Wir müssen hier gemeinsam, egal welcher politischen Überzeugung wir zuzuordnen sind, egal welche gesellschaftlichen Perspektiven und Positionen wir für uns finden, deutlich machen: Das spiegelt nicht unser Land, nicht unsere Gesellschaft wider. Deshalb wollen wir – auch im Hinblick auf die anstehenden Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit – ein deutliches Zeichen für Dresden, für Sachsen, für die Bundesrepublik setzen.
Wir wollen die Feierlichkeiten an diesem Wochenende friedlich begehen. Wir wollen, dass die Welt, dass Deutschland zu Gast ist in Dresden, in Sachsen, um unseren Nationalfeiertag zu feiern – nicht nur unseren Nationalfeiertag, sondern eben auch die damit verbundenen Werte unserer Gesellschaft.
Ich bin sicher, dass die Polizei das Sicherheitskonzept entsprechend angepasst hat, dass sie weitere Maßnahmen ergreift und damit Sorge dafür tragen wird, dass wir friedlich miteinander feiern können.
Gleichzeitig möchte ich aber auch einen Aufruf an alle politischen Kräfte senden – egal wo sie sich verortet fühlen –, sich auch mit Blick auf die Ereignisse vom vorletzten Abend genau zu überlegen, welche Art und Weise des Diskurses man zur freien Meinungsäußerung wählt. Wir stehen gemeinsam in der Verantwortung, gerade jetzt dafür Sorge zu tragen, dass hier in Dresden das, was unsere Gesellschaft, unseren Staat, unsere demokratischen Grundsätze ausmacht, auch gelebt werden kann. Es soll ein Nationalfeiertag werden, der friedlich stattfindet und der Möglichkeiten lässt, auch den politischen Diskurs zu suchen – der sicherlich auch Unterschiede zeigen kann, der aber die Friedlichkeit und die Fähigkeit zum Dialog in den Mittelpunkt stellt.
Zeigen wir der Welt und zeigen wir Deutschland, dass man hier in Dresden, in Sachsen friedlich miteinander feiern kann. Tragen wir alle gemeinsam dafür Sorge, dass das, was wir vorletzten Abend erlebt haben, diese Gesellschaft nicht noch weiter spaltet, sondern nutzen wir es, um gemeinsam die Verantwortung für unser Land zu suchen – gerade im Hinblick auf den Tag der Deutschen Einheit.
(Beifall bei der CDU, der SPD sowie vereinzelt bei den LINKEN, der AfD und den GRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)
Das Wort hatte Herr Kollege Hartmann für die CDU-Fraktion. Es schließt sich Herr Kollege Pallas für die SPD-Fraktion an.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatsminister Ulbig, ich danke Ihnen, dass Sie das Parlament und die Öffentlichkeit so umfassend über die Lage nach den beiden Anschlägen in Dresden vorgestern Abend informiert haben. Diese beiden Anschläge auf die Moschee und auf das Internationale Congress Centrum verunsichern und verstören viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.
Ich danke deshalb ausdrücklich der Polizei für ihre schnelle Reaktion, die schnelle Aufnahme der Ermittlungen und vor allem auch für den Schutz für besonders gefährdete Objekte nach den Anschlägen. Ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie noch einmal dargestellt haben, wie die zeitlichen Abläufe waren, und insbesondere auch dafür, wie schnell die Tatortgruppe des Landeskriminalamts vor Ort war und entsprechend Spurensicherung betrieben hat.
Die Ermittlungen der Polizei dauern zwar noch an – und sicherlich lassen die Ermittler auch keine Möglichkeit aus –; dennoch haben Sie vorhin und hat auch Herr Polizeipräsident Kretzschmar gestern früh und auch in der Pressekonferenz gestern um 13:00 Uhr in Bezug auf die angegriffene Moschee eine eindeutige Bewertung vorgenommen: dass es sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um eine fremdenfeindlich motivierte Tat gehandelt hat.
Zum Glück ist hier nur Sachschaden entstanden, allerdings hing das im Falle der Familie des Imam der Cottaer Moschee eher vom Zufall ab als von dem zu vermutenden Plan der Täter. Unerheblich, aus welcher Richtung diese beiden Anschläge kamen: Die SPD-Fraktion und ich persönlich verurteilen sie zutiefst, denn Gewalt darf niemals ein Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele sein.
(Beifall bei der SPD und der CDU sowie vereinzelt bei den LINKEN, der AfD und den GRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)
Leider markieren beide Anschläge den vorläufigen Höhepunkt einer unheilvollen Entwicklung in unserer Gesellschaft, die uns alle betrifft – zuvorderst, nämlich an den Brennpunkten, natürlich die Polizei.
Wir erleben seit einigen Monaten eine zutiefst gespaltene Gesellschaft, in der zwischen Gruppen unterschiedlichster Auffassung kaum noch Austausch, kaum noch Kommunikation stattfinden kann. Wir erleben Radikalisierungsprozesse in den unterschiedlichen Gruppen. Das führt zum Anstieg politisch motivierter Kriminalität; beispielsweise werden aus Kritik gegen Asylpolitik Angriffe gegen Geflüchtete oder ihre Unterkünfte.
Wir erleben, dass solche Gruppen von rechten Strukturen übernommen werden – bis hin zur Gründung krimineller oder gar terroristischer Vereinigungen; das Beispiel der
Gruppe FTL 360 wurde schon erwähnt. Wir erleben aber auch eine weitere Radikalisierung bei militanten Linksautonomen, die beispielsweise zu einer Reihe von Gewalttaten in Leipzig führte. Natürlich erleben wir auch religiös motivierte Radikalisierung.
Diese Entwicklung führte bereits zu Straftaten in der Öffentlichkeit oder zu Lagen mit hohem Gefahrenpotenzial für eine Vielzahl von Menschen. Wir hatten Anschläge auf Unterkünfte, Angriffe auf Personen in der Öffentlichkeit, Gewalt zwischen Gruppen oder aber auch eine andauernde Gefahr für terroristische Anschläge, die abstrakt unverändert hoch ist. Und jetzt Dresden.
Um es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch einmal deutlich zu sagen: Es ist gut, dass die Polizei schnell gehandelt hat. Es ist gut, dass das Operative Abwehrzentrum die Ermittlungen schnell übernommen hat und wir schnellstmöglich Ergebnisse und Hintergrundinformationen
erwarten dürfen. Es ist gut, dass in direkter Reaktion besonders gefährdete Objekte beschützt werden. Es ist gut und richtig, dass solche Gefahren Bestandteil des Sicherheitskonzepts für das Deutschlandfest sind und dass die Polizei bereits zwei Tage früher als geplant in den Einsatzmodus gegangen ist – was bedeutet: besserer Schutz des öffentlichen Raums und mehr Kräfte zur Absicherung in der Stadt.
Grundfalsch wäre es aber, wenn wir unsere Freiheit, unser Lebensgefühl, unsere demokratischen Grundwerte weiterhin einschränken ließen, denn dann würden die demokratiefeindlichen Gruppen gewinnen. Insbesondere solche Gewalttaten haben doch zum Ziel, durch die Verbreitung von Angst und Schrecken Demokratie auszuhöhlen, indem immer mehr Freiheitsrechte eingeschränkt werden. Das dürfen wir nicht zulassen, meine Damen und Herren.
Die Hauptbotschaft der heutigen Debatte muss deshalb heißen: Demokraten lassen sich von Demokratiefeinden nicht einschüchtern. Anstatt der Logik der Angst zu folgen, sorgen wir für mehr Demokratie, für mehr Offenheit und zeigen den Antidemokraten immer wieder klar die Grenzen auf.
Eine Möglichkeit bietet sich schon bei den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am kommenden Wochenende, dem Deutschlandfest – auch wenn das Fest angesichts schlechter Neuigkeiten zum Stand der deutschen Einheit nicht unumstritten ist. Das Signal muss sein: Es ist ein Fest für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, auch mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen. Gerade jetzt müssen wir zeigen, dass uns politische Gewalttäter nicht den Takt diktieren.
Meine Damen und Herren, wir dürfen aber auch nicht zulassen, dass insbesondere muslimische Menschen in Deutschland durch die häufig von Populisten angeheizte Debatte ausgegrenzt werden. Deshalb war und ist es wichtig, Anteilnahme und Solidarität mit der jetzt be
troffenen muslimischen Gemeinde, ihrem Imam und seiner Familie zu zeigen. Ich möchte deshalb zunächst denen danken, die sich gestern aus diesem Grund zu der Moschee begeben haben. Das waren in den Morgenstunden Herr Staatsminister Ulbig, Frau Staatsministerin Dr. Stange und Frau Staatsministerin Köpping.
Am frühen Abend fand dann vor der Moschee eine Mahnwache statt, zu der über hundert Menschen kamen. Neben vielen Bürgerinnen und Bürgern waren das der Superintendent Christian Behr, Herr Staatsminister Dulig und erneut Frau Staatsministerin Dr. Stange. Solche Signale der Solidarität und des gegenseitigen Respekts haben wir dringend nötig, nicht nur nach Gewaltakten, sondern täglich, meine Damen und Herren.
Es ist unser aller Aufgabe, ein friedliches und gutes Zusammenleben in den Gemeinden und den Stadtteilen zu organisieren. Darum bemühen sich schon ganz viele Menschen; Menschen in Kirchgemeinden, in Vereinen, in politischen Parteien und viele andere Bürgerinnen und Bürger. Aber wir müssen mehr werden.
Ein Schlüssel könnten dabei die vielen Ehrenamtsbündnisse sein, die sich jetzt schon für Weltoffenheit und ein besseres Miteinander auf Augenhöhe einsetzen. Ich bin mir sicher – damit komme ich zum Schluss –: Die Demokratie wird sich dauerhaft durchsetzen. Deutschland, Sachsen, Dresden wird gastfreundlich bleiben und weltoffener werden. Demokratiefeinde haben am Ende schlechte Erfolgsaussichten, weil sich der Rechtsstaat und die vielen Demokratinnen und Demokraten mit Kraft gegen ihre Umtriebe wehren. Ich sage heute: Wir schaffen das! Packen wir es an!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD-Fraktion verurteilt mit aller Entschiedenheit jegliche Form von Gewalt. Wir möchten an dieser Stelle ausdrücklich auf unseren Antrag mit der Drucksachennummer 6/3458 hinweisen, in der wir alle Fraktionen des Sächsischen Landtags zu einer Ächtung jeglicher politische Gewalt aufriefen. Leider wurde unser Antrag mit übergroßer Mehrheit abgelehnt. Die Aktualität unseres Antrags wird leider einmal mehr sehr deutlich.
Wir werden uns zu diesem Zeitpunkt in keinerlei Diskussion begeben, was Motivation und Hintergründe dieser Tat betreffen. Die AfD-Fraktion weiß, dass die sächsischen Behörden ergebnisoffen ermitteln. Wir gehen davon aus, dass die Polizei alles dafür Notwendige tun wird, um
die Täter schnell dingfest zu machen. Die zeitversetzte Information durch die Polizei befinden wir für richtig, da so fundierte Ermittlungen nicht durch die Presse und Schaulustigen gestört wurden. Weiterhin ist es kontraproduktiv, sich in jegliche Form von Mutmaßungen zu verlaufen. Die mediale Aufmerksamkeit ist wieder einmal riesig und leider stellenweise auch undifferenziert. Das Ansehen des Freistaates und unserer Landeshauptstadt Dresden wird auch über die Landesgrenzen hinaus massiv geschädigt. Wir hoffen, dass es zu keinen weiteren Auswirkungen auf die Feierlichkeiten zum Tag des Deutschen Einheit kommen wird. In diesem Zusammenhang ist es richtig und eine Selbstverständlichkeit, diese Taten entschieden zu verurteilen. Andererseits wäre es aber auch eine pauschale Abqualifizierung von Sachsen und seinen vier Millionen Bürgern, nicht nur falsch, sondern auch politisch unangebracht.
Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die allgemeine Situation in Deutschland ähnlich gelagert ist. Leider ist Sachsen kein Einzelfall und Dresden keine Gewaltmetropole. Die AfD ist froh, dass es nicht zu solch schrecklichen Ereignissen wie in München oder Nürnberg gekommen ist. Aber auch bei diesen Anschlägen in unserer Heimat hat der Täter oder haben die Täter es billigend in Kauf genommen, dass es zu Verletzten oder Todesopfern hätte kommen können. Die in der Moschee wohnhafte Familie und deren Nachbarn sind Gott sei Dank nicht zu Schaden gekommen.
Wie schon zu anderen Begebenheiten, führen wir eine weitere Sonderdebatte im Landtag durch. Anhand der Anschläge sehen wir aber, dass Regierungserklärungen und dazu geführte Debatten keinerlei Wirkung zeigen. Neben der Verstärkung der Polizei und Justiz müssen endlich weitere Maßnahmen getroffen werden. Eine fraktionsübergreifende Zusammenarbeit im sächsischen Parlament, wenn es um innere Sicherheit und den Schutz unserer Bürger geht, wäre ein erster und konkreter Schritt in die richtige Richtung.
Das war der Abg. Hütter für die AfD-Fraktion. Jetzt spricht für die Fraktion GRÜNE Kollege Lippmann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Schock sitzt tief. Erneut ein mutmaßlich ausländerfeindlicher Anschlag. Viele Fragen und erneut ein Schatten, der sich über Dresden und auch Sachsen legt.
Herr Innenminister, ich danke Ihnen ausdrücklich, dass Sie umgehend Stellung hier und heute vor dem Landtag bezogen haben. Gerade in der aktuellen Situation ist dies ein notwendiges Signal sowohl in Richtung der Bürgerinnen und Bürger in Sachsen als auch in Richtung jener, die am 3. Oktober zu uns kommen wollen.
Es gilt auch von meiner Seite klar zu sagen: Wer einen Sprengstoffanschlag auf eine Moschee verübt und dabei billigend oder zielgerichtet Leib und Leben in Gefahr bringt, der begeht nicht nur widerwärtige und verabscheuungswürdige Straftaten, sondern richtet sich gegen unsere Werteordnung. Der feige Anschlag am Montagabend war nicht nur ein Angriff auf ein Gebäude und die darin lebenden Menschen; es war ein feiger und niederträchtiger Anschlag auf eine ganze Religion und damit auch ein Angriff auf die Freiheit in unserer Republik und auf unsere pluralistische Gesellschaft. Das gilt es entschieden zu verurteilen.
Dem gilt es sich zu widersetzen und vonseiten der Politik auch entschieden entgegenzustellen. Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gelten dem Imam der Moschee und seiner Familie, die nicht nur einen Sachschaden davongetragen, sondern auch großes psychisches Leid durch diesen Anschlag erfahren haben.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die konkrete Ermittlungsarbeit ist Sache der Polizei. Ich hoffe, dass es ihr gelingt, möglichst schnell Ermittlungserfolge präsentieren zu können, um die Motivation und die Hintergründe der Täter ans Tageslicht zu befördern. Dennoch muss ich konstatieren, dass man sich zwischenzeitlich gestern vollkommen unnötig einigen Fragen auch vonseiten der Polizei ausgesetzt hat, die vermeidbar gewesen wären; Stichwort: Tatortsicherung. Auch wenn dies jetzt erklärbar ist und Sie, Herr Staatsminister, dazu klar Stellung bezogen haben, sage ich ganz deutlich: Gerade in der aktuellen Situation, gerade vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Motivation der Täter können wir es uns nicht erlauben, dass auch nur zwischenzeitlich für wenige Stunden ein Anschein entsteht, der den Eindruck hinterlassen hat, hier habe man es bei der Ermittlungsarbeit nicht so genau genommen. Ich bin Ihnen für die Klarstellung dankbar, wünsche mir aber auch in diesen Fragen deutlich eine Sensibilisierung in Richtung der Polizei, dass man derartig Vermeidbares zukünftig auch vermeidet.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Polizei geht nach Lage der Dinge von einem fremdenfeindlichen Anschlag aus. Wenn dies zutrifft, dann ist der Anschlag ein erneuter Ausdruck eines vergifteten gesellschaftlichen Klimas, eines gesellschaftlichen Klimas, in dem augenscheinlich die Hemmschwellen immer mehr bröckeln, rote Linien überschritten werden und der Hass sich in Gewalt endgültig Bahn bricht, Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas, in dem zu lange zu wenig gegen Hass, Gewalt und Menschenfeindlichkeit unternommen wurde und vielmehr deren Apologeten teilweise politisch hofiert wurden oder gar bis in die Parlamente gelangen. Muss eigentlich immer wieder etwas passieren, damit klar ist, dass eines der drängenden Probleme in Sachsen, aber auch in Deutschland gefestigte rassistische Strukturen, islamfeindliche Positionen und neonazistische Strukturen sind?
Wir haben es immer mehr mit einer neuen Qualität von Gewalt bis hin zum Terror gegen Ausländer zu tun, wie wir es in der Vergangenheit – Stichwort Terrorgruppe Freital – auch in Sachsen erlebt haben.