Frau Staatsministerin, die Beantwortung unseres Antrages aus Ihrem Haus und mit Ihrer Unterschrift zeigt uns sehr deutlich, dass Sie diesen Bereich überhaupt nicht ernst nehmen. Die Beantwortung dieses Antrages ist so oberflächlich, dass ich davon sehr enttäuscht bin. Ich sage das ganz persönlich. Ich habe schon erwartet, dass Sie bei der Beantwortung dieses Antrages ein bisschen mehr in die Tiefe gehen und aufzeigen, wohin Sie wollen.
Sie, Frau Staatsministerin, haben in der Öffentlichkeit gesagt: Das Abitur muss anspruchsvoll sein und darf nicht verschenkt werden. Da bin ich sogar teilweise bei Ihnen. Aber wenn Sie ergänzen, dass das Abitur im Freistaat Sachsen inzwischen eine Tortur ist, dann frage ich mich: Welche Anforderungen an Schülerinnen und Schüler werden in diesem System gestellt? Ich habe dazu eine Zuschrift von einem Bürger bekommen, der sich darüber sehr erbost hat. Er hat mir geschrieben: Die Ministerin sagt mit diesen Ausführungen, wenn sie von Tortur spricht, ganz klar, dass die Schule eine Folter für einige Schülerinnen und Schüler ist.
Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte über schulischen Lernerfolg, über Schulentwicklung, über Gesundheitsförderung, weil schulischer Lernerfolg und gesundes Lernen an der Schule einen klaren Zusammenhang haben. Für die Schülerinnen und Schüler ist es notwendig, dass sie sich in der Schule wohlfühlen. Die Schule muss ein Ort für die Schülerinnen und Schüler sein, an dem sie sich wohlfühlen, denn dann können sie auch gesund und erfolgreich lernen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Vorlage eines Konzepts zur schulpsychologischen Beratung im Freistaat Sachsen, wie es die Fraktion DIE LINKE von der Sächsischen Staatsregierung fordert, erachte ich nicht als notwendig, und das –
ja, da kann man „Aha!“ sagen – aus folgenden Gründen: Die Erstellung eines solchen Konzeptes ist keine notwendige Voraussetzung, um auf sich verändernde Herausforderungen und Bedarfe in der schulpsychologischen Beratung zu reagieren. In der Verwaltungsvorschrift des sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die schulpsychologische Beratung im Freistaat Sachsen vom 6. August 1999 heißt es zur Arbeitsweise der Schulpsychologen – ich zitiere –: „Schulpsychologen werden im Rahmen ihres Aufgabenschwerpunktes auf Veranlassung von Lehrern, Schulleitern oder Mitarbeitern der Schulaufsicht oder auch auf unmittelbare Anforderung von Schülern und Sorgeberechtigten beratend tätig.“ Des Weiteren: „Im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung arbeiten Schulpsychologen eng mit dem Beratungslehrer der Schule zusammen.“ Vor diesem Hintergrund sollte eine wirkungsvolle und rechtzeitig einsetzende schulpsychologische Beratung, wie sie im Antrag als Ergebnis des Konzeptes gefordert wird, möglich sein.
Neben den Schulpsychologen gibt es eine Vielzahl anderer schulischer Unterstützungssysteme, zum Beispiel Beratungslehrer, Prozessmoderatoren, pädagogische
Supervisoren oder Schulmediatoren. Für die Beratungslehrer stehen beispielsweise teilweise verpflichtende Qualifikationsmaßnahmen zur Verfügung, die mit Hausarbeiten und mündlichen Prüfungen abgeschlossen werden.
Diese Qualifikationen werden durch die Schulpsychologen mitgestaltet. Durch diese Maßnahmen wird der qualitative Ausbau dieses schulischen Beratungsangebotes gefördert. Unterstützt wird der Ausbau daneben durch außerschulische Personen und Institutionen, zu denen die Schulpsychologen laut bereits genannter Verwaltungsvorschrift Kontakt aufnehmen können.
Die Psychologen sind organisatorisch in den Referaten Unterstützungssysteme der Sächsischen Bildungsagentur verortet. Damit wird ein systemisches und möglichst schulnahes Wirken abgesichert.
Die beantragten Punkte als Ergebnis eines geforderten Konzeptes sind also im Wesentlichen bereits durch die Verwaltungsvorschrift als Grundlage der schulpsychologischen Arbeit abgedeckt. Daneben werden sich ändernde
Das war Herr Abg. Hösl für die CDU-Fraktion. Für die SPD-Fraktion Frau Abg. Friedel. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir beim Thema Schulpsychologen ein Problem haben, kann man, glaube ich, nicht vom Tisch wischen:
dass es hier Veränderungsbedarf gibt, dass es keine haltbaren Zustände sind, wenn ein Schulpsychologe einen Beratungsbereich von 40 bis 50 Schulen hat, und diese 14 500 Schüler, von denen hier die Rede ist.
Wenn wir dennoch sagen, der Antrag nützt noch nichts, so liegt das daran, dass es keinen Sinn macht, ein Konzept zu erstellen. Wir müssen zum Treffen kommen und dafür sorgen, dass es mehr Ressourcen gibt. Frau Kollegin Falken hat bereits auf den Haushalt verwiesen. Das ist der Moment, in dem wir diskutieren, dass wir Ressourcen brauchen: für die Schulpsychologen, für die Inklusion, für die gestiegenen Schülerzahlen, und wir müssen schauen, wie wir das hinbekommen. Wenn wir es in diesem Haushalt nicht hinbekommen, müssen wir es im nächsten Haushalt hinbekommen, bis wir irgendwann an der Zielmarke sind, die sich die Kultusministerkonferenz völlig zu Recht gesetzt hat.
Frau Kollegin Falken, Sie sagten, es sei keine Verbesserung sichtbar. Ich verstehe das. Die Verbesserung ist von Herrn Hösl angesprochen worden. Wir haben im letzten Doppelhaushalt mehr Stellen für die Schulpsychologen bereitgestellt, aber die plus fünf bedeuten natürlich bei steigenden Schülerzahlen nur einen Tropfen auf den heißen Stein.
Sie sprachen noch ein anderes Thema an, worauf ich ebenfalls hinweisen möchte: die Ursachen. Das ist zusätzlich ein sehr wichtiger Schlüssel. Es gab Anfang des Jahres in der „Sächsischen Zeitung“ ein Interview mit Frau Dr. Randow, das ist die Vorsitzende des Sächsischen Berufsverbandes der Schulpsychologen. Darin ging es auch um die Frage, dass wir viel zu wenig Schulpsychologen haben, woran es liegt und Ähnliches. Sie sagte unter anderem auf die Frage, ob wir jetzt mehr Probleme an den Schulen hätten und der Bedarf deshalb so groß sei – jetzt möchte ich kurz vorlesen –: „Aufmerksamkeit ist eine Kernvoraussetzung für erfolgreiches Lernen, und Mängel in der Aufmerksamkeit werden von Eltern und Lehrern deshalb besonders schnell wahrgenommen. Die Hoffnung auf eine Diagnose, die dann alles erklärt, ist
sehr groß, nur, dafür gibt es keine einfachen Antworten, weil die Ursachen für Aufmerksamkeitsmängel eben vielschichtig sind. Diesen Problemen muss man sich eher pädagogisch nähern und weniger klinisch.“
Das ist, denke ich, ein wichtiger Punkt, der hier angesprochen wird. Bei allem Bedarf, den wir haben und der unstrittig ist, müssen wir auch die Ursachen von drohendem Schulversagen, Stress, Schlafstörungen und Leistungsängsten stärker in den Blick nehmen; denn was nützt es uns, wenn wir am Ende in Sachsen einen Betreuungsschlüssel von 1 : 3 000 bei den Schulpsychologen haben, aber nicht daran arbeiten, die Ursachen der Probleme zu bekämpfen?
Damit sind wir bei den Rahmenbedingungen, die das Lernen in den Schulen heutzutage hat, und wieder bei einem meiner Lieblingsthemen; denn natürlich kann Aufmerksamkeitsmangel eben auch daher rühren, dass sich ein Schüler im Unterricht gerade mal langweilt, oder dass er schon vor zwei Stunden nicht mehr mitgekommen ist, oder dass er zu Hause ganz andere Probleme hat. Wir müssen es schaffen, auch innerhalb des Systems Schule und nicht nur mit der Beratungs- und Unterstützungsleistung der Schulpsychologen stärker und individueller auf Schülerinnen und Schüler einzugehen, und sie in ihren Fähigkeiten, wie man so schön sagt, dort abholen, wo sie sind, und auf ihren Weg zu führen.
Damit sind wir beim Thema differenzierter Unterricht und Entschlackung der Lehrpläne und Stundentafeln, Zeit geben für Einüben, Entdecken usw. Mir geht es nicht darum, den Mangel an Schulpsychologen wegzureden. Wir haben hier Handlungsbedarf und müssen schauen, dass wir das in den nächsten Jahren hinbekommen. Aber wir müssen genauso dafür Sorge tragen, dass die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit das Lernen an unseren Schulen unter förderlichen Bedingungen ablaufen kann.
Sie zitieren ja immer gern die Bildungsstudien im Freistaat Sachsen und wie gut wir sind. Es gibt auch andere Studien, zum Beispiel die Children‘s Health Study. Sie sagt aus, dass Deutschland weltweit das Land ist, in dem Kinder am meisten unter Schulstress leiden und in dem die Schulfreude von Kindern am geringsten ist. Das sind Punkte, die Einfluss auf die Art und Weise haben, wie man in einer Schule lernt und sich bewegt, und am Ende häufig bei Schulpsychologen landen, aber eigentlich ganz anders anzugehen und in den Griff zu bekommen wären.
Ein Konzept hilft nicht, deshalb kein Ja von uns zu diesem Antrag; aber die Problemanzeige ist durchaus völlig gerechtfertigt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Die schulpsychologische Beratung ist bereits gesetzlich in § 17 Abs. 2 des Schulgesetzes geregelt. Die nähere Ausgestaltung vollzieht sich nach der Verwaltungsvorschrift „Schulpsychologische Beratung“. Sachsen braucht also kein Konzept zur schulpsychologischen Beratung.
Im Übrigen sind Sie bei dieser Staatsregierung auch an der falschen Adresse, denn Sie fordern ein Konzept, in dem schulpsychologische Beratung langfristig garantiert und ausgebaut werden kann. Wie wir etwa am aktuellen Beispiel der sächsischen Schulen – Stichwort: Lehrermangel – sehen können, kann die Staatsregierung weder langfristig planen, noch kann sie irgendetwas ausbauen.
Erstens. Sie fordern eine wirkungsvolle und frühzeitig einsetzende schulpsychologische Beratung. Nach Nr. 4.1 der Verwaltungsvorschrift werden Schulpsychologen im Rahmen – wie vorhin schon gesagt worden ist – ihrer Aufgabenschwerpunkte auf Veranlassung von Lehrern, Schulleitern oder Mitarbeitern der Schulaufsicht oder auch auf unmittelbare Anforderung von Schülern oder Sorgeberechtigten beratend tätig. Ich finde, das ist schon relativ frühzeitig.
Dass Schulpsychologen wirkungsvolle Arbeit leisten, davon gehen wir stark aus. Es sind ja schließlich keine Seiteneinsteiger, sondern Diplompsychologen, die für schulische Anliegen spezialisiert sind.
Zweitens. Weiter fordern Sie ein dem steigenden Bedarf an schulpsychologischer Beratung in allen Schularten entsprechend differenziertes Beratungsangebot. Meine Damen und Herren von den LINKEN: Wenn Sie aus dem Umstand steigender Schülerzahlen einen größeren Bedarf an schulpsychologischer Beratung ableiten, dann ist das grundsätzlich nicht falsch. Falls Sie allerdings meinen, der Bedarf werde allein aufgrund des unübersehbaren Anstiegs von schulpflichtigen Migranten zunehmen, dann ist das falsch. Denn Schulpsychologen arbeiten nicht als Therapeuten, sie nehmen lediglich beratende, diagnostische und präventive Aufgaben wahr. Wenn Sie die Vorschrift gelesen hätten, dann wüssten Sie das auch. Und wenn Sie genau wissen wollen, wie Kinder mit Kriegstraumata in Sachsen behandelt werden, dann lesen Sie einfach mal die Kleine Anfrage der AfD-Fraktion mit der Drucksachennummer 6/4010, darin ist das alles beschrieben.
Drittens. In Ihren Anstrichen drei und vier fordern Sie, einfach gesagt, mehr Schulpsychologen. In Ihrer Begründung zitieren Sie den Präsidenten des Bundesverbandes deutscher Psychologen, Prof. Dr. Michael Krämer, der meinte, dass lediglich drei Bundesländer die 1973 von der Kultusministerkonferenz empfohlene Mindestversorgung von einem Schulpsychologen auf 5 000 Schüler erreichen. Aus der Antwort der Staatsregierung auf eine Kleine Anfrage Ihrer Fraktion, Drucksache 5/474, geht hingegen hervor, dass der Bundesverband deutscher Psychologen
einen Schlüssen von 1 : 12 500 für ausreichend erklärt. Von 1 : 12 500 auf 1 : 5 000, das ist schon inflationär.
Im Übrigen sind Erhöhungen der Stellenzahl von Schulpsychologen Dinge, die im Rahmen einer Haushaltsverhandlung geklärt werden müssen. Bringen Sie mal einen ordentlichen Antrag diesbezüglich mit konkreten Zahlen ein, dann kann man sehen, ob wir dieser Forderung folgen.