Protokoll der Sitzung vom 17.03.2016

Schlussendlich bleibt noch zu bemerken, dass es falsch ist, die Mittel in noch weitere diffuse sogenannte Demo

kratieinitiativen zu stecken. Damit würde man denselben Fehler machen wie mit der Kampagne selbst. Demokratieförderung ist das Ergebnis einer klugen Politik und nicht einer Kampagne.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Schubert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Staatsminister Martin Dulig hat am Dienstag in der Kabinettspressekonferenz eingeräumt, dass der Slogan „So geht sächsisch“ verbrannt ist. Es ist in der Tat richtig: Der Slogan ist verbrannt. Ich möchte das hier gar nicht persönlich werten. Aber wenn Sachsen deutschlandweit in den Medien als das unsympathischste Bundesland betitelt oder auch über einen Austritt Sachsens aus der Bundesrepublik philosophiert wird, dann darf es keine von den gesellschaftlichen Ereignissen losgelöste Debatte um die Imagekampagne geben.

(Sebastian Wippel, AfD: Die Debatte um den Austritt hat ein GRÜNER angefangen!)

Während ich letztes Jahr an dieser Stelle noch zum humorvollen Diskurs aufgelegt war, kann ich es heute nicht mit derselben Unbefangenheit tun, weil der Antrag der LINKEN genau diesen Zusammenhang zwischen Image und gesellschaftlichen Ereignissen zieht. Haushalterisch lohnt sich der Blick noch immer. Die im Haushalt eingestellten Mittel sind ein in der Höhe klar benennbares Problem. Dass das Budget schon immer zu hoch angesetzt war, wiederhole ich gern und deutlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Vor einem Jahr haben wir bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass kein anderes Land so viel Geld für eine Imagekampagne ausgibt. Wir hatten bei der letzten Haushaltsverhandlung die Halbierung des Mittelansatzes gefordert. Das Ergebnis ist bekannt. Es standen weiterhin 8 Millionen Euro pro Jahr für „So geht sächsisch“ zur Verfügung. Noch einmal zum Vergleich: Die Kampagne der Baden-Württemberger – Sie erinnern sich: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ – läuft seit 1999 und hatte in ihren haushalterisch besten Zeiten ein Budget von 3,2 Millionen Euro pro Jahr. 2011 wurde das Konzept angepasst. Seitdem stellt Stuttgart für die Imagepflege noch 400 000 Euro pro Jahr in den Haushalt ein. Das ist eine gute Imagekampagne. Das „Ländle“ hat kein Imageproblem.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Kommen wir nun zum Zusammenhang zwischen Imagekampagne und gesellschaftlichen Ereignissen. Das ausgewiesene Ziel der Kampagne ist es – Zitat –, „den Bekanntheitsgrad von Sachsen im In- und Ausland zu erhöhen“. So steht es im Koalitionsvertrag. Der Bekannt

heitsgrad Sachsens ist rapide nach oben geschnellt. Bereits vor einem Jahr war klar, dass wir das nicht der Kampagne zu verdanken haben. Wenn der Chef der Staatskanzlei, Herr Staatsminister Dr. Jaeckel, im Interview darauf hinweist, dass man zwischen der Imagekampagne für das ganze Land und den vielen Ereignissen in den vergangenen Wochen unterscheiden muss, ist das eine sehr akademische Herangehensweise. Wie soll denn das in der Umsetzung aussehen? Das möchte ich fragen. Man könnte natürlich vor einem Werbeclip für Sachsen den Hinweis schalten: Bitte betrachten Sie nachfolgenden Clip losgelöst von den fremdenfeindlichen Ereignissen,

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

die a) in keinem Land so ein Ausmaß angenommen haben wie in Sachsen oder b) im Anschluss in den Nachrichten wahrscheinlich bittere Meldungen liefern werden. Für Plakatwerbungen müsste man vielleicht eine kürzere Sprachregelung finden. Das will ich aber jetzt nicht vertiefen.

Ich sage nicht, dass Sachsen keine Imagekampagne braucht. Ich bin ganz bei Ihnen, Herr Dr. Jaeckel, wenn Sie sich dafür einsetzen. Aber ich sage es wiederholt: nicht zu diesem Preis. Der völlig überteuerte Slogan „So geht sächsisch“ ist mittlerweile deutschlandweit verbunden mit Ereignissen – und jetzt werde ich persönlich –, die mich als Bürgerin und als politisch aktiven Menschen dieses Bundeslandes beschämen. Es ist zum geflügelten Wort geworden. Das ist aber kein Zeichen für eine erfolgreich etablierte Botschaft, sondern einfach nur bitter. Dieser Schaden wird lange und nachhaltig das Bild Sachsens prägen. Für eine Standortkampagne braucht es daher eine strategische Neuausrichtung. Auch da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Dr. Jaeckel.

Es wäre sicher sinnvoll – und hier, lieber Herr Kollege Colditz, möchte ich, wie Sie es gefordert haben, konkrete und konstruktive Vorschläge bringen –, wenn bei der Erarbeitung nicht nur Staatsregierung, Agentur und Auftragnehmer eingebunden sind. Wir GRÜNE stehen für konstruktive Gespräche zur Verfügung. Ich habe noch zwei interessante Vorschläge. Zu Recht fordern Sie die ein, Herr Kollege Colditz. Wenn man in Sachsen über die Autobahn ankommt, haben wir keine schönen Willkommensschilder, wie sie zum Beispiel das Saarland und Schleswig-Holstein haben. In der Imagekampagne ist auch noch sehr viel Luft, besser abzubilden, was die Vielfalt in Sachsen tatsächlich ausmacht. Darüber können wir gern reden.

Es schadet nicht, die Imagekampagne im Moment auf Eis zu lassen und die Mittel anderweitig einzusetzen.

Der Vorschlag der Fraktion DIE LINKE, die Kampagnenmittel Vereinen, Verbänden und Initiativen zur Verfügung zu stellen, die sich für eine weltoffene, vielfältige und demokratische Gesellschaft und Kultur in Sachsen einsetzen, ist eine der jetzigen Situation in unserem Freistaat angemessene Option und wäre ein Zeichen nach außen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Wir werden daher diesem Antrag der LINKEN zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Die Linksfraktion bitte; Herr Abg. Neubert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Kollege Scheel hat die Grundkritik an dieser Kampagne bereits ausgeführt. Gerade die angesprochene Inhaltsleere des Slogans „So geht sächsisch“ und die damit mögliche Verknüpfung mit negativen Bildern ist eines der großen Probleme dieser Kampagne. Brennende Asylbewerberheime, wutverzerrte Gesichter von sogenannten besorgten Bürgern, die montäglichen Pegida-Demonstrationen vor der Semperoper oder das Interview von Tillich bei Claus Kleber im „heute-journal“ – so geht sächsisch auch. Im August 2015 war die Kampagne in der „heute-show“ Anlass einer unfreiwilligen Häme. Diese Kampagne ist zu einem Bumerang geworden.

Christian Hose hat in einem Interview ebenfalls im letzten August bei „Sputnika“ gesagt: „Wir sind der Meinung, dass Werbung die Wirklichkeit abbilden muss, und wenn wir zurzeit in den Medien fast ausschließlich Bilder aus Sachsen sehen, die Rassismus zeigen, ist das nicht der richtige Weg.“

Es hilft eben nicht, schöne Bilder zu produzieren und mantraartig das weltoffene Sachsen von Marketingexperten auf allen Kanälen verkünden zu lassen.

Vielmehr erscheint es nun wie ein kollektives Sich-aufdie-Schultern-Klopfen der stolzen Sachsen und ein Verkünden der – ich zitiere die Staatsregierung –: „typisch sächsischen Tugenden: Pragmatismus, Machermentalität, Innovationsfreude, Herzlichkeit und Weltoffenheit“, die sich durch die Kampagne ziehen sollten. Na ja, die Glaubwürdigkeit um die sächsischen Tugenden wie Herzlichkeit und Weltoffenheit hat stark gelitten, und der Rest ist sächsischer Chauvinismus: Wir Sachsen sind etwas Besseres. Und nein, ein bisschen Kampagne ist rausgeschmissenes Geld. Daher dieser Antrag, die Kampagne sofort zu beenden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Da die Kampagne nicht erst durch die aktuelle gesellschaftliche Situation in den Fokus unserer Kritik geraten ist, möchte ich unsere Grundkritik gern noch einmal darlegen. Es fehlt dieser Imagekampagne immer noch das Konzept. Es gab diesbezüglich verschiedene Nachfragen an die Staatsregierung, die Antwort dieser reduziert sich auf: „Aufgabe der Standortkampagne ist es, unter dem Slogan ‚So geht sächsisch‘ die Bekanntheit und Attraktivität des Freistaates Sachsen zu erhöhen unter Einbeziehung der Themen Wirtschaft, Wissenschaft, Tourismus, Kultur und Sport.“ – Es ist ein Textbaustein, der sich in der identischen Form gleich in mehreren Drucksachen wiederfindet und der ebenfalls inhaltsleer und absolut beliebig ist.

Man will sowohl die Bekanntheit als auch die Attraktivität für alle Menschen in Sachsen und alle Menschen außerhalb von Sachsen erhöhen, und das unter Einbeziehung aller Themen. Das heißt also, die Staatsregierung kann das Geld für die Imagekampagne für alles ausgeben. Konzeptionell subsumiert es sich ganz sicher darunter, und die Staatsregierung macht es auch, das Geld nach eigenen Bedürfnissen für alles auszugeben.

Ich kann Ihnen als Lektüre die Auflistung der detaillierten Ausgaben 2013, 2014 und 2015 tatsächlich nur empfehlen; es ist wirklich ausgesprochen interessant: Da wird für 122 000 Euro im Jahr ein Bobschlitten mit „sachsen.de“ oder ein Flugzeug für 280 000 Euro im Jahr beklebt. In Berlin wird für einen Monat ein Großplakat aufgehängt: 250 000 Euro. Bei der Japan-Reise von Tillich gibt es ein „Spontankonzert“ des Gewandhausorchesters Leipzig: 50 000 Euro. Für eine Woche WorldSkills in Leipzig stand die Imagekampagne hilfreich mit 180 000 Euro zur Seite. Eine ehemalige Büroleiterin des CDU-Generalsekretärs bekommt im Jahr für „Recherche und Erstellung von Erfolgsgeschichten für die Homepage“ 32 000 Euro. Es werden jedes Jahr erhebliche Summen für die Immobilienmesse EXPO in München oder für eine Investorenkonferenz ausgegeben. Warum eigentlich? Es werden Schnuller, Plüschfüchse und Schutzengel für einen Haufen Geld hergestellt. Allein für Folienluftballons wurden im Jahr 31 000 Euro ausgegeben.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU – Daniela Kuge, CDU: Werbearbeit aus China ist billiger!)

Übrigens: Halbminütige Werbespots vor der Tagesschau kosten bis zu 65 000 Euro. Für die Imagekampagne ist das selbstverständlich nicht zu teuer.

Zusätzlich werden viele protokollarische Veranstaltungen der Staatskanzlei, die eigentlich über andere Töpfe finanziert werden müssten, über die Imagekampagne mit bezahlt, wie der „Tag der Deutschen Einheit“, der Festakt in der Prager Botschaft, der „Tag der Sachsen“, Veranstaltungen zu 25 Jahre Sachsen, und auch andere Veranstaltungen, beispielsweise das „Lichtfest“ in Leipzig mit 135 000 Euro, erhalten eine großzügige Unterstützung.

Diese kleinen und größeren Gefälligkeiten und Geschenke, die die Staatsregierung mit dieser Imagekampagne verteilt, sind ein Problem. Hier sind 8 Millionen Euro pro Jahr eingestellt, um in nicht unerheblichem Maße mögliche Finanzierungslücken zu stopfen, Freunde zu unterstützen und sich Lobhudeleien als Staatsregierung einzukaufen,

(Beifall bei den LINKEN)

und das alles ohne jegliche Kontrolle. Der ehemals eingesetzte Fachbeirat wurde 2013 kurz nach Kampagnenbeginn von der Staatsregierung abgeschafft. Die Entscheidung über die Grundausrichtung, über Schwerpunkte und über die Einzelausgaben der Kampagne liegen ganz allein in der Staatskanzlei. Der zuständige Referatsleiter kann selbstständig über bis zu 100 000 Euro ent

scheiden und darüber hinaus unbegrenzt der Abteilungsleiter. Im Einzelfall wird der Chef der Staatskanzlei gefragt. Es gibt keinerlei Kontrolle oder fachliche Begleitung. Das ist geradezu absurd.

Ebenso unverhältnismäßig sind die Ausgaben für die Agentur Ketchum Pleon. Mir ist klar, dass gute Agenturen gutes Geld kosten. Wir sprechen hier aber von über 800 000 Euro pro Jahr für diese Agentur. Mit dem Geld kann man ein ganzes Jahr 20 Personen in Vollzeit fest einstellen. Wahrscheinlich sind das die ganzen Personalkosten des Dresdner Standortes von Ketchum Pleon.

Diese hohen Kosten für die Agentur sind umso beachtlicher, weil noch erhebliche Mittel von deutlich über 1 Million Euro pro Jahr für Homepage, Social-MediaAufträge, Texterstellung, Fotos und weitere Agenturleistungen ausgegeben werden. Da steht ein wenig die Frage im Raum: Was macht eigentlich Ketchum Pleon?

Dann gab es noch drei Konzerte über die Kampagne, eines in New York und zwei in London. Dafür haben die Büros von Ketchum Pleon in New York und London gleich noch einmal 237 000 Euro Agenturleistungen erhalten. Sie müssen zugeben: Etwas absurd ist das schon.

Das Problem mit der Werbepartnerschaft mit Sachsenring möchte ich nur kurz ansprechen: Hier werden fast 700 000 Euro pro Jahr für eine Werbepartnerschaft ausgegeben – für drei Tage, an denen Motorräder im Kreis fahren.

(Christian Piwarz, CDU: Geht es noch primitiver?)

Das hat nichts, aber auch gar nichts mit adäquater Verwendung von Mitteln aus dieser Imagekampagne zu tun.

(Christian Piwarz, CDU: Du hast nichts verstanden!)

Ich will ja gar nicht auf die Details eingehen – das ist eine Debatte für den Finanzausschuss –, aber es werden erhebliche Mittel aus der Imagekampagne dafür benutzt, die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens zu ermöglichen.

(Beifall des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE – Christian Piwarz, CDU: Hättet ihr lieber eins in Sachsen-Anhalt gehabt, oder was?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder noch so hoch dotierte Strategie- und Markenberater – vielleicht sogar Ketchum Pleon – wird mir beipflichten: Image kann nur verbessert werden, wenn ein fundamentaler Wandel in der gelebten Kultur vollzogen wird. Wir sprechen dabei von demokratischen Werten, ethischer Haltung und dem klaren Bekenntnis dazu. Bevor dieser Wandel nicht glaubwürdig umgesetzt ist, erzeugt jede weitere Kampagne zur Verbesserung der Außenwirkung das Gegenteil. Dieser Wandel geschieht nicht von heute auf morgen. Er darf auch nicht nur an der Oberfläche, sondern er muss am Elementaren ansetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche hier von Bildung, politischer Bildung für alle Zielgruppen, von

Demokratie und Bildungsprojekten, die auch im ländlichen Raum in großem Maße realisiert werden müssen. Ich spreche von dem bürgerschaftlichen Engagement, das mehr denn je befördert und gefördert werden muss. Dort ist das Geld gut angelegt, dort, wo authentisch Gesicht gezeigt wird für ein weltoffenes und freundliches Bundesland.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)