Protokoll der Sitzung vom 22.06.2016

Ein Strukturwandel, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann nicht von oben herab verordnet werden. Es sind die Menschen in den betroffenen Regionen, die vor allem einbezogen werden müssen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU – Marco Böhme, DIE LINKE: Und unterstützt werden müssen!)

Hinzu kommt, dass die geplante Ausstattung des Fonds mit 10 Millionen Euro natürlich bei Weitem – das wurde schon gesagt – nicht ausreichen wird, um eine gesamte Region fit für die Zukunft zu machen.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Dann fangen Sie wenigstens einmal an! Mein Gott!)

Dies wurde ja auch bei der Sachverständigenanhörung im September letzten Jahres deutlich.

Drittens, und das ist auch ein sehr wichtiger Punkt für uns: Wir dürfen den Bund nicht aus seiner Verantwortung entlassen und vor allem keine sächsischen Alleingänge fabrizieren. Sowohl in der Lausitz als auch im mitteldeutschen Revier betrifft die Braunkohlewirtschaft eben nicht nur sächsisches Territorium. Wenn wir also über Strukturwandel reden und ihn aktiv gestalten wollen, dann können wir das nicht ohne die benachbarten Bundesländer Sachsen-Anhalt und Brandenburg tun.

(Zurufe von den LINKEN)

So, wie wir mit den anderen Bundesländern zusammenarbeiten müssen, muss der Bund die Rahmenbedingungen genau vorgeben und die zentrale Steuerung vornehmen.

(Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Außerdem wird ein solcher gewaltiger Strukturwandel nicht nur von Sachsen bzw. den Ländern allein finanziell zu stemmen sein. Auch hier ist der Bund in der Verantwortung. Würden wir jetzt also einseitig beschließen, dass Sachsen den Strukturwandel eigenständig stemmen soll,

was mit 10 Millionen Euro pro Jahr mehr als fraglich ist, dann würden wir den Bund aus seiner Verantwortung, auch aus seiner finanziellen Verantwortung entlassen. Das kann ja wohl niemand ernsthaft wollen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte hier kürzlich davon gesprochen, dass ausnahmslos jedes Braunkohleausstiegsszenario ein Einstiegsszenario in alternative lndustrie- und Wirtschaftskreisläufe bedingt. Es reicht eben nicht, immer nur über den Ausstieg aus der Braunkohle zu reden, sondern wir müssen den Menschen, die heute noch mit und von der Braunkohle leben, Alternativen anbieten. Symbolpolitik – und nichts anderes ist Ihr Gesetzentwurf – reicht dafür nicht aus.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Einstieg in alternative Industrie- und Wirtschaftskreisläufe heißt aber auch, dass der Bund gefordert ist, einen Fahrplan zu entwickeln, wie es mit der Energiewende weitergehen soll.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Wir haben den Fahrplan, abzubauen!)

Es ist der Bund, der festlegen muss, wie lange die Braunkohle als Stromlieferant noch gebraucht werden soll. Der Bund muss sich auch dazu bekennen, dass Investitionen erfolgen müssen, zum Beispiel in Verkehrsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung, in zielgerichtete Wirtschaftsförderung, in Sonderhilfen zur Ansiedlung und in Regionalbudgets für Kreise und Kommunen.

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Dass die Klärung der politischen Rahmenbedingungen eine Aufgabe des Bundes ist, hat die Umweltministerkonferenz erst letzte Woche deutlich gemacht. In ihrem Beschluss bitten die Umweltministerinnen und Umweltminister der Länder den Bund, „auf der Basis der verschiedenen Vorschläge für einen geordneten Kohleausstieg im Austausch und in Abstimmung mit den Ländern einen Weg zum Ausstieg aus der Kohlenutzung zu entwerfen, der die Fragen Strukturwandel, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit einbezieht“.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Wenn wir also wirklich einen geordneten Rückzug aus der Braunkohleverstromung wollen,

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Ja, wollen wir!)

dann müssen wir uns zuallererst eingestehen, dass dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist,

(Unruhe im Saal)

die weit über Sachsen hinausreicht und die ein angemessenes Zeitfenster – mindestens bis 2050 – erfordert. Wir wollen und wir werden diesen Weg gehen. Dafür sind meine Fraktion, meine Partei, aber auch ich ganz persönlich mit vielen Akteuren im Gespräch, um gemeinsam seriöse und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Dass das nicht von heute auf morgen passiert, ist klar. Genauso klar ist auch, dass wir diesen Wandel nicht mit Ihrem Gesetz

beschleunigen oder besser machen können. Aus diesem Grund wird meine Fraktion Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

Vielen Dank und Glück auf!

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung – Dr. Jana Pinka, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Es folgt eine Kurzintervention. Frau Dr. Pinka.

Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte tatsächlich eine Kurzintervention abgeben. Ich möchte hier zum wiederholten Male wiederholen: Auch DIE LINKE möchte nicht vor 2040 aus der Braunkohleverstromung aussteigen. – Nummer eins.

Zum Zweiten möchte ich festhalten, dass es bestimmte Länderhoheiten gibt, die da heißen: Energiestrategie, Rohstoffstrategie, Bildungsstrategie. Das liegt also alles in unserer Hand. Wir selbst sind verantwortlich für die Genehmigungsverfahren in der Braunkohleplanung. Wir selbst – oder Sie – haben entschieden, dass die Braunkohlenutzung über das Jahr 2040 hinausgehen soll, nämlich zum Beispiel mit dem Genehmigungsverfahren zur Tagebauerweiterung Nochten II. Das ist eigentlich Ihre Verantwortung. Wenn äußere Rahmenbedingungen, die Sie nicht gesehen haben – – Da können Sie gern einmal mit Ihren Genossen auf der Bundesebene diskutieren, mit Herrn Gabriel, Frau Hendricks. Wenn sie jetzt andere Rahmenbedingungen setzen, müssen Sie sich mit denen auseinandersetzen.

Wir sind hier Gesetzgeber, und wir haben hier die Möglichkeiten, Ihrer verfehlten Politik gegenzusteuern. Und das wollen wir! Wir wollen, dass Sie sich einem Strukturwandelfonds annähern – und das werden Sie auch tun. Wenn Sie das heute ablehnen, werden Sie spätestens in zehn Jahren selbst steuern müssen. Ich glaube nicht, dass uns der Bund hundertprozentig unterstützen wird. Wir haben diesen Weg selbst verantwortet, also müssen wir diesen Weg mit einem Wandelprozess auch selbst beschreiten. Ich bin davon überzeugt, dass Sie noch in diese Verantwortung kommen werden.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die AfDFraktion Herr Abg. Urban, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Gesetzesinitiative zur Bewältigung des Strukturwandels in den von Braunkohleabbau und -verstromung geprägten Regionen beweist einmal mehr, wie stark links-grüne Ideologie an der Realität vorbeigehen kann. Bei diesem Gesetzentwurf fiel es selbst den Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung schwer, irgendetwas Positives zu finden.

(Marco Böhme, DIE LINKE: In welcher Anhörung waren Sie denn?!)

Sicherlich freuen sich Kommunen, wenn man sie finanziell unterstützt. Das funktioniert immer. Aber 10 Millionen Euro für einen Strukturwandel, der ausschließlich politisch herbeigeredet wird und der europa- oder sogar weltweit in dieser Form vergeblich seinesgleichen sucht? Das ist dann wohl doch eher Spielgeld und keine wirkliche Unterstützung.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Da müssen Sie sich mal in den Forschungsprojekten umschauen!)

Ich möchte an dieser Stelle für die AfD noch einmal ganz klar festhalten: Tatsächlich brauchen wir diesen Strukturwandel nicht.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Doch!)

Dieser Strukturwandel ist ausschließlich ein selbst gemachtes Problem der grün-ideologischen CDU-Politik der letzten Jahre. Kein Land der Welt setzt auf einen gleichzeitigen Atom- und Kohleausstieg.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Im Erzgebirge haben sie dann geklöppelt! – Unruhe)

Deutschland hat mit der Modernisierung seiner Industrie sehr viel zur Luftreinhaltung, zu Ressourceneffizienz und auch zum Naturschutz beigetragen. Auch ein sogenannter menschengemachter Klimawandel, dem die AfD nach wie vor äußerst skeptisch gegenübersteht, ließe sich mit einem deutschen Kohleausstieg nicht im Geringsten aufhalten. Das haben wir hier auch schon oft diskutiert. Dessen ungeachtet treibt die Bundesregierung in unserem Land seit geraumer Zeit Fehlentwicklungen voran, die die Wirtschaftlichkeit unserer Industrie und unserer Gewerbebetriebe massiv beeinträchtigen.

Die Braunkohle ist insbesondere für die Lausitz ein essenzieller wichtiger Anker. Auch wenn das für Sie, meine Damen und Herren von der LINKEN- und GRÜNENFraktion, nicht wahrzuhaben ist: Die Braunkohleindustrie sichert in der Lausitz in großem Maße Industriearbeitsplätze, Ausbildungsplätze und Steuereinnahmen, und sie ist gleichzeitig der Hauptgrund für weitere Industrie- und Gewerbeansiedlungen. Getrieben von der grün-ideologischen CDU-Politik, sehen sich die Unternehmen in der Lausitz allerdings schon seit Längerem genötigt, sich neu zu orientieren.

(Unruhe)

Dafür braucht es aber diesen Antrag nicht. Die Unternehmen besitzen leider in dieser ideologisch geprägten Wirtschaftspolitik keine Planungssicherheit mehr.

(Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Unter anderem deshalb musste die Bildung der sogenannten Innovationsregion Lausitz erfolgen, unter anderem mit Beteiligung der IHK Cottbus, der Handwerkskammer Cottbus, der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg, der BTU und der Wirtschaftlichen Initiative Lausitz.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Wo ist denn Sachsen gewesen?)

Diese Gesellschaft arbeitet natürlich auch über die Landesgrenzen hinweg. Derartige, bereits vorhandene Strukturen können auch durch das Land Sachsen unterstützt werden. Dafür braucht es aber keinen extra Spielgeldfonds. Dafür steht bereits die Förderrichtlinie „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur GRW“ oder auch der Zukunftssicherungsfonds zur Verfügung. Die finanzielle Ausstattung dieser Förderinstrumente muss selbstverständlich immer wieder an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Zusätzliche neue Parallelstrukturen, wie Sie es wollen, sollten unbedingt vermieden werden. Sie helfen niemandem. Es braucht auch keine weiteren zusätzlichen Forschungsvorhaben.

(Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Auch wenn es die Damen und Herren von der Linksfraktion noch nicht gemerkt haben: Der Strukturwandel in der Lausitz ist bereits im Gange, leider auch getrieben durch Ihre Braunkohleausstiegsforderungen.