Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

Das heißt, wenn vor Ort mehr Geld erwirtschaftet wird und wenn wir das in regionale Kreisläufe einspeisen, dann bleibt das Geld auch im Land. Das ist doch ein riesiger Vorteil. Dann haben mehr Menschen im ländlichen Raum das Geld in der Hand. Weil Ökolandbau arbeitsintensiver ist, steigt auch wieder die Zahl der Arbeitskräfte, die wir dort haben. Die Zahlen hatte ich vorhin genannt, wie dramatisch sie zurückgehen. Immer weniger Menschen leben von der Landwirtschaft. Sie wird langsam ein Nischenprodukt im Wirtschaftsbereich.

(Frank Kupfer, CDU: Warum?)

Aus diesem Grund fordern wir die Staatsregierung auf, ein Konzept zu entwickeln, und zwar gemeinsam mit den Verbänden und den Landwirten. Wir schreiben Ihnen gar nicht vor, wie es gehen soll, aber ich verstehe, bitte schön, nicht, was Sie an diesem Ziel kritisieren können. Ich habe es, glaube ich, ausreichend dargelegt, dass damit alle nur gewinnen können.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Heinz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine kleine Vorbemerkung. Auch ich habe mich vor ungefähr zwölf Jahren entschieden, meinen Landwirtschaftsbetrieb nach den Kriterien des ökologischen Landbaus zu bewirtschaften und weiß deshalb, wovon ich rede, und trage hier nicht nur vor, was mir ein fleißiger Referent von diversen Internetseiten kopiert und aufgeschrieben hat.

Ich möchte an dieser Stelle ein wenig dem Eindruck entgegentreten, dass Öko das alleinige Allheilmittel und ohne Nebenwirkungen ist. Ich möchte das hier relativ stringent an Ihrem Antrag abarbeiten.

(Wolfram Günther, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Natürlich.

Bitte, Herr Günther.

Sie hatten erwähnt: was mir fleißige Referenten aufschreiben. Haben Sie Interesse – ich muss eine Frage formulieren –, mir einmal bei meiner Arbeitsweise zuzusehen? Ich habe mir heute früh nach unserem Treffen der Parlamentarier für Ost- und Mitteleuropa diese Zahlen selbst zusammengesucht. Das war auch nicht weiter schwer, weil wir als GRÜNE zum Beispiel die Studie von Klüter haben, in der viel steht.

Bitte nur die Frage stellen, Herr Günther.

Möchten Sie gern daran teilnehmen, wie ich meine Reden zusammenschreibe?

Erstens möchte ich das nicht. Ich weiß, wie das geht, ich mache das auch selbst. Es gibt auch Themen, bei denen ich mich auf Zuarbeiten von Referenten verlasse, formuliere dort allerdings manches ein wenig vorsichtiger. Ansonsten werden wir es heute im Laufe dieser Debatte auch wieder erleben, dass es so sein wird, wie ich es gerade gesagt habe.

Ich werde mich relativ stringent an dem Antrag entlanghangeln. Natürlich könnten wir feststellen, dass der ökologische Landbau durch Verzicht eine Leistung erbringt. Wir könnten aber auch feststellen, dass der ökologische Landbau einer bestimmten Ideologie folgt, die nur natürliche Pflanzenschutzmittel und Dünger zum Einsatz kommen lässt.

Lassen Sie mich das am Beispiel des Insektizides Azadirachtin erläutern. Das ist ein Produkt, das aus dem Öl des Niembaumes hergestellt wird. Es wird eingesetzt gegen Blattläuse, Kartoffelkäfer usw. Das ist erlaubt, wenn es aus dem Öl dieses Baumes hergestellt wird. Wenn es synthetisch hergestellt wird, ist es wieder verboten. Das ist wie der Vergleich mit Kokain, das auch rein

pflanzlich und nicht so schlimm wie andere, synthetische Drogen ist.

Wir könnten auch feststellen, dass der alleinige Einsatz von Wirtschaftsdüngern zu einer Unausgewogenheit bei der Nährstoffversorgung des Bodens führt. Ich muss mich also entscheiden: Will ich die Pflanze bedarfsgerecht mit Stickstoff versorgen, dann führt das zu einer Anreicherung von Phosphor und Kalium im Boden, die über die Pflanze nicht entzogen werden. Oder ich mache es andersherum und orientiere mich an Phosphor und Kali, was dem Boden entzogen wird, dann kommt es zu Stickstoffverlusten und zum Humusabbau. Beides ist nicht so richtig nachhaltig.

Wir könnten auch feststellen, dass – ich hatte es bereits gesagt: synthetische Pflanzenschutzmittel sind nicht erlaubt – elementares Kupfer und elementarer Schwefel zum Beispiel erlaubt sind. Das wird im Kartoffel- und im Weinanbau praktiziert. Ich bin gespannt, wann die Bodengrenzwerte erreicht werden, sodass laut Düngeverordnung dort nichts mehr eingebracht werden darf.

Hierbei haben wir das typische Beispiel bei der Kartoffel: „Phytophthora“, sprich: Kraut- und Knollenfäule. Die synthetischen Fungizide haben eine wesentlich geringere ökotoxische Wirkung als das elementare Kupfer.

Wir könnten auch feststellen, wir brauchen die doppelte Fläche pro Einheit. Wir könnten auch feststellen, dass es einen Zielkonflikt zwischen einer Auslaufhaltung für die Tiere und dem politischen Ziel, den Ammoniakausstoß zu verringern, gibt. Wir haben auch einen Konflikt zwischen einer erosionsmindernden Bodenbearbeitung, die gewünscht und richtig ist, und einem kaum möglichen Flugverzicht beim Ökolandbau.

Zu Ihrem zweiten Punkt, dass die Nachfrage in Sachsen aus sächsischer Produktion nicht gedeckt werden kann: Das gilt auch für konventionell erzeugte Produkte. Ich erinnere an den Selbstversorgungsgrad bei Schweinen von 50 %, und beim Rind ist es ähnlich.

Drittens. Sie beklagen, dass es hier keine konkrete Umsetzungsstrategie gebe. Dazu kann ich nur sagen: Die Annahme ist grundfalsch. Diese Strategie umfasst vier Teilgebiete. Ich werde Ihnen nur die Überschriften der Teilgebiete nennen und gehe davon aus, dass der Minister in seiner Rede etwas mehr dazu sagen kann, wenn er denn möchte. Wir reden zum einen über Flächenförderung, wir reden über die stabile Erzeuger- und Absatzstruktur, wir reden über Wissenstransfer und über investive Förderung und natürlich auch über die Verbraucherinformation.

Im Punkt II fordern Sie die Staatsregierung auf, ein Strategiekonzept zu erarbeiten. Ich hatte Ihnen gerade gesagt, dass es dieses schon gibt. Dazu werden wir, denke ich, noch etwas hören.

Was wir sicherlich machen werden, ist die Evaluierung der EU-Förderprogramme. Wir dürfen nach zwei Jahren erstmalig Änderungsanträge einreichen. Ich kann mir vorstellen, dass wir sehr genau prüfen werden: vielleicht eine höhere Umstellungsprämie für das erste und zweite

Jahr, vielleicht eine höhere Prämie für bestimmte Leguminosen – mir schwebt dabei zum Beispiel der Soja- oder auch der Lupinenanbau vor –, vielleicht auch eine höhere GAK-Förderung für Betriebe, die nur Ökoprodukte verarbeiten, also eine Investitionsförderung für den Aufbau von Kapazitäten zur Verarbeitung von Ökoprodukten.

Ich kann mir auch vorstellen, dass wir das eine oder andere Förderprogramm hinsichtlich Fehlanreizen überprüfen müssen.

Sie wollen konkrete Entwicklungsziele. Das würde ich so nicht wollen, da ich denke, dass es klug ist, wenn die Landwirte das selbst entscheiden und wir nicht dirigistisch irgendetwas vorschreiben. Unabhängig davon wage ich jetzt eine Prognose: Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche wird sich in den nächsten zwei Jahren mindestens um 10 % erhöhen. Das hängt ganz einfach damit zusammen, dass Europas größter Ökoproduktehändler einen Landwirtschaftsbetrieb im Vogtland mit circa 4 000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche gekauft hat. Diesen werden sie nach und nach umstellen. Das sind, wie gesagt, 10 % der Fläche.

Dieser Betrieb hat derzeit eine 2000er Milchviehanlage, die auf Ökobetrieb umgerüstet wird. Ich bin gespannt, wie Sie dann hier über Massentierhaltung philosophieren werden, ob das dann auch Massentierhaltung oder eine gute Tierhaltung ist, weil es nach den Kriterien des ökologischen Landbaus erfolgt.

Unabhängig davon kann man fragen: Wieso kann sich ein Ökogroßhändler solche Investitionen leisten? Könnte er nicht auch ein wenig mehr für die Produkte, die er den Bauern abkauft, bezahlen? Aber, das ist dann halt so.

Ich stelle fest – ich bin jetzt bei Ihrem Punkt III –, dass das, was Sie fordern, im Prinzip schon gemacht wird. Wir wünschen uns das aber nicht nur für den ökologischen Landbau, sondern generell für die Landwirtschaft. Sie wollen 10 oder 20 %. Die übliche Frage: Warum gerade so viel und nicht alles, wenn es denn so gut ist?

Wir stehen für eine umweltgerechte Landwirtschaft, die die Vorteile aus beiden Systemen verbindet und die Nachteile aus beiden Systemen beseitigt. Aber diese Art der Landwirtschaft hat leider einen Nachteil: Man kann keine populistische Politik unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes auf dem Rücken der Landwirte mehr machen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ein Unsinn, Herr Heinz!)

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, danke zu sagen für die fleißige Arbeit der Landwirte, ihnen Gesundheit wünschen und die Kraft, neben unabänderlichen Dingen beim Wetter auch Polemik und Verunglimpfung von Menschen zu ertragen, deren Geschäftsmodell zum Teil darauf basiert, nur Angst zu erzeugen.

Ich höre an dieser Stelle erst mal auf und werde in der zweiten Runde sicherlich Gelegenheit haben, das Thema fortzusetzen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU – Zurufe des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Die Linksfraktion; Frau Abg. Kagelmann, bitte.

Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Ein versöhnliches Wort am Anfang – es ist ja kurz vor Weihnachten –, obwohl ich angesichts Ihrer Rede, Herr Heinz, nicht mehr weiß, ob das an dieser Stelle überhaupt etwas bringt. Aber wir versuchen es.

Eigentlich – das ist mir so aufgefallen, als ich den Antrag der GRÜNEN gelesen habe – befinden wir uns mit dem Antrag in einer komfortablen Situation; nicht unbedingt, was den Ökolandbau in Sachsen betrifft, aber zumindest, was das Ziel des Antrages betrifft.

Im Grunde genommen gibt es – Ihren Ausführungen zum Trotz – kaum unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Wirkung des ökologischen Landbaus als der nachhaltigsten Form der landwirtschaftlichen Produktion für die Erreichung gemeinsamer, übergeordneter und sächsischer Umweltqualitätsziele. Die Unterschiede dürften eher darin liegen, wie schnell welche quantitative Zielmarke erreicht werden kann.

Insofern nimmt der Antrag die Sächsische Staatsregierung sehr ernst, die die Förderung des ökologischen Landbaus sowohl in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie als auch im Landesentwicklungsplan – und nicht zuletzt im Koalitionsvertrag – herausgehoben anführt. Außerdem werden landauf, landab in Deutschland, angefangen in Berlin, Ökolandbaustrategien erarbeitet oder bereits verkündet. Es wäre doch zu dumm, wenn Sachsen diesbezüglich den Schuss überhörte.

Das Konzept zum Ökolandbau vom Sommer dieses Jahres, Herr Heinz, das Sie ansprechen, erfüllt diesen Anspruch leider nicht. Dabei rettet uns auch nicht das mehr oder minder geschickte Manöver der Staatsregierung, durch den ersatzlosen Wegfall der einstigen eigenen Zielvorgabe – es gibt die Zielstellung 10 %, die wir uns ja nicht aus den Fingern gesogen haben, denn diese Zahl stand ja mal irgendwo bei der Überarbeitung des Landesentwicklungsplanes 2003 – die Peinlichkeit einer Zielverfehlung nicht so deutlich werden zu lassen. Die Zahl ist aber in den Köpfen und in übergeordneten Strategiepapieren, wie in dem des Bundes zur biologischen Vielfalt. Darin stehen noch weit ambitioniertere Vorgaben.

In dieser Hinsicht macht Ihr Amts- und Namensvetter im Bund gerade richtig viel Wirbel. Dabei kann man sich doch nicht wegducken. Deshalb sollten wir uns nicht in ideologischen Gräben verschanzen. Ich jedenfalls werde an dieser Stelle ganz bewusst nicht – das hat im Übrigen auch Herr Günther gerade zu vermeiden versucht, aber es

ist zwecklos – das Schwarz-Weiß-Bild vom guten Ökobauern und vom bösen konventionellen Landwirt malen.

Ich möchte auch nicht mit Ihnen streiten, ob und wie wir die Welt ökologisch ernähren können oder welche Produktionsweisen zu welchen Anteilen an den Stoffeinträgen in die Ökosysteme beitragen.

Nein, ich nehme heute einmal unsere häufig vorgetragenen agrarpolitischen Ansätze einfach als gegeben hin und verweise auf den Antrag. Eigentlich sollten wir uns doch einig sein: Wir müssen einen Zahn zulegen beim Ökolandbau – in der Bundesrepublik, aber auch in Sachsen. Das einzugestehen könnte doch der Beginn einer wunderbaren inhaltlichen Auseinandersetzung über neue Förderimpulse werden.

(Beifall bei den LINKEN)

Der Ökolandbau ist längst aus der Nische der Körner kauenden Birkenstocklatschenträger herausgekommen und zu einer weltweiten Bewegung angewachsen. Übrigens: Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts legten Anbauverbände erstmals ökologische Produktionsstandards fest. Bis heute haben daraus 69 Staaten eigene Standards für ökologische Landwirtschaft festgelegt, und über 20 weitere arbeiten daran. Das Gute setzt sich also durch; es dauert allerdings.