Protokoll der Sitzung vom 26.05.2016

Aber angesichts des Trends ist es trotzdem notwendig, verantwortungsbewusster mit Privatisierungen von

kommunalem Eigentum umzugehen. Deshalb ist auch für meine SPD-Fraktion die Auseinandersetzung mit der Frage einer Privatisierungsbremse sehr wichtig. Der Trend gibt uns recht. Wir haben bundesweit mehr Rekommunalisierungen, wir haben weniger Privatisierungen. Wir müssen deshalb darüber sprechen, wie wir bei Privatisierungsvorhaben einen stärkeren politischen

Rückhalt in den Gemeinderäten und Kreistagen und eine intensivere öffentliche Beteiligung schaffen können.

Deshalb komme ich nun zu der zweiten Frage, nämlich ob der Gesetzentwurf der LINKEN dafür geeignet wäre. Sie wollen kurz gesagt eine verpflichtende Privatisierungsbremse einführen, entweder eine Zweidrittelmehrheit im Gremium oder aber einen verpflichtenden Bürgerentscheid zu dem Thema.

Wir hatten im Innenausschuss eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf. Die dort geladenen Sachverständigen haben sich fast ausschließlich ablehnend gegenüber Ihrem Entwurf geäußert, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Dabei wurden neben grundsätzlichen Bedenken vor allem fachliche Fehler des Gesetzentwurfes und auch die Schwächen einer verpflichtenden Privatisierungsbremse angeführt. Besonders interessant für mich war, dass selbst der Vertreter von Mehr Demokratie e. V. den vorliegenden Entwurf abgelehnt hat, wenngleich er andere Maßnahmen als sachgerechter angeführt hatte.

Für die SPD-Fraktion ist auch deshalb der vorliegende Gesetzentwurf zu weitgehend. DIE LINKE hat zwar mit einem Änderungsantrag versucht, die schlimmsten Fehler zu verhindern. Aber unsere Bedenken konnten dadurch nicht entkräftet werden.

Wir als SPD-Fraktion teilen aber die Grundintention der LINKEN in dem Punkt, nämlich einen verantwortungsvolleren und möglichst beteiligungsintensiveren Umgang mit Privatisierungsvorhaben in den Kommunen zu erreichen. Insbesondere die Anhörung hat aber Zweifel an der handwerklichen Umsetzung des Gesetzentwurfes ergeben. Somit bleibt es bei der Ablehnung durch unsere Fraktion. Damit ist dieses Thema für uns aber noch nicht erledigt.

Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Gemeindeordnung novelliert werden soll. Teile davon sind bereits umgesetzt. Über weiteren Änderungsbedarf wird innerhalb der Koalition aktuell gesprochen. Das ist, glaube ich, kein Geheimnis. Die Suche nach einem besseren Umgang mit Privatisierungsvorhaben wird Gegenstand der Gespräche sein. Die in der Anhörung gegebenen Denkanstöße werden wir dabei sehr gern mitnehmen. Wir bleiben weiter an dem Thema.

Vielen Dank

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Für die AfDFraktion Frau Dr. Petry, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist festzustellen, dass dieses Thema offensichtlich einen Großteil der

Abgeordneten nicht interessiert, obwohl in der Tat die Ausstattung der Kommunen und die Frage, wie mit kommunalem Eigentum, also letztlich mit dem Eigentum der Bürger umgegangen wird, sehr wichtig ist.

DIE LINKE schreibt in der Einleitung zu ihrem Gesetzentwurf, das Vorbild dazu sei der Artikel 42 Abs. 4 der Bremischen Landesverfassung gewesen. Dieser habe vergleichbare Regelungen, die ihren Niederschlag im vorgelegten Gesetzentwurf gefunden hätten. Das ist leider nicht ganz zutreffend. Denn in der Bremischen Verfassung geht es nicht um ein erhöhtes Parlamentsquorum zur Veräußerung, sondern lediglich darum, dass bestimmte Arten von Veräußerungen nur aufgrund eines Gesetzes möglich sein sollen. An den notwendigen Mehrheiten für ein Gesetz ändert diese Norm nichts.

Offenbar hat DIE LINKE in diesem Punkt die Bremische Verfassung nicht ganz gründlich gelesen. Dies gilt auch insofern, als diese Verfassung nur die Veräußerung aufgrund, nicht aber durch ein Gesetz vorschreibt. Das ist ganz offensichtlich ein Unterschied, den DIE LINKE nicht erkannt hat.

Inzwischen gibt es einen Änderungsantrag, in dem die Veräußerung durch die Satzung gestrichen und durch eine Veräußerung in Form eines Rechtsgeschäftes ersetzt wurde. An dem besagten Artikel 42 der Bremischen Verfassung orientiert sich der Gesetzentwurf der LINKEN gleichwohl nicht. Dass die Bremische Verfassung hier kein Vorbild für den Entwurf abgibt, ist nicht weiter tragisch. Man sollte es dann nur einfach nicht behaupten.

Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, setzt sich auch die Alternative für Deutschland für mehr direkte Demokratie auf allen Ebenen der politischen Betätigung ein. Daher könnte man über die Idee, die Veräußerung von kommunalen Unternehmen von einem zustimmenden Bürgerentscheid abhängig zu machen, durchaus nachdenken. Dies ist aber unserer Ansicht nach gerade nicht die Zielrichtung Ihres Antrages. Sie sehen zwar den Bürgerentscheid alternativ zur Zweidrittelzustimmung im Gemeinderat, an den Voraussetzungen dafür wollen Sie aber gar nichts ändern.

Gemäß § 24 Abs. 1 der Sächsischen Gemeindeordnung müsste für den Bürgerentscheid zunächst ein Bürgerbegehren Erfolg haben oder der Gemeinderat müsste mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder den Bürgerentscheid beschließen. Wenn es Ihnen tatsächlich um mehr Demokratie ginge, würden Sie dieses Quorum für die Herbeiführung eines Bürgerentscheides durch den Gemeinderat senken. Aber das beabsichtigen Sie gar nicht.

Ich frage Sie: Was spricht eigentlich gegen die Herbeiführung eines Bürgerentscheids mit einfachem Mehrheitsbeschluss des Gemeinderates?

Das eigentliche Ziel der LINKEN ist es also, mittels eines Zweidrittelzustimmungsquorums im Gemeinderat die Veräußerung von kommunalen Unternehmen zu erschweren bzw. nahezu unmöglich zu machen. Das kann man

politisch wollen und vertreten. Ich kann mich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass es bei Ihrem Antrag ein Stück weit um späte eigentherapeutische Traumabewältigung geht.

Erinnern wir uns: Im Jahr 2006 verkaufte die Landeshauptstadt Dresden ihr kommunales Wohnungsunternehmen WOBA Dresden GmbH. Die Einnahmen aus dem Verkauf verwendete die Landeshauptstadt zur Schuldentilgung. Sie wurde so zur ersten schuldenfreien Großstadt Deutschlands. Dieser Verkauf wurde dadurch möglich, dass einige Mitglieder der Fraktion der PDS dafür stimmten. Die Fraktion war von nun an gespalten. Das brachte die PDS in Sachsen in erhebliche Turbulenzen. Ihr ehemaliger Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, Ralf Lunau, brachte sich durch seine Zustimmung zu diesem Antrag um eine Wiedernominierung bei der darauffolgenden Stadtratswahl. Dies gereichte ihm nicht wirklich zum Schaden, denn aus Dankbarkeit sorgte die Dresdner CDU dafür, dass er später Kulturbürgermeister wurde.

Dass diese Geschehnisse um die Dresdner WOBA von vor zehn Jahren die Seele Ihrer Partei tief erschüttert haben, versteht wohl jeder. Im Kern geht es bei dem Gesetzentwurf der LINKEN aber darum, dass Entscheidungen zur Veräußerung kommunaler Unternehmen nicht mehr mit einfacher Mehrheit im Stadtrat, sondern mit einer qualifizierten Mehrheit getroffen werden können. Diese Erhöhung ist nicht außergewöhnlich, denn verfassungsändernde Gesetze brauchen in der Regel genau diese Mehrheit.

Wir müssen uns also fragen, was dafür spricht, speziell die Veräußerung kommunaler Unternehmen einem erhöhten Zustimmungserfordernis im Gemeinderat zu unterwerfen.

Warum soll hier die einfache Mehrheit nicht ausreichend sein?

Ich möchte die kommunalpolitische Diskussion Dresdens von vor zehn Jahren nicht wieder aufwärmen. Aber gerade das Beispiel Dresdens zeigt, wie sinnvoll hohe Hürden für den Verkauf grundsätzlich sein können; denn nur sie garantieren eine gründliche und umfassende Diskussion aller Entscheidungsträger.

Bei der Anhörung zum Gesetzentwurf am 7. April ist unter anderem herausgearbeitet worden, dass ein gewisses Korruptionsrisiko für solche erhöhten Quoren spricht. Das Vertrauen der Bürger in seine kommunalen Vertreter und die Richtigkeit einer solch gravierenden Entscheidung wird gestärkt. Qualifizierte Mehrheiten, die das formale demokratische Prinzip der Entscheidung mit einfacher Mehrheit aushebeln, sollten auf Entscheidungen von ganz wesentlicher Bedeutung beschränkt bleiben. Diese ist beim Verkauf kommunaler Unternehmen der Daseinsfürsorge meiner Ansicht nach eindeutig gegeben.

Meine Damen und Herren! Die Einführung eines Zweidrittelmehrheits-Erfordernisses kann deshalb durchaus sinnvoll sein.

Ich fasse zusammen: Der Antrag der LINKEN geht grundsätzlich in eine richtige Richtung, er greift aber wesentlich zu kurz. Um wirklich stimmig zu sein, hätte er vorsehen müssen, dass ein alternativer Bürgerentscheid mit einfacher Stadtratsmehrheit herbeigeführt werden kann. Das wurde leider absichtlich oder unabsichtlich versäumt.

Daher wird sich die AfD-Fraktion bei diesem Antrag der Stimme enthalten.

(Beifall bei der AfD)

Herr Abg. Lippmann, Fraktion GRÜNE, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung nach einer kommunalen Privatisierungsbremse ist richtig und notwendig. Die Menschen in Sachsen erwarten, dass die Unternehmen der kommunalen Daseinsvorsorge, die nicht nur das Tafelsilber der Kommune sind, sondern zentrale Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger erbringen, nicht nur aufgrund des finanziellen Drucks mal eben verscherbelt werden.

Es darf auch nicht wieder dazu kommen, dass wichtige kommunale Unternehmen versilbert werden und die Kommunen mittlerweile massive Kräfte in den Wiedererwerb oder den Wiederaufbau dieser Struktur aufwenden.

Von daher begrüßen wir grundsätzlich den Vorschlag der LINKEN: Zentrale kommunale Unternehmen dürfen nur mit einer überbordenden Mehrheit des Rates verkauft werden. Wenn diese nicht zustande kommt, dann müssten die Menschen – die Bevölkerung, die es betrifft – darüber entscheiden, wie es mit dem Unternehmen weitergeht.

Herr Hartmann, nein, das ist kein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung; denn dann wäre die gesamte Gemeindeordnung ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, die Sie mit der SPD gerade novellieren wollen.

So weit, so richtig, so gut. Leider hat der Gesetzentwurf der LINKEN zwei große und zentrale und auch nicht ohne Weiteres behebbare Schwächen: Das ist zum einen die Frage, wo die Regelung konkret zur Anwendung kommt, zum anderen die Frage, wie wir zum Bürgerentscheid kommen.

Das erste Problem haben Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, leider auch nicht mit Ihrem Änderungsantrag im Ausschuss gelöst. Ihre Regelung, bei welchem Unternehmen konkret die Privatisierungsbremse greifen soll, ist unklar umrissen. Ich will nicht – wie einige Vorredner – sagen, dass der Katalog zu weit geht, aber Sie sind dem Hohen Hause bis jetzt schuldig geblieben, wie Sie beispielsweise definieren, was ein bedeutendes Unternehmen für die kommunale kulturelle Infrastruktur ist, und wie Sie dies abgrenzen. Das kann alles und nichts sein.

Es ist ganz klar: Wenn schon der Anwendungsbereich vollkommen unklar umrissen ist, dann sind die Folgen absehbar. Der Streit im Rat, und vor allem wahrscheinlich mit der Rechtsaufsicht, ist vorprogrammiert. Mit dieser Regelung schaffen Sie massive Unsicherheit und das Gegenteil von dem, was Sie eigentlich mit dem Gesetzentwurf schaffen wollten.

Viel schwerwiegender wiegt für meine Fraktion aber, dass Sie sich bei der Frage des Bürgerentscheids dann wirklich einen ganz schlanken Fuß machen. Die Regelungen der Gemeindeordnung sind weitgehend klar und abschließend. Es braucht entweder ein erfolgreiches Bürgerbegehren oder die Einhaltung eines Ratsbürgerentscheides. Erklären Sie mir doch einmal, wie wahrscheinlich es ist, dass sich ein entsprechendes Quorum in der Bevölkerung zusammenfindet, damit es zu einem Bürgerentscheid kommt. Ich denke, das ist höchst unwahrscheinlich.

Die von Ihnen fabrizierte Hoffnung auf den Ratsbürgerentscheid ist wirklich billige Makulatur. Sie brauchen eine Zweidrittelmehrheit und damit logischerweise die Stimmen der Verkaufsgegner, die doch null Interesse daran haben, dass es einen Bürgerentscheid über diese Frage gibt.

Kurzum: Sie haben hierin handwerkliche Fehler – das ist in der Anhörung deutlich erläutert worden –, die es unmöglich machen, dass dieser Gesetzentwurf tatsächlich etwas bringt. Wenn es Ihnen wirklich um eine Stärkung der Meinung der Bürgerinnen und Bürger beim Verkauf kommunaler Unternehmen gegangen wäre, dann hätten Sie eine Spezialregelung für die Durchführung eines Bürgerentscheids, in dem Falle des Verkaufs von Unternehmen, eingefügt. Das sind Sie schuldig geblieben.

So, wie Sie das regeln wollen, wird das leider nichts. Von daher gilt: Wir teilen grundsätzlich das Anliegen. Wir sind auch sehr dafür, das bei der angekündigten Gemeindeordnungsnovelle weiter zu debattieren. Die konkrete Ausformung halten wir für höchst unglücklich, weswegen wir uns bei diesem Gesetzentwurf enthalten werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung – –

(Zuruf: Der Herr Schollbach!)

Ach, Herr Schollbach, dann stehen Sie einfach auf und gehen los.

(Heiterkeit – Christian Piwarz, CDU: Aber andere Richtung!)

Sehen Sie, Frau Präsidentin, Sie können daran erkennen, dass wir von der LINKEN höfliche Menschen sind.

(Oh-Rufe von der CDU und der AfD)