Protokoll der Sitzung vom 16.09.2015

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bienst, solange Sie in Ihrer Fraktion nicht begreifen, wie brisant die Lage zurzeit ist oder in den nächsten Jahren sein wird, solange werden Sie von uns immer wieder über Aktuelle Debatten oder über Anträge in diesem Parlament mit diesem Thema konfrontiert werden, weil:

(Christian Piwarz, CDU: Weil Ihnen nichts Besseres einfällt, Frau Falken!)

Es sind keine Einzelfälle. Es sind überhaupt keine Einzelfälle. Ich mache Ihnen das an dem Beispiel der Förderschulen im Bereich der Bildungsagentur Leipzig fest. Das ist für Sie nicht neu, ich habe das im Bildungsausschuss schon getan. Der Bereich der Bildungsagentur Leipzig geht bis Torgau hoch und darüber hinaus.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist Ihr Gewerkschaftsgebiet!)

Es ist also nicht nur die Stadt Leipzig. In dieser Bildungsagentur ist nicht ein einziger Förderschullehrer eingestellt worden, obwohl weit mehr als 30 Förderschullehrer ausgeschieden sind – Frau Raether-Lordieck, um das klarzustellen. Von wegen, jeder Förderschullehrer wird ersetzt. Das war überhaupt nicht der Fall, dass jeder ersetzt wurde.

Was ist passiert? Es war als Druckmittel gedacht, dass die jungen Lehrer im Förderschulbereich aufs Land gehen. Richtung Torgau ist auch schon Land, aber das lasse ich jetzt einmal weg. Es sind ganze zwei von den Bewerbern aufs Land gegangen. Alle anderen sind in andere Bundesländer gegangen oder sind zurzeit arbeitslos. Drei, die ich betreue, sind im Moment arbeitslos. Aber an den Förder

schulen in der Bildungsagentur Leipzig, insbesondere in Leipzig, ist der Bedarf extrem hoch. Da sind Stundentafeln gekürzt worden – also von Anfang an planmäßiger Unterrichtsausfall, und zwar nicht an einer Schule, sondern an allen Förderschulen in der Bildungsagentur Leipzig. Es sind die Gutachtenstunden gestrichen worden, die notwendig sind, um weitere Integrationsverfahren durchführen zu können usw. usf. Ich habe nicht so viel Zeit, ich kann das gar nicht alles aufzählen. Das ist kein Einzelfall, das ist flächendeckend im ganzen Freistaat Sachsen so.

Frau Raether-Lordieck, Ersetzen ist natürlich eine feine Geschichte. Wir haben zum Haushalt gehört, dass es 150 zusätzliche Stellen für Integration gibt. Wo sind denn die? Integrationsstunden im Förderschulbereich sind gestrichen worden. Integrationsstunden werden sofort verwandt, wenn der Unterrichtsausfall an den Schulen stattfindet. Schauen Sie sich mal an – nehmen Sie einzelne Schulen, Sie können gehen, in welche Schulart Sie wollen –, wie viele Integrationsstunden wirklich ernsthaft vorliegen. Nichts, gar nichts!

Die zusätzlichen Einstellungen, die Sie durchgeführt haben, brauchen Sie zu 100 % und darüber hinaus für die zusätzlichen Schüler, die da sind. Das heißt, dies eins zu eins zu ersetzen mag zwar auf dem Papier rechnerisch funktionieren, aber in der Realität leiden darunter die Qualität des Unterrichtes und die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern. Das können Sie mir auf keinen Fall ausreden, das möchte ich noch einmal ganz klar betonen.

Ich möchte aber weitere Folgendes betonen, weil ich glaube, dass es wichtig ist – das kommt erst richtig auf uns zu –: Wir haben bisher nur die ersten Dinge dazu gehört; die Ministerin hat verkündet, dass es im ersten Asylpaket 50 befristete Einstellungen gibt für die Klassen Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Dann war klar, dass dies nicht reichen wird. Weitere 150 Einstellungen hat das Kabinett beschlossen, und zwar aus dem Verfügungsfonds, also nicht aus dem Haushalt des Kultusministeriums – wieder nur befristete Einstellungen.

Ich frage Sie, welches Signal gibt denn das nach draußen? Welches Signal gibt denn das den Bürgerinnen und Bürgern des Freistaates Sachsen, den Schulen, den Lehrern, den Eltern? Das ist doch das klare Signal: Ihr müsst euch keine Sorgen machen, das dauert sowieso nur ein Jahr, die sind für ein Jahr befristet, dann hat sich das erledigt.

Ich bitte Sie: Stellen Sie diese Lehrer umgehend unbefristet ein, um deutlich zu machen, dass wir uns mit dieser Situation länger beschäftigen müssen und auch wollen. Das ist die entscheidende Größe.

(Beifall bei den LINKEN)

Denn in dieser Situation mit den Flüchtlingskindern, mit den Asylkindern liegt für uns im Bildungsbereich und für die Gesellschaft eine riesengroße Chance. Aber was machen Sie denn mit den 150 Einstellungen? Was passiert

denn da? Haben Sie sich das einmal angeguckt? Sie stecken sie zurzeit in die Löcher, die in der Schule vorhanden sind. Sie bereiten sie nicht auf die DaZ-Klassen vor, die Sie in den nächsten Tagen brauchen. Sie füllen damit die Löcher in den Schulen bzw. bei den Lehrern, die wir eigentlich für die klassische Stundentafel brauchen.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch Quatsch, das ist doch nicht wahr!)

Natürlich ist das wahr; schauen Sie es sich doch an! Es handelt sich hier um Gymnasiallehrer und in der Regel nicht um DaZ-Lehrer, die dafür ausgebildet worden sind. Die müssten Sie eigentlich sofort in die Fortbildung schicken.

(Zuruf von der CDU: Das ist Kaffeesatzleserei!)

Würden Sie bitte zum Schluss kommen.

Wenn Sie eine solche Fortbildung nicht hinkriegen, dann müssten Sie sie wenigstens als Zweitlehrer in die Klassen geben, in denen bereits erfahrene DaZ-Lehrer unterrichten. Schauen Sie es sich an, wir fordern Sie auf – –

Frau Falken, die Redezeit ist vorbei!

Einen Satz noch. Wir fordern Sie auf, auch DaZ-Klassen an den Gymnasien einzurichten.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Falken, ich habe hier für Gleichbehandlung zu sorgen!

(Zurufe der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Sehr geehrte Frau Falken, bitte hören Sie auf, mich in meinem Amt zu kritisieren. Sonst muss ich von der Möglichkeit, einen Ordnungsruf gegen Sie zu verhängen, Gebrauch machen.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Entschuldigen Sie!)

Meine Damen und Herren, wir setzen die Aussprache fort. Herr Abg. Bienst hat für die Fraktion der CDU das Wort.

Sehr geehrte Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde die Opposition und insbesondere Frau Falken bitten, nicht diese Einzelfälle, die Sie hier genannt haben, einfach auf das sächsische Schulsystem aufzulegen.

(Zuruf von den LINKE: Das sind zu viele Einzelfälle!)

Diese Einzelfälle haben Sie hier weder mit Namen noch mit Adresse benannt. Das sage ich auch in Richtung der

AfD. Deshalb würde ich in Zukunft darum bitten, wenn Sie sagen, wir würden Löcher mit DaZ-Lehrern stopfen, zu sagen, an welcher Stelle das passiert. Das hatte ich bereits in der vorigen Runde gesagt. Dann kann man auch genau diesen Fällen nachgehen und hinterfragen, warum es so ist, wie es ist.

Ich möchte jetzt nicht vor Ihnen stehen, um Sie zu belehren. Aber eines ist doch Fakt. Wir müssen schon unterscheiden – ich hatte vorhin darauf hingewiesen –, wann wir von einem planmäßigen Unterrichtsausfall und wann wir von einem außerplanmäßigen Unterrichtsausfall sprechen. Diese Unterscheidung müssen wir treffen. Planmäßiger Unterrichtsausfall ist, dass Stundentafeln laut Lehrplan nicht erfüllt werden. Wenn Sie solche Beispiele bringen, dann gehen wir gern diesen Beispielen nach.

Unsere Schullandschaft hat mehrere Schularten. Wir sprechen von der Grundschule, der Mittelschule, der Oberschule, vom gymnasialen Bereich, vom Berufsschulbereich und auch vom Förderschulbereich. Wenn Sie den Förderschulbereich hier anführen, von dem wir wissen, dass wir dort teilweise auch planmäßigen Unterrichtsausfall haben, dann heißt das noch lange nicht, dass für das gesamte sächsische Schulsystem dieser Ausfall zu definieren ist.

Herr Abg. Bienst, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, ja.

Bitte, Frau Falken.

Danke, Herr Bienst. Zu der Problematik planmäßiger und unplanmäßiger Unterrichtsausfall hätte ich noch eine Frage. Ist es denn für Sie ein planmäßiger oder ein unplanmäßiger Unterrichtsausfall, wenn das Schuljahr beginnt, in der ersten Woche die beiden Lehrerinnen an der Schule noch da sind, sie aber schon im Juli angezeigt haben, dass eine zur Kur fährt, eine Operation hat, ein halbes Jahr ausfallen wird und dass die zweite Kollegin in die Elternzeit geht? Ist das jetzt planmäßiger Ausfall, kann man da schon Vertretungen planen, oder kann man das noch nicht tun? Ist das planmäßiger oder unplanmäßiger Unterrichtsausfall?

Die Frage ist angekommen?

Ja, die Frage ist angekommen, Herr Präsident.

Ich definiere: Planmäßiger Unterrichtsausfall entsteht durch Stundentafelkürzung. Das ist ein planmäßiger Unterrichtsausfall, das wissen Sie aber auch, liebe Kollegin Falken. Wenn also ein Lehrermangel vorherrscht, dann ist es ein planmäßiger Unterrichtsausfall.

In dem genannten konkreten Fall ist es ein außerplanmäßiger Unterrichtsausfall, weil die Kolleginnen entweder in den Schwangerschaftsurlaub gehen oder krank sind. Dann

müssen wir aus dem Lehrerpool diesen Unterrichtausfall abdecken. Das ist laut Definition der Unterschied zwischen planmäßigem und außerplanmäßigem Unterrichtsausfall.

Herr Bienst, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Frau Kersten, bitte.

Herr Bienst, Sie hatten vorhin angemahnt, wir sollten konkrete Beispiele nennen. Ich frage Sie: Hatten Sie die konkreten Beispiele, die ich in meinem Redebeitrag genannt habe, vernommen? Ich hatte das Heisenberg Gymnasium in Riesa genannt, und die zweite Schule ist das Städtische Gymnasium in Mittweida.

Das Gymnasium in Mittweida hatten Sie in Ihrer Rede nicht genannt.

Es ist das Gymnasium meiner Kinder.

Der Fall Heisenberg-Gymnasium wird geprüft. Das war vorhin auch mein Beispiel. Das zweite Beispiel, dass Sie hier genannt haben, werden wir prüfen. – Danke.

Herr Präsident! Noch ein Irrtum, den ich hier aus dem Weg räumen möchte. Die jungen Menschen wollen gern in Sachsen Lehrer werden. Die Zahl der Lehramtsanwärter steigt stetig in Sachsen. Nur so viel zur gesamten Wahrheit.