Protokoll der Sitzung vom 29.09.2016

Zweitens, natürlich müssen wir uns über die künftige Finanzierung von Schienenpersonennahverkehr und der Busverkehre verständigen. Dort müssen wir die

ÖPNVFinVO nicht nur bis 2020 anpassen, sondern wir müssen es bis 2031 stabil regeln, damit der ländliche Raum eben nicht abgekoppelt wird.

Drittens, bei der Bestellung und Finanzierung von Verkehrsleistungen, Fahrzeugen und Bediensystemen ist Größe allein kein Qualitätskriterium, aber Kleinstaaterei ist selten Bestandteil der Lösung, sondern ganz oft des Problems. Wenn man 20 S-Bahnzüge bestellt, dann gibt es nun einmal einen besseren Preis als bei zehn, und bei den Kilometerpreisen gilt Ähnliches.

Wir haben auch eine Baustelle im Schüler- und Auszubildendenverkehr. Es gibt zum Teil erhebliche Unwuchten zwischen den Regionen. Auch das müssen wir uns anschauen, vor allem mit Blick – vierter Punkt – auf das kommende Bildungsticket.

Schließlich folgt aus all diesen Fragestellungen, fünftens, die Strukturfrage. Ist es denn noch zeitgemäß, dass wir mit fünf Verkehrsverbünden unterwegs sind? Es kann sein, dass dem so ist, es kann aber auch sein, dass dem nicht so ist. Das müssen wir uns anschauen.

(Beifall bei der CDU)

Die Verbünde sind in einer Zeit entstanden, als wir sehr viel Sanierungsbedarf hatten; sie sind an die Planungsverbände angelehnt worden. Das war vor 20 Jahren sicherlich sinnvoll. Ob es heute noch so ist, wage ich zu bezweifeln. Hier wünsche ich mir auch deutlich mehr Aktion vom Ministerium, Herr Staatsminister. Die ÖPNVStrategiekommission kann nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Wir brauchen mehr Kontrolle bei den SPNV-Leistungen, bei den Ausschreibungen und Investitionen. Wir brauchen meines Erachtens auch mehr Blick auf die Vernetzung zwischen Bus und Bahn und mehr Kommunikation mit der kommunalen Ebene.

Also: Mehr Service, mehr vernetzte IT, bessere Tarife, insgesamt ein einfacheres System, das für den ganzen Freistaat die richtigen Lösungen bereithält; ein System, das die Leute in den ÖPNV lockt, anstatt sie fernzuhalten, weil es nämlich einfach und verständlich ist, statt kompliziert und gefühlt für den Einzelnen zu teuer.

Deshalb ist das Mittel der Wahl eben nicht, einfach oben immer nur Geld hineinzuschütten und zu hoffen, dass das schon irgendwie von den Zweckverbänden gemacht wird, sondern wir müssen uns das grundgängig anschauen, und das werden wir in den nächsten Jahren auch tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das war Herr Nowak für die CDU-Fraktion. Jetzt kommt Herr Böhme für die Fraktion DIE LINKE – er muss erst einmal seinen Zettel aufheben –; bitte, Sie haben das Wort.

(Zuruf: Wie sind Sie zurückgekommen? – Weitere Zurufe – Leichte Heiterkeit)

– Ich bin natürlich mit dem Zug zurückgekommen. – Wir möchten in den nächsten fünf Minuten hören, worum es geht, die Zahlen. Wir haben hier hauptsächlich eine Debatte über die Regionalisierungsmittel, also die Bundesgelder, die auch Sachsen bekommt, um den SPNV, also den schienengebundenen Nahverkehr, hauptsächlich darüber zu finanzieren.

Vor zwei Jahren sah es ziemlich düster aus; daran können wir uns sicher alle erinnern. Wir waren alle sehr geschockt über den Gesetzentwurf der Bundesregierung, wonach vor allem die ostdeutschen Länder massive Kürzungen zu verzeichnen hatten: Eine Milliarde Euro hätte es bis 2030 für Sachsen bedeutet. Die ostdeutschen Länder haben sich gegen Herrn Schäuble zusammengerauft und etwas durchgesetzt, nämlich 200 Millionen Euro mehr, wovon Sachsen 50 Millionen Euro bekommt. Das ist der größte Batzen, weil wir das Land mit den meisten Streckenkilometern sind in Ostdeutschland.

Ihre Feststellung war damals, als die Verkehrsministerkonferenz zusammentrat, um den ÖPNV in der BRD in Gang zu halten, dass wir eigentlich 2,5 % mehr Regionalisierungsmittel jährlich brauchen würden – wenigstens aber 2 %, um den ÖPNV weiter fahren lassen zu können, da die Kosten durch die Maut, durch die Trassengebühren enorm steigen. Das alles ist schon angesprochen worden.

Dazu gab es vor zwei Jahren hier im Landtag eine Debatte. Einen der Abgeordneten möchte ich zitieren: „Der guten Ordnung halber sage ich, dass dieser Beschluss der Verkehrsministerkonferenz einstimmig erfolgt ist, also auch mit der Stimme Sachsens. Und damit nicht genug – die Ministerpräsidentenkonferenz hat sich diese Position mit 16 : 0 Stimmen zu eigen gemacht. Es versteht sich deshalb ganz von selbst, dass die Sächsische Staatsregierung nicht mehr hinter diesen Beschluss zurücktreten wird, egal was die Bundesregierung jetzt zu diesem Thema vorlegen wird. Ihre Forderung ist also bereits Regierungshandeln.“ Herr Nowak, das war natürlich von Ihnen. Sie haben das heute wieder so gesagt: Alles, was wir fordern und andiskutieren, sei ja schon Regierungshandeln; alle Probleme, die wir hier ansprechen, würden schon gelöst.

Sie wissen, was passiert ist. Die Ostländer haben sich erst über den Tisch ziehen lassen; danach haben sie sich zusammengerauft und jetzt 50 Millionen Euro mehr für Sachsen bekommen. Das alles klingt nach einem guten Kompromiss, doch fragen Sie einmal die Zweckverbände.

(Andreas Nowak, CDU: Das ist mehr, als wir vorher hatten!)

Fragen Sie die Zweckverbände. Sie haben den Zweckverbänden jetzt eine Garantie von 1,8 % bis 2030 gegeben; das ist weniger als 2,5 %. Es ist auch weniger als 2 %. Fragen Sie einmal die Zweckverbände gerade im ländlichen Raum,

(Andreas Nowak, CDU: 2,5 % bekommt kein anderes Bundesland!)

Zweckverbände, die im ländlichen Raum, etwa im Vogtland oder in der Lausitz, für wenige Einwohner viele Streckenkilometer bedienen müssen.

(Andreas Nowak, CDU: Genau deswegen müssen wir die Strukturfrage stellen; sehr richtig!)

Die haben massive Probleme, und ihnen reichen diese Prozente nicht. Von den 50 Millionen Euro, die Sachsen extra bekommt, geben Sie 1 Million Euro an die Zweckverbände weiter, damit sie grundsätzlich besser steuern können.

(Andreas Nowak, CDU: Das ist doch Quatsch!)

Vorher waren es 78 % der Regionalisierungsmittel, die Sie weitergegeben haben. Für 2018 waren eigentlich 80 % geplant. Nun sind wir bei 72 %. Das ist beschämend.

(Andreas Nowak, CDU: Es kommen 100 % im System an!)

Deswegen werden wir Ihnen in den Haushaltsverhandlungen konkrete Vorschläge machen, wie wir diesen Anteil wieder auf 80 % und mehr erhöhen können, und dies ohne Schulden zu machen oder uns aus anderen Ministerien Geld zu nehmen. Das werden wir bei den Haushaltsberatungen durchdeklinieren. Darauf freue ich mich schon.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Nach Herrn Böhme von der Fraktion DIE LINKE kommt jetzt Herr Kollege Baum erneut nach vorn. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Meier, ich stehe zu meinem Geschwätz von gestern,

(Beifall bei der SPD und des Abg. Andreas Nowak, CDU)

weil klar ist, dass wir Anfang dieses Jahres noch eine ganz andere Diskussionsgrundlage hatten.

(Andreas Nowak, CDU: Genau!)

Damals mussten wir nämlich von den 8 Milliarden Euro ausgehen, die der Bund nach dem Kieler Schlüssel beisteuern wollte. Dafür mussten wir Szenarien diskutieren, für diesen Worst Case. Wie sowohl ich als auch der Kollege Nowak vorhin schon gesagt haben, haben wir heute zum Glück eine neue, eine bessere Situation.

Ich spreche eben nicht nur für die Oberlausitz, sondern für ganz Sachsen. Wir haben in der Koalition alle Zweckverbände im Blick.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Aber ich will ganz klar sagen: Auch uns ist der Haushaltsansatz aus der Ergänzungsvorlage natürlich bekannt.

Auch wir, auch ich haben das alles gelesen. Wir kennen die Implikationen im ÖPNV-Bereich genauso gut wie Sie.

(Andreas Nowak, CDU: Wir kennen sie besser!)

Okay. – Frau Kollegin Meier, wir machen in der Koalition unsere Hausaufgaben, und wir sind in der Lage, nachzusteuern. Wir schauen in unseren Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2017/2018 eben auf das Gesamtpaket ÖPNV/SPNV und damit auch auf den Schülerverkehr. Das hat auch Kollege Nowak schon gesagt.

Zuletzt noch: Ja, in der Strategiekommission, in der auch Sie Mitglied sind, diskutieren wir diesen gesamten Komplex. Ich kann nur sagen, dass ich froh und dankbar bin, dass wir diese Strategiekommission ins Leben gerufen haben, damit wir das Gesamtthema in dieser Kommission mit Fachleuten und Politikern aus allen Fraktionen ergebnisoffen diskutieren können, um für die Zukunft ein besseres ÖPNV/SPNV-System hinzubekommen.

Unsere Regierungskoalition ist – das sage ich deutlich – tatsächlich selbst in der Lage zu erkennen, wo und welche Verbesserungen für einen zukunftsfähigen ÖPNV/SPNV erforderlich sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das war Herr Kollege Baum von der SPD-Fraktion. Jetzt spricht erneut Frau Kollegin Grimm für die AfD-Fraktion. Sie haben nur noch wenig Redezeit: 2 Minuten und 5 Sekunden. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen Abgeordnete! Nun zum Thema ÖPNVOffensive. Die Parlamentsarbeit der GRÜNEN zeitigte bisher vier Anträge zum Thema Verkehr, davon zwei zum Fluglärm Halle/Leipzig und einen zu Tempo-30-Zonen in Innenstädten. Nur ein einziger Antrag hat den Begriff ÖPNV in der Überschrift.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Und wie haben Sie das gemacht?)

Dabei ging es um landesweite Tickets für Schüler, Studierende und Senioren. So sieht auf alle Fälle keine ÖPNVOffensive aus.

Was kann ich mir unter einer ÖPNV-Offensive vorstellen? Vereinfachte Tarife und mehr Transparenz für die Bürger, bessere Anbindung vor allem im ländlichen Raum, Auslastungsüberprüfungen mit eventuell erfolgenden Umstrukturierungen, eine bessere Vernetzung der Verkehrsmittel und mehr Angebote in den Ferien und an Wochenenden. Diese Ideen möchte ich aber nicht auf dem Niveau „Wünsch dir was“ besprechen. Eine sofortige Umsetzung einer solchen Offensive ginge auf Kosten der Planungssicherheit der Verkehrsverbünde.