Protokoll der Sitzung vom 27.05.2016

wollen. Genau das fordern auch wir nachdrücklich mit unserem Antrag.

Wir wollen, dass der Landtag die Staatsregierung beauftragt, sich auf Bundesebene für eine umfassende Krankenhausstruktur- und Krankenhausfinanzierungsreform einzusetzen. Personalkosten, inklusive Tarif- und Lohnsteigerungen, und laufende Betriebskosten müssen vollständig gedeckt sein. Ihre Antwort: Mit dem neuen Krankenhausstrukturgesetz werde eine Tarifausgleichsrate eingeführt, die den Ausgleich steigender Lohnkosten allein den Krankenkassen aufbürdet. Die Krankenkassen und am Ende der Beitragszahler sollen also tiefer in die Tasche greifen, während sich Bund und Länder komplett aus der Finanzierung der Lohnerhöhungen zurückziehen.

(Horst Wehner, DIE LINKE: Hört, hört!)

Es ist an der Zeit für eine solide und verlässliche Krankenhauspolitik, die sich am Gemeinwohl orientiert und den ökonomischen Druck nimmt. Die Krankenhausversorgung muss den Patienten bestmöglich dienen und den Beschäftigten anständig bezahlte und nicht krank machende Arbeitsplätze ermöglichen.

Der Zweck eines Krankenhauses ist nicht die Gewinnmaximierung, sondern die medizinische Versorgung der Bevölkerung.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Krankenhäuser sind Teil des Sozialstaates.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Finanzierung der Krankenhäuser durch Krankenkassen für die Kosten des laufenden Betriebs und des Landes sollte für die Investitionen an diesem Grundsatz ausgerichtet werden, wie die Krankenhausplanung selbst auch.

Unverständlich sind die Millionengewinne privater Krankenhausgroßkonzerne, die der gesundheitlichen Versorgung entzogen und letztendlich privaten Dritten zugeführt werden.

Die medizinische Versorgung gehört zur Daseinsvorsorge. Renditen von Krankenhäusern, sofern es diese überhaupt gibt, sollten im Krankenhausbetrieb bleiben – für das Personal und nicht nur für Investitionen. In diese Lage sollten die Häuser durch ausreichende Finanzierung der benötigten Investitionen gesetzt werden.

Interessant ist auch der nächste Punkt. Wir forderten im Antrag, dass Sie auf Bundesebene für eine Anschubfinanzierung arbeiten sollen, um den Investitionsstau zu beheben. Da erklären Sie uns, was wir eh schon alle wissen, dass seit 1990 über 5 Milliarden Euro – genau

genommen 5,288 Milliarden Euro – an Investitionsmitteln in die sächsischen Krankenhäuser geflossen sind. Das ist ja auch richtig. Man muss sich aber die Gesamtentwicklung anschauen. 2014 wurden über eine Million Patienten behandelt. Der Personalbestand nimmt logischerweise zu – anders als die Bettenzahl. Gleichzeitig fließen immer weniger Landesmittel in die Krankenhäuser. Die Beiträge der Krankenkassen liegen seit 2005 relativ konstant bei 45 bis 46 Millionen Euro, doch die Landesmittel sind seit 1995 immer weiter reduziert worden. Da muss man sich doch fragen: Wohin soll denn die Reise gehen?

Der letzte Haushalt stellt zwar bei dieser Entwicklung eine Ausnahme dar – immerhin wurden für 2015 131 Millionen Euro und für 2016 121 Millionen Euro eingestellt –, aber das reicht doch nicht. Laut Sächsischer Krankenhausgesellschaft besteht ein jährlicher Investitionsbedarf von rund 240 Millionen Euro. Dr. Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, unterstrich das, als er am 24. bei der Eröffnung des 119. Ärztetages an die Verantwortlichen aus Bund und Ländern appellierte, endlich ausreichende Investitionsmittel für die Krankenhäuser zu beschaffen und für diese zu sorgen.

Laut Ihrer Stellungnahme gibt es aber keinen Investitionsstau in Sachsen. Dann frage ich mich: Warum wurden 45 Maßnahmen mit einem Volumen von rund

350 Millionen Euro in Sachsen angemeldet? Machen die Krankenhäuser das aus Spaß oder weil es sie langweilt? Das müssen Sie mir, aber auch den Krankenhäusern dann doch einmal erklären.

Das System, nach diagnosebezogenen Fallgruppen abzurechnen, hat seine Tauglichkeit weder in der Theorie noch in der Praxis beweisen können. Auch wir befürworten mehr Pauschalförderung, aber ohne die Einzelförderung anzugreifen. Die Finanzierung darf letztendlich nicht allein bei den Kassen hängen bleiben, da muss von Bund und Land mehr kommen.

Weiterhin fordern wir, dass die Staatsregierung verhindert, dass weitere Krankenhäuser geschlossen werden. Ihre Einstellung dazu kennen wir seit dem Artikel am Montag: Wir machen dann mal die Krankenhäuser zu und wandeln sie praktisch in Gesundheitszentren um. In Frankenberg scheint das ja auch gut zu klappen. Schade nur, dass der 4 Millionen Euro teure OP-Trakt – durch Steuermittel finanziert – nicht mehr benötigt wird.

Ich sagte es bereits, Sie dürfen nicht unterschätzen bzw. außer Acht lassen, dass Krankenhäuser nicht nur für die stationäre oder ambulante Versorgung, sondern vor allem auch für die Notfallversorgung rettungsärztlicher Einsätze notwendig sind. Dabei wissen wir heute schon, dass die Lage im ländlichen Raum ganz finster ist. Da können Hilfefristen nicht eingehalten werden, weil die Wege zu lang sind oder die Schranke zwischen Großenhain und Meißen mal wieder länger zu ist. Leidtragende sind die Patienten oder die Hinterbliebenen, weil der Patient es selbst nicht mehr erlebt. Dass man diese Entwicklung nicht aufhalten will, können wir beim besten Willen nicht nachvollziehen.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir fordern Sie außerdem auf, dafür zu sorgen, dass die Mittel des Pflegestellenförderprogramms auch tatsächlich zur Finanzierung von Pflegepersonal eingesetzt werden. Sie sprechen davon, dass die Zahl der Pflegekräfte in den kommenden Jahren stabilisiert werden soll. Heißt das, dass die Zahl trotz steigender Patientenzahlen auf gleichem Niveau bleibt? Glauben Sie wirklich, dass die 315 neuen Stellen, die durch das Pflegestellenförderprogramm entstehen, die Betreuungs- und Arbeitssituation der Schwestern und Pfleger in Sachsens Krankenhäusern verbessern könnten? Das sind nicht einmal 2 % des gesamten Pflegepersonals im Freistaat. Davon wird man auf den Stationen wenig bis gar nichts merken. Verteilt auf 79 Häuser, sind das rund vier neue Arbeitskräfte pro Haus. Rechnen Sie das bitte einmal auf die Stationen herunter, dann wissen Sie auch Bescheid.

Außerdem wollen wir, dass sich die Staatsregierung für eine bundeseinheitliche und für alle Krankenhäuser rechtlich verbindliche Personalbemessung starkmacht. Da heißt es immer wieder, dass wir das nicht brauchen, weil das alles über die Selbstverwaltung funktioniere. Dann finanzieren und stärken Sie aber bitte auch diese Selbstverwaltung dahin gehend, dass sie diese Aufgabe richtig erfüllen kann.

(Beifall bei den LINKEN)

Was nützt es denn, wenn ein Krankenhaus zwar feststellt, dass es neues Personal braucht, aber die Mittel fehlen, um es einzustellen? Das ist doch unterm Strich nichts Halbes und nichts Ganzes. Auch soll die Staatsregierung dafür sorgen, dass die staatliche Krankenhausplanung zuerst am Ziel ausgerichtet wird, die Bevölkerung zu versorgen, und nicht die Renditemaximierung als wichtigstes Kriterium gilt.

(Sebastian Fischer, CDU: Populismus!)

Damit befinden wir uns auf einer Linie mit

Dr. Montgomery, der das am 24.05. genau so zum Ausdruck brachte: Erst kommt der Patient und erst danach kommen die ökonomischen Fragen. Gesundheit ist keine Ware!

(Beifall bei den LINKEN)

Diese Einsicht müssen Sie endlich bekommen. Das Krankenhaus kann bei gewissenhafter Führung nie ein gewinnbringendes Unternehmen sein, denn dann muss es Substanzerhalt, Betriebssicherheit, Innovation und auskömmliche Personalbemessung mit fairer, angemessener Bezahlung ernst nehmen.

Wir wollen, dass sektorenübergreifend geplant wird, Planungsprozesse transparenter gestaltet werden und die Versorgungsqualität der Krankenhäuser mit besseren Betreuungsverhältnissen durch Pflegekräfte erhöht wird. Was heißt das? „Sektorenübergreifend“ bedeutet für uns, dass alle Akteure an einen Tisch geholt werden und dass Behandlungen auf Augenhöhe stattfinden. Transparenz bedeutet, dass Krankenhäuser, Patienten, KV und Kosten

träger, aber auch die Parlamentarier über den Stand von Verhandlungen und Planungen informiert werden können. Außerdem müssen vorhandene Strukturen bei der Planung stärker berücksichtigt und dürfen nicht vernachlässigt werden, wie es beispielsweise in Mittweida der Fall ist.

Das Krankenhausstrukturgesetz ist beschlossen. Auch wenn es bislang noch niemand so offiziell ausgesprochen hat, wird es langfristig zu Schließungen führen. Das Gesetz erzeugt eine künstliche Wettbewerbssituation zwischen den Krankenhäusern. Das wird die teilweise prekäre Situation der Krankenhäuser nur noch verschärfen.

Fazit: Unser Antrag zielt darauf ab, dass die wohnortnahe, qualitativ hochwertige medizinische Versorgung für alle Bevölkerungsgruppen gesichert wird. Wenn Sie dem nicht zustimmen können, ist Ihr Koalitionsvertrag das Papier nicht wert, auf das er gedruckt ist.

Noch ein Hinweis: Die Mittel aus dem Strukturfonds für die Krankenhausstruktur müssen bis zum 31. Juli 2017 beantragt werden. Da kommt Ihr geheimes Gutachten zum Krankenhausplan, das 2018 fertig sein soll, zum richtigen Zeitpunkt. Herzlichen Glückwunsch!

Da wir bei den Polikliniken heute schon über Ausflüge in die Vergangenheit sprachen, darf ich Ihnen abschließend ein Wort von Michael Gorbatschow ans Herz legen: „Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren.“

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Wehner, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kollegen! Frau Schaper, jetzt muss ich überlegen, wie ich es Ihnen am besten und schonendsten übermitteln kann: Wir werden Ihren Antrag ablehnen.

(Horst Wehner, DIE LINKE: Welche Überraschung!)

Zu Gorbatschow fällt mir auch noch etwas ein; aber da muss ich erst einmal überlegen.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: „Wer zu spät kommt“?)

Ich will die einzelnen Punkte auch auseinandernehmen,.

(Zuruf von den LINKEN: Sie nehmen das auseinander?)

Ja, ich nehme das auseinander.

Sie hatten einen ganz ähnlichen Antrag auf Bundesebene eingebracht. Ich habe mir beide genau angeschaut; das ist fast wortgleich. Es scheint bei den LINKEN wohl kein Problem zu sein, dass kopiert wird. Andere Fraktionen sind schon häufig kritisiert worden, wenn Anträge abgeschrieben wurden.

(Zurufe von den LINKEN: Das ist unser eigener!)

Das ist Ihr eigener? Dann will ich auf die Bundestagsfraktion der LINKEN abstellen.

Damit bin ich bei Ihrem ehemaligen Chef, Gregor Gysi. Er hat diese Woche gesagt, DIE LINKE sei „saft- und kraftlos“. Das wäre vielleicht ein Zitat, mit dem man Gorbatschow ergänzen könnte. Saft- und kraftlos ist auch dieser Antrag – jetzt wird es inhaltlich –, weil das neue Krankenhausstrukturgesetz bereits seit dem 1. Januar 2016 in Kraft ist. Viele Forderungen, die Sie hier aufstellen, sind dort bereits berücksichtigt worden.

Vieles von dem, was Sie hier angesprochen haben, ist durchaus nachvollziehbar, zum Beispiel, dass Krankenhäuser dem Gemeinwohl dienen. Das sind Aussagen, über die wir uns schnell einig werden. Trotzdem zielt der Antrag in die falsche Richtung. Er klingt besser, als er ist. Er schürt zum Beispiel Verunsicherung in der Bevölkerung. Dem müssen wir klar die Feststellung entgegensetzen: Wir in Sachsen haben keine schlechte, sondern eine besonders gute medizinische Versorgung. Frau Schaper, das müssten gerade Sie aus eigenem Erleben wissen; denn Sie engagieren sich auch im Ausland im medizinischen Bereich. Wenn Sie die dortige Situation mit der unsrigen vergleichen, dann werden auch Sie schlussfolgern, dass es hier doch ganz gut aussieht. Die Koalition – ich denke, auch die Staatsregierung; von ihr werden wir es noch hören – ist sich der Herausforderungen im Zusammenhang mit der zukünftigen Versorgung bewusst und wird sich weiterhin damit auseinandersetzen.

Ende 2014 hat eine gemeinsame Bund-Länder-Arbeitsgruppe Eckpunkte für eine Krankenhausreform vorgelegt. Diese Eckpunkte sind in das Krankenhausstrukturgesetz aufgenommen worden und entfalten – ich habe es bereits angedeutet – seit dem 1. Januar dieses Jahres Wirkung. Die Umsetzung der Schwerpunkte des Gesetzes sollte abgewartet werden, bevor neue Forderungen erhoben werden.