Protokoll der Sitzung vom 17.09.2015

spreche ich von wahrer Qualität in unseren Kindereinrichtungen. Das ist meines Erachtens ein sehr gutes Beispiel für die im Koalitionsvertrag genannten Eltern-KindZentren.

Ja, die Leiterin und das Jugendamt der Stadt Leipzig haben deutlich gemacht, dass eine bessere Personalausstattung dringend erforderlich ist, um die wachsenden Problemlagen in unseren Kitas zu bewältigen und das bisher erreichte Niveau zu erhalten. Zum 1. September hat diese Kita wie alle Kitas im Freistaat Sachsen eine bessere Personalausstattung bekommen.

Meine Damen und Herren! Da bin ich bei dem wesentlichen Maßstab für die Qualität, den ich eingangs schon erwähnt habe. Qualität misst sich nicht an Zahlenkolonnen. Nein, Qualität ist die Zufriedenheit der Kinder und der Eltern, der Eltern, die ihre Kinder in unseren Kitas betreuen lassen. Herr Schreiber ist schon umfassend darauf eingegangen. Bei meinen Besuchen in Leipzig oder anderen sächsischen Kindertageseinrichtungen habe ich erfahren dürfen, dass dieses Qualitätsmerkmal in Sachsen sehr weit verbreitet ist, dass sich die Kinder in unseren Einrichtungen wohlfühlen, dass die Eltern eine hohe Achtung vor der Tätigkeit der Erzieherinnen und Erzieher haben und ihre Kinder über den Mittag hinaus gut aufgehoben wissen und beruhigt ihrer Arbeit nachgehen können. Das ist Qualität von Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Ich möchte kurz noch etwas zur Verbesserung des Personalschlüssels sagen. Wir haben einen ersten Schritt getan. Wir haben der kommunalen Familie mehr Geld zur Verfügung gestellt. Es wurde bereits von Herrn Schreiber und Herrn Pecher erwähnt, dass die Träger der Kindertageseinrichtungen, die kommunale Familie, hier eigenverantwortlich handeln. Sie sind flexibel in der Handhabung ihrer Finanzen. Unser Kita-Gesetz schreibt Mindeststandards vor. Natürlich obliegt es jeder Kommune oder jedem Träger selbst, die Mindeststandards anzuheben, wie ich es eben aus Leipzig oder Dresden geschildert habe. Ich könnte dazu viele weitere Städte anführen.

Von meinen jüngsten Kita-Besuchen habe ich mitgenommen, dass sich die Fachkräfte mehr Flexibilität wünschen, zum Beispiel bei der Erteilung der Betriebserlaubnis oder beim Einsatz von unterstützenden Kräften vor Ort, den sie ausdrücklich begrüßen. Sie wünschen sich aber vor allem eine Kontinuität und Verlässlichkeit in der Personalbemessung und damit in der Finanzierung unserer Kindertageseinrichtungen.

Wir sollten das, meine Damen und Herren, zum Wohl unserer Jüngsten im Auge behalten. Wir werden das im Auge behalten. Die Qualität unserer Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen kann sich im Vergleich mit anderen Bundesländern sehen lassen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Am Ende der Rederunden hatte die Staatsregierung das Wort. Frau Staatsminis

terin Kurth hat gesprochen. – Ich sehe keinen weiteren Redebedarf aus den Fraktionen. Die 1. Aktuelle Debatte ist damit abgeschlossen.

Wir kommen nun zu

2. Aktuelle Debatte

Heidenau ist nur die Spitze des Eisbergs: Rassismus und

Rechtsextremismus in Sachsen bekämpfen – Zivilgesellschaft stärken

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zunächst hat die Antragstellerin, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort. Die Einbringerin ist Frau Zais.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als wir im Sommer dieses Jahres die Bilder aus Freital sahen, dachten wir – mir ging es übrigens genauso –: Schlimmer kann es für Sachsen nicht kommen.

Gewalttätige Angriffe auf Polizisten, Gegendemonstranten und Helfer, verbale und tätliche Angriffe auf Repräsentanten des demokratischen Staates und ihre Institutionen und eine erschreckend hohe Zahl von Angriffen auf Asylsuchende und deren Unterkünfte brachten den Ministerpräsidenten vor der Sommerpause hier in diesem Hohen Haus dazu zu sagen, dass Sachsen ein Problem mit Rassismus hat. Angesichts der seit 25 Jahren üblichen Verdrängungs- und Relativierungsstrategie innerhalb der sächsischen CDU war das ein bemerkenswertes Eingeständnis.

Dann – man hat es kaum für möglich gehalten – kamen die Bilder aus Heidenau. Der „Spiegel“ titelte: „Heidenau, die neue deutsche Schande“. Heidenau stand – und ich möchte hier an die Debatte von Anfang des Jahres erinnern, als wir uns über Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda unterhalten haben – in der Tradition mit den Bildern, von denen wir meinten, dass es sie in den neuen Bundesländern, in Sachsen eigentlich nicht mehr geben könnte. Entfesselte Gewaltbereitschaft, NPD-Mitglieder, Neonazis, Kameradschaftsmitglieder und Hools –

(Patrick Schreiber, CDU: Linksautonome!)

Herr Schreiber, Sie können mir eine Frage stellen. Die beantworte ich Ihnen gern, aber ich möchte jetzt erst einmal zu Ende reden.

traten in einem gewalttätigen Komplex in Heidenau auf, in einer Art und Weise und mit einer enormen Brutalität, die selbst Szenekenner, die sich seit Jahren mit rassistischen und Neonazistrukturen in Sachsen befassen, überraschten.

„Neue deutsche Schande Heidenau“ auch deshalb, weil es, ähnlich wie in Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda, ebenfalls wieder die Gaffer gab. Es gab die Familien, die mit Kindern am Straßenrand standen und klatsch

ten und sich den Gewaltexzess ansahen. Heidenau, die „neue deutsche Schande“ – es bleibt abzuwarten, inwieweit das Thema Rassismus tatsächlich von den verbalen Eingeständnissen wegkommt, hin zu einer aktiven Politik bei der Bekämpfung rassistischer Einstellungen in Sachsen.

Aber – das zeigen die Gewaltausschreitungen vom letzten Wochenende beim Angriff auf den Tagungsort der Partei DIE LINKE sowie die gewalttätigen Ausschreitungen bei der Legida-Demonstration am Montag in Leipzig – die Gewaltspirale ist noch lange nicht am Ende. Sachsen ruckt deutlich und dramatisch weiter nach rechts. Was wir erleben, wenn wir auf Sachsen schauen, ist, dass wir mit einem neuen Netz rassistisch ausgerichteter Gruppierungen überzogen sind, Gruppierungen, die unter dem Slogan „Nein zum Heim“ beim Thema Asyl auf die Anschlussfähigkeit ihrer antidemokratischen, antipluralistischen und völkischen Ideologie bei der sächsischen Bevölkerung setzen.

Der Rückgang – das wird im Bericht des sächsischen Verfassungsschutzes immer wieder besonders betont – der organisierten Neonazis kann nicht wirklich beruhigen; denn zugleich haben wir es mit einer Zunahme von temporären und klandestinen rechtsextremen Strukturen im Freistaat Sachsen zu tun, die sich – auch begünstigt durch die sozialen Netzwerke – der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zunehmend entziehen. Zu dieser Einsicht kam zumindest das Bundesamt für Verfassungsschutz, als der Jahresbericht für das Jahr 2014 vorgestellt wurde. Parteien wie Die Rechte oder Der Dritte Weg dienen in Sachsen als Unterschlupf für rechtsextreme Kader. Gleiches gilt für Pegida, Legida und alle anderen Ableger. Der Dritte Weg kann ungehindert eine Art Handreichung „Wie gründe ich eine Bürgerinitiative ‚Kein Asylheim in meiner Nachbarschaft‘?“ verbreiten. Dabei ist natürlich die Frage berechtigt, warum es gerade in Sachsen die höchste Dichte solcher autonomen Bürgerinitiativen gibt.

(Carsten Hütter, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht. – Für die Verbindung zwischen der NPD, der Partei Die Rechte, Hooligans und auch wieder bundesweit agierenden autonomen Nationalsozialisten –

Ihre Redezeit geht zu Ende.

– stehen auch die jährlich stattfindenden rechtsextremen Konzerte in Zobes.

In der nächsten Runde möchte ich darauf eingehen, was den Rechtsextremismus in Sachsen so stark macht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Einbringerin hatte die Fraktion GRÜNE das Wort, vertreten durch Frau Kollegin Zais. Nun beginnen wir mit der ersten Rederunde. Für die CDU spricht Kollege Hartmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Aktuelle Debatte, die ein ernstes Thema bewegt und doch so populistisch daherkommt; das muss ich deutlich sagen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Oh!)

Ihr Redebeitrag hat auch so begonnen, Frau Zais: „Heidenau, die neue deutsche Schande“.

(Zuruf der Abg. Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE)

So haben Sie es hier dreimal zitiert, und Sie zeichnen ein Bild über eine sächsische Stadt, die dem nicht gerecht wird; das will ich in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei der CDU, der AfD und den GRÜNEN)

Es waren die Bilder eines Bürgermeisters, Jürgen Opitz, der sich couragiert und engagiert mit den Herausforderungen vor Ort auseinandergesetzt hat. Es war ein Bürgermeister, es waren Bürger einer Stadt, die deutlich gezeigt haben, wo Grenzen sind. Wenn Sie das Thema Heidenau vorbringen, dann bringen Sie es in seiner Gesamtheit vor und sagen Sie auch: Es ist eine Stadt, die ein deutliches Zeichen mit ihrem Bürgermeister an der Spitze gesetzt hat; und diskreditieren Sie diese Stadt nicht. Das ist der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ja, auch wir in Sachsen haben Probleme und Schwierigkeiten mit Rändern: mit rechtsextremistischen, aber eben auch zunehmend – auf dieses Thema werde ich noch zu sprechen kommen – mit linksextremistischen Rändern.

(Beifall bei der CDU)

Insoweit möchte ich deutlich machen: Wir dulden keine Form von Extremismus, egal, ob vom linken oder vom rechten Rand.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Wir dulden auch keinen Rassismus, der zweifelsohne ein Merkmal rechtsextremistischer Strukturen ist; aber wir werden uns dagegen verwahren, alles pauschal als Rassismus zu verstehen, was einen Diskurs in dieser Gesellschaft ermöglichen soll. Aber all das, was Gewalttaten sind, meine sehr geehrten Damen und Herren, Gewalt, egal, von wem sie ausgeht – möge es bei Fußballspielen oder aus politisch motivierten Bereichen von rechts oder links sein –, jede gewalttätige politische Kampfform lehnen wir ab, und zwar von links und von rechts.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dagmar Neukirch, SPD)

Wir dürfen das Thema nicht aus den Augen verlieren, das dahintersteht: die Frage des Umgangs mit Menschen, die Hilfe und Unterstützung suchen. Auch wir – das kann man nicht oft genug wiederholen – stehen dafür ein – das ist auch ein Grundsatz der Barmherzigkeit und der Verantwortung für Menschen –, denen zu helfen, die Unterstützung brauchen. Wir brauchen Integration, wir brauchen aber auch die zweite Seite dieser Medaille: den Umgang damit, und wir brauchen den ernsthaften Diskurs in unserer Gesellschaft. Das heißt, wir können nicht mit Klischees und Pauschalisierung arbeiten, sondern genauso, wie die Erwartungen und Vorstellungen von Asylsuchenden berechtigt zu diskutieren sind, sind es auch die Herausforderungen und Probleme, die die Bevölkerung in unserem Land damit verbindet.

Klar ist: Dort, wo es zu Gewalt kommt, muss es Grenzen geben. Diese sind immer dort erreicht, wo ich Rechte anderer, insbesondere durch Gewalttaten, beschränke oder andere an Leib und Leben gefährde. Aber diese Debatte eignet sich nicht dazu, Klischees zu bedienen, und vor allem nicht, Städte in unserem Land zu diskreditieren. Der Rechtsextremismus, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine wesentliche und zentrale Herausforderung, vor der wir in unserer Gesellschaft stehen. Die Zahlen zeigen, dass wir uns dieses Themas auch weiter intensiv annehmen müssen, so wie wir es auch in den letzten Jahren getan haben. Wer heute den „Focus“ gelesen hat, sieht, dass wir fast 40 Millionen Euro für die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ausgeben – und im Übrigen 400 000 Euro für die Auseinandersetzung mit dem Linksextremismus, um auch einmal über die Gewichtung der politischen Auseinandersetzung mit extremistischen Rändern zu sprechen, die – darin sind wir uns in diesem Hohen Hause einig – mit Sicherheit keine Existenzberechtigung in unserem Land haben sollten und dürfen.