Protokoll der Sitzung vom 17.09.2015

Die Ziele des Bildungspaketes 2020 wurden bisher nicht erreicht. Auch die Ursachen des Problems müssen klar und deutlich benannt werden. Warum ist das Gymnasiallehramt so attraktiv? Hier hat man nach wie vor die besten Berufschancen, die Bezahlung ist gleichbleibend hoch mit Entgeltgruppen E13, E14. Die Angleichung der Lehrergehälter an Oberschulen an die Entgeltgruppe E13 ist immer noch nicht abgeschlossen und schon gibt es erste Hebungen in die Entgeltgruppe E14 an den Gymnasien. Damit beginnt die nächste Runde.

Ein weiterer Grund für die Attraktivität: Die Schüler sind leistungsstärker und lernmotivierter. Auch der Respekt gegenüber den Lehrern spielt eine Rolle. Aber auch bei der Fächerwahl gibt es Probleme. Die MINT-Fächer sind unbeliebt. Viel zu wenig Studenten wählen diese Fächer. Der Schulunterricht ist unzureichend und keine Grundlage für ein Studium.

Ein weiteres sehr großes Problem ist die Quote der Studienabbrecher. Im Bildungspaket 2020 wird eine Studienerfolgsquote von 85 % gefordert. Wie hoch die Quote der Studienabbrecher ist, bleibt unbekannt. Dass es bis heute noch keine amtliche Statistik über diese Abbrecherquote gibt, wie Frau Staatsministerin in ihrer Antwort einräumt, ist peinlich. Unliebsame Tatsachen lösen sich erfahrungsgemäß nicht in Luft auf, nur weil man sie verschweigt. Den Landtag interessiert es, wie viele Studenten kein Studium beendet haben und wie viele das Studienfach wechselten.

Ich werde in meinem zweiten Redebeitrag weitere Problemkreise ansprechen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich rufe auf die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Dr. Maicher. Bitte, Frau Dr. Maicher, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenig andere Themen können mit solcher Zuverlässigkeit die Gemüter erregen wie die schulische Bildung im Allgemeinen und der Lehrermangel im Besonderen. Das ist verständlich, denn es gibt nicht wenige, die davon betroffen sind – alle sind betroffen –, wenn Unterricht in Massen ausfällt,

wenn Fremdsprachen verlost werden, wenn die Klassen zum Bersten gefüllt sind.

Bemerkenswerterweise wird in der Diskussion über fehlende Lehrerinnen und Lehrer – so wie heute auch hier – die Thematik meistens nur zahlenmäßig betrachtet und eine Debatte über Zahlen geführt. Dabei gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen dem Lehrermangel und der Qualität der Lehramtsausbildung. Das heißt nicht, dass die Zahlen nicht relevant wären. Schon zu Zeiten, in denen die Staatsregierung noch Lehramtsstudiengänge schließen wollte, hat meine Fraktion gefordert, die bestehenden Kapazitäten nicht ab-, sondern auszubauen.

Im Jahr 2011 ist die Staatsregierung diesem Ansinnen endlich gefolgt und hat mit dem Bildungspaket 2020 die Aufstockung der Lehramtsausbildungskapazitäten beschlossen und – auch das eine alte Forderung von uns – das Lehramt an der TU Chemnitz wieder eingeführt.

Das Problem ist nur: Wir können die Lehramtskapazitäten ausweiten, so viel wir wollen; wenn die politischen Rahmenbedingungen nicht stimmen, bringt das schönste Bildungspaket herzlich wenig.

Die Rolle rückwärts unter Schwarz-Gelb war hierbei wenig hilfreich. Die Reduzierung der Ausbildungslänge für Grund- und Oberschulen habt nicht dazu beigetragen, die Attraktivität dieser Lehrämter zu steigern. Im Ergebnis sehen wir, dass das Gymnasium nach wie vor der absolute Favorit bei den angehenden Lehrerinnen und Lehrern ist; immerhin erfährt dieses Lehramt sowohl bei der Ausbildung als auch bei der Vergütung die größte Wertschätzung.

Wer gedacht hat, dass mit der Wiedereinführung des Staatsexamens die Qualität des Studiums steigt, der muss sich nun einmal die Absolventenstudie vom April dieses Jahres anschauen. Überdurchschnittlich hoch ist dort die Unzufriedenheit mit dem Studium ausgerechnet bei den Lehramtsstudierenden.

In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass die Staatsregierung nach wie vor keine Aussagen dazu machen kann, wie viele Lehramtsstudierende ihr Studium nicht erfolgreich zu Ende führen. Dabei wäre es doch entscheidend zu wissen, aus welchem Grund dies passiert und warum wir so viele junge Menschen verlieren. Liegt es nur an der Studienorganisation? Liegt es an zu wenig Praxis? Oder wissen viele zu Beginn ihres Studiums einfach nicht, was sie erwartet bzw. was auf sie zukommt?

Kurz gesagt: Es reicht eben nicht, einfach nur die Studienkapazitäten zu erhöhen, denn die Lehramtsausbildung an sich muss auf den Stand der Zeit gebracht werden.

Meine Fraktion hat bereits in der letzten Legislaturperiode einen detaillierten Vorschlag für ein Lehrerbildungsgesetz gemacht. Wir wollen weg von der Schulartenausbildung. Wir wollen eine verbindliche Orientierungsphase zu Beginn des Studiums, und wir wollen mehr Praxis.

Wenn wir also heute über die Perspektive der Lehramtsausbildung sprechen – wie es der Antrag verlangt –, dann geht es nicht nur um Zielzahlen und Fächerkombinationen, sondern dann müssen wir auch über die Ausbildung und die Ausbildungsqualität sprechen. Wir werden in dieser Legislaturperiode einen neuen Vorschlag für ein Lehrerbildungsgesetz unterbreiten.

Aber – auch das gehört zur Wahrheit – ohne Ressourcen und ohne Planbarkeit geht es nicht. Statt ständig zeitlich befristete Projekte aufzulegen, muss die Staatsregierung die Lehramtsausbildung als Aufgabe verstehen, der es sich langfristig zu verschreiben gilt. Es ist nicht beruhigend, wenn in der Stellungnahme der Staatsregierung steht, dass es zurzeit noch keine konkreten Planungen der Staatsregierung hinsichtlich der Lehramtsausbildung an den drei Universitäten nach Auslaufen des Bildungspaketes 2020 gebe. Die Situation an der TU Chemnitz ist ein trauriges Beispiel dafür – das wurde schon genannt –, was passiert, wenn bei der Lehramtsausbildung auf Sicht gefahren wird. Der Großteil der Lehrstühle ist nicht besetzt. Das ist auch kein Wunder, wenn dem Bildungspaket 2020 – wie der Name schon sagt – von Anfang an ein Verfallsdatum anhängt. Auf dieses Risikospiel muss sich kein Hochschullehrer einlassen. Es gibt auch in anderen Bundesländern attraktive Lehramtsausbildungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erkennen an, dass der Antrag der LINKEN endlich für langfristige Sicherheit und Planbarkeit an den drei Universitäten mit Lehramtsausbildung sorgen möchte. Darüber hinaus finden wir es richtig, dass die Umsetzung des Bildungspaketes 2020 untersucht wird. Deswegen werden wir dem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Maicher. – Meine Damen und Herren! Die erste Runde ist beendet. Ich eröffne eine zweite Runde. Es liegt eine Wortmeldung von der Fraktion DIE LINKE vor. Bitte, Frau Falken, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man in Sachsen das Lehramt Grundschule studieren möchte, dann brauchte man im vergangenen Jahr 2014 einen Durchschnitt von 1,3, in diesem Jahr einen Durchschnitt von 1,7. Wenn man das Lehramt an Mittelschulen studieren möchte, braucht man einen Durchschnitt von 1,6.

Dass Sie mich nicht falsch verstehen: Natürlich möchte auch ich – so wie es meine Kollegin Fiedler von der CDU schon gesagt hat – die besten und hellsten Köpfe an den sächsischen Schulen haben, aber Wissen allein macht keinen guten Lehrer aus. Ich glaube, dass wir im Freistaat Sachsen ernsthaft schauen müssen, dass wir gute Lehrerinnen und Lehrer an die sächsischen Schulen bekommen.

Wenn die Universitäten einen Numerus clausus einrichten, dann muss ich davon ausgehen, dass es mehr Bewer

ber gibt, als wir zurzeit an den Universitäten aufnehmen können. Das wissen wir alle und ich will es hier noch einmal ganz klar benennen. Ich kenne auch einige junge Leute, die jetzt mit einem Durchschnitt von zwei Komma in andere Bundesländer gegangen sind und dort auf Lehramt Grundschule studieren. Das heißt, hier müssen wir schauen, wie viele Studienplätze wir zur Verfügung stellen können, um den notwendigen Bedarf abzudecken.

Ich möchte kurz auf die Problematik von Frau Fiedler eingehen, die sagte, dass wir das größte Einstellungspotenzial im Freistaat Sachsen haben. Dem stimme ich zu. Aber diesen Satz werden Sie in den nächsten drei, vier, fünf, sechs Jahren immer wieder benennen. Ich will einmal die Zahlen anführen, die wir bisher aus dem Kultusministerium haben.

Ausscheidende Lehrkräfte im Jahre 2015/2016 – die Zahlen sind bestimmt nicht mehr aktuell, Frau Ministerin, Sie haben bestimmt schon wieder andere –: 1 200 Lehrer, die ausscheiden. Wenn wir bisher 1 700 im System der Ausbildung haben, wissen wir heute schon, dass das nicht ausreichen wird. 2016/2017 1 100 Lehrer, die ausscheiden, 2017/2018 1 500, die ausscheiden, 2018/2019 2 000, die ausscheiden.

Das ist natürlich eine Größenordnung. Wenn wir jetzt sagen, der jetzige Iststand ist schon gut, wir wollen auf 2 000 Ausbildungsplätze gehen, dann wissen wir, dass 2019/2020 die jetzt Auszubildenden möglicherweise in die Schule kommen, und wir wissen heute schon, dass sie bei dieser Abbrecherquote – Sie haben es ganz kurz angetippt – nicht ausreichen werden, um den Bedarf wirklich zu decken.

Allerdings – darin stimme ich Ihnen allen zu, Sie haben es alle in unterschiedlichen Facetten benannt – braucht man erst einmal eine ordentliche Prognose. Man muss genau wissen, wie viele Lehrkräfte wirklich ausscheiden, in welchen Ausbildungsbereichen sie ausscheiden usw. Allerdings sage ich Ihnen aus der Erfahrung von heute, dass wir inzwischen fast in allen Fächern Mangel haben. Wenn ich jetzt den Unterrichtsausfall mit einberechne, dann ist es völlig egal, in welches Fach Sie gehen, Sie haben da überall eher Probleme. Das heißt, wir brauchen für die Lehrerausbildung mehr Ausbildungsplätze als die 2 000, die avisiert sind.

Ich möchte ganz gern noch ein Schrittchen weitergehen, weil die Lehrerausbildung ja nicht an der Universität stehenbleibt, sondern wir haben ja noch den Vorbereitungsdienst, der natürlich zu berücksichtigen ist. Es gibt zurzeit Diskussionen und Vorbereitungen im Kultusministerium, dass man von dem einen Jahr Vorbereitungsdienst nach Bachelor und Master wieder auf anderthalb Jahre aufstockt – ganz einfach deshalb, weil festgestellt worden ist, dass die jungen Leute mit dem nicht genügenden Anteil des praktischen Teils an den Universitäten nicht ausreichen, um gleich voll in den Beruf einzusteigen.

Ich muss natürlich sagen – ich habe es gestern schon mit der anderen Zahl gemacht, ich mache es heute wieder –: Wir haben nach Aussagen des Kultusministeriums

1 700 Einstellungen bezüglich des Vorbereitungsdienstes. Wir haben aber im Haushalt – Frau Friedel hat es noch einmal benannt – 2 050 Stellen festgeschrieben. Jetzt frage ich mich: Warum – vielleicht gibt es ja nicht genügend Bewerber, die Zahlen habe ich im Moment noch nicht; das Kultusministerium wird sie dann sicher noch liefern – stellen wir nicht jetzt im Vorbereitungsdienst die 350 Lehrer mehr ein, die wir einstellen können, weil die Haushaltsmittel ja dafür zur Verfügung gestellt worden sind? Das ist so eine Frage – Frau Ministerin, vielleicht können Sie sich nachher noch einmal dazu äußern, weil uns das sicher alle interessiert.

Sie haben von Attraktivität des Berufes gesprochen. Ich muss es hier mal sagen: Sie hauen sich mit dem neuen Tarifvertrag, den Herr Unland mit unterschrieben hat, in Bezug auf die Attraktivität des Berufes die Füße selber weg. In dem neuen Tarifvertrag können Sie Lehrerinnen und Lehrer in derselben Eingruppierung einstellen – ob sie den Vorbereitungsdienst haben oder nicht. Das heißt, wenn ich von der Universität komme – mit Vorbereitungsdienst –, werde ich als Gymnasiallehrer in die E 13 eingruppiert, und wenn ich ohne Vorbereitungsdienst komme, werde ich auch in die E 13 eingruppiert. Als Mittelschullehrer – da muss ich Sie korrigieren, Frau Kollegin von der AfD – gehen Sie in die E 11, auch mit dem Vorbereitungsdienst. Das halte ich für nicht vertretbar und ich glaube, dass es zukünftig noch schwieriger werden wird, junge Leute für den Beruf des Mittelschullehrers in die Ausbildung zu bekommen.

Wir fordern Sie auf – und das war das Ziel unseres heutigen Antrags –, hier noch einmal einen Punkt zu setzen, insbesondere in der Vorbereitung des Personalentwicklungskonzeptes. Schule hat viel mehr Aufgaben – Frau Kurth hat es an diesem Pult schon sehr häufig dargestellt, und darin unterstütze ich sie auch –; aber für mehr Aufgaben braucht sie natürlich auch mehr gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Vielen Dank, Frau Falken. – Ich wende mich nun an die CDU-Fraktion: Gibt es noch Redebedarf? – Frau Abg. Fiedler; bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir doch noch einmal wichtig zu sagen – Frau Falken, nicht dass ein falsches Bild dieser Debatte entsteht –: Es geht heute um die Lehramtsausbildung und nicht um die Eingruppierung der Lehrer.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Das ist eine Frage der Attraktivität!)

Ich finde, man sollte die Themen dort belassen, wo sie hingehören. Wenn Sie das Thema anders gestellt hätten – Sie haben selbst eine Debatte zur Situation und Perspektive der Lehramtsausbildung eingefordert. Dazu gehört,

dass man bei diesem Thema bleibt und nicht noch zwei andere hinten dranhängt. Die anderen müssen auch diskutiert werden, aber nicht an dieser Stelle, wenn man sich auf die Ausbildung konzentrieren möchte.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und des Staatsministers Martin Dulig)

Mir ist noch ein zweiter Punkt wichtig: Es ist sehr viel davon gesprochen worden, was die Staatsregierung alles tun muss – sie muss eine Menge tun, das weiß sie auch –; aber Lehramtsausbildung ist auch eine Aufgabe der Hochschulen. Und es geht um die Wissenschaftsfreiheit – deswegen ist es immer gar nicht so einfach. Frau Dr. Muster, es klingt alles sehr theoretisch, aber in der Praxis sieht es etwas anders aus –, und die Freiheit von Wissenschaft ist uns ein sehr hohes Gut, und die Forderungen sind damit in Einklang zu bringen.

Zum anderen müssen es auch die Hochschulen für sich als wichtiges Thema aufgreifen und ich hoffe sehr, dass in der zweiten Phase, in der es vom Bund die Qualitätsoffensive Lehrerbildung gibt, bei der die sächsischen Hochschulen bislang noch nicht in das Fördermittelverfahren hineingekommen sind, gelingt, noch einmal einen Schub zu geben.

Wir wissen, dass wir uns auf den Weg gemacht haben, dass wir noch nicht am Ende stehen; aber man sollte schon einmal die Punkte benennen, die in den letzten Jahren gut gelungen sind, und dafür den gebührenden Respekt zollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD sowie des Staatsministers Martin Dulig)

Frau Falken, Sie wünschen bitte?

Herr Präsident, die Kollegin war zu schnell mit ihrer Rede fertig, sonst hätte ich gern noch eine Frage gestellt; aber ich mache eine Kurzintervention.