Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

Der extrem kurze Zeitraum von gerade einmal fünf Monaten, in dem die Kommission ihrer Aufgabe der Evaluierung nachzukommen glaubte und sogar einen Abschlussbericht erstellte, veranlasste zu begründeter Skepsis. Die Kommission selber ließ gelegentlich im Abschlussbericht anklingen, dass der kurze Zeitraum nur bestimmte Betrachtungen zulässt. Nur geht leider Gründlichkeit bekanntermaßen vor Schnelligkeit, und so ließen die zur Anhörung über den Abschlussbericht am 12. Mai dieses Jahres geladenen Experten nicht allzu viel gute Haare an der Arbeit der Kommission, sieht man einmal von Frau Prof. Dr. Gisela Färber ab, die der Fachkommission aber auch selbst angehört hat.

Wir haben zum Beispiel in der Anhörung vom Sachverständigen Bonvin gelernt, dass eine Evaluierung der Polizei etwa ein Jahr dauern würde. Die Empfehlung der Fachkommission zum Aufbau von circa 1 000 Stellen kann daher nur ein Mindestansatz sein, auf den wir uns hier sicherlich alle leicht verständigen können.

Wegen der methodischen Mängel der Kommission, die in der Anhörung vor allem von Prof. Dr. Dieter Müller von der Fachhochschule der Sächsischen Polizei aufgezeigt wurden, dürfen wir hier aber nicht stehenbleiben. Für uns ist die Evaluierung des Personalbedarfs bei der sächsischen Polizei mit dem Abschlussbericht der eingesetzten

Fachkommissionen eben nicht abgeschlossen. Wir von der AfD-Fraktion erkennen an, dass DIE LINKE mit ihrem Antrag die Mängel der bisherigen Evaluierung aufgreift. Wir können ihn in dieser Form jedoch nicht unterstützen.

Es wird zum Beispiel nicht richtig klar, was Sie eigentlich konkret wollen. Unter Ziffer I.1 fordern Sie in ziemlich verschrobener und unverständlicher Sprache von der Staatsregierung „organisatorische Vorkehrungen zur

Fortsetzung des begonnenen Evaluierungsprozesses in Gestalt einer Polizeiaufgabenevaluierung“. Was soll das sein? Schauen Sie sich doch einmal an, in welch einfachem Deutsch der Antrag 6/1068 geschrieben wurde und was man da herausgelesen hat. Jetzt überlegen Sie einmal, was die Staatsregierung wohl aus Ihrem Auftrag machen würde. Nachvollziehbar wäre es, wenn Sie explizit die Einsetzung einer neuen Kommission zur wirklichen Umsetzung des Parlamentsauftrages fordern würden. Aber das tun Sie nicht.

Unter III. fordern Sie die Erweiterung des Einstellungskorridors der Polizei auf mindestens 800 Polizeianwärter. Es ist schon sehr erstaunlich, dass Sie einerseits eine ergebnisoffene Fortsetzung der Evaluierung fordern, andererseits aber das Ergebnis schon jetzt so genau kennen, dass Sie hier mit einer so konkreten Zahl in die Bütt steigen. Dabei vergessen Sie allerdings zu klären, in welchem Verhältnis zum Beispiel die Anwärter über die Laufbahngruppen verteilt sein sollten.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Wie viele hatten Sie mal gefordert? Tausend wie viel?)

Wir hatten 718 gefordert. In Ihrem Antrag kann man eine vordergründig gute Absicht erkennen. Aber meinen Sie es von den LINKEN überhaupt ernst? Also, ich habe da, ehrlich gesagt, meine Zweifel. Denn auf der einen Seite geben die LINKEN vor, die Polizei stärken zu wollen, und auf der anderen Seite haben Sie einen linken Abgeordneten bei sich sitzen, der gewalttätige Proteste für seine Ideologie mit Worten quittiert: Alles richtig gemacht.

(Oh-Rufe von den LINKEN)

Und Sie haben eine Abgeordnete, die ein rechtsstaatunfreundliches Verhalten an den Tag legt und öffentlich auf einer von ihr angemeldeten und geleiteten Demonstration „Haut den Bullen die Schädeldecke ein!“ verbreiten lässt.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: So ein Unsinn! – Zurufe von den LINKEN)

Und Sie haben eine antifaschistische Sprecherin,

(Zurufe von den LINKEN)

die hier eine Lobbyarbeit für die Antifa macht. Was wir von der Antifa halten können, wissen wir alle.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Wir können uns gern mal über Ihre Lobbyarbeit unterhalten!)

Das ist im wahrsten Sinne ein starkes Stück. Auch aus diesem Grund werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von den LINKEN: Ein Glück! Gott sei Dank!)

Nach Herrn Kollegen Wippel von der AfD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Lippmann, Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich konstatiere einmal zu Beginn meiner Ausführungen Folgendes: Herr Hartmann, im letzten Tagesordnungspunkt beschließen wir etwas, was die Koalition gern hätte, die Staatsregierung aber schon längst umsetzt. Jetzt fordert DIE LINKE teilweise, ebenfalls etwas zu beschließen, was vielleicht vermeintlich die Staatsregierung umsetzt. Dann ist das plötzlich falsch. Ich konstatiere einmal, die Halbwertszeit von Stringenz dieser Koalition kann man mittlerweile in Minuten messen, wie Sie heute bewiesen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir diskutieren vollkommen zu Recht und erneut heute über die Stellenausstattung bei der Polizei. Ich danke der Fraktion DIE LINKE ausdrücklich, dass dieser Antrag hier vorliegt. Es ist nach der ziemlich ernüchternden Anhörung zu den Ergebnissen der Fachkommission zur Evaluation der sächsischen Polizei im Innenausschuss wichtig, die aus meiner Sicht mehr Fragen als Antworten zurückgelassen hat, nun endlich gegenüber der Bevölkerung und unserer – ja, Herr Minister, unserer – Polizei deutlich zu machen, welche Maßnahmenveranlassung sich lohnen würde, um den Stellenabbau mittelfristig endgültig einmal ad acta zu legen.

Nach der pathetisch frohlockenden Freude der Koalition über die Einsetzung der Personalkommission dachte ich, dass wir mittlerweile Klarheit über den Personalbedarf, die Aufgaben bei der Polizei und vor allem über die Verteilung des Personals bei der Polizei erhalten hätten. Leider ist das nicht der Fall. Ich schließe vielleicht folgende Frage gleich daran an: Wie ist eine gut ausgestattete Polizei in Sachsen zu schaffen? Mittlerweile gleicht dies eher einer griechischen Tragödie in fünf Akten als einer parlamentarisch politischen Meisterleistung.

Erinnern wir uns noch einmal an die Vergangenheit. Kommen wir zu dem ersten Akt: Als eine Wahnvorstellung des schlanken Staates wird der massive Stellenabbau bei der Polizei – bekanntermaßen schon in der letzten schwarz-roten Koalition – eingeleitet und gegen jedwede Vernunft unter der Vorgängerregierung ausgeweitet. Mit dieser Entscheidung haben Sie maßgeblich Strukturen zerstört, die wir nur peu à peu und nicht sofort wieder aufbauen können. Entsprechend sind auch die Vorwürfe in die Richtung des Antragstellers vollkommen falsch.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Es folgte nun der zweite Akt: Der Koalitionsvertrag wird verabschiedet. Er ist eine Enttäuschung für all jene, die glaubten, dass sich bei der Ausstattung der Polizei fundamental etwas ändert, wenn endlich die SPD mit regiert. Stattdessen verließ man sich auf eine Evaluation der Stellenausstattung. Damals war bereits jedem klar – deswegen hat sich meine Fraktion auch bei dem entsprechenden Antrag enthalten –, dass am Ende ein Mehrbedarf bei der Polizei herauskommen würde.

Im dritten Akt, im Haushaltsverfahren, schaffen Sie es nicht einmal, den Stellenabbau zurückzunehmen. Die kwVermerke bleiben bestehen. Jeder hier muss gewusst haben, dass wir damit und mit dem Verweis auf die Personalkommission – die uns angeblich davon abhalten sollte, das zu tun, was eigentlich jeder in diesem Hause wusste, nämlich mehr Polizisten einzustellen –, ein weiteres Jahr bzw. zwei weitere Jahre an Zeit verschenken, die wir gebraucht hätten, um an den Lösungen zu arbeiten.

(Albrecht Pallas, SPD: Wie viel, Herr Lippmann?! Geben Sie eine Zahl an!)

Nun folgt bekanntermaßen das Aufkeimen von Hoffnung im vierten Akt. Man glaubt dem Bericht der Personalkommission, er könne doch noch konkrete, wegweisende Einschätzungen zu Personal und Aufgaben bei der Polizei enthalten. Der Innenminister hat den Stopp des Stellenabbaus verkündet. Die Umsetzung hat ein halbes Jahr gebraucht. Dies war zwar misslich. Im Kern war die Entscheidung aber richtig. Meine Fraktion steht dazu, dass wir das im Haushalts- und Finanzausschuss so beschlossen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es hätte doch etwas mit dem grundsätzlichen Wandel in der Personalpolitik der Polizei werden können. Doch nun befinden wir uns offensichtlich im misslichen fünften Akt dieses Theaters. Dort wird bekanntermaßen, wenn auch hier nur im übertragenen Sinne, gestorben. Die Ergebnisse der Personalkommission sind nicht zufriedenstellend. Der Heilige Gral der Personalkommission entpuppte sich eher als eine Art Kupferkelch.

(Heiterkeit im Plenum)

Wir wissen, dass wir eine gewisse Anzahl an Polizisten brauchen. Nun gut, wir hatten uns mehr erwartet. Wir hatten ebenfalls erwartet, dass gesagt wird, wo genau sie eingesetzt werden sollen. Die Aufgabenkritik ist nahezu vollständig ausgeblieben. Das haben die Kolleginnen und Kollegen im Vorhinein ausgeführt.

Die Koalition kann also gar nicht die notwendigen Schlüsse aus dieser Evaluation ziehen, es sei denn, sie ist bereit, die Konsequenzen anzunehmen. Diese Konsequenzen spiegelt dieser Antrag wider. Wir brauchen eine faktische Kommission 2.0, die das, was die Fachkommission begonnen hat, weiterführt und endlich notwendige transparente Schlüsse für die einzelnen Bereiche bei der Polizei zieht. Das muss ein fortgesetzter Prozess sein. Das

ist keine Frage. Eine Evaluation ist nichts, was man irgendwann stoppen sollte. Ich gratuliere zu der Erkenntnis, die wir mittlerweile erreicht haben.

(Albrecht Pallas, SPD: Die Sie mittlerweile erreicht haben, Herr Lippmann?!)

Herr Pallas, die wir mittlerweile erreicht haben.

Somit können wir wahrscheinlich in naher Zukunft den großen Kardinalfehler des Stellenabbaus vollständig und wirksam revidieren. Es müssen jetzt geeignete Maßnahmen bereitgestellt werden. Wir brauchen eine Erhöhung des Neueinstellungskorridors. Das haben wir beim letzten Mal gefordert. Wenn Sie nun bei 600 Polizisten angekommen sind, dann sage ich Folgendes dazu: Der Vorschlag der Koalition plus 200 hat sich als eine taugliche Größe zur Berechnung erwiesen. Das war zumindest im letzten Haushalt der Fall.

Es braucht natürlich eine Kehrtwende in Bezug auf die Polizeihochschule. Hierbei unterstützen wir den Antrag. Wir brauchen eine Änderung im Umgang mit einzelnen Personen an der Polizeihochschule, aber vor allen Dingen eine Aufstockung der Mittel bei der Polizeihochschule.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, mit der Herleitung der Historie ist noch einmal eines klar geworden: Wir dürfen als Gesetzgeber nicht warten, wenn uns eigentlich klar ist, was wir tun sollten. Eine weitere Evaluation der Stellenausstattung mit Aufgaben der Polizei schließt es eben keineswegs aus, bereits jetzt Maßnahmen zu ergreifen und den Stellenkorridor deutlich zu erhöhen. Es fügt sich beides ineinander und ist möglich.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Pallas?

Ja, natürlich.

Bitte.

Lieber Kollege Lippmann, würden Sie mir recht geben, dass wir bald mit den Haushaltsberatungen beginnen?

Wir werden diese in absehbarer Zeit abschließen. Ist das nicht der Ort, an dem diese Entscheidungen schwarz auf weiß als Gesetz beschlossen werden?

(Beifall des Abg. Geert Mackenroth, CDU)

Herr Pallas, ich gebe Ihnen grundsätzlich recht.

(Lachen einiger Abgeordneter)

Das schließt aber nicht aus, dass man hier und heute darüber diskutiert und entsprechende wegweisende Entscheidungen auch gegenüber der Öffentlichkeit und der Polizei darstellt.