Protokoll der Sitzung vom 22.06.2016

Mit einer aktiven Beteiligung Sachsens würden wir relativ schnell vor Ort in den Regionen neue Potenziale sichtbar machen können. Ich bin mir sicher, damit würde nicht nur Braunkohle, sondern vielmehr Kohle für alle herauskommen.

Wie wir dann die mit den Mitteln des Strukturwandelfonds herausgearbeiteten Potenziale heben und entwickeln, ist der zweite Schritt. Lassen Sie uns heute den ersten Schritt machen und stimmen Sie unserem Gesetzesvorschlag zu.

Zeigen Sie im Nachgang zur letzten Aktuellen Debatte im Plenum, dass Sie sich der Herausforderung und der Herkulesaufgabe des Strukturwandels in der Lausitz tatsächlich stellen, diesen aktiv begleiten und finanziell ausreichend unterstützen wollen. Damit tragen Sie auch – damit kehre ich wieder zum Beginn meiner Rede zurück – zur dringend notwendigen Befriedung der betroffenen Menschen und zum Abbau von Zukunfts- und Existenzängsten in der sächsischen Braunkohleregion bei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition! Da es in diesem Hohen Haus schlechter parlamentarischer Brauch ist, jegliche gesetzlichen Initiativen und Anträge der Opposition allein Kraft Ihrer Mehrheit generell abzulehnen, und – ich wage einmal einen Blick in die nahe Zukunft – sicherlich auch alle Teile des vorliegenden Gesetzentwurfes der Opposition dieses Schicksal erleiden werden, beantrage ich für meine Fraktion schon jetzt die Schlussabstimmung nach § 47 der Geschäftsordnung und zudem nach § 105 der Geschäftsordnung die namentliche Abstimmung in der Schlussabstimmung.

(Beifall bei den LINKEN – Jens Michel, CDU: Wenn sie gut sind, stimmen wir auch zu! – Klaus Bartl, DIE LINKE: Einmal! – Jens Michel, CDU: Gut müssen sie sein!)

Für die CDUFraktion bitte Herr von Breitenbuch.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit hundert Jahren lebt die Lausitz in großen Teilen von und mit der Braunkohle. So wie die Errichtung und der Ausbau dieser Industrieregion ein großer struktureller Eingriff waren und sind, wird auch ein möglicher Ausstieg mit großen Veränderungen verbunden sein.

Wann der Ausstieg überhaupt konkret vor uns steht, kann niemand sagen, dass die Braunkohleenergie aber in

großen Veränderungen lebt, zeigt uns nicht zuletzt der Verkauf von Vattenfall an ein tschechisches Bergbauunternehmen.

Daher ist es grundsätzlich zu begrüßen, sich über diese Veränderungen Gedanken zu machen. So hat die Fraktion DIE LINKE einen Gesetzentwurf erarbeitet, der bestimmte Vorschläge für einen Strukturfonds macht, über die wir heute diskutieren wollen.

Nach diesem Vorschlag soll ein Sondervermögen geschaffen werden, ein Braunkohle-Strukturwandelfonds, welcher jährlich mit Mitteln von 10 Millionen Euro aus dem Gesamthaushalt gespeist wird. Damit sollen unter anderem Forschungsvorhaben finanziert werden, die Perspektiven für die Entwicklung und mögliche Handlungsempfehlungen enthalten. Grundannahme ist ein Ausstieg bis zum Jahr 2040.

Für die CDU-Fraktion ist die Grundannahme eines Braunkohleausstiegs bis zum Jahr 2040 falsch. Wir sehen die Grundlast der Braunkohle auf absehbare Zeit als unverzichtbar an. Wir können zur Bestätigung nur als Sachverständigen den ehemaligen Oberberghauptmann Prof. Reinhard Schmidt aus der Anhörung zum Gesetzentwurf zitieren. Ich zitiere: „Die Vollversorgung des Strommarktes mit erneuerbaren Energiequellen liegt aus heutiger Sicht noch in weiter Zukunft.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unseren Augen darf die Politik nicht die Nerven verlieren. Wie so oft im Leben ist es eine große Gefahr, dadurch falsche Entscheidungen zu treffen. Genau dieses macht DIE LINKE mit ihrem Gesetzentwurf: Sie verliert die Nerven. Was eine Generationenaufgabe ist und bleibt, muss auch so betrachtet werden.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Nächste Generation!)

Was noch lange nicht konkret zum Handeln zwingen kann, muss jetzt nicht erforscht werden. Für uns kann ein Auslaufen des Bergbaus nur unter sicheren bundesdeutschen Rahmenbedingungen begonnen werden, indem die Bergbaupläne überarbeitet und angepasst werden müssten. Wenn das Bergbaufeld nicht mehr ausgekohlt wird, muss die Trassenführung und die Nachsorge der Hänge ganz anders durchgeführt werden. Das ist mit enormen Kosten verbunden. Diese müssen bisher von den Bergbauunternehmen getragen werden, aus dem aktiven und genehmigten heutigen Bergbau heraus.

Um einer Verwechslung, wie sie oft erfolgt, vorzubeugen: Es geht um den aktiven Bergbau nach 1990, nicht um die von der LMBV mit großen Schwierigkeiten abzuarbeitenden DDR-Altlasten. Der heutige Tagebau sorgt für sich selbst und ist für seine Nachsorge verantwortlich. Daher sollte die Politik jetzt möglichst kein Zeichen setzen, das zu dem Schluss führen könnte, dass die Verantwortung der Bergbauunternehmen infrage zu stellen wäre. Dafür fehlen aus unserer Sicht in Ihrem Ansatz genau diese Unternehmen, mit denen man das besprechen müsste.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Das können wir morgen besprechen!)

Schon aus diesem Grund ist der Gesetzentwurf abzulehnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen ist auch Ihr Vorwurf, Frau Dr. Pinka, falsch, wir würden die Mittel nach § 4 des Verwaltungsabkommens zur Braunkohlesanierung damit vermengen. Diese Mittel sind für die Sanierung des DDR-Bergbaus gedacht und werden auch gebraucht. Wir sehen, was mit diesen Mitteln in den betroffenen Regionen derzeit passiert. Das wissen wir ganz genau.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Dr. Pinka, bitte.

Da ich ja ahnte, dass Sie auf die Mittel nach § 4 zu sprechen kommen würden, habe ich mir den Tätigkeitsbericht zu den Maßnahmen nach § 4 des Verwaltungsabkommens noch einmal angeschaut – ich nehme an, Sie auch. Deshalb frage ich Sie: Wissen Sie, was mit diesen §-4-Mitteln finanziert wird und was wir mit unserem Strukturwandelfördergesetz wollen?

Wir sehen gerade im Leipziger Süden, wo ich unterwegs bin und wo ich lebe, genau, was mit diesen Mitteln passiert und was dort noch angeschoben wird. Das alles betrifft aber die alten Zeiten. Hier geht es um die neuen Zeiten. Sie gehen von 10 Millionen Euro aus, und ich werde gleich darauf kommen, dass das eben zu wenig ist.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Ihr könnt ja draufpacken! – Weitere Zurufe von den LINKEN)

So, ich fahre jetzt fort.

Ja, bitte.

Dagegen führt eine Veränderung der Braunkohleplanung zu einer Veränderung der aktiven, heutigen Bergbautätigkeit. Insofern ist hier der Hebel anzusetzen und mit allen Betroffen zu einer Lösung zu kommen.

Das kann aber nicht losgelöst von der Bundespolitik erfolgen, wie Sie es uns vorschlagen. Gerade in der Bundespolitik werden die Rahmenbedingungen aus sächsischer Sicht teilweise unverantwortlich infrage gestellt – mit großer Unsicherheit für die betroffenen Bergbauregionen. Die CDU fordert schon immer und unverrückt eine Planungssicherheit, auf deren Basis dann gearbeitet werden kann.

Die Auswirkungen auf die Zukunft von Menschen in der Lausitz und im Leipziger Süden, besonders im Hinblick

auf ihr Eigentum, sind angemessen zu beachten. Auch deshalb kann ein kleines sächsisches Forschungsvorhaben nur völlig unzureichend die wirklichen Dimensionen der Thematik einbinden.

Auch haben die meisten Sachverständigen den Gesetzentwurf als nicht zielführend abgelehnt. Für die Kommunen war er unplausibel, insbesondere aufgrund der genannten 10 Millionen Euro. Der Planungsverband Westsachsen befürchtet ein falsches Signal des Staates an die Braunkohleunternehmen. Diese könnten sich ihrer Pflichten enthoben fühlen – weil die Politik die Nerven verliert. Die Gewerkschaft IG BCE, aber auch das FraunhoferInstitut sahen in der Anhörung Ihren Gesetzentwurf kritisch, ebenso die Vertreterin des Rates für Sorbische Angelegenheiten. Für uns ist diese Fülle an Ablehnung durch die Sachverständigen ergänzend zu den eigenen Darstellungen Grund genug, den Gesetzentwurf abzulehnen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Für die SPDFraktion spricht jetzt Herr Abg. Baum. Bitte, Herr Baum.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nicht aus jeder kleinen Raupe wird ein schöner Schmetterling, und nicht jeder Gesetzentwurf wird auch zu einem guten Gesetz. Wenn ich mir den Entwurf der LINKEN ansehe, muss ich sagen: Das ist auch gut so.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Liest man ausschließlich den Titel des Gesetzentwurfs, so denkt man zwangsläufig: Wow, das ist der große Wurf – ein „Gesetz zur Bewältigung des Strukturwandels“, das klingt sehr ambitioniert! Blickt man dann allerdings auf den Inhalt des Gesetzentwurfs, so sieht man, dass hier deutlich kürzer gesprungen wurde, als im Titel angekündigt. In der Tat möchte DIE LINKE einzig einen Braunkohlestrukturwandelförderfonds einrichten und ihn mit 10 Millionen Euro Landesmitteln pro Jahr ausstatten. Glauben Sie denn wirklich, liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, dass wir damit, allein mithilfe Ihres Gesetzes, den Strukturwandel in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier hinbekommen?

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Natürlich nicht! – Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE – Unruhe)

Sorry, aber das hat wirklich nichts mit Ernsthaftigkeit zu tun.

Lassen Sie mich drei Aspekte nennen. Erstens – und damit wiederhole ich mich in diesem Hause immer wieder gern – findet der Strukturwandel bereits statt. In der Lausitz erleben wir diesen seit 25 Jahren. Wir stecken also schon mittendrin. Bitte vergessen Sie nicht, dass noch 1990 in der Braunkohlewirtschaft Ostdeutschlands mehr als 140 000 Menschen beschäftigt waren. Heute sind es

demgegenüber nur noch 11 000. Das ist schon ein gewaltiger Strukturwandel, der seitdem gelaufen ist

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

und der natürlich auch weiterhin läuft. Das alles geht aber nicht so einfach von heute auf morgen.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Nein!)

Strukturwandel, liebe Kolleginnen und Kollegen, braucht Zeit.

Zweitens muss klar gesagt werden, dass Strukturwandel nicht per Gesetz verordnet werden kann,

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

erst recht nicht mit einem Gesetz, das nur einen Förderfonds einrichten will, mit dem dann Forschungsarbeiten oder Ähnliches finanziert werden können.

(Unruhe bei den LINKEN)

Ein Strukturwandel, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann nicht von oben herab verordnet werden. Es sind die Menschen in den betroffenen Regionen, die vor allem einbezogen werden müssen.