie sprechen weiter von einem friedlichen und von gegenseitiger Achtung geprägten Miteinander. Die AfDFraktion verurteilt auch klar und in aller Deutlichkeit Gewalttaten gegen Asylbewerber und Sachbeschädigung an Asylbewerberheimen. Wir verwahren uns jedoch gleichzeitig dagegen, Gewalttäter und friedlich demonstrierende Bürger in einen Topf zu werfen und pauschal als „Pack“ zu bezeichnen.