Die ganze Ignoranz, die Sie dazu bringen, dass sich das FAG natürlich dynamisch entwickelt – das ist alles von Kollegen Hartmann schon dargelegt worden –, die Einwohner, das Steuervolumen insgesamt erhöht sich. Wenn man bei den jetzigen Steuermehreinnahmen, die veranschlagt worden sind, einfach mal diese 500 Millionen Euro nimmt und sagt, 20 % wären kommunaler Anteil, dann wären das 100 Millionen Euro. Wenn Sie 41 % von diesen 100 Millionen Euro veranschlagen, dann wären von Ihren 50 Millionen Euro schon fast alles wieder hereingeholt – nur durch einen Zuwachs im FAG. Das ignorieren Sie vollkommen.
Was ich am dramatischsten finde und worüber ich mich erheitern könnte: Sie beziehen sich auf einen Bürgermeister – einen Beigeordneten, um präzise zu sein; von einem ganz anderen Horizont her. Ich habe mit 35 bis 40 Bürgermeistern – richtigen Bürgermeistern, die die Gemeinde auch führen – gesprochen und keinen erlebt, keinen einzigen, der negativ über dieses Projekt gesprochen hätte. Dass es immer nicht reicht, das ist die Natur eines jeden Bürgermeisters.
Aber jeder hat dieses Projekt, diese Finanzierung – Planungssicherheit für die nächsten fünf Jahre – für vernünftig erachtet.
Ich empfehle Ihnen wirklich: Kaufen Sie sich keinen grafikfähigen Rechner – das übersteigt Ihr Niveau –, nehmen Sie einen normalen.
So ist es, Frau Präsidentin. – Herr Kollege, ich stelle mir die Frage: Sind Sie wirklich so naiv, wie Sie hier tun? Es ist doch völlig klar: Wenn einmal dieses Rad gedreht ist, das Sie hier mit den heimlichen Nebenabreden drehen, dann wird es nicht zurückgedreht werden können. Das hat auch die Sachverständigenanhörung eindrucksvoll ergeben. Sie hätten nur einfach zuhören müssen, was dort gesagt worden ist.
Ich zitiere wieder den Kollegen Hartmut Vorjohann – und im Übrigen, ja, es ist ein Bürgermeister; in Stadträten heißen nämlich die Beigeordneten Bürgermeister. Das können Sie der Sächsischen Gemeindeordnung entnehmen. Das würde ich Ihnen als kleine Lehrstunde mitgeben.
Er hat es Ihnen doch auf Ihre Nachfrage in der Sachverständigenanhörung erklärt. Wir sollten hier nicht nach dem Lehrbuch für Politanfänger vorgehen, sondern uns einfach anschauen, was realistisch zu erwarten ist. Realistisch zu erwarten ist: Wenn die Weichenstellungen einmal so vorgenommen worden sind, wie sie jetzt vorgenommen werden sollen, dann wird das entsprechend fortgesetzt und wir haben das Problem ab 2021. Darauf weisen wir heute hin; wir wollen es nämlich abwenden.
(Beifall bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Sie drucken einfach Geld, Herr Schollbach! Das ist Ihr Problem!)
Ich möchte kurz darauf reagieren und es mit einer Art Gleichnis versuchen. Es gab in diesem Landtag eine Fraktion, aus der zu hören war, dass die SPD nie wieder in Regierungsverantwortung kommen werde.
Wir haben das Rad nicht zurück-, sondern nach vorn gedreht. Wir sind wieder da und regieren hier. In diesem Sinne möchte ich Ihnen sagen: Auch 2021 werden wir das FAG, das dann zur Verhandlung ansteht, mit verhandeln. Ich verwahre mich gegen Ihren Vorwurf, Herr Schollbach, dann gebe es nichts mehr zu gestalten.
Gibt es jetzt weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt heute ein Gesetzentwurf zur Abstimmung vor, der in dieser Dimension seinesgleichen sucht. Den Kommunen werden allein für Investitionen 800 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Davon zahlt das Land über 300 Millionen Euro, ohne dass ein einziger Cent an Krediten aufgenommen werden muss. Die Kommunen beteiligen sich in gleicher Größenordnung.
Zu einem solchen Kraftakt dürften nur wenige andere Bundesländer in der Lage sein – ich vermute, nur ein einziges außer Sachsen.
Wir können das aus zwei Gründen: Einerseits flossen die Steuereinnahmen auch im Jahr 2015 sehr gut – wir sind zwar noch nicht am Ende, aber es sieht gut aus –, und andererseits wird in Sachsen traditionell gut gewirtschaftet.
Wir bleiben daher von der einen oder anderen Belastung verschont, die in anderen Bundesländern getragen werden muss. Gut laufende Steuereinnahmen müssen daher in Sachsen nicht herhalten, um Haushaltslöcher zu stopfen; sie können vielmehr zur Gestaltung unseres Landes eingesetzt werden.
Allein diese Erkenntnis sollte Ansporn für uns alle sein, auch künftig unsere Haushaltswirtschaft entsprechend auszurichten.
Meine Damen und Herren! Zum Investitionspaket wurde bereits sehr viel gesagt. Dass eine Stärkung der Investitionskraft der Kommunen per se eine gute Sache ist, ist gemeinsamer Nenner dieses Hohen Hauses. Ich schließe mich dem ausdrücklich an.
Ich halte es auch für richtig, dass ein überproportional hoher Anteil in die kreisfreien Städte fließt. Dort finden derzeit die Einwohnerzuwächse statt. Dort muss folglich auch mehr investiert werden.
So richtig diese Schwerpunktsetzung bei der Verteilung ist, so wichtig ist auch die in der Nebenabrede vereinbarte Umschichtung im Gleichmäßigkeitsgrundsatz II, also dem Regelmechanismus, der die Verteilung zwischen den Zentren und dem ländlichen Raum regelt. Die drei Zentren – Chemnitz, Leipzig, Dresden – bei den Investitionen klar zu bevorzugen und gleichzeitig zu vereinbaren, dass es im Gleichmäßigkeitsgrundsatz II zu einer Umschichtung zugunsten des ländlichen Raumes kommt, ist kein Widerspruch. Leider wurde dies in der öffentlichen Debatte an der einen oder anderen Stelle so dargestellt. Ich möchte daher, auch wenn sie nicht Gegenstand des Gesetzes ist, kurz auf die Nebenabrede zum Gleichmä
ßigkeitsgrundsatz II eingehen. Zu Beginn möchte ich betonen: Das war keine geheime Absprache, sondern sie ist jedem zugänglich gemacht worden.
In dem Spitzengespräch, das am 26. Oktober stattfand, waren sich alle einig, dass es zu einer Umschichtung von den kreisfreien Städten in den ländlichen Raum kommen muss. Warum muss es mit dem FAG 2017/2018 zu einer solchen Umschichtung kommen? Wir haben in Sachsen ein regelgebundenes System; das ist auch gut so. Die Regelbindung verhindert willkürliche Eingriffe und steht damit für Verlässlichkeit.
Die beiden wichtigsten Regelbindungen im sächsischen Finanzausgleichssystem sind die sogenannten Gleichmäßigkeitsgrundsätze. Wie der Name der beiden Grundsätze bereits zum Ausdruck bringt, stellt das Sächsische Finanzausgleichsgesetz auf Parallelitäten bzw. gleichmäßige Entwicklungen ab. Dies betrifft im Gleichmäßigkeitsgrundsatz I das Verhältnis zwischen dem Land und den Kommunen. Dies betrifft aber auch das Verhältnis zwischen den Räumen, also den drei kreisfreien Städten auf der einen Seite und den zehn Landkreisen mit ihren Gemeinden auf der anderen Seite. Hier sprechen wir also vom Gleichmäßigkeitsgrundsatz II.
Exakt an dieser Stelle haben wir seit mehreren Jahren allerdings keine Parallelität mehr. Die Räume entwickelten sich vielmehr höchst unterschiedlich. Während die drei Zentren, insbesondere die Städte Dresden und Leipzig, in der Gesamtschau erfreulicherweise wachsen, verliert der ländliche Raum nach wie vor kontinuierlich Einwohner.
Bei Berücksichtigung der Einwohner im FAG ist zunächst allein der Einwohnerstand maßgeblich. Die Ursachen für die Einwohnerentwicklung spielen überhaupt keine Rolle. Es ist also unerheblich, ob die Einwohnerveränderung auf Wanderungsbewegungen oder auf natürliche Ursachen, also Geburten und Todesfälle, zurückzuführen ist.
Wenn nun die Zentren Einwohner gewinnen, während der ländliche Raum Einwohner verliert, wirkt das im FAG wie eine Binnenwanderung vom ländlichen Raum in die Zentren, auch wenn der Einwohnerverlust nicht oder nicht allein auf einer Wanderung in die kreisfreien Städte beruhen mag.
Lassen Sie uns gedanklich eine solche Binnenwanderung kurz durchdeklinieren. Dabei müssen wir nun zusätzlich berücksichtigen, dass jeder Einwohner einer kreisfreien Stadt im FAG rund 50 % – exakt sind es 49,6 % – höher gewichtet wird als ein Einwohner des ländlichen Raumes. Daher hat Herr Schollbach als Bürger der Stadt Dresden – im Gegensatz zu mir als Bürger der Stadt Freiberg – zwar das gleiche Stimmrecht, wenn wir Abgeordnete wählen, aber finanziell wiegt halt Herr Schollbach 50 % mehr als ich.
Diese Höhergewichtung ist ein Instrument, um der höheren Belastung der kreisfreien Städte aus der Erfüllung ihrer zentralörtlichen Aufgaben Rechnung zu tragen. Das Instrument der Höhergewichtung in Kombination mit der Auseinanderentwicklung der Räume macht die vorgesehene Korrektur im Gleichmäßigkeitsgrundsatz II zwingend notwendig. Lassen Sie uns dies am Beispiel einer vierköpfigen Familie – Vater, Mutter und zwei Kinder; nennen wir sie einmal Müller – veranschaulichen.
Familie Müller zieht nun von Coswig nach Dresden. Es steht außer Frage, dass sich dies auch in der Finanzverteilung zwischen dem kreisfreien und dem kreisangehörigen Raum niederschlagen muss. Schließlich nutzt Familie Müller nun die Infrastruktur der Stadt Dresden. Familie Müller wird bei Behördenangelegenheiten nun Dresdner Ämter aufsuchen. Die Kinder von Familie Müller werden nach dem Umzug wahrscheinlich in Dresden in die Schule gehen oder in einer Dresdner Kita betreut werden. Es ist also richtig, dass das Geld auch den Menschen folgt.
In unserem System löst der Umzug von Familie Müller von Coswig nach Dresden jedoch eine größere finanzielle Umschichtung aus, als sachlich gerechtfertigt ist. Um in der Bildsprache zu bleiben: Aus Coswig ziehen vier Müllers weg und in Dresden kommen aufgrund der 50prozentigen Höhergewichtung allerdings sechs Müllers an.
Dass der Stadt Dresden die Finanzkraft für vier Müllers angerechnet würde und die Gemeinde Coswig entsprechend verliert, ist absolut in Ordnung und muss auch so sein. Ja, man geht dann auch öfter in die Semperoper. Sie haben ja recht.
Aber für die beiden rein virtuellen „Extra-Müllers“ gilt dies nicht. Sie kommen zwar in Dresden an, sie haben aber zuvor nie in Coswig gelebt und bringen der Gemeinde Coswig im Zuge des Wegzugs der Familie Müller keine zusätzliche Kostenersparnis. Wenn der Wegzug dieser beiden „Extra-Müllers“ gleichwohl wie bisher auf die Finanzkraft Coswigs angerechnet wird, entzieht dies dem ländlichen Raum Finanzkraft, ohne dass hierfür ein adäquater Sachverhalt zugrunde liegt.
Ich möchte dieses kleine Beispiel einmal auf sächsische Verhältnisse anwenden. Um die Jahrtausendwende, also gerade einmal 15 Jahre zurückliegend, lebten etwa 28 % der Sachsen in den Städten Chemnitz, Dresden und
Leipzig. Rund 72 % lebten in den heutigen zehn Landkreisen. Derzeit haben wir ein Verhältnis von rund 33 % zu 67 %. Diese Verschiebung wirkt sich massiv auf die Dotierung der zentralörtlichen Aufgaben aus. Dies sieht man sehr gut, wenn man die räumliche Bevölkerungszusammensetzung einmal rein gedanklich in drei Gruppen aufteilt.