Jetzt wird es darum gehen, das sowohl von meinem Kollegen als auch von mir Gesagte mit Leben zu erfüllen. Ich fordere Sie alle herzlich auf, dazu beizutragen, dass es hier etwas lebendiger wird, und ich hoffe, dass wir mit diesem Vorschlag der Koalition einen Beitrag dazu leisten konnten.
Herr Kollege Brangs sprach für die einreichende SPD-Fraktion. Nun spricht für die Fraktion DIE LINKE Kollege Scheel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Geschäftsordnungsfragen sind Machtfragen, so heißt es, und heute haben wir mit der Drucksachennummer 6/222 eine Geschäftsordnung vorgelegt bekommen, die das Binnenrecht des Parlamentes regeln soll, damit alles, was Verfahren betrifft, geregelt wird – ich komme gleich dazu, warum Machtfragen –, da mit einer Geschäftsordnung natürlich Verhältnisse geklärt werden: Verhältnisse des Parlamentes zur Staatsregierung, Verhältnisse auch zwischen den Fraktionen, am Ende natürlich auch Verhältnisse darüber, wie eine Mehrheit im Hause mit einer Minderheit im Hause umgeht.
Selbstverständlich sagt eine Geschäftsordnung und die Regelungen, die darin getroffen werden, viel über das Verhältnis bzw. vor allem das Verständnis aus, das Fraktionen in der Frage mitbringen, wie wir im Parlament miteinander umgehen wollen. Insofern möchte ich zuerst als „Grün-Botschaften“ die positiven Aspekte hervorheben: dass es gelungen ist, mit den Koalitionsfraktionen in einem gemeinsamen Verfahren einige Neuerungen – meines Erachtens Verbesserungen – einzubringen.
Zuerst genannt sei, wie auch schon von meinem Vorredner, die Frage des Prioritätenblockes – für uns eine sehr wichtige und vernünftige Anregung von der Fraktion GRÜNE, die in das Beratungsverfahren bzw. den Geschäftsordnungsentwurf aufgenommen wurde. Ich denke, es kann diese Debatte nur beleben und verbessern, wenn zu vernünftigen Zeitpunkten wichtige Anträge durch die Fraktionen auf die Tagesordnung gesetzt werden.
Eine zweite Frage, die im Geschäftsordnungsentwurf stand, war der Wegfall der Fragestunde. Es ist gelungen, die Fragestunde zu erhalten und damit die verfassungsmäßigen Rechte der Abgeordneten zu wahren sowie darüber hinaus die Möglichkeit einer Ministerbefragung zu geben.
Wir hätten uns dort noch weitergehende Regelungen vorstellen können, aber eine solche Regelung überhaupt erst einmal zu finden, dass wir in einem freien Dialog mit der Staatsregierung sprechen können – es wurde von Belebung gesprochen, dass wir ein neues Element gefunden haben –, das begrüßen wir sehr. Wir halten es auch für sehr wichtig und für einen Erfolg, dass es gelungen ist, Änderungsanträge, Änderungsmöglichkeiten für Drucksachen nicht davon abhängig zu machen, ob der Einreicher wünscht, dass über Änderungsanträge abgestimmt wird, sondern jede Fraktion die Möglichkeit hat, von diesem Mittel Gebrauch zu machen. Darüber hinaus ist aber das Instrument Alternativanträge, das wir wieder und wieder diskutieren, eben nicht so praktikabel und hat deshalb keinen Eingang in die Geschäftsordnung gefunden.
Ich möchte auch deutlich machen, dass ich sehr froh bin, dass wir auch weiterhin für die Fraktionen bei Anträgen oder Großen und Kleinen Anfragen eine sehr kurze Reaktionszeit für die Staatsregierung mit aufgenommen haben. Ich weiß, dass es eine gewisse Belastung für die Staatsministerien ist, mit den Fragen konfrontiert zu
werden – teilweise umfangreich, teilweise weniger umfangreich. Aber ich denke, es ist gut und richtig, dass wir relativ schnell auf drängende Fragen und Probleme Antwort von der Staatsregierung bekommen. Insofern sind dies alles sehr, sehr positive Aspekte, die wir auch gutheißen.
Aber natürlich ist eine Mehrheit, die eine Macht darstellt, die Stärke hat, Entscheidungen nach ihrem Willen zu beeinflussen, immer auch geneigt, diese Macht zu nutzen, um Entscheidungen in ihrem Sinne durchzusetzen. Dabei möchte ich nicht verhehlen, dass die Frage der Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen für uns seit 1990 eine wichtige und notwendige Frage ist, da in vielen Debatten, die im Landtag geführt werden, immer darauf verwiesen wird: Die eigentliche Fachdebatte findet doch im Ausschuss statt. Nur kann leider niemand diese Fachdebatten in den Ausschüssen nachvollziehen.
Deshalb wäre es wichtig, und es wäre auch gut gewesen, diesen mutigen Schritt hin in die Öffentlichkeit, hin zu den Bürgerinnen und Bürgern draußen im Lande zu gehen und diesen Weg zu eröffnen, damit sie die Möglichkeit haben, an den inhaltlichen Auseinandersetzungen in den Ausschüssen teilhaben zu können, wie es andere Parlamente – nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in Bayern – bisher geschafft haben. Deren Arbeitsweise hat darunter nicht gelitten, sondern meines Erachtens war es eher ein Fortschritt, die Öffentlichkeit von Ausschüssen herzustellen. Deshalb haben Sie auch den gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verfassten Antrag vorliegen. Vielleicht können wir noch einen Weg hinein finden. Ich denke, es würde uns auch in der Debatte guttun, wenn wir diese Öffentlichkeit herstellen könnten.
Zweitens stellt sich die Frage bei den Machtverhältnissen, wie weit man auf den Wunsch nach geänderten Zählverfahren eingeht. Das hört sich technisch an. Am Ende sagt es vor allem eines aus: Wer hat hier den Zugriff auf bestimmte Sitze in den Ausschüssen, in den Gremien, Vorsitze usw.? Es wäre unseres Erachtens wichtig gewesen, die Frage des Zählverfahrens in die Geschäftsordnung positiv aufzunehmen, um gerade den kleineren Fraktionen, den Minderheiten, im Parlament mehr Raum und die Möglichkeit zu geben, in bestimmten Gremien mitreden zu können.
Der Bundestag hat es vorgemacht: Im Bundestag ist schon seit vielen Jahren von d’Hondt abgegangen worden, weil es nicht oder nur unzureichend äquivalent die Stärkeverhältnisse im Parlament widerspiegelt.
Ein weiteres Thema ist die Enquete-Kommission. Sie ist 2004 als richtiges Element eingeführt worden, damit sich das Parlament mit Sach- und Fachfragen auseinandersetzen kann. 2009 hat eine Mehrheitsfraktion die Erfahrung gemacht, dass es nicht so günstig ist, wenn der Sachverstand auch noch mitbestimmen kann. Es kam dann die Regelung: Wenn dem so ist, dass der Sachverstand letztendlich dafür sorgt, dass nicht die Meinung der Mehrheit
durchgesetzt wird, dann müssen wir dem Sachverstand das Votumsrecht, das Mitbestimmungsrecht, wegnehmen.
Ich denke, es wäre gut gewesen, in der EnqueteKommission, einem richtigen Instrument, dem Sachverstand die Stimme – und zwar als Stimmrecht und nicht nur als Rederecht – zurückzugeben. Auch dort hinein führte leider kein Weg. Das ist aus unserer Sicht bedauerlich.
Damit ich jetzt nicht zu viele negative Aspekte anspreche, möchte ich auf die Frage der Vizepräsidenten eingehen. Wir hatten ein sehr langwieriges Verfahren, und auch wir hätten uns eine andere Lösung vorstellen können. Aber aus unserer Sicht – ich bin sehr froh darüber, dass es den Koalitionsfraktionen mit dem Vorschlag gelungen ist, eine Lösung zu finden – ist es für ein Parlament nicht gut, dass alle Repräsentanten eines Parlamentes in der Tendenz nur von Koalitionsfraktionen bestimmt werden können. Damit ist die Regelung, die Sie jetzt gefunden haben und die wir unterstützen – dass auch ein Vertreter der Opposition das Parlament mit repräsentieren soll –, eine richtige und wichtige Entscheidung. Ich darf mich bei den Verhandlungsführern, die das miteinander verhandelt haben, für das Verständnis bedanken; denn es sagt auch etwas über das Verständnis von Mehrheiten in diesem Haus aus. Das ist aus unserer Sicht eine richtige Entscheidung.
Ich komme zum Verfahren. Wir haben zum ersten Mal geprobt, ob wir in einem Parlament, in dem viele Fraktionen miteinander arbeiten sollen – und zwar frei gewählte Abgeordnete, die sich in Fraktionen zusammenschließen –, vielleicht gemeinsam dieses Binnenrecht, unsere Verfahrensregeln, miteinander bestimmen können. Ich finde, dass wir ein gutes Exempel dafür abgeliefert haben, wie ein solches Verfahren stattfinden kann, und ich würde mir natürlich wünschen, dass wir in Zukunft in diese Debatte nicht so hineinstolpern müssen.
Ich erinnere daran, wie wir zu der vorläufigen Geschäftsordnung gekommen sind und dass dadurch andere verfassungsrechtliche Problematiken entstehen konnten. Wir müssten uns die Zeit nehmen – es ist noch lange bis dahin, vielleicht am Ende dieser Legislaturperiode –, uns darüber Gedanken zu machen, was sich bewährt hat, was verbesserungswürdig, veränderungsbedürftig ist, um vielleicht ein solches Verfahren miteinander zu vereinbaren. Damit könnten wir dann in dieser Gemeinsamkeit, die hier so beschrieben und auf die sich berufen wurde, die Belebung des Parlamentes, aber vor allem die Stellung des Parlamentes in der Öffentlichkeit, auch als Politiker, die Demokratie stärken.
Ich kann für meine Fraktion sagen, dass wir zumindest das Verfahren und die positiven Aspekte durch differenziertes Abstimmungsverhalten honorieren werden.
Für die Fraktion DIE LINKE war das Herr Kollege Scheel. Als Nächste bitte ich Frau Kollegin Petry für die AfD-Fraktion zum Rednerpult.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD ist zweifelsohne der Neuling in diesem Landtag und als dieser Neuling hatten wir uns auch in die Prozesse der Geschäftsordnung einzuarbeiten. Das war für uns durchaus ein Lernprozess.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass wir versucht haben, von den Fraktionen zu lernen. Ich denke, das steht einem Neuling gut zu Gesicht. Selbstverständlich haben wir auch einige Punkte in dieser Geschäftsordnung für kritisch gehalten und teilen auch Meinungen anderer Oppositionsfraktionen.
Wir haben uns ebenfalls dafür eingesetzt, dass die Fragestunde nicht abgeschafft wird. Als eine der kleinen Oppositionsfraktionen möchten wir dafür sorgen, dass die Minderheitenrechte in diesem Parlament weiter gestärkt bleiben. Nichtsdestotrotz geben wir zu, dass wir einige Fragen nicht umfassend beurteilen konnten, weil uns die Erfahrungen der letzten Legislaturperioden fehlen. Deshalb haben wir uns erlaubt, bei einigen Themen uns einer Meinung zu enthalten und vom Parlament, das wesentlich mehr Erfahrungen hat als wir, zu lernen.
Zu zwei Punkten möchte ich dennoch etwas ausführen. Wir finden es richtig, dass es den 3. Vizepräsidenten nicht mehr gibt. Wir finden es schade und falsch, dass wir weiterhin bei dem d’Hondt-Verteilungsverfahren bleiben, wenn es so beschlossen wird. Wir denken, dass eine Regelung, wie sie in vielen deutschen Landtagen praktiziert wird – dass die stärkste Fraktion den Präsidenten stellt und die zweit- und drittstärksten Fraktionen jeweils den 1. und 2. Vizepräsidenten stellen –, wesentlich angemessener wäre. Deshalb bringen wir zu diesem Punkt einen eigenen Antrag ein.
Zu § 79 möchte ich anmerken: Wir halten es ebenfalls für nicht angebracht, dass wichtige parlamentarische Elemente wie die Fragestunde an das späte Ende des zweiten Plenartages verortet werden, wenn die Aufmerksamkeit der Abgeordneten naturgemäß nachlassen muss. Deshalb setzen wir uns wie DIE LINKE für einen dritten Plenartag ein und werben für diesen Vorschlag um Zustimmung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man das Sprichwort „Was lange währt, wird richtig gut“ ernst nehmen würde, dann würde sich der heutige Landtag zweieinhalb Monate nach der Landtagswahl wohl eine der
Das ist unserer Auffassung nach nicht ganz so. Darüber möchte ich später ein paar Worte verlieren. Lassen Sie mich zunächst einen Blick auf das bisherige Verfahren werfen.
Dass der Landtag die Geschäftsordnung für diese Legislaturperiode erst heute beschließen kann, ist leider nicht allein den sicherlich guten und umfassenden Verhandlungen der Parlamentarischen Geschäftsführer und der Fraktionen geschuldet, sondern es ist eine Folge dessen, dass zu Beginn der Legislaturperiode die Frage des Binnenrechtes des Parlamentes der Frage der Bildung einer Regierungsmehrheit untergeordnet wurde.
Es ist und bleibt ein nahezu einmaliger Vorgang, dass wir in der konstituierenden Sitzung keine Geschäftsordnung beschließen konnten, sondern dass das Verhältnis von Parlament zu Regierung faktisch umgedreht wurde und sich der Landtag in seiner Arbeitsfähigkeit und in seinem wichtigsten Instrument in der Folge der Regierungsbildung unterordnen musste. Darunter hat in den letzten Wochen die Arbeitsfähigkeit dieses Parlamentes massiv gelitten.
Ich denke, auch der Koalition – zumindest in Teilen – ist bewusst geworden, dass die Absetzung der Geschäftsordnung von der Tagesordnung der konstituierenden Sitzung zumindest in der Folge mit einigen Problemen behaftet war, die gelöst werden mussten.
Wir als GRÜNE haben in der konstituierenden Sitzung der übergangsweisen Inkraftsetzung der Geschäftsordnung zugestimmt in der Hoffnung und in dem Glauben, dass wir in gemeinsamen Verhandlungen eine Geschäftsordnung beschließen können, die eine transparentere Arbeit des Landtages und eine Belebung des Parlamentsbetriebes ermöglicht.
Mit Blick auf diese Geschäftsordnung können wir konstatieren: Ja, diese Geschäftsordnung ist ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zur Geschäftsordnung der 5. Legislaturperiode. Der Landtag erhält wichtige und neue Instrumente in der Tagesordnung, die hoffentlich in Zukunft eine weitere Belebung des Parlamentsbetriebes zur Folge haben.
Wir begrüßen ausdrücklich die Einführung einer tatsächlichen Regierungsbefragung, die sich hoffentlich von langatmigen Frage- und Antwortrunden der bisherigen Fragestunde abheben soll –
und die auch dazu dienen wird, dass der Landtag seine Funktion als Kontrollorgan gegenüber der Staatsregierung noch deutlicher wahrnehmen kann.
Wir begrüßen ebenfalls ausdrücklich die Einführung des von uns geforderten Prioritätenantrags, der es ermöglicht, zukünftig die sehr starre Abfolge der Anträge im Plenargeschäft aufzubrechen, und es auch zukünftig kleinen Fraktionen ermöglicht, dass zu einer öffentlich wirksameren Zeit die entsprechenden Anträge behandelt werden.
Wichtige Punkte sind ebenfalls in die Geschäftsordnung aufgenommen worden. Ich möchte insbesondere auf das Fragerecht in den Ausschüssen, das jetzt einer generellen Kodifizierung und Vereinheitlichung unterzogen wird, verweisen.
Ein sehr wichtiger Aspekt, der uns als GRÜNE sehr am Herzen lag: Lobenswert ist, dass es zukünftig eine Verbindlichkeit sowohl zur Einreichung von barrierefreien Dokumenten als auch die Ankerformulierung für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern bei Ausschussanhörungen und im Plenum gibt. Hier übernimmt der Landtag unseres Erachtens eine Vorbildwirkung, die deutlich macht, dass politische Partizipation für alle und für jeden möglich sein muss. Dafür sind wir als GRÜNE durchaus dankbar.