Vielleicht ist auch noch einmal, weil es nicht der Selbstverständlichkeit entspricht, vorauszuschicken, dass die Sicherheitsarchitektur im deutschen Fußball weltweit vorbildlich ist. Sie entspricht international auch höchsten Standards, was uns nicht davon befreit, das, was international gut aufgestellt ist, auch weiter zu hinterfragen, um noch mehr Sicherheit zu schaffen; denn wir haben auch immer wieder mit Eskalationen und Ausschreitungen Einzelner zu tun.
Wir müssen jederzeit aufpassen, dass wir das Gewaltpotenzial im Fußballumfeld nicht verallgemeinern, sondern den vielen Fans – das sind nicht nur Männer, sondern vor allem auch Familien und Frauen –, die zu Fußballspielen gehen, den Rahmen bieten, die Spiele zu genießen.
Besondere Herausforderungen haben wir in den letzten Jahren insbesondere im Bereich der 3. Liga wahrnehmen können, wenn es um polizeiliche Einsatzkräfte ging. Die Mannstundenbindung war ausgesprochen hoch. Ich
glaube, deswegen liegt ein zentraler Fokus auch auf der Frage, wie wir im Bereich der Fußballsicherheit ohne Einschränkungen gemeinsam dafür Sorge tragen können, dass der polizeiliche Kräfteeinsatz geringer ausfallen kann – individuell für jeden Verein und jedes Stadion separat betrachtet, weil es höchst unterschiedliche Rahmenbedingungen gibt. Das beginnt schon mit der Frage, ob sich ein solches Stadion an der Peripherie einer Stadt befindet oder, wie hier in Dresden, direkt in der Innenstadt, wo die Herausforderungen der Fanbegleitung, der Sicherungsmaßnahmen unterschiedlich zu bewerten sind.
Gut ausgebildete Polizisten sind ein erster wesentlicher Baustein für eine gut funktionierende Sicherheit in und um Stadien. Dafür spricht vor allem auch die Aufnahme defensiver Einsatzstrategien, nämlich deeskalierender Strukturen. Auch diese Erfahrung haben wir alle miteinander machen können. Es ist ein Unterschied, ob Sie im Stadion einen voll behelmten Polizeibeamten in einer Mauer stehen sehen oder ob man in einer lockeren Atmosphäre aufeinander zugeht und miteinander spricht. Ich glaube, dass die Kommunikations- und Deeskalationsteams der Polizei in den letzten Jahren diesbezüglich einen wesentlichen Beitrag geleistet haben.
Wir können auch erkennen, dass das immer eine Frage der Perspektiven, des Miteinander-Umgehens, des sich Verstehens ist. Es beinhaltet nämlich auch die Frage, ob Fans und Fanprojekte als Partner wahrgenommen werden, ob die Polizei als Partner wahrgenommen wird oder ob man gegeneinander steht. Dort, wo wir an der Kommunikation gearbeitet haben, wo es diese Gesprächsebene gab, können wir eine erfolgreiche Entwicklung verzeichnen. Insoweit war auch die Aussage von Herrn Prof. Pilz durchaus richtig, der in der Anhörung sagte, die Polizei profitiere vom Einsatz der Kommunikations- und Konfliktmanager nicht nur in Form von friedlichen Einsätzen. Selbst bei Risikospielen werden insofern weniger Kräfte benötigt.
Es zeigt sich also, dass an dieser Stelle ein intensives Miteinander auch ein wesentlicher Beitrag für mehr Stadionsicherheit ist. Der vorliegende Antrag soll diesen Prozess weiter befördern. Lassen Sie mich auf die einzelnen Punkte dieses Antrags eingehen.
Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze, kurz ZIS, trägt die Daten von Gewalttätern aus der Fußballszene bundesweit zusammen und gibt entsprechende Hinweise, um zu verhindern, dass insbesondere Hooliganstrukturen in die Stadien hineinkommen. Diese Daten sollten nicht nur anlassbezogen ausgewertet werden, sondern man kann daraus auch geeignete Handlungsstrukturen ableiten.
Ergänzend dazu erscheint es uns sehr sinnvoll, mit einem eigenen Jahresbericht „Sächsischer Fußball“ unterstützend tätig zu werden, weil darin die eigenen Erfahrungen, nämlich die der Sicherheitsbehörden, aber auch der Vereine, der Fans und der Fanprojekte zusammengefasst werden könnten. Daraus lassen sich anlassunabhängig Handlungsstrategien erarbeiten. Wissen vor Ort wird eingebunden und kann auf diese Weise sinnvoll in ent
sprechende Maßnahmen umgesetzt werden. Ein Jahresbericht „Sächsischer Fußball“ wäre insofern nicht nur eine statistische Erhebung, sondern ein wesentlicher Beitrag zur Zusammenfassung von Erkenntnissen zur Ableitung entsprechender Handlungsstrukturen.
Ein weiterer Punkt beschäftigt sich damit, Fanprojekte dahin gehend zu unterstützen, dass die Mittel des Deutschen Fußballbunds und der entsprechenden Verbände besser abgerufen werden können. Dazu wird unser Sportpolitischer Sprecher, Kollege Rost, in der zweiten Runde noch ausführlicher sprechen.
Ein Punkt, ohne den es aus unserer Sicht nicht geht, steht in Ziffer 4 unseres Antrags: die polizeilichen Fortbildung, also die Qualifizierung von Polizeibeamten, auch im Hinblick auf Stadionsicherheit. Damit kein falscher Eindruck entsteht, will ich vorausschicken, dass unsere Polizisten gut ausgebildet sind, sie haben eine entsprechende Qualifikation. Wie in allen Bereichen geht es aber auch hier um eine nötige Sensibilisierung und ein Reagieren auf aktuelle Entwicklungen. Dazu gehören einfache Erkenntnisse wie zum Beispiel jene, dass Ultras keine Hooligans sind und dass diese Differenzierung – auch wenn es, wie überall im Leben, Schnittmengen gibt – vor einer pauschalen Beurteilung stehen muss.
Es gilt aber auch, auf Fangruppen deeskalierend einzugehen und die interkulturelle Kommunikation zu stärken. Auch das ist in der aktuellen Entwicklung ein nicht unwesentlicher Beitrag. Es geht darum, Mechanismen zu finden, mit denen die Kommunikation zwischen Polizisten und Fangruppen weiter gestärkt werden kann. Wichtig ist jedoch auch hier die Erkenntnis: Kommunikation allein ist kein Allheilmittel, sie ist aber Teil einer defensiven Strategie für die Polizei in den Stadien. Sie ist das am besten geeignete Mittel, um den Kräfte- und Mittelansatz und auch die Verhältnismäßigkeiten von vornherein sinnvoll aufeinander abzustimmen.
Im Weiteren war es wichtig, dass wir gesagt haben: Wir wollen die Verbände, die Fußballvereine dabei unterstützen, besser mit den Fans und ihren Fanprojekten zusammenzuarbeiten. Auch dazu wird Herr Kollege Rost noch einiges zu sagen haben.
Ich möchte noch auf den letzten Punkt unseres Antrags eingehen, nämlich die Möglichkeit zur Unterstützung von Fanzügen. Es gilt, zu prüfen und aufzuzeigen, wie eine Kanalisierung des Fanreiseverkehrs möglich ist. Ganz klar, im Mittelpunkt steht die individuelle Entscheidung des Fans, wie er zum Spiel gelangen möchte. Die Frage ist aber, ob und inwieweit es uns beispielsweise auch in Kooperation mit anderen Bundesländern gelingen kann, unter Einsatz der entsprechenden Schienenträger Prozesse zu finden, in deren Rahmen Fanzüge konkret eingesetzt werden können – als Angebot.
Das hätte auch den Charme, dass wir bei Fanprojekten hinsichtlich der Sicherheit gemeinsam arbeiten könnten, dass also auch eine Selbstkontrolle der Fußballvereine möglich wäre, indem man mit eigenen Leuten darauf einwirkt, dass die Anreise ordnungsgemäß abläuft, ohne
dass die zum Fußball sicherlich dazugehörenden Rituale, Choreografien oder auch das eine oder andere Bier in Abrede gestellt werden. Aber das geht schon bei unzulässigen Mitteln wie Pyrotechnik los. Auch hier geht es nicht nur um das Einwirken der Polizei von außen, sondern auch um ein Mitwirken von Fanprojekten und ihren Strukturen, damit solche Geschehnisse unterbleiben.
Kurzum, unser Ziel ist es, mit diesem Antrag einen Prozess zu unterstützen, den wir nur gemeinsam tragen können – Polizei, Sicherheitskräfte, Politik und Vereine –, um die wahrscheinlich schönste – oder zweitschönste – Sache in unserem Land,
den Fußball, auch weiterhin sicher zu machen. – Marko, das ist eine Frage der Perspektive und der Priorität.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es geht um Fußball. Aus diesem Grund freue ich mich, dass die Sportpolitiker und die Innenpolitiker der Koalition heute sozusagen in Mannschaftsstärke anwesend sind und diesen Antrag gemeinsam einbringen. Ich freue mich auch, dass heute fast alle Fraktionen mit einer Kleinfeldbesetzung hier im Plenum vertreten sind und wir uns über dieses aus meiner Sicht wichtige Thema in dieser Landtagsdebatte auseinandersetzen.
Kollege Hartmann hat es bereits angedeutet: Es ist zu konstatieren, dass die Sicherheitsarchitektur in unseren Fußballstadien vorbildlich ist. Das zeigen alle Zahlen. Das Sicherheitsgefühl der Zuschauer in den Fußballstadien ist auf sehr hohem Niveau. Dennoch überschatten immer wieder Ausschreitungen die Partien. Die Polizei klagt über massive Belastungen. Aus diesem Grund möchten wir mit dem vorliegenden Antrag auf der einen Seite Sicherheitsaspekte besser berücksichtigen, auf der anderen Seite natürlich aber mit allen am Fußball Beteiligten, gerade mit den Fans und den Fanprojekten, weiter vorankommen.
Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf die sportpolitischen, die präventiven Ansätze beschränken. In der zweiten Runde wird sich von unserer Seite mein Kollege Pallas näher mit der Sicherheit und dem Kräfteeinsatz beschäftigen.
Aus meiner Sicht geht es in allererster Linie um mehr Dialog, um mehr Miteinander in den Fußballstadien. Aus diesem Grund sage ich: Wir müssen die Fanprojekte stärken, wir müssen die Fanprojekte mehr in den Blick nehmen und sollten hier in Zukunft mehr tun, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen. Ich finde, Fanprojekte, Fanarbeit spielen eine Schlüsselrolle als Vermittler
zwischen Fan und Polizei. Deswegen ist es für mich ganz klar: Hier müssen wir stärken, hier müssen wir mehr tun.
Nun steht vor jeder guten Praxis eine gute Theorie. Die fiskalische Theorie, also die Theorie der Finanzen, möchte ich Ihnen kurz erläutern. 50 % der Finanzierung für die Fanprojekte, für die Fanarbeit kommen von der Deutschen Fußballliga und vom Deutschen Fußballbund. Der Rest muss von den Kommunen, muss vom Land kommen. Die Bundesebene, der DFB und die DFL, verdoppeln die bereitgestellten Mittel der öffentlichen Hand bis zu einem Maximalbetrag von 150 000 Euro pro Fanprojekt. Im Moment steuert der Freistaat 287 000 Euro hinzu für die Fanprojekte in Aue, in Chemnitz, in Dresden, in Leipzig, in Plauen im Vogtland und in Zwickau. Der gleiche Betrag kommt vom DFB, von der DFL. Zusammen sind das in Sachsen immerhin 574 000 Euro.
Wenn man jetzt einmal kurz spitz rechnet, wird man feststellen: Wir haben noch Potenzial, wir haben noch Luft nach oben. Darum sage ich, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen: Wir haben im Dezember gezeigt, wie es funktionieren kann, wie man mit einem klugen Zusammenspiel von Kommunen, Land und Bund maximale Potenziale heben kann mit unserem Programm „Brücken in die Zukunft“. Ich wünschte mir das für ganz, ganz viele Politikbereiche, aber auch und ganz besonders für die Fanarbeit hier in Sachsen. Aus diesem Grunde sage ich: Wir haben noch Luft nach oben, wir sollten versuchen, diese maximalen Potenziale auch mit Blick auf die Haushaltsverhandlungen in der nächsten Haushaltsperiode hier zu heben, um die Fanprojekte noch mehr zu unterstützen und hier für noch mehr Rückenwind zu sorgen.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe angedeutet: Wir brauchen mehr Dialog und weniger Konfrontation in den Fußballstadien. Wir müssen etwas für die Kommunikation zwischen Fans, Vereinen und Polizei tun, um in Zukunft auch die vom Kollegen Hartmann angedeutete Sicherheitsarchitektur weiter zu stärken. Das ist für mich ganz wichtig. Für mich kommen zuerst die Prävention und die Fanarbeit und danach die Sicherheitsarchitektur.
Aus diesem Grund wünsche ich mir einen neuen Dialog in den Fußballstadien. Zuerst die Freiheitsrechte einzuschränken ist sicher ein Reflex vonseiten der Sicherheitsbehörden. Der ist aus meiner Sicht nachvollziehbar, bringt aber nichts, weil das immer nur die Eskalationsschraube weiter anzieht. Ich sage – und das hat die Anhörung hier im Landtag auch gezeigt –: Zuerst kommen Kommunikation und Dialog und danach die sicherheitspolitischen Aspekte.
Lassen Sie mich zum Schluss meiner Ausführungen noch auf einen aus meiner Sicht wichtigen Punkt zurückkommen. Das ist das Thema Fanverkehr. Das hat Kollege Hartmann schon angedeutet.
Ich hatte nach der öffentlichen Anhörung die Freude, mit dem Vorsitzenden des Nationalen Ausschusses für Sport und Sicherheit, Bernd Heinen, zu sprechen. Es ging um das Thema Fanfahrschein und Fanticket. Zur Kanalisierung des Fanverkehrs hat es insgesamt acht Pilotprojekte gegeben. 20 Fanzüge waren im ganzen Bundesgebiet unterwegs. Das Fazit von Bernd Heinen ist eindeutig, nämlich, diesen Ansatz unbedingt auch für andere Bundesländer zu empfehlen.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Konzept trägt zu einem entspannten An- und Abreiseverkehr bei. Ich möchte mich gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Koalition, mit den Sport- und den Innenpolitikern, mit dem DFB, der DFL und der Deutschen Bahn für entsprechende Umsetzungsmöglichkeiten bei uns in Sachsen einsetzen.
Genau wie der Fußball, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist unser Antrag eine runde Sache, davon bin ich überzeugt. Ich wünsche mir ein Mehr an Miteinander in den sächsischen Fußballstadien. Lassen Sie uns den Dialog zwischen Vereinen und Sicherheitskräften weiter stärken, um das ohnehin schon hohe Sicherheitsniveau in unseren Fußballstadien weiter zu verbessern.
In diesem Sinne: Für die schönste Nebensache der Welt, für den Fußball in Sachsen wünschen wir uns eine breite Zustimmung zu dem Antrag.
(Heiterkeit – Christian Hartmann, CDU: Jetzt mach es nicht kaputt! – Heiterkeit – Jörg Vieweg, SPD: Eine schwere Hypothek!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben heute den Antrag „Sicherheit im Fußball – Stärkung der sächsischen Fanprojekte“ auf die Tagesordnung gesetzt.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, liebe Sportfreunde, dieser Antrag ist gut und wichtig und eine Debatte darüber noch vor den Haushaltsberatungen angebracht.
Im Juni letzten Jahres fand hier in diesem Saal im Hohen Haus eine Anhörung im Innenausschuss zum Thema „Sicherheit im Fußball“ statt, zu der eine große Anzahl von Sachverständigen unserer Einladung gefolgt war und die gesamte Breite der Problematik darstellen konnte. So waren unter den Sachverständigen neben den Vertretern sächsischer Fanprojekte auch Wissenschaftler, Juristen, Vertreter der Polizei, aber ebenso auch von Vereinen und der aktiven Fanszene. Deutlich wurde, dass die Arbeit mit den Fans, ob nun durch die Fanprojekte oder durch die Fanabteilungen der Vereine, einen wesentlichen Beitrag
zur Vermeidung von Gewalt rund um Fußballspiele leistet. Deutlich wurde aber auch, dass dieses Miteinander auch für den Umgang des Staates mit den Fans gelten muss. Ich glaube, hier sind wir alle einen gewaltigen Schritt weitergekommen. Allzu oft haben wir in den Debatten erleben müssen, dass Fußballfans pauschal kriminalisiert wurden und die Mehrheit der Guten für die wenigen Dummen bezahlen musste.
In Teil 1 und 3 erbitten Sie einen Bericht über getroffene – störe ich Dich, Marko? – oder geplante Maßnahmen, um den Kräfteeinsatz der Polizei bei Fußballspielen zu reduzieren und verstärkt Kommunikationskräfte zum Einsatz zu bringen. Für alle, die nicht ganz so tief in der Thematik stecken: Das entspricht in etwa dem Modell aus Nordrhein-Westfalen, wo durch Reduzierung von Polizeieinsatzkräften und eine Verstärkung der Kommunikation Schritte in Richtung Deeskalation und Kostenminimierung gegangen wurden.