Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Das hat meine Kollegin Juliane Nagel bereits am Sonnabend scharf verurteilt, und dem schließe ich mich an.

(Beifall bei den LINKEN – Andreas Heinz, CDU: Das ist doch nicht zum Aushalten! – Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Wer meint, am Sonnabend eine Spur der Verwüstung durch die Karl-Liebknecht-Straße ziehen zu müssen, hat der Willkommenskultur, dem Antifaschismus, dem Antirassismus, dem Kampf gegen alte und neue Nazis einen Bärendienst erwiesen. Das ist meine Überzeugung, und das ist auch die Position aller Mitglieder meiner Fraktion.

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der CDU)

An der Stelle will ich einfügen: Wer nun meint, den sächsischen Verfassungsschutz als Schuldigen benennen zu müssen, weil er nicht rechtzeitig genug wusste oder nicht richtig informiert hat, scheint immer noch zu glauben, dass Fußball eine überall saubere Sportart wäre.

(Zuruf von der CDU: Also, das ist doch …!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, der SPD und der GRÜNEN! Wir müssen alle aus diesen Vorfällen lernen.

(Patrick Schreiber, CDU: Schämen Sie sich!)

Deshalb sollte jede und jeder bei sich selbst anfangen und nicht als Erstes den anderen beschuldigen.

Wir alle werden unsere Schlussfolgerungen zu ziehen haben, zum Beispiel genau darauf zu achten, dass unsere Worte und unser Verhalten niemandem Vorwand für Gewalt geben können. Dazu besteht vor allen Dingen bei dem Antragsteller, der AfD, dringende Notwendigkeit,

(Zuruf des Abg. Uwe Wurlitzer, AfD)

denn Ihre Pressemitteilungen und Wortmeldungen, Ihr Auftreten bei Ihren sogenannten Asylchaosveranstaltungen, die Sie organisieren, sind oft genug geistige Brandfackeln, die dann von anderen in Brandstiftung und Anschläge gegen Geflüchtete umgesetzt werden.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf von der AfD: Das ist unverschämt! – Weitere Zurufe von der AfD und der CDU)

Ich würde mir aber auch von der CDU weniger Besserwisserei wünschen, zumal Sie in einem Glashaus sitzen, das bereits teilweise zerdeppert ist.

(Zuruf von der CDU: Ja, von den LINKEN! – Zuruf von der AfD: Ja, von Ihren Leuten!)

Jede und jeder hier im Raum muss sich der Verantwortung stellen, einen eigenen Beitrag zu leisten, um die Eskalationsspirale zu stoppen.

(Zuruf des Abg. Jan Hippold, CDU)

Es ist Zeit für ein Bündnis aller demokratischen Organisationen und zivilgesellschaftlicher Kräfte für ein friedliches, buntes Zusammenleben und eine gewaltfreie Streitkultur im Freistaat Sachsen.

Glück auf!

(Beifall bei den LINKEN)

Und die SPDFraktion, Herr Abg. Homann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Demokratie ist der Meinungsstreit mit Worten. Dieses leitet sich aus unserem großartigen Grundgesetz ab. Artikel 4 verankert den wichtigen Wert der Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit allein reicht allerdings nicht. Artikel 2 garantiert deshalb die Unversehrtheit von Leib und Leben und Artikel 14 das Eigentum.

Aus dem Zusammenspiel dieser Artikel gilt: Wer in unserem Land frei seine Meinung äußert, muss das frei von Angst vor Angriffen auf seinen Besitz oder gar seine Person tun können. Nur so können wir in einen Meinungsstreit um die besten Konzepte für unser Land treten. Denn anders, als es uns manche unterstellen, geht es auch bei uns im Landtag nicht um Macht und Lobbyinteressen oder die eigene Karriere. Wenn wir streiten, dann geht es für uns immer um die Frage, wie wir unser Land voranbringen können.

Damit sind ausdrücklich vermeintlich unbequeme Meinungen zugelassen und erwünscht; denn nur Widerspruch und das kritische Hinterfragen politischer Entscheidungen schafft Fortschritt. Kritiker sind die besten Freunde der Demokratie, denn sie helfen uns dabei, unsere Gesellschaft zu verbessern.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben immer für das Recht auf Meinungsfreiheit gekämpft; auch deshalb, weil wir unsere Meinung auch in Zeiten der Unfreiheit vertreten haben, wissen wir um den Wert. Dafür sind viele unserer Genossinnen und Genossen ins Gefängnis gegangen, in Todeslagern gelandet oder auf offener Straße angegriffen worden. Wir wissen deshalb: In einer Demokratie muss jede und jeder seine Meinung äußern dürfen, ohne Angst vor Gewalt, und zwar Angst vor Gewalt durch politische Gegner oder auch den Staat. Dafür steht unser Grundgesetz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sehen mit großer Sorge die fortschreitende Enttabuisierung von Gewalt als politisches Mittel. Dabei sind auch verschiedene Politikerinnen und Politiker auf Bundes-, Landes- und kommunalpolitischer Ebene Opfer. Mitglieder aller Fraktionen in diesem Haus sind betroffen. Stellvertretend möchte ich nennen unsere ehemalige Kollegin Eva Jähnigen aus Dresden von den GRÜNEN, Albrecht Pallas von den Sozialdemokraten, Marco Böhme von der Linksfraktion, Sebastian Gemkow von den Christdemokraten oder auch Carsten Hütter von der AfD. Ich verurteile

diese Angriffe auf Büros oder Privaträume. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, egal, gegen wen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN und der AfD)

Mancher mag argumentieren, es seien ja nur Fensterscheiben. Auf diesen Diskurs, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir uns nicht einlassen, erstens aus Prinzip und zweitens sitzt hinter jeder Fensterscheibe ein Mitarbeiter oder schläft ein Kind. Wir tragen alle eine Verantwortung für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und unsere Familien. Deshalb dürfen wir in dieser Frage keine Kompromisse machen.

Das Problem politischer Gewalt beschränkt sich allerdings nicht auf uns Politikerinnen und Politiker; denn weitaus häufiger werden Asylsuchende und Flüchtlinge sowie deren ehrenamtliche Helfer in Willkommensinitiativen oder Helferverbänden Opfer von Angriffen, Überfällen und Anschlägen. Die Polizei zählte im Jahr 2015 mehr als 1 600 Straftaten, die sich gegen Flüchtlinge richteten. Das sind fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Sachsen liegt in diesen Statistiken leider traditionell vorn.

Auch diese Menschen haben Namen und Schicksale, und sie genießen nicht den besonderen Schutz, den, wenn wir ehrlich sind, wir Politikerinnen und Politiker doch haben. Diese Menschen würdigt der Antrag der AfD leider nicht.

Die Enttabuisierung politischer Gewalt kommt nicht aus dem luftleeren Raum. Sie ist das Ergebnis der Verrohung des politischen Diskurses. Insoweit leisten AfD-Politiker wie Frauke Petry oder zuletzt Bernd Höcke mit ihren Reden und Aktionen einen entscheidenden Beitrag zur Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas.

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Uwe Wurlitzer und André Barth, AfD)

Gleichzeitig verkaufen Sie sich mit diesem Antrag als Opfer und blenden andere dabei aus. Das ist zynisch. Und Zynismus ist Gift für unsere Grundwerte.

Ich glaube, bei der Bewertung von Anträgen kommt es nicht auf deren Länge, sondern auf zwei Punkte an. Der erste ist: Aus welcher Haltung heraus formuliere ich ihn? Hierzu sage ich: Ihre Haltung stimmt an dieser Stelle nicht.

Der zweite ist: Was folgt denn aus diesem Antrag für Handeln? Dazu sage ich, Ihr Antrag ist einzig und allein ein Bekenntnis. Das Handeln sind Sie bisher wie immer schuldig geblieben.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, brauchen wir entschiedenes Handeln statt zynischer Bekenntnisse. Daher lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und des Staatsministers Martin Dulig)

Für die Fraktion der GRÜNEN, Herr Abg. Lippmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es zu Beginn dieser Aussprache, wiederholt in gebotener Deutlichkeit: Gewalt – egal, von wem, aus welchen Motiven – ist falsch und ohne Wenn und Aber zu verurteilen. Es ist Aufgabe eines starken Rechtsstaates, Gewalttäter konsequent zu verfolgen und zur Rechenschaft zu ziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Jens Michel, CDU)

Dies habe ich für meine Fraktion innerhalb des letzten Jahres in diesem Haus bereits dreimal dargelegt. Wer glaubt, mit Gewalt politische Ziele durchsetzen zu können, der rüttelt an den Grundfesten unserer demokratischen Werteordnung. Das gilt für jede Form der politisch motivierten Gewalt – egal, ob es um Ausschreitungen am Rande von Demonstrationen, wie wir sie in Leipzig am Wochenende vor Augen geführt bekommen haben, geht, um Angriffe gegen Flüchtlinge oder auch um Angriffe auf Bürgerbüros und Wohnungen von Abgeordneten.

Das gilt, und das sage ich ebenfalls in gebotener Deutlichkeit, für alle Betroffenen, einschließlich aller betroffenen politischen Parteien, Mandats- und Funktionsträger. Damit sage ich ganz deutlich: Ich verurteile auch alle Angriffe auf Büros und Mitglieder der AfD.

Die Grundfunktion eines demokratischen Rechtsstaates ist es, politische Konflikte und Meinungsverschiedenheiten durch Debatte und durch Entscheidung zu lösen und eben nicht durch Gewalt. Jede Partei und jede Fraktion, für die ein Bekenntnis zur Gewaltfreiheit keine Selbstverständlichkeit ist, hat den Boden einer demokratischen Auseinandersetzung verlassen.

Von daher ist Ihr Antrag nichts weiter als der Versuch, eine Selbstverständlichkeit in diesem Hohen Hause zu beschließen. Genauso gut könnten Sie beschließen lassen, dass Wasser nass ist oder die Erde keine Scheibe.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ihr Antrag ist dabei allerdings nichts weiter als ein weitgehend durchschaubarer politischer Schachzug. Es geht Ihnen nicht um den Inhalt oder um eine fundierte Diskussion zum Thema politisch motivierte Gewalt, zu ihren Ursachen und zu Lösungsansätzen. Ziel ist es offensichtlich einzig und allein, dieses Hohe Haus in der Öffentlichkeit vorzuführen.

Entweder stimmen wir diesem vollkommen inhaltslosen Antrag zu – dann heißt es, Sie wären es gewesen; Stichwort: AfD wirkt, die endlich den Landtag zu einem gemeinsamen Bekenntnis gegen politisch motivierte Gewalt gebracht hätten, als wäre das Bekenntnis gegen politisch motivierte Gewalt eine Erfindung der AfD –; oder man tut das, was man mit einem solch inhaltsleeren Antrag tun sollte: Man legt ihn ab – dann beginnt bei der AfD die komplette generalstabsmäßige Orchestrierung der politischen Unterstellungsrhetorik. Dann wird sophistisch der Fehlschluss gezogen werden, die Parteien im

Landtag hätten sich nicht hinreichend von politischer Gewalt distanziert. Dabei ist dieser Fehlschluss genauso absurd wie dieser Antrag.

Wir werden über dieses Stöckchen, das Sie uns hier hinhalten, nicht springen. Denn es gilt, „an den Taten und nicht an den Worten sollt ihr sie messen“. Kein Problem von Gewalt oder gewaltaffiner Radikalisierung, wie wir sie momentan in unserer Gesellschaft erleben, wird mit diesem Antrag auch nur im Ansatz gelöst.

Sie wollen ein Bekenntnis? Sie haben dieses Bekenntnis gerade von jeder Fraktion in diesem Hohen Hause und auch schon mehrfach in dieser Legislaturperiode bekommen.