Meine Damen und Herren! Wir behandeln nun einen Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 6/3342. Es wurde bereits angekündigt, dass jetzt noch einmal auf diesen eingegangen werden soll. Frau Abg. Meier, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin vorhin schon auf einige Punkte im Antrag eingegangen. Deswegen möchte ich mich jetzt nur noch auf wenige Punkte beschränken, die auch in der Diskussion noch einmal aufgekommen sind.
Der Innenminister hat gerade gesagt, dass es eine große Dunkelziffer gibt. Das Problem ist, dass Sie sich in der Antwort auf die Anfrage nicht haben hinreißen lassen, einen Eindruck davon zu geben. Deswegen fordern wir, dass es eine sogenannte Dunkelfeldstudie gibt, also qualitative Befragungen, um Licht ins Dunkel zu bringen.
Die Innenpolitikerinnen und Innenpolitiker und vor allem auch die Polizisten hier im Haus wissen viel besser als ich, dass es sich beim Menschenhandel um einen Kontrolldelikt handelt. Wenn ich nicht kontrolliere, dann kann ich auch nichts finden. Deswegen unser Vorschlag, unsere Bitte, unsere Forderung, ein Konzept zu erstellen, wie man die Kontrolldichte erhöhen kann.
Sie sprachen von KOBRAnet, das wir auch in unserem Antrag angesprochen haben. Richtig ist – das hatte ich vorhin bereits erwähnt –, dass sie jetzt wieder mehr Geld bekommen bzw. wieder auf dem alten Sockel angelangt sind. Aber wenn mehrere Aufgaben dazukommen und KOBRAnet, wie ich weiß, auch aufsuchende Arbeit machen soll, dann hängt daran natürlich, dass es entsprechendes Personal geben muss. Deswegen reicht meines Erachtens das Geld dann nicht. Da muss noch etwas zugesetzt werden.
Noch einmal explizit zur Polizei: Ich denke schon, dass geschultes Personal vorhanden sein muss. Außerdem muss es spezielle Schulungen geben, um sensibilisiert zu sein für das Prostitutions- und vor allem für das Menschenhandelsmilieu.
Jetzt zur selbstbestimmten, legalen Prostitution: Ich hätte nie gedacht, dass ich so viel Einigkeit mit Frau Nicolaus haben würde, was die Beratungsstellen betrifft. Ich habe den Eindruck, dass wir uns wirklich alle einig sind. Sie haben die EU-Richtlinie angesprochen. Wir sind uns einig, dass wir die Situation der Prostituierten verbessern wollen. Dazu ist es aber notwendig, dass es entsprechende Beratungsstellen gibt. In diesem Land gibt es aber keine einzige Beratungsstelle für legal tätige Prostituierte. Deswegen brauchen wir eine und müssen dafür Geld in die Hand nehmen. Sie müssen dafür in den nächsten Haushaltsverhandlungen Geld in die Hand nehmen. Wir haben das immer gefordert.
Herr Pallas, wenn Sie sagen, unser Antrag hat ein paar Schwachstellen, ist das ganz bestimmt so. Aber dann machen Sie doch einen Änderungsantrag. Mit uns kann man reden. Vielleicht kommen wir dann noch zusammen.
Meine Damen und Herren! Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Aus den Reihen der CDU kommt Frau Nicolaus. Bitte sehr, Frau Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben sicherlich viele gemeinsame Ansichten, Frau Meier, aber wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen. Das haben Sie sich wahrscheinlich schon vorher gedacht.
Trotz allem nehmen wir – da kann ich auch für meine Fraktion sprechen – das Thema auch im Zusammenhang mit der Großen Anfrage sehr ernst.
Deutschlandweit ist es so, dass die Fälle von Menschenhandel zurückgegangen sind. Es ist nicht nur im Freistaat Sachsen so, dass die Zahlen Gott sei Dank niedrig sind. Deutschlandweit ist es so, dass wir 2014 den Stand von 2006 hatten. Welche Maßnahmen das bewirkt haben, will ich an dieser Stelle gar nicht intensiv beurteilen.
Wir wissen, dass in Sachsen die Polizei aufgestockt werden wird. Ob es aber allein hilft, nur polizeiliche Maßnahmen zu ergreifen, bleibt abzuwarten. Hier nehme ich auf, was der Minister angesprochen hat. Das Gesetz von 2002 hat einige Einschränkungen gebracht, was die Kontrollmaßnahmen betrifft. Das darf man nicht verniedlichen. In der Beziehung brauchen wir auf der Bundes
ebene, wenn das Gesetz jetzt novelliert wird, andere Bestimmungen. Ich denke, dass die Bundesregierung und auch der Bundestag dieser Verantwortung gerecht werden, um am Ende die Situation für die Prostituierten zu verbessern, was natürlich dringend notwendig ist.
Trotz allem ist es so, dass 70 % der Prosituierten im illegalen Bereich wirken. Diese werden wir wahrscheinlich nicht, egal welche Gesetze beschlossen werden, zur Legalisierung bewegen, um einen Gewerbeschein zu beantragen. Irgendwo ist die Hemmschwelle doch vorhanden, ob das die Straßenprostituierte ist oder diejenige, die als Hausfrau diesem Geschäft nachgeht. Auch den Escort-Service darf man nicht vergessen. Das ist ein Genre, das vielleicht einen offiziellen Touch hat und trotzdem illegal ist, wenn Geschäftsmänner oder Geschäftsfrauen begleitet werden, je nachdem, wie man es sieht.
Faktum ist, dass wir diesen Entschließungsantrag als nicht notwendig erachten, wir die Dinge aber trotzdem weiterverfolgen und haushalterisch entsprechend unterlegen werden.
Vielen Dank, Frau Nicolaus. Möchte jemand von der Fraktion DIE LINKE zum Entschließungsantrag sprechen? – Frau Abg. Schaper, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Entschließungsantrag, Frau Nicolaus: Ich war anfänglich positiv überrascht, dass Sie dieses Thema bewegt und Sie es in der Fraktion ernsthaft diskutieren. Aber wenn Sie dann sagen, dass die Zahlen so niedrig seien, dass es keinen Handlungsbedarf gebe, so muss ich Ihnen sagen: Genau aus diesem Grund finden wir den Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so gut, die Dunkelzifferstudie in Gang zu setzen. Auch das ist ein Grund, warum wir auf jeden Fall zustimmen werden; denn wir wissen ja nicht, ob die Zahlen, die wir schwarz auf weiß haben und die der Staatsregierung bekannt sind, überhaupt der Realität entsprechen. Auch dass die Kontrolldichte angehoben werden muss, erschließt sich mehr oder weniger von selbst. Wir halten den Antrag für sehr sinnvoll, deshalb werden wir zustimmen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe GRÜNE-Fraktion, ich hatte bereits in der ersten Rede erwähnt, dass ich das Bemühen um dieses Thema sehr positiv sehe und dass der Entschließungsantrag einige wichtige Erkenntnisse und
richtige Ansätze beinhaltet. Gerade der Bereich der Beratungsstruktur ist jetzt mehrfach angesprochen worden. Ich und meine Fraktion unterstützen das sehr. Wie wichtig hier eine gute Arbeit ist, hat ein Modellprojekt gezeigt, welches im Anschluss an die Überprüfung des Prostitutionsgesetzes durchgeführt wurde.
Das Projekt sollte Prostituierte beim Ausstieg und Umstieg in einen neuen Beruf und ein neues Leben unterstützen. Dazu wurde kürzlich der Abschlussbericht veröffentlicht. Die zentralen Ergebnisse sind, dass Prostituierte häufig mit Stigmatisierung und Ausgrenzung konfrontiert sind und genau deshalb zielgruppenspezifische Beratungsangebote benötigt werden. Die Arbeit an den drei Modellstandorten hat eindrucksvoll belegt, wie durch Zusammenarbeit aller betreffenden Stellen und der individuellen Unterstützung der Klientinnen und Klienten Ausstiegs- und Umorientierungsprozesse gelingen können. Diesen Erkenntnissen sollten wir uns auch in Sachsen nicht verschließen.
Auch der runde Tisch scheint mir ein durchaus interessantes Instrument zu sein, besonders, um die verschiedenen Interessen und Blickrichtungen auf das Thema zu einem konstruktiven Miteinander zu verbinden. Trotzdem – ich hatte es bereits erwähnt – finden sich in Ihrem Antrag auch Punkte, bei denen wir im Moment nicht mitgehen können. Ich hatte in meiner ersten Rede bereits darauf verwiesen, dass einige Schlussfolgerungen mit großem Abstand zu pauschal und deswegen nicht so richtig nachvollziehbar sind, und, liebe Frau Meier, so einfach kann ich Sie aus der eigenen Verantwortung nicht entlassen. Es ist Ihre Aufgabe, bei der Sie genügend Zeit gehabt hätten, anders und noch etwas genauer mit den Erkennt
nissen der Analyse umzugehen. Dabei uns jetzt in die Mitte zu bringen, wir könnten das doch berichtigen, so einfach mache ich es Ihnen dann doch nicht. Das hätten Sie besser machen können. Insofern werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Wir müssen uns aber natürlich in Zukunft weiter mit diesem Thema beschäftigen, insbesondere dann, wenn das Prostitutionsschutzgesetz im Bundestag verabschiedet wurde. Einfach warten und nichts tun, wie es leider in der Vergangenheit geschehen ist, ist keine Alternative, und ich habe Herrn Ulbig auch so verstanden, dass die Staatsregierung das genauso sieht. Insofern danke ich Ihnen und hoffe auf Verständnis, dass wir heute nicht zustimmen können.
Vielen Dank, Herr Pallas. Ich frage die AfD-Fraktion: Wird noch das Wort zum Entschließungsantrag gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Somit kommen wir zur Abstimmung über die Neufassung der Drucksache 6/3342. Wer seine Zustimmung geben möchte, hebt bitte die Hand. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist die Drucksache dennoch nicht beschlossen. Die Behandlung der Großen Anfrage und damit der Tagesordnungspunkt 5 ist beendet.
Die Aussprache erfolgt wie bekannt: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Ursu; bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zeit, die man mit kultureller Bildung verbringt, ist nie vergeudet. Sie fördert neben der Sprachfähigkeit, der Musikalität und dem guten Blick für das Schöne auch Disziplin und Ausdauer. So führt sie dazu, dass wir einander und uns selbst besser kennenlernen und lieber zusammen leben.
Was Kulturstaatsministerin Monika Grütters anlässlich der diesjährigen Verleihung der Preise für kulturelle Bildung sagte, kann ich – und können wahrscheinlich die meisten von Ihnen – nur unterstreichen. Dabei fällt es uns allen nicht leicht zu erklären, was genau zur kulturellen
Bildung gehört. Die zahlreichen streitbaren unstrittigen Definitionen möchte ich hier nicht ausführen, sondern vielmehr die Bedeutung kultureller Bildung an mehreren Beispielen aufzeigen.
Erstens fördert die kulturelle Bildung wie kaum ein anderer Lernbereich von Kindesbeinen an die Persönlichkeitsentwicklung, Identitätsfindung, emotionale Stabilität, Teamfähigkeit und Disziplin, das Zuhören und das Körpergefühl. Durch sie werden die schöpferischen Fähigkeiten im intellektuellen und emotionalen Bereich vermittelt. Die Künste helfen uns, das uns Eigene auszubilden und zu erfahren und zugleich das Fremde zu akzeptieren und anzuerkennen.
Zweitens trägt kulturelle Bildung zu dem bei, was man „Kultur für alle“ oder „kulturelle Teilhabe“ nennen kann. Dabei haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Leider nahm trotz erhöhter Kaufkraft, mehr Freizeit und höherer formaler Bildung die kulturelle Partizipation in den
letzten Jahrzehnten kaum zu. Die Wahlmöglichkeiten der potenziellen Kulturnutzer sind zwar gestiegen und die kulturnahen Milieus nehmen die Angebote öfter war, doch wer früher nicht ins klassische Konzert, in die Oper, ins Theater oder in Ausstellungen ging, der tut das auch jetzt nicht. Das gestiegene Kulturinteresse beschränkt sich nach wie vor auf die 5 bis 10 % der kulturellen Vielnutzer und auf weitere 40 bis 45 % der Bevölkerung, die gelegentlich unsere reichen – weil öffentlich geförderten – Kultureinrichtungen in Anspruch nehmen.
Drittens. Die kulturelle Bildung beeinflusst das Miteinander unserer Gesellschaft. Kulturelle Bildung ist ein integrales, notwendiges Element von Allgemeinbildung. Kultur öffnet Welten zwischen Jung und Alt, zwischen Gebildeten und Bildungsfernen.
Viertens ist die kulturelle Bildung die Voraussetzung dafür, dass kulturelle Vielfalt erhalten bleibt. Ohne sie können die vielfältigen eigenen kulturellen Traditionen nicht lebendig bleiben. Sie ist Voraussetzung für neue Künstlergenerationen, dafür, dass es auch in Zukunft Kulturrezipienten und -konsumenten gibt. Sie ist nicht zuletzt auch die Substanz, von der die Kreativwirtschaft lebt.