Protokoll der Sitzung vom 28.09.2016

Dafür brauchen wir auch keine populistischen Selbstdarstellungen oder Mahnungen, egal von welcher Seite.

(Lachen der Abg. Klaus Bartl und Klaus Tischendorf, DIE LINKE)

Das Urteil bringt nicht die Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes, sondern für sächsische Beamte bedeutet es eine Nachzahlung für die Jahre 2011 bis 2015 und von Januar bis Juni 2016. Ab Juli 2016 greift dann eine lineare Anpassung in Höhe von 2,61 %. Dies bedeutet für den einzelnen Beamten erhebliche Summen, die im Dezember auf den privaten Konten eingehen sollen. Ein verheirateter Beamter, zum Beispiel ein Kriminalkommissar, mit zwei Kindern, der sich in der Besoldungsgruppe A 9 in der Endstufe befindet, erhält eine Nachzahlung in Höhe von ca. 3 850 Euro und durch die lineare Anpassung künftig jährlich 1 150 Euro mehr. Wie gesagt, die Auszahlung soll noch im Jahr 2016 erfolgen.

Mit der gefundenen Lösung wurde meines Erachtens ein akzeptabler Weg bis zum Jahr 2020 gefunden. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Umsetzung seiner Rechtsprechung mit Wirkung vom 1. Juli 2016 an festgesetzt. Auch dies wird mit diesem Gesetz umgesetzt; denn im Urteil lautet es nicht, „bis zum 1. Juli 2016“, sondern: „mit Wirkung vom 1. Juli 2016“.

Das Kostenblatt der Regierung sieht für das Jahr 2016 mehr als 205 Millionen Euro an Nachzahlungen vor. Für die Jahre 2017 bis einschließlich 2020 kommen noch einmal Mehrausgaben in Höhe von mehr als 229 Millionen Euro hinzu. In der Summe beschließen wir heute Ausgaben bis zum Jahr 2020 in Höhe von mindestens 434 Millionen Euro.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muss an dieser Stelle auch möglich sein, einmal auf die Gesamtumstände zu verweisen, ohne gleich wieder als Feind der Beamten bezeichnet zu werden. Künftig werden wir ein Steigen der Personalausgabenquote und ein Sinken der Investitionsquote erleben. Im Jahr 2020 wird der Freistaat Sachsen eine Personalausgabenquote von mindestens 26,3 % aufweisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle aber auch die Gelegenheit nutzen, um mich namens der CDU-Fraktion bei den fleißigen und loyalen diensttuenden Beamten im Freistaat Sachsen zu bedanken.

(Beifall bei der CDU und SPD)

Ich hoffe sehr, dass in Sachsen nunmehr wieder der Besoldungsfrieden hergestellt ist. Die Voraussetzungen scheinen günstig.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Den Krieg haben Sie angezettelt!)

Ich möchte gern aus der Vereinbarung zwischen dem Finanzministerium, dem DGB, der GdP, dem Sächsischen Beamtenbund, Herrn Benra als dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden des DBB Beamtenbund und Tarifunion sowie dem Sächsischen Richterverein zitieren:

„Nach übereinstimmender Auffassung der Parteien sind die getroffenen Maßnahmen geeignet, die Beseitigung der Unterallimitation für die Vergangenheit und unter Berücksichtigung vorliegender Prognosen für die Zukunft eine verfassungskonforme, faire und akzeptable Regelung bis zum Jahr 2020 zu erreichen.“

Diesem Zitat lässt sich nichts hinzufügen. Lassen Sie uns mit einer Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf die Vereinbarung umsetzen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Nun spricht für

(Albrecht Pallas, SPD, erhebt sich von der Abgeordnetenbank.)

die Fraktion DIE LINKE – Herr Pallas, Sie haben noch ein wenig Zeit – Herr Abg. Bartl. – Herr Bartl, bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun machen Sie mal nicht so eine Welle, Herr Kollege Michel.

(Lachen des Abg. Jens Michel, CDU)

Zunächst einmal ist es kein Ruhmesblatt, wenn man als Gesetzgeber mit der Staatsregierung als Anstifter vom Bundesverfassungsgericht beim Verfassungsbruch erwischt wird. Das ist doch der Fakt, weshalb wir heute hier stehen.

(Jens Michel, CDU: Neue Rechtsprechung! – Lachen des Abg. Klaus Tischendorf, DIE LINKE)

Wenn von diesem Verfassungsbruch in Gestalt der sächsischen Beamtinnen und Beamten, der Richterinnen und Richter, der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger die Landeskinder betroffen sind, aus unterschiedlichen Dienstgruppen, die gemeinhin für das Funktionieren des Staatswesens im Freistaat Sachsen als besonders wichtig erachtet werden, dann macht es die Sache noch heikler. Sich dann mit prallen Backen hier hinzustellen und so zu tun, als ob man gerade ein Jahrhundertwerk an Weisheit

und Wohltaten auf den Weg gebracht hat, ist einigermaßen dreist.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir stünden heute nicht hier und würden just diesen Gesetzentwurf heute nicht in zweiter Beratung behandeln, hätte nicht die Fraktion DIE LINKE Anfang des Jahres 2016 einen eigenen Gesetzentwurf zur Umsetzung dieses Beschlusses auf den Weg gebracht.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Na ja! – Zuruf des Abg. Jens Michel, CDU)

Selbstverständlich! – Sie haben so getan, als ob auf einmal die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über uns gekommen ist und wir aus unserem Traum, hier geht alles tutti paletti verfassungskonform, gerissen worden sind. Nein! Dazu kam es, weil sie im Jahr 2011 mit dem Haushaltsbegleitgesetz, beschlossen im Jahr 2010, kurzerhand gesagt haben, wörtlich begründet: Konsolidierungsbeitrag der Beamten zum Landeshaushalt. Wir streichen euch jetzt die Weihnachtszulage.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: So ist es!)

Deshalb kam das Urteil über uns. Es ist nicht vom Himmel gefallen, sondern das Verfassungsgericht hat gesagt: Langsam. Ihr müsst das Abstandsgebot und die Alimentationsgrundsätze des Berufsbeamtentums im Auge behalten. Deshalb sind Sie schlicht und ergreifend an den Ohren gezogen worden, durch Ihr eigenes Handeln.

(Jens Michel, CDU: Was hat das mit dem Gesetzentwurf zu tun!)

Erst durch unseren Gesetzentwurf, sagen wir einmal, ist dieser Gesetzentwurf überhaupt in die Gänge gekommen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ach!)

Ja, mit dem Gesetzentwurf in Drucksache 6/4003, den wir seinerzeit eingebracht haben. – Bis dahin war die Verlautbarung, es geht beim Verfassungsgericht nur um die Besoldungsgruppe A 10 und nur das müssen wir reparieren. Das war bis dahin die Botschaft. Erst als wir gesagt haben, nitschewo, es ist für alle Beamten herbeizuführen, ist die Empfänglichkeit entstanden, sich darüber hinaus zu bewegen. Erst dann, Herr Staatsminister Unland, kamen Sie zum Jagen, haben wir Sie zum Jagen getragen.

(Lachen bei der CDU)

Am Rande bemerkt: Das Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, dass die verfassungskonforme Regelung bis zum 1. Juli 2016 zu beschließen ist. Wir schreiben jetzt September. Die Hausaufgaben haben Sie keineswegs pünktlich erledigt.

Dass Sie dann, Herr Staatsminister Unland, den Weg wählten, sich mit den Vertreterinnen und Vertretern der für die Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zuständigen Gewerkschaften und berufsständischen

Verbänden und Vertretungen hinzusetzen und darüber zu

reden, wie man die Kuh vom Eis bekommt, das schätzen wir. Das halten wir für einen guten Stil. Das halten wir für einen nachahmenswerten Stil. Das war okay. Kein Problem.

Wir erkennen es auch an, dass der vorliegende, aufgrund der Vereinbarung mit den Gewerkschaften und Verbänden vom 23. März 2016 entstandene Gesetzentwurf eine über die verfassungsrechtlichen Verpflichtungen, welche sich aus dem Beschluss des Verfassungsgerichts vom 17. November 2015 ergeben, hinausgehende allgemeine Lösung für alle Beamten und für alle Versorgungsberechtigten anstrebt. Das ist auch okay.

Der große Wurf, der uns – wenn auch nicht endgültig, aber auf absehbar lange Zeit – an das sichere Ufer der Besoldung der sächsischen Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und Versorgungsberechtigten bringt, ist der Gesetzentwurf nicht. Das ist er nicht.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Nein!)

Weshalb nicht, dazu komme ich jetzt gleich. Der der Einbringung des Gesetzentwurfes vorausgegangene Weg der Verständigungssuche hat natürlich eine ganze Menge von vorherigem Pfusch beseitigt. Das ist richtig. Das Gelbe vom Ei ist der Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt, aus folgenden Gründen aber nicht. Er stellt keine gelungene Kodifizierung in sich dar.

(Andreas Heinz, CDU: Falsch!)

Erstens. Prüfgegenständlich erstreckt sich der Beschluss des Verfassungsgerichts vom 17. November 2015 nicht auf die Besoldungsgruppen außerhalb der Besoldungsgruppe A 10 und nicht auf die dem Jahr 2011 vorhergehenden und nachfolgenden Kalenderjahre – nicht auf die vorhergehende Zeit. Das bedeutet zunächst, die landesrechtlichen Vorschriften für aktive Beamte der Besoldungsgruppen A 4 bis A 9 sowie A 11 und aufwärts unterlagen gegenständlich nicht der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht, ebenso nicht die Vorschriften hinsichtlich der Besoldungsgruppe A 10 für die Zeit vor und nach dem Kalenderjahr 2011. Überdies wurden die Vorschriften nach dem Sächsischen Beamtenversorgungsgesetz für Versorgungsberechtigte, insbesondere für Ruhestandsbeamte nicht geprüft. Insofern ist eine Aussage über die Verfassungswidrigkeit oder Verfassungskonformität der außerhalb des Prüfgegenstandes der gegenständlichen konkreten Normenkontrollverfahren liegenden Vorschriften des Sächsischen Beamtenbesoldungsgesetzes und des Sächsischen Beamtenversorgungsgesetzes nicht möglich.

Zweitens. Maßstäbe stellt das Normenverdikt des Bundesverfassungsgerichtes vom 17.11.2015 allein auf Artikel 33 Abs. 5 Grundgesetz ab, dabei wiederum ausschließlich auf das Alimentationsprinzip und das hieraus abzuleitende grundrechtsgleiche Recht auf amtsangemessene Alimentation der in ihrer subjektiven Rechtsstellung betroffenen Beamten. Das Berufsbeamtentum, zu dem sich der Freistaat Sachsen vor nunmehr

reichlich 20 Jahren bekannt hat, von dem wir als LINKE bekanntlich keine Fans sind, hat zur Konsequenz, dass auch in Sachsen das verfassungsrechtlich geschützte Alimentationsprinzip gilt, welches wiederum als unmittelbares Recht den Dienstherrn verpflichtet, Beamtinnen und Beamte sowie deren Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang und nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechende und der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. So der Leitsatz in mehreren Bundesverfassungsgerichtsurteilen.

Das Bundesverfassungsgericht hat vereinfacht gesagt, die Nichteinhaltung des Alimentationsprinzips gerügt. Ob Regelungen nach Annahme dieses Gesetzentwurfes und der eintretenden Gesetzeslage in der Besoldung von Beamten und Versorgungsberechtigten gegen andere Grundsätze und Normen des Grundgesetzes verstoßen wie gegen das Gleichheitsgebot, gegen das Antidiskriminierungsverbot und dergleichen mehr, ist nicht festgestellt. Das steht auf einem anderen Blatt.

Drittens. Der vorliegende Entwurf genügt zur Stunde grundsätzlich den Anforderungen der ständigen Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsmäßigen Ausgestaltung des Alimentationsprinzips nach Artikel 33 Abs. 5, vornehmlich zur Einhaltung des Abstandsgebots, insbesondere des Mindestabstandes zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum bzw. zum

Grundsicherungsniveau, allerdings, Herr Staatsminister, geradeso. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur A-10-Besoldung in Sachsen die zuvor in seinem Urteil vom 5. Mai 2015, in dem es um Fragen einer verfassungswidrigen Beamtenbesoldung in SachsenAnhalt ging, für die Gesamtschau, ob die Besoldungsregelungen der Länder und natürlich auch in Erstreckung auf den Bund verfassungskonform sind, ein dreistufiges Prüfschema entwickelt.