Haben Sie ein Problem, Herr Kollege Lippmann? Wollen Sie die Amtsführung des Präsidenten kritisieren, dann sagen Sie es laut!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von den GRÜNEN, ich möchte Sie an dieser Stelle wahrlich nicht belehren, da es nach Definition bzw. Geschäftsordnung im Sächsischen Landtag jeder Fraktion möglich ist, mit einem Antrag eine parlamentarische Entscheidung herbeizuführen. Mein Selbstverständnis zu diesem Verfahren ist, dass es mit solchen Anträgen möglich wird, auf die Politik des Landes Einfluss zu nehmen. Ihr eingebrachter Antrag erfüllt meines Erachtens diese Kriterien nicht.
Hier meine Begründung zu dieser Behauptung. Es geht nicht um die politische Gestaltung oder das Ergründen solcher Gestaltungsmöglichkeiten, sondern schlicht und ergreifend um die Beantwortung dreier Fragen. Es tut mir leid, aber Ihr Antrag ist aus meiner Sicht eigentlich eine Kleine Anfrage. Ich bin zwar kein Staatsminister, möchte mich aber dennoch auch inhaltlich mit dieser vermeintlich Kleinen Anfrage auseinandersetzen; ich denke, es lohnt sich trotzdem.
Sie wollen wissen, wie die Qualitätssicherung an den sächsischen Schulen funktioniert, nachdem die externe Evaluation im Herbst 2015 ausgesetzt wurde. Sie verweisen auf den § 59 a des Sächsischen Schulgesetzes. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass im § 59 a als Überschrift steht: Evaluation. Sie beziehen sich in Ihrer Begründung auf die Aussage von Frau Staatsministerin Kurth auf die vorübergehende Auflösung der externen Evaluation – ich betone: der externen Evaluation. Nicht nur das SBI macht externe Evaluation. Es bedeutet demzufolge nicht, dass § 59 a außer Kraft gesetzt wird und dass – ich zitiere aus
Abs. 1 – das Ergebnis der Erziehungs- und Bildungsarbeit und die Umsetzung des Schulprogramms nicht mehr erfolgt.
Ich möchte dies nachfolgend begründen: In Sachsen gibt es mit der Kriterienbeschreibung für schulische Qualität einen Handlungsrahmen, der für alle Schulen als Grundlage für die Qualitätsentwicklung dient. In mehreren Qualitätsbereichen werden Merkmale und Kriterien definiert, die konkret beschreiben, was schulische Qualität kennzeichnet.
Dazu möchte ich Ihnen ein konkretes Beispiel aus dem Qualitätsbereich Ergebnisse beschreiben. An den Ergebnissen einer Schule sieht man die unmittelbare Wirkung schulischer Arbeit. Sie stellen damit einen wesentlichen Bereich zur Bewertung von schulischer Qualität dar. Ein Qualitätsmerkmal innerhalb dieses Bereiches ist der Schul- und Ausbildungserfolg. Dieser wiederum kann mit konkreten Kriterien gemessen werden – wie der Anzahl der Schüler, die ihren Abschluss erreichen, der Zahl der Wiederholer, den Prüfungsergebnissen oder dem Anteil von Wechsel zwischen den Schularten.
Zwischen 2007 und dem Schuljahr 2014/2015 wurden alle circa 1 400 öffentlichen Schulen in Sachsen anhand dieser Kriterienbeschreibung einmal extern evaluiert. Dafür möchte ich an dieser Stelle allen Beteiligten meine uneingeschränkte Anerkennung und meinen Dank aussprechen. Das bedeutet einen erheblichen Mehraufwand für die Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitungen und Evaluatoren. Positiv wäre dabei zu benennen, dass alle Schulen damit wichtige Impulse erhalten haben, wie sie sich schulisch weiterentwickeln können.
Neben der externen Evaluation gibt es noch eine Vielzahl anderer Maßnahmen, um Qualitätssicherung an Schulen durchführen zu können, so zum Beispiel die interne Evaluation. Vor Ort werden Informationen über das Lernen, den Unterricht und die Schule erfasst und bewertet. Damit bildet die Grundlage für die interne Evaluation das Schulprogramm einer jeden Schule, in dem programmatische Ziele formuliert werden. Schulleitung, Fachleitungen, Fachberater oder schulinterne Fachschaften zeichnen sich hierfür verantwortlich.
Weiter wäre das Unterstützungssystem Schulentwicklung zu nennen, das bei der SBA angesiedelt ist und Schulen fachkundig begleitet. Auf Anforderungen der Schule kommen Prozessmoderatoren, Trainer für Unterrichtsentwicklung, pädagogische Supervisoren, Berater für Demokratiepädagogik oder Regionalbegleiter für Schulmediation und werden in den unterschiedlichen Bereichen für schulische Qualität, wie sie in der Kriterienbeschreibung festgelegt sind, tätig.
Ein drittes Beispiel ist der Aufbau eines schulinternen Qualitätsmanagementsystems, wie es beispielsweise im ESF-QM-Projekt bis Ende 2015 geschah. Das Projekt arbeitete ebenfalls anhand der Kriterienbeschreibung für schulische Qualität.
Sie sehen, wir haben sehr vieles im System und sehr vieles getan. Vor allen Dingen habe ich diesbezüglich noch keine Kritik von der Basis, von den Betroffenen zu dieser eingeführten vorübergehenden Maßnahme gehört. Nichtsdestotrotz ist natürlich der unabhängige Blick von außen, den eine externe Evaluation bietet, wichtig und hilfreich und ich gehe davon aus, dass es mittelfristig zu einer Wiedereinrichtung kommen wird. Da bereits alle Schulen einmal den Prozess der externen Evaluation durchlaufen haben, stellt sich die Frage, ob damit zukünftig nicht auch eine inhaltliche Neuausrichtung verbunden sein sollte. Das bedeutet natürlich Kreativität im System Schule, eine Vorlaufzeit und ein gewisses Zeit- und Personalmanagement, um dies umzusetzen.
Nach dieser intensiven externen Evaluation ist es aus meiner Sicht zum heutigen Tage nicht möglich, dafür einen Starttermin festzulegen.
Kollege Bienst hatte das Wort für die CDU-Fraktion. Das Wort ergreift jetzt Frau Kollegin Falken für ihre Fraktion DIE LINKE.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei einer Evaluation geht es zum einen um die Bewertung und zum anderen um die Auswertung dieser Bewertung, also um Schlussfolgerungen und Vorschläge für Maßnahmen der Verbesserung.
Eine Evaluation der Evaluation wegen ist eine Belastung für die Beteiligten und führt nicht zur Verbesserung von Schule, sondern zur Demotivierung – und das brauchen wir an sächsischen Schulen auf keinen Fall. Es gibt schon genügend andere Punkte, die dazu führen.
Die externe Schulevaluation im Freistaat Sachsen wird seit dem Schuljahr 2007/2008 durchgeführt. Bis zum Jahr 2012/2013 waren es insgesamt 916 Schulen und inzwischen sind schon mehr evaluiert – mein Kollege Bienst hat es schon gesagt – an Grundschulen, an Mittelschulen, an Gymnasien und an beruflichen Schulen.
Der erste Ergebnisbericht wurde nach zwei Jahren vorgestellt und wir haben uns damals im Schulausschuss diesen Bericht angehört. Der zweite Ergebnisbericht ist seit März 2013 veröffentlicht. Wir haben keinen Antrag gestellt, uns diesen Bericht im Schulausschuss noch einmal anzuhören. Ich werde Ihnen gleich erklären, warum nicht.
Evaluiert wird bei diesen Evaluationen die Qualität des Unterrichts, die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern, die Schülerkompetenz und die Elternzufriedenheit. Es geht leider nicht, Frau Zais – da bin ich ganz bei Ihnen –, um inhaltliche Fragen oder vielleicht
sogar um andere neue Lernmethoden. Es gibt dazu umfangreiche Berichte. Ich habe es mir gestern noch einmal angesehen – ich glaube, dieser Bericht ist 72 Seiten lang. Aber es gibt keine nachhaltigen Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität. Gehen wir einmal in die einzelnen Maßnahmen, die untersucht werden.
Die Qualität des Unterrichts. Die Staatsministerin erklärt uns seit mindestens drei Jahren, dass wir ständig an den sächsischen Schulen die Löcher stopfen müssen. Das ist ein Zitat von Frau Kurth. Wenn wir für den Unterricht ständig die Löcher stopfen müssen, dann glaube ich nicht, dass es möglich ist, einen qualitativ hochwertigen Unterricht zu gestalten. Lehrer, Unterricht und Qualität haben natürlich etwas miteinander zu tun.
Zu diesem Schuljahresbeginn 2015/2016 fehlten im Grund- und Ergänzungsbereich 438,9 vollzeitäquivalente Stellen, also Vollzeitstellen, um überhaupt diesen Bereich abdecken zu können. Es wurden 300 Seiteneinsteiger eingestellt, die ohne jegliche pädagogische Qualifikation sofort in den Unterricht gegangen sind. Frau Staatsministerin, ein Starterpaket erfüllt kein langjähriges Studium. 300 Lehrer wurden eingestellt, die als schulfremde Kollegen eingestellt wurden, und das nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den letzten Jahren, und wir wissen auch, dass es im Halbjahr wieder zu einem solchen Einstellungsverfahren gekommen ist. Wir wissen auch, dass wir in den nächsten Jahren mit ähnlichen Einstellungsverfahren zu kämpfen haben werden. Wer spricht denn da ernsthaft noch von einer verbesserten Qualität an sächsischen Schulen?
Kommen wir zur individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern. Jedes Kind soll mitgenommen werden. Der Förderunterricht wird an den meisten Schulen gestrichen. Entweder, es findet grundsätzlich schon kein Förderunterricht mehr statt – es gibt Schülerinnen und Schüler, die schon seit drei Jahren keinen Förderunterricht mehr haben –, oder der Förderunterricht wird für den Unterrichtsausfall benötigt und auch dafür eingesetzt. Das ist auch eine Anweisung des Kultusministeriums.
Zur Elternzufriedenheit will ich mich gar nicht lange äußern, denn von den Eltern, mit denen ich gesprochen habe oder die mit mir gesprochen haben, höre ich vor allem Kritik an der Schule, aber keine verbesserte Qualität. Die durchgeführte Evaluation ist eher eine Belastung für die Lehrer, Schüler und Eltern. Sie bringt Unruhe in die Schulen. Doch Unruhe in der Schule brauchen wir nicht. Wenn seit acht Jahren die Schulen evaluiert werden – ich glaube, das ist nicht strittig –, aber die Betroffenen keine Verbesserung im Schulbereich erleben und sehen, dann ist es keine Evaluation, die zum Ziel führt.
Meine Kollegin Frau Zais hat es vorhin noch ganz kurz bei den Mittelschulen andeuten können. Es wird festgestellt, wo die Probleme sind. Aber all das, um die Probleme zu lösen, was außerhalb der Schule passieren muss, ist in den letzten acht Jahren nicht passiert. Demzufolge sind wir der Auffassung, dass eine Evaluation, die nicht dazu führt, dass eine Verbesserung stattfindet und Maßnahmen
festgelegt werden und Verbesserung stattfindet, keine Evaluation ist, die zielführend ist. Wir glauben deshalb, dass es eine andere Form von Evaluation sein muss. Mit dieser jetzigen Evaluation glauben wir nicht, dass wir eine Verbesserung in der Schule erhalten.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin in einem Dilemma, weil ich mich auf den Redebeitrag anhand des GRÜNENAntrages vorbereitet hatte. Dieser GRÜNEN-Antrag ist recht kurz, recht übersichtlich und recht sachlich. Demzufolge hatte ich mir recht kurz, recht übersichtlich und recht sachlich zurechtgelegt, was ich sagen will.
Von Frau Kollegin Zais klang das dann in der Rede alles ganz anders. Auf einmal setze sich der Freistaat Sachsen über geltendes Recht hinweg. Man habe das kaum für möglich gehalten, man sei fassungslos über das Vorgehen, habe keinerlei Information im Bildungsausschuss bekommen. Das hat nun mit dem Antrag und dem Duktus des Antrages gar nicht so viel zu tun, weshalb ich nicht so richtig sicher bin, was ich jetzt in meiner Rede sage.
Muss ich dagegenhalten und etwa richtigstellen, dass hier kein Recht und Gesetz gebrochen wird, sondern dass das Schulgesetz vorsieht, dass die Ergebnisse der Erziehungs- und Bildungsarbeit evaluiert werden und dass es dafür verschiedene Maßnahmen und Möglichkeiten gibt und dass mit der externen Evaluation ein mögliches Maßnahmenpaket im Freistaat umgesetzt wurde?
Soll ich dazusagen, dass das, was man von den Schulen hört, relativ unterschiedlich ist? Ich habe Lehrerinnen und Lehrer gehört, die gesagt haben, dass es ein Riesenstück an Arbeit war und sie ganz viel Zeit gekostet hat, ohne dass sie sich sicher sind, dass es wirklich viel gebracht hat. Ich habe aber auch viele Lehrerinnen und Lehrer gehört, die gesagt haben, dass es zwar viel Arbeit war, aber dass es auch für sie sehr hilfreich war, weil die Ergebnisse der externen Evaluation in ihre interne Schulentwicklung, in ihr internes Qualitätsmanagement natürlich mitgenommen werden können und weil es immer hilfreich ist, einen Blick von außen zu haben.
Das könnte ich erwähnen und auch, dass es ein sehr ambitioniertes Projekt war und dass ich es schade finde, aber auch absolut nachvollziehbar zu sagen: Jetzt sind wir einmal in allen sächsischen Schulen durch, und jetzt müssen wir anhand der aktuellen Situation entscheiden, dass wir diese Ressourcen nicht noch ein weiteres Mal einsetzen können, zumindest nicht derzeit, weil die Unterrichtsversorgung Priorität hat. Dann stolpere ich über die Begründung des GRÜNEN-Antrages, in dem sogar steht, ich zitiere: „Die Antragstellerin teilt im Grundsatz die Einschätzung, wonach die Absicherung des
Unterrichts oberste Priorität genießt“. Da sind wir uns doch wieder ganz einig, Frau Kollegin Zais, und ich verstehe dann die relativ harten Worte und das Fassungslose über das Vorgehen nicht so richtig.
Ich bin noch nicht lange im Bildungsausschuss, erinnere mich aber, dass das dort Thema war. Insofern glaube ich, dass es nicht ganz richtig ist, hier zu sagen, es gäbe keine Information im Bildungsausschuss. Ich halte es aber grundsätzlich für berechtigt, die Fragen zu stellen, die die GRÜNE-Fraktion gestellt hat. Ich gehe davon aus, dass wir nach der Antwort der Staatsministerin die Fragen dann auch in dem Punkt, wo wir sie jetzt beantworten können, beantwortet bekommen und deswegen der Antrag erledigt ist.
Eine Gelegenheit aber gibt es. Mit diesem Antrag haben Sie mir die Gelegenheit gegeben, deutlich zu machen, dass natürlich – das sehen wir an der Abschaffung der externen Evaluation – Evaluation Ressourcen braucht, und zwar externe und interne. Selbst wenn wir keine externe Evaluation in dem großen Maßstab mehr haben, wie wir es bisher durchgeführt haben, ist es doch nötig, in diese Prozesse Zeit und Arbeitskraft zu stecken. Das müssen wir alle gemeinsam im Hinterkopf behalten, wenn wir über die Schulgesetznovelle sprechen. Alles, was wir tun wollen, benötigt Ressourcen, die wir dann auch gemeinsam bereitstellen müssen.
Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Die Aussetzung geltenden Rechts macht Schule, nun auch in Sachsen. Anders kann man die Entscheidung der Kultusministerin, die im § 59 a Sächsisches Schulgesetz geregelte Evaluation bis auf Weiteres auszusetzen, nicht nennen.
Die externe Evaluation wurde entwickelt, um die Qualität an sächsischen Schulen langfristig zu sichern und zu erhalten, festgeschrieben im § 59 a Sächsisches Schulgesetz. Nun hat sich die Kultusministerin dazu entschlossen, diese Maßnahme bis auf Weiteres auszusetzen. Ich habe viel darüber gehört, warum dies sinnvoll ist, und einiges darüber, warum es nicht sinnvoll ist. Was mich etwas erschreckt, ist die Tatsache, dass sich alle einig sind und dass es ganz unproblematisch ist, das zu machen. Das ist geltendes Recht. Ich glaube nicht, dass eine Ministerin – bitte, nehmen Sie mir das nicht übel – einfach das Recht hat, sich darüber hinwegzusetzen.
Wenn so etwas geplant ist und wenn es aus Sicht des Ausschusses und des Ministeriums Sinn macht, dann sollte man es im Ausschuss besprechen. Dann sollte es ins Plenum gebracht und hier beschlossen werden. Aber eine Ministerin selbst sollte sich über dieses Recht nicht hinwegsetzen.
Aus diesem Grund kann ich mich dem Antrag der GRÜNEN-Fraktion – es fällt mir sehr schwer – nur anschließen und dazu sagen, dass die AfD Ihrem Antrag zustimmen wird.