Das Konzept, welches Sie fordern, hat mit der Pflege und dem Erhalt kultureller Vielfalt, dem interkulturellen Zusammenleben und Demokratie so viel zu tun wie natürlich blühende Landschaften mit Monokultur.
Das nenne ich staatlich verordneten Diebstahl von Möglichkeiten und Entmündigung des Geistes. Mir und meiner Fraktion ist dafür die Redezeit zu kostbar. Wir lehnen ab.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gern auf den Kern des Antrages zurückkommen, weil wir davon gar nicht so viel gehört haben. Was fordert die AfD in ihrem Antrag?
Die Konzerte sollen in ländlichen Regionen stattfinden, in denen es scheinbar oder tatsächlich zu wenige Angebote gibt. Die zentrale Organisation und künstlerische Konzeption soll durch einen Verein erfolgen. Vorwiegend soll diese Konzertreihe durch sächsische Künstler und Musiker bespielt werden.
Grundsätzlich greift der Antrag damit ein legitimes Ansinnen auf, nämlich sich mit der Frage des demografischen Wandels und der Rolle der Kultur im ländlichen Raum auseinanderzusetzen. Kultur ist ein Element der Daseinsvorsorge. Sie bietet die Chance, den Zusammenhalt demokratischer Gesellschaften zu stärken und Entfaltungsmöglichkeiten für den Einzelnen zu entwickeln.
Wir haben in Sachsen eine Kulturförderung, die auf regionale Verantwortung setzt; denn die Menschen vor Ort wissen am besten, welche Angebote sie wollen. Dieses Prinzip nennt sich Kulturraumgesetz. Dafür gibt der Freistaat ab dem nächsten Doppelhaushalt jährlich mindestens 94,7 Millionen Euro aus. Das heißt, wir haben die Mittel im letzten Haushalt jährlich um 5 Millionen Euro erhöht, werden jetzt noch einmal um mindestens 3 Millionen Euro erhöhen, und hinzu kommen die Mittel für die Kulturstiftung, die ebenfalls erhöht wurden.
In Ihrem Antrag aber sprechen Sie in der Begründung von „massiven Kürzungen von Mitteln für die Kultur“. Alle Kulturpolitiker in diesem Raum werden mit mir übereinstimmen, wenn ich sage: Für die Kultur kann es natürlich nie genug Geld geben, aber dass es massive Kürzungen
Sie reden in Ihrem Antrag von einer notwendigen Rückbesinnung auf unsere Wurzeln und Sie behaupten, es gebe ein sogenanntes Auf- und Abebben von dem Gewachsenen und nur die Konzertreihe könne das jetzt wieder schaffen: das Bewusstsein für sächsische Traditionen und Kultur. Kurzum: Sie unterstellen, dass das kulturelle Erbe in Sachsen nicht gepflegt wird. Dabei führen Sie in Ihrer Begründung diese Behauptung selbst ad absurdum. Was passiert in all den Festivals, die Sie aufführen, beim Bachfest, bei den Mendelssohn-Tagen? Ist das nicht die Pflege des kulturellen Erbes?
Wenn man einen Blick in Ihr Programm wirft – Kollege Sodann hat es schon getan –, wird schnell deutlich, was Sie meinen und was Sie nicht meinen. Sie meinen die Abschottung von allem, was sogenannt nicht deutsch ist.
Sie meinen eine Ausgrenzung des sogenannten Fremden. Sie sprechen von der sogenannten deutschen Leitkultur und sie wird als etwas Dominierendes dargestellt. Ich wiederhole noch einmal aus Ihrem Grundsatzprogramm, und wenn Sie das Schwachsinn finden, kann ich dem nur zustimmen:
„Die Bühnen sollen stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass Sie zur Identifikation mit unserem Land beitragen.“ Nach Ihrem Verständnis von Kulturpolitik – und ich freue mich, dass wir das heute hier öffentlich machen können – schreibt die AfD die Spielpläne der Theater gleich selbst und übernimmt auch noch die Funktion des Dramaturgen.
(Dr. Frauke Petry, AfD: Sie müssen besser lesen! – Uwe Wurlitzer, AfD: Sie müssen lesen, nicht interpretieren!)
Wie können wir sonst verstehen, dass Sie einen Auftrag geben, welche Stücke in den Spielplänen gespielt werden und wie sie inszeniert werden sollen? Das steht wortwörtlich im Programm von Sachsen-Anhalt. Ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass wir das heute hier thematisieren können; denn ich setze mich gern mit Ihrem Verständnis von Kulturpolitik auseinander. Das hat auch der Deutsche Kulturrat getan und er bezeichnet Ihr Programm als „Kampfansage an den gesamten Kulturbereich“.
Sehr geehrte Damen und Herren! „Von Sachsen – für Sachsen – in Sachsen“ – so lautet Ihre Überschrift. Ich frage Sie dazu: Was ist nach Ihrem Konzept ein sächsischer Musiker? Ist ein sächsischer Musiker jemand, der in Sachsen geboren ist, heute aber in London lebt? Ist ein sächsischer Musiker jemand, der in Vietnam geboren ist und heute in Dresden lebt? Nehmen wir einen Jugendlichen, der eine regionale Kunst- oder Musikschule be
sucht. Sie wollen diese fördern; das haben Sie ja gesagt. Wenn dieser Jugendliche in Sachsen geboren ist, aber seine Eltern afghanische Wurzeln haben, ist er dann ein Sachse? Wenn er erst seit zwei Jahren hier lebt, darf er dann als sächsischer Musiker auftreten? Welche Werke dürfen gespielt werden? Was ist mit der Musik von Bruckner, Mahler und Schönberg? Alle drei sind österreichische Komponisten.
Aber wie wäre es zum Beispiel mit Schönberg als Wegbereiter der Neuen Musik? Dürften seine Werke gespielt werden? Ich wäre sehr gespannt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kunst und Kultur sind autonom und sie leben vom Austausch. Gerade der Austausch macht uns unsere eigene Identität bewusst. Kunst und Kultur leben von Interkulturalität. Sie allerdings suchen allein den Anschluss an die nationale Identität.
Genauso, wie wir uns hierzulande sehr gern an den Melodien von Smetana, von Dvorak, von Britten, von Sibelius und anderen Komponisten erfreuen, lieben die Menschen in fernen Ländern zum Beispiel die Sinfonien von Robert Schumann, der bekanntermaßen in Zwickau geboren ist.
Um die sächsischen Musikerinnen und Musiker im Ausland besser zu unterstützen und bekannter zu machen, wird Stanislaw Tillich kommende Woche mit einigen der bereits angesprochenen Dresdner Sinfoniker nach Mexiko und Kuba reisen.
Seine Teilnahme an dieser Reise zeigt, dass sich die AfD offensichtlich doch für kulturellen Austausch interessiert.
(André Barth, AfD: Weil wir weltoffen sind! – Zuruf von den LINKEN: Da müssen Sie doch selbst lachen, Herr Barth! – Heiterkeit und Unruhe)
Die Teilnahme von Herrn Spangenberg zeigt uns, dass die AfD offensichtlich doch offen ist für einen kulturellen Austausch und nicht nur sächsische Melodien von Sachsen in Sachsen hören möchte. Ich bin gespannt, wenn Herr Spangenberg dann schließlich in zwei Wochen Quantanamera-pfeifend aus Kuba in Ihre Fraktion zurückkehrt; dann werden auch Sie feststellen, Musik kennt keine Grenzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung nach einer sachsenweiten Konzertreihe außerhalb der großen Städte halte ich für diskussionswürdig. Der Ausbau unserer kulturellen Infrastruktur überall im Land ist meiner Fraktion ein wichtiges Anliegen und damit meinen wir die Infrastruktur vor Ort, die Ermöglichung neuer Projekte zu initiieren, aber auch die institutionelle Förderung zu erhalten, das ist uns wichtig.
Die Forderung nach ausreichenden Mitteln eben für den Ausbau und für den Erhalt in der Fläche ist nicht falsch, und wir haben genug Gelegenheit, im laufenden Haushaltsverfahren genau da unsere Vorschläge einzubringen. Wir werden das auch tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es würde mich richtig freuen, wenn noch mehr Menschen in Sachsen in den Genuss der hiesigen sehr guten und hochkarätig besetzten Orchester kommen würden, wenn noch mehr Menschen unsere international besetzten Orchester mit Musikern aus aller Welt hören, sie erleben und sich auch inspirieren lassen könnten.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ermöglicht der vorliegende Antrag nicht. Er ist auch keine Grundlage für eine ernst gemeinte Forderung nach einer sächsischen Konzertreihe. Vielmehr deckt der Antrag erneut einen Mangel an Sachverstand auf, er enthält wirre Formulierungen und falsche Aussagen. Sie sollten sich dazu auch einmal die Stellungnahmen der IG Landeskulturverbände anschauen, die sich sehr intensiv mit diesem Antrag befasst haben.
Es werden Forderungen aufgestellt, die sich jedem Anspruch auf ernsthafte Betrachtung und Prüfung entziehen, und ich werde dazu jetzt ausführen.
So ist zum Beispiel unklar, was mit der ausdrücklichen Forderung gemeint ist, vorwiegend sächsische Musikerinnen und Musiker für eine Konzertreihe zu engagieren. Ich habe mich das genauso wie meine Kollegin Kliese gefragt. Was heißt das denn eigentlich? Welche Kriterien sollen denn festlegen, ob eine Künstlerin oder ein Künstler sächsisch ist? Oder sollen sie bei ihrer Bewerbung Quarkkeulchen zubereiten können oder „Gott segne Sachsenland“ singen? Oder reicht schon „Sing, mei Sachse, sing“?
Ich finde das überhaupt nicht lustig. Das ist nicht zum Lachen; denn wenn dieser Antrag diese Absicht verfolgt, Künstlerinnen und Künstler auszugrenzen, dann sind das Forderungen aus unserer schlimmsten Vergangenheit, die hier in diesem Hohen Hause nichts zu suchen haben.
(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN, der SPD und der Staatsregierung – André Barth, AfD: Das ist eine ziemliche Unverschämtheit!)
Der gesamte Antrag, den Sie gestellt haben, hat den Anschein, dass die antragstellende Fraktion eben heute keine ernsthafte Debatte über Kulturförderung führen möchte, sondern schlichtweg versucht, mit platten Formulierungen und Forderungen Aufmerksamkeit zu erregen.