Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

(Dr. Frauke Petry, AfD: Das tun wir nicht! – Weitere Zurufe von der AfD)

Ich weiß nicht, ob es klug ist, gerade Sie, die Sie ja doch das eine oder andere Mal auch auffällig werden durch Grenzüberschreitungen, Grenztangierungen – –

(Dr. Frauke Petry, AfD: Was insinuieren Sie denn?)

Ich möchte auf Ihren vermeintlichen oder tatsächlichen Schießbefehl abstellen –; da würde ich mir doch wünschen, Sie würden dort etwas zurückhaltender sein, denn Sie haben Ihre eigene Scharia im Kopf, und die muss offensichtlich geschützt werden.

Selbsterklärte Patrioten ziehen durch unser Land. Sie sind jeden Montag zu bestaunen – hier in Dresden leider immer noch.

(André Barth, AfD: Hä?)

Wir dürfen im Internet auf Facebook immer wieder feststellen, dass die Form der Auseinandersetzung, des politischen Diskurses kein Diskurs mehr ist, sondern offensichtlich nur noch Selbstvergewisserung und gegenseitige Schuldzuweisung. Insofern kommt man schon zu dem Schluss, den Heiner Müller 1991 schon einer Tageszeitung ins Buch geschrieben hat: Zehn Deutsche sind natürlich dümmer als fünf Deutsche – und bei Ihnen sitzen ja nun 14.

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Insofern weiß ich nicht, ob es hilfreich ist, auch hier wieder nach vaterlandslosen Gesellen zu suchen.

(André Barth, AfD: Bei euch sind es 29!)

Das ist ja offensichtlich Ihr Ziel: Sie wollen wieder Leuten klarmachen, das sind die Unpatrioten, und Sie wären dann wohl angeblich die Patrioten, die fürs Gute im Lande stehen.

Es ist schon sehr spannend, wenn wir einmal auf Deutschland und auf die großen Dichter und Denker schauen, die wir doch als große Deutsche feiern, die immer ein sehr schwieriges Verhältnis zu Deutschland hatten, gerade zu ihrer Zeit – ob es Schiller, Goethe, Heine oder Büchner sind –: Alle haderten mit Deutschland, und das aus Gründen.

Vielleicht könnte man es so formulieren: Wirklich große deutsche Patrioten haben immer mit diesem Land gehadert. Wenn Sie also davon sprechen, würde ich mir von Ihnen wünschen, dass die Ausfälle – die Problemlagen, die es in diesem Land gibt und die man nicht wegreden sollte – –

(Dr. Frauke Petry, AfD: Ach, auf einmal?!)

Man sollte sie nicht wegreden, sondern genau hinschauen, warum Leute auf die Straße gehen. Warum haben sie so viel Frust? Ich frage mich aber, ob Sie sich darüber bewusst sind, dass Sie hier eine Rolle spielen. Die Rolle, die Sie gerade einnehmen wollen, ist, sich diese Stimmungen zunutze zu machen und eine Anti-EstablishmentPolitik zu betreiben. Wohin das führt, das wissen wir eigentlich relativ genau: zu Auseinandersetzungen, die die

Gesellschaft nicht zusammenbringen, sondern spalten würden.

Wir haben es gerade in Amerika erleben dürfen, wie es ist, wenn sich jemand als Anti-Establishment hinstellt und so tut, als würde er die Interessen der Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen, aber eigentlich nur Ressentiments schürt und sich dies zunutze macht.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN – Lachen bei der AfD)

Das ist Ihre Politik, und der werden wir nicht auf den Leim gehen. Dementsprechend ist diese Debatte so überflüssig wie ein Kropf.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Das war Herr Kollege Scheel für die Fraktion DIE LINKE. Gibt es noch Redebedarf bei der SPD, Frau Kollegin Kliese? – Nein. GRÜNE? – Haben keine Redezeit mehr.

Wollen wir eine dritte Rederunde eröffnen? – Es wird eine dritte Runde gewünscht und für die einbringende Fraktion spricht erneut Frau Dr. Petry.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, hier liegen große Missverständnisse in den Fraktionen vor.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ach?)

Ja, besonders bei Ihnen, Herr Lippmann.

Wir haben uns weder als Sittenpolizei noch als moralische Instanz geriert. Das ist genau das Problem: dass Sie versuchen, den Meinungsstreit zwischen Inhalten zu der Frage von moralischer oder nicht moralischer Integrität zu führen. Darum geht es aber nicht in der Politik; denn Sie, Herr Voigt, sind moralisch nicht besser und nicht schlechter als ein Abgeordneter der LINKEN, der GRÜNEN oder der AfD. Das ist ein völlig falscher Politikansatz. Das ist genau das Problem der politischen Debatte nicht nur in Deutschland. Sie haben eindrucksvoll einmal mehr von diesem Missverständnis Zeugnis abgelegt.

Zusätzlich kommt, dass ich doch gerade die CDU fragen muss, wenn sie so hervorragenden Kontakt zu den Bürgern hat, warum die Zahl der Bürgerbüros im Verhältnis zu anderen Parteien so verschwindend gering ist; warum Bürger, die seit Jahren in Ihre Bürgerbüros gehen, wo drei Abgeordnete ein Büro betreiben, während bei kleinen Parteien, auch bei der AfD, ein Abgeordneter bis zu drei Büros betreibt, jetzt zu uns kommen und uns erzählen, dass sie von Ihnen nichts mehr erwarten. So weit scheint es mit Ihrer Bürgernähe, mit der Vertretung nicht her zu sein.

(Beifall bei der AfD)

Die Partei des angeblich kleinen Mannes – wunderbares Zitat von Heiner Müller –, das demaskiert Sie, Herr Scheel, so richtig. „Zehn Deutsche sind dümmer als fünf Deutsche“ haben Sie gerade gesagt. Wenn das Ihr Verständnis von dem kleinen Mann, von dem Bürger auf der Straße oder zu Hause ist, dann bringen Sie ihm offenbar nur Verachtung und Mitleid entgegen. Das ist nicht das Zeichen einer Volkspartei. Gerade mit diesen Menschen müssten Sie sich auseinandersetzen. Und was machen Sie? Sie rümpfen die Nase vielleicht über die einfache und manchmal auch grenzwertige Sprache, aber dann haben Sie die Bürger schon verloren.

(Beifall bei der AfD)

Deswegen komme ich zurück zu dem Ziel und dem Inhalt unserer Debatte. Es ist die Frage, warum diese Aussagen nicht nur in diesen Jahren, sondern auch schon seit Jahren, wenn ich über Vorfälle in Sebnitz oder an anderer Stelle in Sachsen, zum Beispiel in Mügeln, nachdenke, warum der Reflex immer gleich dahin geht, das eigene Land zu diffamieren und selbstverständlich auch die eigenen Menschen. Warum ziehen wir uns, warum ziehen Sie sich diese Art von ideologischer Jacke an? Ich will es Ihnen sagen: weil es Ihnen in Ihren ideologischen Kram passt. Wenn es für Sie nur einen Kampf gibt – nämlich den gegen angeblich rechts –, dann verschwindet zweifellos alles andere daneben. Sie finden rechts schlimm, aber links ist okay, und Islamisten sind für Sie Folklore – für einige von Ihnen.

Die Redezeit.

Für Sie sind Pegida-Leute, die in Dresden demonstrieren, –

Die Redezeit geht zu Ende.

– schlimmer als Familienclans, die offensichtlich in anderen Teilen des Landes ganze Stadtteile terrorisieren. Solche Politik muss korrigiert werden. Dafür sind wir angetreten. Wie Sie uns gezeigt haben, werden Sie uns dabei tatkräftig Hilfe leisten.

(Beifall bei der AfD)

Das war Frau Dr. Petry für die einbringende AfD-Fraktion. Gibt es jetzt noch weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Die Redezeit der einbringenden Fraktion ist aufgebraucht. Die Staatsregierung möchte das Wort nicht ergreifen. Damit ist die Zweite Aktuelle Debatte abgeschlossen und dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

Befragung der Staatsminister

Für die Staatsregierung berichtet zunächst die Staatsministerin für Gleichstellung und Integration beim Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, Frau Petra Köpping, zum Thema Spracherwerb und Verständigung als Schwerpunkt gelingender Integration.

(Staatsministerin Petra Köpping geht zum Rednerpult.)

Moment, ich muss noch ein bisschen dazu sagen, Frau Staatsministerin. – Hierfür stehen ihr nach § 54 der Geschäftsordnung bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Anschließend haben die Fraktionen über eine Dauer von insgesamt 35 Minuten die Möglichkeit, der Staatsministerin Fragen zu ihrem Bericht sowie zu einem weiteren Themenkomplex zu stellen. Als weiterer Themenkomplex hat die Fraktion der SPD das Thema „Strategie zum Schutz vor Diskriminierung und zur Förderung von Vielfalt im Freistaat Sachsen“ benannt.

Es gilt wieder die Festlegung, dass in der ersten Fragerunde nur Fragen zum Berichtsthema der Staatsregierung gestellt werden. In den weiteren Runden können Fragen sowohl zu diesem Thema als auch zu dem von der SPDFraktion genannten Themenkomplex gestellt werden.

Ich erteile nun Frau Staatsministerin Köpping das Wort. Bitte, jetzt gehört das Pult Ihnen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Sprache ist ein zentrales Thema der Integration. Jeder sagt, Sprache sei der Schlüssel zur Integration. Der Bereich Spracherwerb und Verständigung unterliegt spätestens seit Ende des Jahres 2015 einer enorm hohen Dynamik. Es ist ganz viel passiert.

Vor dem Hintergrund der hohen Asylzugangszahlen im Jahr 2015 und auch im Jahr 2016 und der hohen Anerkennungsquoten insbesondere bei Personen aus den Ländern mit guter Bleibeperspektive, also Eritrea, Iran, Irak, Somalia und Syrien, hat sich beispielsweise die Bundesregierung dazu entschlossen, die Integrationskurse, die bisher nur Bleibeberechtigten offenstanden, auch für Personen aus den oben genannten Ländern zu öffnen.

Gleichzeitig haben wir uns als Koalition in Sachsen schon im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass alle Migrantinnen und Migranten einen Zugang zum Spracherwerb bekommen sollen, weil der Spracherwerb die Voraussetzung für jede Verständigung und damit auch für ein friedliches Zusammenleben ist.

Damit wird die Frage des Spracherwerbs zu einem komplexen Feld, welches recht schwer zu überblicken ist. Herr Mackenroth hat es einmal ein „leichtes Wirrwarr“ genannt. Deshalb habe ich das Thema auch heute für die

Diskussion genutzt, um beim Thema Sprache einfach ein bisschen Licht in den Tunnel zu bringen.