Woher kommt also Ihr chronisches Misstrauen gegenüber den Unternehmen? Warum misstrauen Sie den möglichen Nachfolgern, wo diese doch noch gar nicht feststehen? Seien Sie sich bitte bewusst: Mit Ihrem hier vorgetragenen Misstrauen behindern Sie aus unserer Sicht maßgeblich den Prozess des Eigentümerwechsels. Es muss doch auch Ihnen daran gelegen sein, dass ein kompetenter und finanzkräftiger Käufer gefunden werden kann, der die ohnehin schon hohe Verantwortung für Bevölkerung und Natur auf sich zu nehmen bereit ist.
Sie verunsichern auf diese Weise mögliche Investoren, und das schwächt letztendlich den Wirtschaftsstandort Sachsen.
Die Grundvoraussetzung für Investitionen ist Planungssicherheit, auch und vor allem während des derzeitigen Verkaufsprozesses. Hier hat beispielsweise die STEAG GmbH aus Essen eindeutig den Hinweis gegeben, dass sie sich deutlichere Positionierungen der Bundespolitik zur
Das ist das erste Grundproblem, das Ihrer aggressiven Interventionspolitik anhängt: fehlendes ökonomisches Feingefühl und damit verbunden ein chronisches Misstrauen gegenüber einer Branche, von der allein in Sachsen über 11 000 Menschen leben.
Das zweite Problem ergibt sich aus dem Gesagten: Ich glaube, Sie wissen selbst, dass mit dem Verkauf nicht gleich der deutsche Rechtsstaat außer Kraft gesetzt wird. Aber warum verschleiern Sie Ihr Kernanliegen? In Wirklichkeit geht es Ihnen hier nicht um einzuhaltende Grenzwerte und verstärkte Kontrollen. Nein, dies ist nur ein weiterer Versuch, die Braunkohle als verlässliche Brückentechnologie und tragfähigen Baustein der Energietransformation unseres Landes zu torpedieren, und dies dann auch noch auf Kosten der Arbeitnehmer.
Auf die Braunkohle ist in mittelbarer Zeit nicht zu verzichten. Das ist der Preis für den Atomausstieg, den wir zu schultern haben, die Energieunternehmen und, so ehrlich müssen wir auch sein, auch für die deutschen Verbraucher.
Im Jahr 2004 sagte der damalige Umweltminister Jürgen Trittin, die Energiewende werde jeden durchschnittlichen Haushalt monatlich nicht mehr kosten als eine Kugel Eis, einen Euro. Leider war das ein Wunschtraum.
Für die monatlich rund 23 Euro, die ein Durchschnittshaushalt für die Umsetzung der Energiewende heute bezahlt, kann man sich viele Kugeln Eis kaufen. Damit den Menschen der Appetit auf eine zukunftsfähige Energieversorgung nicht weiter vergeht, müssen wir die Kosten für die Privathaushalte in Grenzen halten. Das geht eben nur mit der Braunkohle als verlässlicher Brückentechnologie.
Auf einen Punkt lohnt es sich gesondert einzugehen. Unter dem Punkt I.6. des GRÜNEN-Antrags wird erfragt, wie die Staatsregierung einer Behinderung ihrer gesetzgeberischen Funktion durch internationale Schiedsgerichtsverfahren vorbeugen will. Wenn wir über Vattenfall sprechen, kommen wir natürlich nicht am Thema Investitionsschutz vorbei. Insofern bin ich dankbar, dass Sie dieses Thema ansprechen. Hier zeigt sich nämlich, dass die Politik nicht zwangsläufig eine Entscheidung zwischen schwarz oder weiß treffen muss, sondern auch eine Sowohl-als-auch-Strategie vorsehen kann, wenn man dies will. Mit Blick auf das Bewerberfeld um die Lausitzer Kraftwerke und Tagebaue wird deutlich, wie dynamisch und globalisiert der deutsche und europäische Energiemarkt ist.
Wenn sich ausländische Firmen dazu entschließen, in Deutschland, im Freistaat Sachsen zu investieren, dann kann dies grundsätzlich nicht verkehrt sein, denn es schafft Arbeitsplätze. Gefährden nationale Gesetze die
Investitionen internationaler Konzerne, führt dies natürlich zu Spannungen, die geregelter Schlichtungsmechanismen bedürfen. Diese werden im Zusammenhang mit Freihandelsabkommen regelmäßig dämonisiert.
Solche Schiedsgerichte existieren bereits seit Jahren, ohne dass ich die staatliche Handlungs- und Gesetzgebungsfähigkeit der Bundesrepublik und des Freistaates, gleich auf welchem Politikfeld, in Gefahr gesehen habe. Jeder, der hier den deutschen Rechtsstaat außer Kraft gesetzt sieht, verkennt, dass sich auch Schiedsgerichte an gewisse Regeln zu halten haben und nicht im luftleeren Raum agieren können.
Ich will damit sagen: Das Pariser Klimaschutzabkommen ist der erste internationale Vertrag, in dem sich alle Staaten zum Klimaschutz verpflichten. Beschließt die Weltgemeinschaft dort konkrete Klimaziele und neue Standards, so können diese auch nicht durch internationale Schiedsgerichte einfach so verkannt und missachtet werden.
Sie bringen hier den Energiechartavertrag und die Vattenfall-Klage gegen die Bundesrepublik ins Spiel. Das Schiedsgerichtsverfahren gegen die Bundesrepublik übernimmt das internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, das der Weltbankgruppe angehört. Ich bin schon einigermaßen erstaunt darüber, dass Sie schon jetzt um den Ausgang des Verfahrens wissen und das Gewaltmonopol des Staates in Ketten gelegt sehen. Die Weltbankgruppe ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und insofern kein Dämon, wie es von der Opposition gern beschrieben wird.
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren von den GRÜNEN und LINKEN, ist ein weiterer Beweis für Ihr chronisches Misstrauen gegenüber allen politischen und wirtschaftlichen Akteuren, auf die Sie keinen direkten politischen Einfluss haben – ein Politikverständnis, welches aus meiner Sicht archaischer nicht sein könnte.
Ich halte also fest: Ihre Anträge spiegeln eine Sorge um mangelnden Umweltschutz vor, die ich für völlig übertrieben halte. Es bestehen effektive und bewährte Überprüfungs- und Kontrollmechanismen, die sowohl dem Staat als auch den Investoren die nötige Sicherheit im Sinne des Allgemeinwohls bieten. Rechtsstaatlichkeit und Investitionsschutz sind also keine widerstrebenden Bereiche, sondern bedingen einander. In Wirklichkeit geht es Ihnen um einen weiteren Angriff auf die sächsische Braunkohle, was Zeichen Ihrer starrköpfigen Unbelehrbarkeit in dieser Sache sind.
Wir werden die Braunkohleverstromung für eine sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Energieversorgung bis ins Jahr 2050 benötigen. Lieber sollten wir also Sorge dafür tragen, dass Sie dem derzeitigen Verkaufsprozess
bessere und optimale Rahmenbedingungen vorliegen, um auch in Zukunft mit verlässlichen Partnern zum Wohle des Freistaates Sachsen arbeiten zu können. Daher sind beide Anträge abzulehnen.
Ich frage Sie, Herr Rohwer: Woher wissen Sie eigentlich, dass Vattenfall ein verlässlicher Partner in der Sanierung von Braunkohlelagerstätten ist? Meines Erachtens hat Vattenfall bisher kein einziges Tagebaurestloch vollständig saniert und aus der Bergfreiheit entlassen.
Woher wissen Sie eigentlich jetzt schon, dass Vattenfall ein richtig guter Partner in der Braunkohlesanierung gewesen wäre? Das können Sie gar nicht wissen, weil Sie – wie gesagt – kein einziges saniertes Tagebaurestloch haben. Deshalb brauchen wir genauso diesen Status-quoBericht, und die Staatsregierung hat einen solchen Bericht einfach nicht.
Herr Rohwer, Sie wissen auch nicht, ob alle Rechte und Pflichten von Vattenfall auf den neuen Eigner übertragen werden. Das können Sie nämlich erst dann wissen, wenn der Antrag auf Genehmigung des Vertrags vorliegen wird. Dann erst hat die Staatsregierung die Möglichkeit, diesen Verkauf zu billigen. Dazu hat sie auch nur eine gewisse Frist – soweit ich mich recht erinnere, zwei Monate nach Bundesberggesetz, nachdem der Antrag auf Genehmigung eingegangen ist. Er kann sogar einfach so durchgehen, falls man nicht reagiert; ich weiß es allerdings nicht ganz genau. Soweit mir bekannt ist, haben wir nur ganz wenig Zeit, um überhaupt zu reagieren.
Herr Rohwer, auch Sie fallen immer wieder in das gleiche demagogische Schema gegenüber der LINKEN zurück. So haben Sie gerade eben wieder behauptet, dass wir immer nur etwas gegen Braunkohle tun würden, negieren jedoch, dass die ganze Bundesrepublik jetzt einen Ausstiegsprozess aus der Braunkohleverstromung beginnt und das wir als LINKE sagen: Da müssen wir jetzt, weil es ein langfristiger Prozess ist, anfangen, Industriearbeitsplätze zu substituieren und darüber nachzudenken, wie man die verlustig gegangen bzw. perspektivisch verlustig gehenden Arbeitsplätze ersetzen könnte. Von daher sind eigentlich Sie hier der Demagoge, und Sie sind dann verantwortlich, wenn die CDU die Arbeitsplätze vernichtet.
Frau Dr. Pinka, ich habe den Eindruck, dass Ihre lange Kurzintervention nur dazu angelegt war, den von mir sehr intensiv vorgetragenen Argumentationsstrang in Vergessenheit geraten zu lassen. Wahrscheinlich war ich doch relativ gut,
weil Sie jetzt alles noch einmal wiederholen. Lesen Sie doch zunächst diesen Beitrag, den ich gerade gehalten habe, wenn er niedergeschrieben ist, dann werden Sie merken, dass ich Ihnen auf alle Punkte, die Sie angesprochen haben, eine Antwort gegeben habe.
(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Ja, aber eine falsche! – Zurufe von der CDU)
Meine Damen und Herren, in der Aussprache geht es weiter mit der SPDFraktion. Es spricht Herr Abg. Baum.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mittlerweile tatsächlich fast schon Routine, dass wir mindestens einmal pro Quartal über die Braunkohle in der Lausitz sprechen – genauer gesagt: Wir reden immer über die Braunkohle in Sachsen, und dann ist es die Oberlausitz.
Heute sind es gleich zwei Anträge, und zwar einer von den LINKEN und einer von den GRÜNEN, die sich vorgeblich mit dem geplanten Verkauf der Braunkohlensparte durch Vattenfall beschäftigen. Insbesondere der Antrag der LINKEN spricht davon, sächsische Interessen wahren zu wollen und Perspektiven für die Lausitz zu eröffnen. Die GRÜNEN plädieren hingegen dafür, Risiken aufzudecken und potenzielle Folgen für den Freistaat und den Steuerzahler zu begrenzen.
Wenn man ausschließlich Ihre Überschriften betrachtet, so kann man schon sagen: Hierin sind wir uns gar nicht uneinig. Nur: Was meint die LINKE mit sächsischen Interessen und was meinen die GRÜNEN mit der Begrenzung potenzieller Folgen? Beim Antrag der LINKEN geht es aus unserer Sicht hauptsächlich darum, die möglichen Auswirkungen durch den Braunkohlentagebau auf Natur, Umwelt, Landschaft und Klima in Sachsen abzumildern.
Dazu schlagen Sie aber eine Verschärfung der Auflagen über die gesetzlich geregelten Vorgaben hinaus vor. Sie fordern außerdem verstärkte Kontrollen, vor allem für den Wasserhaushalt. Schließlich wollen die Kollegen der LINKEN eine abschließende Bilanz der durch den Braunkohleabbau und deren Verstromung entstandenen Schäden an Natur, Umwelt, Landwirtschaft und Klima in Sachsen.
Das alles mögen durchaus legitime Forderungen sein. Dennoch muss ich Sie an dieser Stelle fragen – das ist der entscheidende Punkt für uns –: Wo bleiben in Ihrer Perspektive die Menschen?
Ich meine damit die Menschen, die in der Oberlausitz von und mit der Braunkohle leben und denen wir eine Perspektive bieten müssen, wenn die Zeit der Braunkohleverstromung vorbei sein wird. Das sind für mich, für uns sächsische Interessen. Es sind die Menschen und ihre Zukunft, die für mich und meine Fraktion im Vordergrund stehen.
Diese haben vor allem Sie, Herr Dr. Lippold, in Ihrer Einbringung – ich habe es jedenfalls nicht gehört – mit keinem Wort erwähnt.