Protokoll der Sitzung vom 08.10.2015

Aktuell, so heißt es auf eine Kleine Anfrage, gibt es in Sachsen keine hundertprozentigen Telearbeitsplätze. 299 Bedienstete haben teilweise in Telearbeit ihre Anstellung in sächsischen Behörden. Davon üben 41 Bedienstete mit wenigstens 75 % und 96 mit wenigstens 50 % ihrer wöchentlichen Gesamtarbeitszeit Telearbeit aus.

In den vergangenen Jahren stellen wir fest, dass es eine leichte Steigerung der Telearbeitsplätze um circa 80 Bewilligungen gegeben hat, die auf dem genannten Pilotprojekt beruhen. In diesem wurde untersucht, in welchem Rahmen die Eignung eines Telearbeitsplatzes vorhanden ist, und die Erfahrung jener, die Telearbeit getätigt haben, wurde untersucht.

Das Beispiel des Staatsministeriums der Finanzen zeigt, dass eine deutliche Steigerung solcher Telearbeitsplätze möglich ist, wenn man es richtig anfasst und dazu bereit ist. Genau darauf zielt unser Antrag ab und findet sich damit in Übereinstimmung mit dem Koalitionsvertrag, in dem es auf Seite 69 wie folgt gefordert wird: „Außerdem werden wir die Balance zwischen den Lebensbereichen durch verlässliche Arbeitszeiten, Arbeitszeitkonten, Telearbeit oder Zeitansparmodelle weiter voranbringen.“ Ich zitiere weiter: „Das Angebot an Telearbeitsplätzen im öffentlichen Dienst werden wir weiter ausbauen.“

Dieses Ansinnen möchten wir durch unseren Antrag unterstützen, vor allen Dingen deswegen, weil wir zwei wesentliche Ziele im Blick haben: die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Unterstützung des ländlichen Raumes.

Viele berufstätige Eltern äußern den Wunsch, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können. Die Zeit, die sie für Fahrzeit in öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Pkw aufbringen müssen, fehlt ihnen an der Familienzeit. Telearbeit kann hier teilweise Abhilfe schaffen. Alle Kinder, das weiß jeder von uns genau, werden ab und zu einmal krank. Im Falle eines vorhandenen Telearbeitsplatzes ermöglicht dieser, dennoch zumindest teilweise die Arbeit zu erledigen, um nicht komplett dem Arbeitsplatz fernbleiben zu müssen.

Zum Glück sieht unser Sozialrecht dafür eine Möglichkeit vor, doch nicht immer ist Telearbeit wirklich im Sinne des Arbeitnehmers – vom Arbeitgeber ganz zu schweigen. Deswegen sind gerade teilweise Telearbeitsmodelle vermutlich die Richtung, in die wir politisch gehen sollten.

Familie meint aber nicht nur die mittlere und junge Generation, sondern es gehören ebenso diejenigen dazu, die ihre pflegebedürftigen Angehörigen betreuen. Viele von ihnen möchten so lange wie möglich im häuslichen Umfeld bleiben und brauchen Personen, die sich um sie kümmern. Bis dahin wird die Pflege gewöhnlich in erheblichem Umfang von Angehörigen wahrgenommen, die aber in der Regel noch beschäftigt sind. Dafür gibt es Modelle, sie von der Arbeit komplett freizustellen. Besser wäre es jedoch, eine teilweise Tätigkeit durch Telearbeit auch für diese Menschen zu ermöglichen.

Schauen wir auf die Förderung des ländlichen Raumes, dann ist gerade für diesen Telearbeit eine große Chance. In ländlichen Regionen Sachsens sind junge, gut ausgebildete Personen davon betroffen, insbesondere junge Frauen, die immer wieder aus Sachsen wegziehen, weil sich in anderen großen Städten außerhalb von Sachsen interessante Herausforderungen und ihrer Ausbildung angemessene Arbeitsplätze befinden. Was spricht also dagegen, hier mit Telearbeit durch Pilotprojekte gerade im öffentlichen Dienst diese Fachkräfte zu halten und vor allen Dingen diesen Fachkräften auch die Möglichkeit zu geben, auf dem Land wohnen zu bleiben?

Natürlich gehen die Chancen der Telearbeit über die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Förderung des ländlichen Raumes hinaus. Dabei ist auch klar, dass Telearbeit niemals vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufoktroyiert werden darf. Besonders ist auch zu nennen, dass der Kontakt zu weiteren Mitarbeitern gewahrt bleiben muss.

Selbstredend sind wir uns der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Telearbeit bewusst. Nicht jeder Arbeitsplatz ist dafür geeignet. Im ungünstigsten Fall kann vollständige Telearbeit – wie erwähnt – auch zur Entfremdung des betreffenden Arbeitnehmers von seinen Kollegen führen. Die Erfassung der erbrachten Arbeitszeit außer Haus ist schwieriger als an einem gewöhnlichen Arbeitsplatz. Natürlich besteht auch die Gefahr der Selbstausbeutung des Arbeitnehmers. Für Vorgesetzte ist es eine schwierige Herausforderung, wenn einige Mitarbeiter nicht ständig präsent sind. Wir müssen darauf achten, dass diejenigen mit Präsenzarbeitsplätzen nicht

über alle Nachteile und diejenigen mit Telearbeitsplätzen nicht über alle Vorteile verfügen. Umgekehrt gilt das Gleiche.

Über all das sind wir uns in unserer Fraktion im Klaren. Doch überwiegen unserer Ansicht nach die Chancen der Telearbeit bei Weitem die Risiken. Wo ein Wille, glauben wir, ist auch immer ein Weg.

Ein weiterer Einwand könnten die mit der Einrichtung von Telearbeit verbundenen Kosten sein. Aber verfügen wir hier tatsächlich über gesicherte Erkenntnisse? Wir glauben: Nein. Deswegen sollen im Rahmen unseres Antrags diese Kosten untersucht werden.

Das genannte Pilotprojekt im Bereich des Geschäftsbereichs des SMF hat den Weg vorgezeichnet, wie wir weitergehen können. Als Kritikpunkt könnte man anbringen, dass es allein auf den nachgeordneten Bereich bezogen, das Staatsministerium selbst aber ausgenommen war. Dennoch war es im Ganzen erfolgreich.

Sorgen wir also dafür, dass es in weiteren Ressorts der Sächsischen Staatsregierung durchgeführt und ausgewertet wird. Sorgen wir insbesondere für einheitliche Kriterien bei der Gewährung von Telearbeit im gesamten sächsischen Staatsapparat und sehen wir dies auch als Pilotprojekt, das hoffentlich in der Wirtschaft noch mehr Nachahmung findet.

Allem Anfang liegt ein Zauber inne, meine Damen und Herren. Fangen wir also an, in diesem Sinne zu zaubern.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Als Nächstes hat die Fraktion der CDU das Wort. Herr Abg. Hartmann, bitte. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dr. Petry: Zaubern wir mal. Sie haben gerade im großen Stil wieder damit begonnen.

Ich finde es schon bemerkenswert, der Antrag lässt sich überschreiben mit der Feststellung: Die AfD tritt der Forderung der Koalition nach Telearbeitsplätzen bei, weiß nur nicht, wie sie es klarstellen soll, dass sie dieses Ansinnen auch unterstützt und mangels Regierungsbeteiligung einfach noch einmal ihre Meinung zum Ausdruck bringen will. Das ist in Ordnung. Ich freue mich, dass wir in diesem Hohen Hause offensichtlich zum Thema Telearbeitsplätze keinen Dissens haben. Gleichwohl, dieses Antrages hat es nun wahrlich nicht bedurft.

Im Übrigen will ich mich an dem Antrag etwas abarbeiten.

Zu Punkt 1: Es ist doch sehr schön, nachdem ich ein Pilotprojekt gehabt habe, dessen Ergebnis vorliegt, jetzt zu sagen: Die AfD entschließt sich, weitere Pilotprojekte durchzuführen. Das ist eine neue Qualität – die Piloten zum Piloten, aber in Ordnung.

Es ist doch unstrittig und auch Erkenntnis der Regierungskoalition, sonst hätten wir es auch nicht im Koalitionsvertrag verankert, dass Telearbeitsplätze dort ein zielführendes und sinnvolles Instrument sind, wo sie zum Einsatz gebracht werden können, und zwar auch im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Frau Petry, es ist sehr nett, dass wir feststellen, dass wir sowohl bei den Prioritäten des ländlichen Raumes als auch in der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf keinen Dissens haben. Es geht mit Blick auf genau diese Entwicklung nicht darum, den Piloten weiter zu pilotisieren, sondern vielmehr um die Frage, wo das Mittel geeignet ist, tatsächlich Telearbeit einzuführen.

Insoweit ist auch Punkt 2 wahrlich kein großer Ritt, das Pilotprojekt hinsichtlich der durchschnittlichen Kosten zu evaluieren.

Die Einführung der Telearbeit in Sachsen und die Berechnung deren durchschnittlicher Kosten hätte dann das Ergebnis: Der Teich war im Durchschnitt einen halben Meter tief, und trotzdem ist die Kuh ersoffen. Denn je nach Ressort, nach Bereich, Zuständigkeit und Aufgabenwahrnehmung werden diese Kosten höchst unterschiedlich ausfallen. Der Mittelwert eines Telearbeitsplatzes wird an der Stelle keine zielführende Aussage treffen. Telearbeit im Bereich des Justizministeriums oder der Finanzen ist möglicherweise etwas völlig anderes als im Bereich des Landwirtschaftsministeriums oder gar der Sächsischen Polizei.

Da sind wir bei Punkt 3 Ihres Antrages: ressortübergreifende einheitliche Kriterien für die Genehmigung von Telearbeitsplätzen.

Auch da bezweifle ich, dass die Betrachtung der forstwirtschaftlichen Rahmendaten mit denen der Finanzverwaltung oder der Polizei in einheitliche Standards einpassbar ist. Vielmehr wird es hier einer individuellen Betrachtung bedürfen.

Da sind wir schon bei der Zuständigkeit dieses Hohen Hauses und insbesondere bei der Frage, warum so eine Forderung und Festsetzung, so eine Zusage in einem Koalitionsvertrag richtig verankert ist, allerdings ein solcher Antrag keinen substanziellen Mehrwert mit sich bringt. Eine regierungstragende Fraktion ist die, die in der Verantwortung steht, die praktische Umsetzung in der Staatsverwaltung zu realisieren. Das tut sie, und zwar, ohne dass dieses Hohe Haus weder irgendwelche Pauschalkosten, die keinen Mehrwert mit sich bringen, noch die Frage ressortübergreifender einheitlicher Kriterien zum Beschlussgegenstand macht, sondern vielmehr – und das ist das Entscheidende, meine sehr geehrten Damen und Herren – zwischen den Personalräten, den Arbeitnehmern und den Hausspitzen die entsprechenden Möglichkeiten evaluiert, wo Telearbeit tatsächlich möglich ist.

Dass sie möglich ist, wurde mit dem Pilotprojekt bewiesen und umgesetzt. Wir müssen vielmehr schauen, welche Bereiche tatsächlich geeignet sind, um dort weitere Telearbeitsplätze zu schaffen. Da gibt es schon einige

Faktoren zu berücksichtigen. Einer ist die Frage, dass die Arbeitsfähigkeit der Behörde und die Vernetzung zu den Kollegen gewährleistet sind. Ein weiterer Faktor sind die sich aus den Telearbeitsplätzen ergebenden zusätzlichen finanziellen Aufwendungen. Dafür muss man miteinander die bestmöglichen Lösungen finden.

Ich schließe mit einer Bewertung des sächsischen Rechnungshofes: „Telearbeit ist ein modernes Instrument, sozialen Notwendigkeiten im Arbeitsumfeld von Bediensteten zu entsprechen. Sie bietet bei geeigneten Aufgaben vielversprechende Möglichkeiten, Arbeitsabläufe effizient und effektiv zu organisieren.“

Ich schlage vor, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie überlassen diese Verantwortung der Regierung und deren nachgeordneten Behörden und das in Kooperation mit den berufsständischen Vertretungen, verantwortungsvoll in einem heute noch einmal durch alle offensichtlich festzustellenden Ziel, nämlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der besonderen Bedeutung des ländlichen Raums Rechnung zu tragen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN – Lachen der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Die Fraktion

DIE LINKE, Herr Abg. Tischendorf. Bitte sehr, Herr Tischendorf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorgeschichte zum Antrag der AfD-Fraktion für das genannte Projekt zur Telearbeit beim Finanzministerium liegt, wenn wir uns daran erinnern – so weit zur Aktualität! –, zwölf Jahre zurück. Voraussetzung dafür war die Einrichtung der Telearbeit auf der Grundlage einer Dienstvereinbarung von Finanzministerium und Hauptpersonalrat über die Einrichtung von alternierender Telearbeit vom 2. Dezember 2003. So weit zur Aktualität.

Bewegung in die Angelegenheit kam noch einmal mit dem Erlass vom 20. Juli 2011. Damit wurde das Landesamt für Steuern und Finanzen beauftragt, im Zusammenhang mit dem neuen Standortekonzept der Finanzämter zu prüfen, inwieweit eine größere Ausweitung von Telearbeit realisierbar ist. Dabei sollten auch die Erfahrungen aus anderen Bundesländern genutzt werden.

Am 1. März 2012 wurden dann die Pilotierungsbereiche benannt, die letztendlich einbezogen werden sollten. Dabei sollten diese auch die Aspekte Kommunikation sowohl mit Steuerpflichtigen als auch mit den anderen Beschäftigten, die Absicherung der Servicezeiten, die zu erreichende Flexibilität der Bediensteten und die Personalentwicklung sowie die notwendigen Vertretungsregelungen umfassen. Das alles konnten Sie im Erlass vom 25. Januar 2012 nachlesen.

Nach der Erstellung des Projektplanes zur Pilotierung wurde eigens dafür ein Lenkungsausschuss gebildet, der

sich im September 2012 die zeitliche Umsetzung mittels eines Meilensteinplanes vorgenommen hat.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Wenn du mal nicht weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis!)

Seitdem haben nun vom Landesamt für Steuern und Finanzen – ich mache es genauer, Frau Dr. Petry – 77 Bedienstete in den Finanzämtern Bautzen, Chemnitz-Mitte, Leipzig I und Schwarzenberg – an der Pilotierungsphase teilgenommen.

Ich habe extra etwas ausführlicher über die Historie gesprochen, weil ich mich ehrlicherweise gefragt habe, warum sich die AfD-Fraktion in der Begründung zum Antrag so ausschweifender Allgemeinplätze zur Telearbeit bedient und nicht wenigstens zur Kenntnis nimmt, was schriftlich bereits vorliegt, wenn sie schon so etwas in ihrem Antrag formuliert.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der AfD)

Zur Entschuldigung will ich aber gern fachliche Unkenntnis gelten lassen.

(Zuruf der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Und weil das offensichtlich so ist – es scheint offensichtlich so zu sein –, scheint es mir wenig sinnvoll, mich mittels eines Antrages der AfD-Fraktion im Hohen Haus über die im Ergebnis des Projektes mit den noch offenen Fragestellungen – dazu hätte ich gern etwas gehört –,, den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zum Beispiel, die im Projekt eine Rolle gespielt haben, der Problematik Kurzzeit-Telearbeit, den notwendigen Kriterien der Personalauswahl – –