Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stärkung von Familien ist hier offenbar allen Fraktionen wichtig bis auf eine. Gut.
Wir haben es heute Morgen bei der Aktuellen Debatte hören können, als es um die Förderung von Eltern-KindZentren ging. Auch Sie, Frau Klepsch, betonen oft den Wert von Familien in unserer Gesellschaft, zuletzt beim Familientag in Markranstädt. Ihre Botschaft dort war ganz klar: Wo Familie ist, ist Zukunft. Ja, das stimmt, es gibt aber auch Einflussfaktoren, welche die Zukunft von Eltern und von deren Kindern ganz wesentlich mitbestimmen.
Es ist wichtig, ganz genau hinzusehen, welche Familien in Sachsen Unterstützung brauchen, welche Gründe es dafür gibt und welche Angebote das Land Sachsen unterbreitet bzw. welche Angebote nötig sind, damit alle Familien eine Chance auf eine selbstbestimmte Zukunft haben. Insofern einen Dank an die Linksfraktion für das umfangreiche Anfragenpaket.
Dank auch an die Staatsregierung für die Antworten. Sie haben in Ihren Antworten auf rund 120 Seiten Auskunft gegeben. Auf den ersten Blick, sage ich einmal, wird deutlich, die Lebens- und damit auch die Familienformen befinden sich im Wandel. Das Einkommen ist unterschiedlich und zeigt Unterschiede je nach Familienform auf. Die Familienförderung der Staatsregierung setzt auf Altbewährtes und hat dabei noch nicht immer alle Zielgruppen im Blick und ist auch noch nicht ausreichend auf den Wandel orientiert.
Nun könnte man sagen, das ist nichts Neues, aber umso dringlicher ist der Kurswechsel; denn die Veränderungen bei den Familien halten an und gewinnen auch an Dynamik. Das zeigen die Daten in den Fünfjahresschritten von 2000, 2005 und 2010 und zum Teil auch die Daten aus den Jahren 2014 und 2015.
Die großen Linien der Entwicklung sind bereits angesprochen worden. Die Zahl der Alleinerziehenden ist in Sachsen in Bezug auf andere Familienformen angestiegen. Am höchsten ist der Anstieg in den Städten, also Dresden und Leipzig. Aber auch die Zahl der nicht ehelichen Partnerschaften wächst. Das ist die Realität, der wir uns stellen müssen.
Wo sehen wir die zentralen Herausforderungen? – Erstens. Ich sage es noch einmal deutlich: Wir müssen wirklich konsequent alle Familien und Familienformen in den Blick nehmen. Datenlücken zum Beispiel zu Lebenslagen von Familien mit Migrationshintergrund und zu Familien mit behinderten Eltern oder Kindern müssen behoben werden. Nur so kann der Bedarf tatsächlich erkannt werden. Das kann und sollte Bestandteil der Sozialberichterstattung sein, die laut Koalitionsvertrag wieder eingeführt werden soll.
Zweitens. Sie sollten die Inanspruchnahme von Leistungen prüfen und nicht immer nur an Altbewährtem festhalten. Die Antworten zeigen zum Beispiel auch, dass die Kosten des Landeserziehungsgeldes seit dem Jahr 2002 kontinuierlich zurückgegangen sind. Das liegt zum einen natürlich an der Kürzung des Leistungsumfangs, aber auch daran, dass immer weniger Familien das Landeserziehungsgeld nutzen. Das können Sie auf Seite 25 nachlesen.
Drittens. Sie sollten auch die Beratungsangebote entsprechend dem Bedarf ausbauen. Die Familienberatungsstellen berichten, dass die Probleme, die Hilfe suchende Familien beschreiben, heute immer komplexer werden. Die Altersgruppen und die Zielgruppen haben sich verändert. Auch die Wartezeiten für ein Erstgespräch sind wesentlich länger als früher. Auch das muss ernst genommen werden
Viertens sollten Sie dafür sorgen, dass unterstützende Angebote Familien mit geringem Einkommen auch wirklich erreichen. Beispiel Familienerholung, Frau Lauterbach hat es schon angerissen. Die Erhöhung der Mittel im aktuellen Haushaltsplan ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Unter Schwarz-Gelb wurde dieses Angebot fast komplett weggespart.
Auf der Grundlage der überarbeiteten Förderrichtlinie, die in diesem Jahr in Kraft getreten ist, erhalten Familien mit Hartz-IV-Bezug künftig einen noch geringeren Zuschuss zum Familienurlaub. Der bürokratische Aufwand bleibt gleich hoch. Wir konnten das im Sozialausschuss in einer Anhörung ganz klar analysieren. Meine Damen und Herren, es besteht Handlungsbedarf!
Aus der Sicht unserer Fraktion gibt es noch weitere Aufgaben, die über den Entschließungsantrag – Frau Lauterbach, Sie werden ihn nachher sicherlich noch einbringen – hinausgehen.
Die Staatsregierung sollte vor allen Dingen ein Vorbild als familienfreundlicher Arbeitgeber sein. Die ausführlichen Antworten, die zusammengetragen wurden, zeigen: Es hat sich einiges in den Behörden des Freistaates getan. Viele haben Teilzeitarbeitsregelungen, flexible Arbeitszeitregelungen und bieten bei Bedarf auch Telearbeit an. Die Antworten zeigen aber auch, dass es noch sehr große Unterschiede zwischen den einzelnen Ministerien in puncto Familienfreundlichkeit gibt.
Das SMWK, das Wirtschaftsministerium und auch die Staatskanzlei scheinen ein Stück weiter zu sein. Sie bieten zum Beispiel einen Zeitausgleich zur Pflege Familienangehöriger an, ermöglichen Qualifizierungen auch während familiär bedingter Beurlaubungen oder verzichten auf Kernarbeitszeiten.
Viele Ministerien haben ihr Haus auf Familienfreundlichkeit prüfen lassen. Teilweise ist das aber auch schon Jahre her, Frau Klepsch. Die letzte Re-Auditierung „Familie und Beruf“ im Sozialministerium fand im Jahr 2008 statt. Also, vielleicht noch einmal nachdenken, ob es Nachholbedarf gibt.
Nachholbedarf gibt es auch an den Hochschulen – Frau Lauterbach hat es für die Unternehmen ausgeführt –, aber auch kaum eine Hochschule in Sachsen kann ein Qualitätssiegel „Familienfreundlicher Arbeitgeber“ vorweisen. Das ist ein Thema, dem wir uns stellen müssen.
Programme zur Förderung von Frauen in Erwerbsarbeit in Führungspositionen und zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurden bis zum Jahr 2013 über Mittel aus dem ESF finanziert. Ob die neuen Programme ausreichend sind, bleibt kritisch zu hinterfragen. Das müssen wir genau evaluieren.
Auch die Armutsgefährdung von Familien darf nicht aus dem Blick geraten. Besorgniserregend ist, wie kurz Ihre Formel ist, um die Lebenssituation bedürftiger Familien in Sachsen zu verbessern. Dazu heißt es auf Seite 23 nur ganz kurz, dass eine gute Wirtschafts- und Standortpolitik, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze, das Landeserziehungsgeld und ein Zuschuss zur Familienerholung für Familien mit geringem Einkommen die Grundlage ist.
Ich sage einmal ganz deutlich: All die benannten Aufgaben, um die es geht, zeigen, von wie vielen Faktoren eine zukunftsweisende Familienpolitik eigentlich abhängt. Sachsens Familien brauchen also wesentlich mehr als nur eine wirtschaftlich orientierte Standortpolitik und zwei, drei familienpolitische Maßnahmen, meine Damen und Herren. In diesem Sinne bin ich gespannt auf die Einbringung des Entschließungsantrags, zu dem ich auch noch kurz etwas sagen möchte.
Vielen Dank, Herr Kollege Zschocke. Das war der letzte Redner in unserer ersten Runde. Will jetzt noch jemand sprechen? Frau Lauterbach, Sie wollen keine zweite Runde eröffnen? – Das ist gut.
Entschuldigung! – Auch sonst sehe ich jetzt keinen Redebedarf aus den Fraktionen. Das ist nicht der Fall. Dann könnte jetzt die Staatsregierung zu Wort kommen. Sie ergreift es auch. Frau Staatsministerin Klepsch, das Rednerpult ist das Ihre.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Familie ist ein sicherer Hafen.“ Unter diesem schönen Motto haben wir erst in der vergangenen Woche den 20. Sächsischen Familientag gefeiert, ein bunter und informativer Tag für unsere Familien, ein Fest der Generationen, ein Fest für Jung und Alt.
Ja, Familien sind vielleicht bunter geworden und unkonventioneller. Die Formen unseres Zusammenlebens haben sich gewandelt. Familien sind aber immer noch ein sicherer Hafen und Sachsen ist ein familienfreundliches Land. Das zeigen auch die Zahlen der Großen Anfrage mit 87 Fragen.
Ja, die Zahl der Familien ist zurückgegangen. Diesen demografischen Trend können Sie alle erkennen. Gestiegen ist die Zahl der unverheirateten Eltern und auch die Zahl der Alleinerziehenden. Das zeigt, dass die Familie im Wandel ist. Familie ist nicht nur Mutter, Vater, Kinder. Zur Familie gehören auch Großeltern, Verwandte, Nachbarn und Freunde. Sie bieten ein Netz, das Halt und Unterstützung gibt. Was also ist Familie? Was macht sie aus? In der Familie werden Liebe, Fürsorge und Zuwendung gegeben. Hier werden Geborgenheit, Bindungsfähigkeit und Werteorientierung vermittelt. Hier werden auch Krankheiten oder Hilfsbedürftigkeit gemeistert. Ja, Familie ist eine Verantwortungsgemeinschaft. Familie ist – das wurde heute schon mehrfach deutlich – die Keimzelle unserer Gesellschaft.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Staat, unser Freistaat Sachsen, bietet eine Vielzahl von Leistungen und Maßnahmen, um Familien zu unterstützen. Wir überprüfen sie, wir entwickeln sie weiter. Aber lassen Sie mich an dieser Stelle auch ganz klar sagen: Der Staat kann und der Staat darf sich nicht an die Stelle der Familie setzen. Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates. Aber nicht für jede Familie und nicht für jedes familiäre Problem muss der Staat immer alles regeln. Der Staat schafft die Rahmenbedingungen, damit Menschen füreinander Verantwortung übernehmen können, und zwar unabhängig davon, wie das Familienleben letztlich konkret gestaltet wird. Wichtig ist, dass die Familie finanziell auf eigenen Füßen stehen kann. Das ist in den vergangenen Jahren gelungen. Die Arbeitslosenquote ist historisch niedrig. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften
mit Kindern hat sich seit 2007 halbiert, und auch die Zahl der alleinerziehenden Bedarfsgemeinschaften ist deutlich zurückgegangen. Auch die Betriebe wissen, dass Familienfreundlichkeit wichtig ist, wenn man letztlich gute und motivierte Mitarbeiter haben will.
Wir dürfen aber Familien nicht vorschreiben, wie Sie zu leben haben, und das gilt letztlich auch bei der Betreuung der Kinder. Auch hier ist das Thema Wahlfreiheit für mich wichtig. Wir brauchen ausreichende Betreuungsplätze für die Jüngsten, aber wir unterstützen gerade auch mit unserem Landeserziehungsgeld bewusst diejenigen, die ihr Kind zu Hause länger betreuen wollen. Wo Familien Unterstützung brauchen, haben wir passgenaue und bedarfsgerechte Angebote, etwa wenn Paare ungewollt kinderlos sind. Bereits seit 2009 zahlen wir Zuschüsse zur Kinderwunschbehandlung, und ab dem 1. Juli dieses Jahres tun wir dies auch bei unverheirateten Paaren.
Mit Familienbildung unterstützen wir Familien. Unser Ziel ist es, so zu helfen, dass Familien ihren Weg selbstständig gehen können. Unser dichtes Netz an Beratungsstellen – 500 Fachkräfte beraten Eltern zu Fragen rund um Schwangerschaft, Erziehung, Ehe und Familie, aber auch zu Schulden und Sucht. Unsere Stiftung „Hilfe für Familien, Mütter und Kinder“ unterstützt schwangere Frauen und Familien in schwierigen Situationen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Familie ist im Wandel. Aber für die meisten Jugendlichen in Sachsen steht der Wunsch nach einer eigenen Familie trotzdem ganz oben an. Dass Familienpolitik uns alle angeht, wurde auch durch die Vorredner deutlich. Aber es gehört dazu, dass sich Bund, Land und Kommunen gemeinsam diesem Thema stellen.
Nun treffen sich nächste Woche im Freistaat Sachsen, hier in Dresden, die Jugend- und Familienminister von Bund und Ländern zu einer Konferenz. Ich glaube, auch das ist ein gutes Signal, das vom Freistaat Sachsen ausgeht.
Ich möchte gemeinsam mit Ihnen an dem Thema, an einem familienfreundlichen Klima arbeiten; denn für uns ist Familie das Wichtigste. Familie ist wirklich ein sicherer Hafen.
Wir hörten Frau Staatsministerin Klepsch. Natürlich, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, können auch zu einer Großen Anfrage Entschließungsanträge gestellt werden. Ein solcher liegt uns jetzt von der Fraktion DIE LINKE vor. Er wird gleich von Frau Kollegin Lauterbach eingebracht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Ich bedanke mich für die sachliche Debatte. Es sind viele Anregungen für das Ministerium gekommen. Sie können also mit der Arbeit richtig loslegen.
Ich glaube, da sollten wir sehr vorsichtig sein. Das gibt es in allen Familien, und die Datenlage dazu ist ganz dünn. Da bewegen Sie sich auf sehr dünnem Eis.
Herr Zschocke, ja, es gibt viele andere Themen um die Familie herum. Ich habe versucht, es kurz darzustellen. Man kann nicht alles in eine Große Anfrage pressen. Es wird noch weitere Themen geben, vielleicht auch mit anderen Großen Anfragen.
Ein Unternehmen, das sich Familienfreundlichkeit zertifizieren lassen möchte, ein kleines privates Unternehmen, bezahlt dafür 5 000 Euro. Ich glaube, das ist genau das falsche Signal. Wir sollten vielleicht dem Unternehmen 5 000 Euro geben und es nicht noch schröpfen; denn das machen sie nicht.