Allerdings ist der Antrag mit der Begründung nicht nur tendenziös, sondern er strotzt auch nur von purer Unkenntnis. Kollege Anton, diesbezüglich sind wir völlig d’accord.
Sicherlich gibt es die Möglichkeit, den Ruhestand der Polizeivollzugsbediensteten hinauszuschieben, allerdings hat das Innenministerium auf meine mündliche Anfrage, Drucksache 6/1994, zur Frage der Ruhestandsverschiebung für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte geantwortet, dass von 51 beantragten Ruhestandsverschiebungen bis zum 15. Juni 2015 – es ist also noch nicht so lange her – 31 entschieden waren, davon allerdings 24 abgelehnt wurden. Insgesamt ist die PR-Aktion, sehr geehrter Herr Staatsminister, wenn ich es einmal so sagen darf, eher eine Luftnummer, die an der Personalausstattung der Polizei an sich nichts ändert.
Mit dem von Ihnen, meine Damen und Herren der AfD, in der Begründung eingeführten Einsatz von Justizvollzugsbeamten bei der Abschiebung können Sie sich ja einmal vertrauensvoll an die Personalvertretungen und den Berufsverband der Justizvollzugsbediensteten wenden. Auch hier ist Ihr schierer Wunsch, die ungeliebten Aus
länder schnell loszuwerden, der Vater des Gedanken; sachbezogene Überlegungen können es eigentlich nicht sein.
Noch etwas an dieser Stelle: Wenn Sie beklagen, dass Demonstrationen und – wie sagen Sie es? – besorgte Bürger, die gemeinsam mit Rechtsextremisten jetzt Flaschen werfend einen Mob darstellen, die Polizei besonders in Anspruch nehmen, dann muss man sich vor Augen führen und klar werden: Wer politisch Brandstifter hofiert und Öl ins Feuer gießt, wer Ressentiments vom Ausländerkriminellen wider die tatsächliche Lage bedient, der sorgt auch dafür, dass Pegida, Legida & Co. marschieren und sich mit Nazis und Hooligans zusammentun; der ruft also auch diesen Zustand selbst mit hervor.
In diesem Sinne: Wir werden den Antrag ablehnen. Er ist einfach nur – wie haben Sie es gesagt, Kollege Anton? –
Sehr geehrter Herr Präsident! Guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen, liebe AfD-Fraktion! Man könnte es sich einfach machen und einfach ganz kurz zusammenfassen, was die Kollegen Anton und Stange jetzt schon zusammengetragen haben: ein schlechter, untauglicher Antrag in der Sache, der eigentlich nicht lohnt, dass man sich länger als diese zehn Minuten, die es jetzt ungefähr waren, damit auseinandersetzt.
Nun ist aber auch klar geworden, dass es Ihnen um etwas anderes geht als das, was hier steht; denn ich denke, dass Sie durchaus zugehört haben und auch dabei waren, als wir hier im Landtag die Haushaltsdebatten geführt und zum Einzelplan 3 das Detail besprochen und beschlossen haben, dass wir eben bereits den Ruhestandsbeamtinnen und -beamten ermöglichen, diesen Eintritt in den Ruhestand zu verschieben, wenn es gewollt ist und wenn dienstlich sozusagen nichts dagegen spricht. Insofern untauglich und am Thema vorbei.
Worum geht es Ihnen eigentlich? Sie haben es mal wieder genutzt, um mit dem Vehikel des Abschiebethemas Ihre widerliche Stimmungsmache gegen die Gruppe der asylsuchenden Flüchtlinge in diesem Land voranzutreiben. Sie machen das, indem Sie ganz gezielt in echte und unechte Flüchtlinge, in gute und schlechte Asylbewerber unterscheiden,
indem Sie den Asylmissbrauch wieder benennen, den es nicht gibt. Ich sage es Ihnen gern noch einmal: Es gibt keinen Asylmissbrauch in diesem Land.
Eines ist mir nicht klar – Herr Wippel, insbesondere bei Ihnen, da Sie Polizeibeamter waren oder noch sind –: Sie pochen immer so auf Rechtsstaatlichkeit – warum nicht an dieser Stelle; dass jeder, der einen Antrag stellt, auch das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren hat. Warum machen Sie das nicht, Herr Wippel?
(Beifall bei der SPD, den LINKEN, der Staatsregierung und vereinzelt bei der CDU – Zuruf des Abg. Sebastian Wippel, AfD)
Zur Frage des Populismus ist schon genug ausgeführt worden. Sie haben es als weitere Gelegenheit genutzt, um über die Sicherheitslage im Land zu referieren. Ich denke, auch das haben wir gestern und heute in den Debatten schon ausreichend getan. Dem Kollegen Anton ist nichts hinzuzufügen, was die Vorhaben der Koalition angeht. Zur Frage der Ermittlung des Stellenbedarfs bei der Polizei, zur Frage der Wachpolizei als kurzfristige Kompensation haben wir in den letzten beiden Tagen auch schon genug gesagt.
Bleibt unterm Strich, dass Sie, anstelle zu lange und zu häufig an Stammtischen Platz zu nehmen, vielleicht etwas mehr Zeit in Recherche und Hintergrundinformationen und das Fertigen von Anträgen investieren sollten, als uns zum dritten Mal so einen Pfusch vorzulegen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An dieser Stelle muss auch ich mich noch einmal kurz mit dem Antrag beschäftigen. Auch wenn schon viel Richtiges dargestellt wurde, gestatten Sie mir, auf einige Aspekte vertiefend einzugehen.
Es wurde bereits dargestellt, dass große Teile dessen, was Sie fordern, praktisch schon längst angewendet werden; der Antrag ist also nicht notwendig. Aber ich glaube, es gibt noch ein anderes Ziel der AfD, als hier mal wieder ihr widerliches, teilweise rassistisches Gedankengut zu verbreiten: Es geht Ihnen auch darum, gegenüber der Bevölkerung darzustellen, dass die vermeintliche Sachpolitik Ihrer Fraktion mal wieder von den etablierten Parteien abgelehnt wird. Dabei gilt es einfach einmal zu konstatieren: Das, was Sie immer nicht nach draußen kommunizieren, wenn Sie von Ihrer Sachpolitik reden, ist, dass Sie keine Sachpolitik in diesem Hause produzieren,
sondern größtenteils schlichten Unsinn. – Und, nein, Herr Wurlitzer, ich gestatte keine Zwischenfrage.
Vielleicht sollten Sie sich nicht immer nur überlegen, wie Sie die Überschrift verkaufen, sondern auch, was dann tatsächlich im Antrag steht und ob die Forderung tatsächlich sinnvoll ist. Ich habe zunehmend das Gefühl, dass bei Ihnen gilt: Wir suchen uns eine schöne populistische Überschrift, die wir draußen verkaufen können – was interessiert uns die Forderung und die Begründung; wir schreiben dann noch etwas ganz anderes hinein?! Das ist doch keine Politik, werte Damen und Herren von der AfD!
Denn, erstens: Der Antrag zeugt von Unkenntnis der Realität, wie auch aus der Begründung hervorgeht. Über wie viele Polizeibeamte reden wir denn? Wie viele gehen denn in den Ruhestand, von denen Sie wissen oder zumindest annehmen können, dass sie tatsächlich in der Lage und auch willens sind, ihren Ruhestand um ein, zwei oder drei Jahre hinauszuzögern? Das ist eine Glaskugel, von der Sie behaupten, es sei der Heilige Gral, der gefunden wurde. Gerade wurde aber richtig dargelegt, es kann höchstens ein Instrument unter vielen sein. Reden wir über fünf, reden wir über 50, reden wir über 500? Ihr Antrag lässt das vollkommen offen.
Zweitens – und das finde ich noch viel schwieriger –: Ihr Antrag zeugt von Unkenntnis der rechtlichen Situation. Herr Wippel, Ihnen als Polizeibeamtem dürfte ich rudimentäre Kenntnisse des Beamtenrechtes unterstellen. Werfen wir doch einen Blick in den § 47 Beamtengesetz: „Wenn es im dienstlichen Interesse liegt, kann die Stelle, die für die Ernennung zuständig wäre, mit Zustimmung des Beamten oder auf Antrag des Beamten den Eintritt in den Ruhestand für eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr und insgesamt drei Jahre nicht übersteigen darf, hinausschieben.“
Jetzt lege ich einmal neben diese Rechtsgrundlage Ihren Antrag und stelle fest: Ihre Forderung ist vollkommen unbestimmt. Denn wenn ich es einmal so lese, gibt es zwei Möglichkeiten, die ich zu interpretieren hätte: Wollen Sie, dass der Dienstherr pauschal alle Anträge auf Verlängerung eines Beamten genehmigt? – Das wäre Lesart eins. Dann wäre es einmal sinnvoll zu wissen, über welche Zahlen wir überhaupt sprechen, wo es genehmigt wurde und wo nicht. Da musste Kollege Stange jetzt die Zahlen liefern, die Sie offensichtlich nicht haben. Ich denke nicht, dass es Ihnen darum geht, denn da stellen Sie eine Pauschalisierung auf nach dem Motto: Jeder, der es beantragt, ist dann auch entsprechend tauglich.
Oder geht es Ihnen darum, dass der Innenminister quasi per Erlass sagt: Jeder Polizeibeamte im Freistaat Sachsen,
der demnächst seinen Ruhestand erreicht, wird jetzt erst einmal pauschal verlängert. Dazu lesen Sie ja richtig im Gesetzestext: Es bedarf immer noch der Zustimmung des Beamten. Von daher geht auch das schief, wenn man es als das lesen könnte, was Sie vielleicht wollen, nämlich so eine Art Zwangsweiterbeschäftigung von Polizeibediensteten.
Drittens: Was bedeutet denn die ganze Angelegenheit praktisch? Praktisch muss man sich doch die Frage stellen: Wollen Sie die bedingt streifendiensttauglichen Beamten, die wir dann auch entsprechend unter der Regelung fassen müssen, weiter in der Dienststelle im Innendienst halten und deren Ruhestandseintritt verzögern, damit sie wahlweise eine Abschiebung unterstützen oder zumindest eine Versetzungsstelle blockieren für Leute, die tatsächlich draußen sind, und wo man dann nicht Leute, die potenziell bedingt streifendiensttauglich sind, versetzen könnte? Da funktioniert doch das ganze Verfahren, das Sie vorschlagen, hinten und vorn nicht.
Viertens: Warum soll denn eigentlich nach Ihrer Logik nur die Polizei weiter und länger arbeiten? Wieso nicht die Finanzbediensteten? Wieso nicht die Mitarbeiter des SIB, die bis zur Belastungsgrenze arbeiten, um die Flüchtlinge unterzubringen? Wieso nicht die Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde, die unter den gleichen personellen Voraussetzungen wie früher mittlerweile knapp 9 000 Leute betreuen müssen?
Ich weiß, warum Sie diese Fragen, die alle zu stellen sind, in Ihrem Antrag nicht beantworten: weil es Ihnen nicht um eine konstruktive Lösung geht, sondern, wie es von Herrn Pallas schon zutreffend dargestellt wurde, nur darum, Ihren intellektuell ganz tiefen Populismus – Stichwort: „mangelhafte Abschiebungspolitik“ – in diesem Hohen Hause promoten zu können.
Sie haben, wie der Antrag ebenfalls zeigt, überdies keine Ahnung, wie viele Asylbewerber derzeit aus dem Freistaat Sachsen überhaupt – theoretisch – abgeschoben werden müssten. Sie operieren hier mit der Zahl 4 500. Woher Sie diese Zahl haben, ist mir vollkommen schleierhaft. Der Kleinen Anfrage von Herrn Barth, der ja Ihrer Fraktion immer noch angehören müsste, konnten wir entnehmen, dass die genannte Zahl von 5 654 ausreisepflichtigen Personen benannt wurde. Von diesen weisen aber 2 266 den Status der Duldung auf. Auch sind von dieser Zahl Personen umfasst, die bereits ausgereist sind oder mittlerweile über ein Bleiberecht verfügen.
Wenn ich das alles berücksichtige, komme ich zu dem Ergebnis, dass nicht einmal diese Zahl, die Sie in Ihrer Begründung genannt haben, stimmt.
Zuletzt kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie – ich lege jetzt einmal Ihre Äußerungen, auch die von Herrn Wippel vorhin, und Ihre Pressemitteilungen nebeneinander – die Beamten, die Sie für die Aufgabe der Abschiebung gewinnen wollen, schon mindestens für fünf andere Aufgaben verplant haben. So sollen ja die Grenzen dichtgemacht,
Versammlungsgeschehen geschützt und Grenzkriminalität verhindert werden. Und zuletzt ist es ganz perfide und Ausdruck eines ganz dunklen Populismus, Herr Wippel, wenn behauptet wird, Menschen müssten vor Flüchtlingen aus der Unterkunft geschützt werden.