Beim Schülerverkehr gibt es keine einzige Beteiligung des Landes mehr, nicht einmal mehr den symbolischen Betrag von 4 Millionen Euro wie in den letzten Haushalten. Sie sind also einen Schritt nach vorn und zwei Schritte zurückgegangen. Aber bevor Sie nun gleich wieder sagen, Sie würden doch alles richtig machen und das Geld des Bundes werde für den ÖPNV ausgegeben, sage ich ganz klar: Ja, richtig, Sie geben das gesamte Geld der Regionalisierungsmittel in den ÖPNV, in den Schülerverkehr, in die Infrastruktur und an die Zweckverbände.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren – damit komme ich zum Schluss –, im ersten Haushaltsentwurf waren Sie bereit, 45 Millionen Euro Landesmittel zu investieren. Das haben Sie jetzt kassiert, und es geht direkt in den Zukunftssicherungsfonds, bei dem keiner weiß, wofür das Geld ausgegeben wird. Ob es wirklich bei Bus und Bahn landet, steht infrage. Für mich sieht eine ÖPNV-Initiative anders aus.
Nun folgt die CDU-Fraktion mit dem Kollegen Nowak. Es geht dann weiter mit den Fraktionen DIE LINKE, SPD, AfD und der Staatsregierung, wenn gewünscht. Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Meier, das klingt ja ganz so, als ob der Finanzminister die Mittel, die im ersten Entwurf standen, in den großen Tresor packt oder sich irgendwie daran bereichert oder was auch immer. Sie wissen doch genau, dass das nicht stimmt.
Sie wissen doch, dass im ersten Entwurf deshalb Landesmittel standen, weil völlig unklar war, was aus Berlin kommt, und dass wir ein Szenario aus Berlin erwarten mussten, das in Größenordnungen tatsächlich ein Problem bedeutet hätte.
Dank der gemeinsamen Arbeit von Stanislaw Tillich und Martin Dulig haben wir es geschafft, dass es besser gekommen ist, als es damals zu erwarten war. Es ist doch völlig klar, dass man sich anschließend den Gegebenheiten anpasst, wenn wir Planungssicherheit haben. – Dies vorweg.
Sie wussten relativ genau, dass dieser erste Haushaltsentwurf Sicherungsmaßnahmen beinhaltete, die Abbestellungen verhindert haben. Was Sie gerade postulieren, ist: immer noch einen Schluck mehr aus der Pulle, immer noch obendrauf. So kann das meiner Meinung nach nicht funktionieren, denn wir müssen uns das System insgesamt einmal anschauen.
Es ist übrigens, wie so oft, eine Frage des Umfanges und des Zeitfensters. Der Bus wird durch den Bund überhaupt nicht gefördert, insofern ist die Überschrift, die Sie in der Aktuellen Debatte verwenden, eine sehr interessante. Ausnahmen sind Schienenersatzverkehre, wie zum Beispiel Niesky – Hoyerswerda, und natürlich die Verbindungen, bei denen zu wenige Menschen in den Zügen sitzen und deshalb auf den Busverkehr umgestellt wird. Das ist das Einzige, wofür der Bund Geld ausgibt; alle anderen Dinge sind kommunale Angelegenheit, das haben wir vor 20 Jahren so geregelt. Wir haben die Verantwortung in die kommunalen Zweckverbände gegeben, und diese sind erst einmal in der Pflicht.
Im aktuellen Fall laufen die Doppelhaushaltsverhandlungen, und wir werden uns natürlich mit den ÖPNV-Fragen beschäftigen müssen; denn wir haben die Situation, dass in den Städten – zumindest in Dresden und Leipzig – natürlich mehr Einwohner ankommen, und auf dem Land – auch wenn Sie sagen, dass wieder mehr Menschen in die Oberlausitz ziehen; dazu würde mich aber einmal der Gesamtsaldo interessieren – haben wir die Situation – das ist kein sächsischer Trend, sondern ein deutscher bzw. sogar weltweiter –, dass dort eher weniger Menschen
wohnen und die Menschen in die Städte ziehen. Das heißt, es stellt sich die Frage: Was machen wir mit dem ÖPNV auf dem Land? Wie können wir sicherstellen, dass er auch 2031, wenn die aktuelle Gesetzgebung für die Regionalisierungsmittel ausläuft, funktioniert?
Wir sind uns sicher darin einig, dass wir Sachsen beim ÖPNV zukunftsfähig machen wollen; aber nur mehr Geld oben hineinzuschütten, das ist für uns der falsche Weg, sondern wir müssen schauen, wie wir es organisieren. Deshalb ist es auch richtig, den Fonds anzulegen, den die Staatsregierung eingerichtet hat, da wir ja erst mehr Geld durch die Regionalisierungsmittel-Gesetzgebung bekommen, aber ab 2021 die Gelder in Größenordnungen weniger werden. Daher ist es richtig, dass die Staatsregierung Vorsorge trifft, Geld beiseitelegt und einen Vorrat schafft, damit wir ab 2021 nicht abbestellen müssen, sondern bis 2031 Planungssicherheit haben.
Ich möchte noch einmal auf den Punkt hinweisen, dass dies eine Laufzeit ist, von der andere Politikbereiche träumen. Eine Planungssicherheit von jetzt bis 2031 – zeigen Sie mir ein zweites Politikgebiet, auf dem das überhaupt der Fall ist. Also, ganz so schwarz, wie Sie das hier malen, ist es nicht.
Richtig ist aber auch: Wir müssen uns die aktuelle ÖPNVFin-Verordnung anschauen, denn bis 2031 wird sie in der gegenwärtigen Form dem ländlichen Raum nicht gerecht. Sie hatte sicherlich ihre zeitliche Berechtigung. Wir werden uns damit beschäftigen und werden sie anpassen. Es greift aber zu kurz, nur das Geld zu betrachten. Wir haben viel größere Themen. Dies zeigt sich jedes Mal in der ÖPNV-Strategiekommission, der Sie ebenfalls angehören. Wir müssen uns aber die Zeit nehmen, die dafür notwendig ist. Wir mussten erst einmal Datengrundlagen erarbeiten. Für die Bahn ist die Datengrundlage im SMWA vorhanden, für den Bus nicht; denn er ist überwiegend kommunal verantwortet, und es dauert lange, dies zusammenzutragen. Es hängt auch von den Landkreisen ab; denn dort gibt es höchst unterschiedliche Lieferungen der entsprechenden Verantwortlichen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, da schon viele Zahlen genannt wurden und ich den ersten Redebeitrag unterstützen kann, mit einer persönlichen Geschichte beginnen.
Ich wollte vor zwei Wochen übers Wochenende einen kleinen Kurzurlaub in Cunnersdorf bei Kamenz machen. Das liegt mitten in der Provinz, und leider, wie so oft in der Provinz, wenn sie in Sachsen ist, ist diese abgekoppelt und abgehängt.
Von Leipzig nach Kamenz, der nächstgrößeren Stadt, von Cunnersdorf aus gesehen, braucht man 2 Stunden und 20 Minuten mit dem ICE und 2 Stunden und 50 Minuten mit dem Regionalexpress, also knapp 3 Stunden für 170 Kilometer. Das Auto braucht eine ganze Stunde weniger. Dann bin ich aber noch nicht in Cunnersdorf, sondern erst in Kamenz und muss noch 7 Kilometer weiter nach Cunnersdorf fahren. Fragen Sie nicht, ob ein Bus dort hinfährt oder wie man dort hinkommt. Doch weil ich ein „linksversiffter Gutmensch“ bin, wie die AfD vielleicht sagen würde, und mir Klimaschutz wichtig ist,
bin ich mit dem Zug gefahren und habe mein Fahrrad mitgenommen, damit ich dann von Kamenz weiter nach Cunnersdorf fahren kann und nicht auf den Bus angewiesen bin.
Das war also vor zwei Wochen, am 10. September. Ich hatte tagsüber noch einige Termine in Leipzig, bin deshalb erst abends gefahren und habe drei Tage vorher mein Fahrrad im Fernverkehr angemeldet; das muss man tun, sonst kann man es nicht mitnehmen. Es gab keine Chance, das Fahrrad mitzunehmen, da die Plätze alle schon – wie gesagt, drei Tage vorher – vergeben waren. Also bin ich mit dem Regionalexpress gefahren. Das ist ja grundsätzlich auch kein Problem, dachte ich mir.
Am 10. September hat aber auch Rasenball Leipzig gespielt, also dieser Fußball-Brause-Verein in der 1. Bundesliga,
und die ganze Stadt bzw. die ganze Region war auf den Beinen. Ich ahnte auch schon, als ich zum Bahnhof fuhr, dass der Zug von Leipzig nach Dresden nicht gerade leer sein würde. Ich dachte mir aber auch: Darauf kann man ja vorbereitet sein – es gibt ja jetzt alle zwei Wochen so ein Bundesligaspiel –, und die Zugbetreiber werden schon einen zweiten Waggon ankuppeln oder vielleicht sogar einen Sonderzug einsetzen, schließlich ist es ein Bundesligaspiel. – Pustekuchen!
Ich stand also am Gleis, als Leipziger mit meinem Fahrrad, der Zug voller Dynamo-Fans, die an diesem Tag auch Dortmund-Fans waren und alle in Richtung Dresden gefahren sind. Ich stand nun da, vor mir der schwarzgelbe Zug, vollgerammelt, auch mit Polizei, die Menschen haben sich gestapelt. Es war aber der letzte Zug mit Anschluss von Kamenz nach Cunnersdorf. Ich zögerte: Ich kann doch jetzt nicht in diesen Zug einsteigen, vor
allem auch noch mit meinem Fahrrad, und, wie gesagt, die Fahrgäste stapelten sich. Die Abfahrtszeit war auch schon überschritten, die Türen waren aber noch offen und ich entschloss mich: Ich probiere das jetzt, ich steige da jetzt ein; denn ich lasse mir meinen Kurzurlaub doch nicht durch irgendein Fußballspiel vermiesen.
Sie können sich nicht vorstellen, was da los war, als ich in den Zug einsteigen wollte! Ich ergatterte aber am Ende trotzdem einen Stehplatz – am Klo, das kaputt war und stank. Natürlich war die Klimaanlage im Zug auch kaputt, und der Zug war mit über 300 Menschen vollgestellt.
Letztendlich bin ich in Cunnersdorf angekommen und konnte auch mit meinen Freunden feiern, doch ich habe auch gesehen, wie in Leipzig viele Menschen nicht in den Zug eingestiegen sind bzw. einsteigen konnten, und, wie gesagt, der Zug war die letzte Verbindung an diesem Abend.
Einige Tage später fragte ich dann den Eisenbahnbetreiber, warum er bei solchen Fußballspielen, Messen oder anderen Großereignissen nicht noch einen Waggon dranhängt oder einen Sonderzug einsetzt, je nachdem.
Das ist ja alles planbar und eigentlich auch selbstverständlich. Die Antwort war: Das ist für den Zweckverband nicht finanzierbar; denn wir fahren hier auf Oberkante Unterlippe und ein neuer Waggon bedeutet ja nicht mehr Einnahmen, sondern vor allem massive und höhere Kosten. Im Zugverkehr in Deutschland müssen die Züge ja pro Zug und pro Achse, pro Kilometer und pro Station eine Trassen- und Stationsgebühr bezahlen, was den schienengebundenen ÖPNV sehr, sehr teuer macht. Es gab keine Möglichkeit, geplant und kalkuliert einen Waggon dranzuhängen, da die Zweckverbände finanziell auf oberster Kante fahren.
Herr Nowak, es macht mich schon irgendwie wütend, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Es ist alles gut, es wird alles besser, und wir regeln das schon. Wir brauchen Sie als Opposition nicht, wir brauchen Ihre Reden nicht, und wir brauchen Ihre Hinweise nicht. Ich denke schon, dass Sie diese brauchen. Deshalb werde ich in einem zweiten Redebeitrag darauf eingehen, was wir hier besser machen möchten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir jetzt so viele Horrorgeschichten zum Thema ÖPNV gehört haben,
Gestatten Sie mir zunächst einen Blick zurück; denn wir müssen zurückschauen, um die Zusammenhänge der Finanzierung von ÖPNV/SPNV verstehen zu können. Schon im Doppelhaushalt 2011/2012 erlebten wir unter dem damaligen Minister Morlok von der FDP massive Kürzungen im Verkehrshaushalt. Spätestens nach dessen Zustimmung zum Kieler Schlüssel 2014 auf der Verkehrsministerkonferenz erwiesen sich diese als Bumerang für den ÖPNV und SPNV in Sachsen.
Der Kieler Schlüssel, dessen Berechnungsmethode je zur Hälfte die Einwohner und die bestellten Zugkilometer berücksichtigt, verschärfte diese Kürzungsorgie und hatte im SPNV einige schmerzliche Abbestellungen zur Folge. Die sächsische Schlechterstellung beim Kieler Schlüssel war vom damaligen Minister Morlok quasi hausgemacht.
Der Kieler Schlüssel und die vorherigen Kürzungen im Doppelhaushalt 2011/2012 bedeuten, dass nun die Zuweisung bzw. der Anteil der Regionalisierungsmittel für Sachsen von heute 7,16 % auf 5,3 % bis zum Jahr 2031 abschmelzen wird. Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte Sachsen vielleicht gerade noch so verkraftet, wenn nicht im September 2015 der Beschluss über die bekannten 8 Milliarden Euro, zuzüglich 1,8 % Dynamisierung gekommen wäre. Wenn dieses Worst-Case-Szenario heute noch so im Raum stünde, dann würden wir hier wirklich eine andere Debatte führen. Dann hätten wir in der Tat Diskussionen über Abbestellungen von SPNV-Leistungen.
Glücklicherweise gibt es heute eine andere, deutlich bessere Situation. Durch intensive Nachverhandlungen mit dem Bund bekommt der Osten – wie bekannt ist – 199 Millionen Euro, Sachsen davon mehr als 50 Millionen Euro, zuzüglich 1,8 % Dynamisierung. Damit konnte eine massive und folgenschwere Schlechterstellung für Sachsen im ÖPNV in letzter Minute verhindert werden. Für dieses beachtliche und sehr gute Verhandlungsergebnis aus sächsischer Sicht gebührt Ministerpräsident Tillich und dem Wirtschaftsminister Dulig ein großer Dank.