Ich sage einmal etwas Positives. Ihr Antrag hält sich mit Lösungsmöglichkeiten zurück, aus gutem Grund, hoffe ich. Sie sind der Überzeugung, dass es kein politisches Gremium oder der Landtag sein kann, der Vorschläge und Vorschriften dazu macht, wie die politische Bildung durchzuführen ist. Das müssen die Weiterbildungsinstitutionen selbst tun. So ist es nun einmal in einem freien Land und einer pluralistischen Gesellschaft. Wenn das der Grund für die Zurückhaltung ist, dann unterschreibe ich
Ihnen diesen gern und sofort. Das finde ich gut. Wir sind dafür zuständig, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Weiterbildungseinrichtungen das tun können. Ich finde es schade, dass Sie nicht anerkennen, was dort passiert.
Sie sagten, dass die politische Bildung in Sachsen hauptsächlich durch die Landeszentrale für politische Bildung stattfindet. Ja, die Landeszentrale ist ein wichtiger Player, eine wichtige Institution. Sie ist aber beileibe nicht die einzige und nicht hauptsächlich. Wir haben vor ein paar Tagen den Angriff der AfD auf die parteinahen Stiftungen erlebt. Sie sind ein ganz wesentliches Rückgrat der politischen Erwachsenenbildung in Sachsen.
Das sind die Rosa-Luxemburg-, die Konrad-Adenauer- und die Friedrich-Ebert-Stiftung. Es findet eine Vermittlung von politischen Werten und Techniken der politischen Auseinandersetzung und der Diskursfähigkeit statt. Es gibt die kommunalpolitischen Bildungswerke, bei denen es darum geht, dass Menschen, die sich ehrenamtlich in Kommunen engagieren, fit gemacht werden, damit sie das können. Wissen und Fähigkeiten müssen vermittelt werden. Die Auseinandersetzung mit den für das Zusammenleben und den Zusammenhalt der Gesellschaft wesentlichen Werten wird angeregt. Das passiert in Sachsen.
Sie schreiben aber zu Recht, dass die Nachfrage gering ist. Warum ist die Nachfrage gering? Wenn wir alle eine Antwort darauf hätten, dann wäre die Nachfrage größer. Wir Parteien würden unsere Angebote ebenfalls so ausrichten, dass auf einmal so viele Leute und nicht so wenig kommen. Nicht nur Kollege Bienst hat das beschrieben. Das kennen alle, die mit Bürgersprechstunden, Veranstaltungen und Ähnlichem versuchen, politische Bildung auch im praktischen Bereich zu machen. Wenn man ehrlich ist, muss man feststellen, dass dies nicht viel wahrgenommen wird.
Ein Punkt ist, wir haben in Sachsen vielleicht Nachholbedarf, dass wir uns überlegen müssen, wo wir Politik stattfinden lassen. Wir haben eine, leider auch durch die DDR-Vergangenheit, unsägliche Tradition, Politik als etwas Schlechtes zu empfinden. Wir möchten Menschen davon fernhalten, weil Politik nichts Gutes sein kann. Jeder, der politisch tätig ist, kennt das. Man wird als Aussätziger betrachtet, bestenfalls bemitleidet.
Es wird gewünscht, lieber nicht damit in die Kita zu kommen. Man möchte lieber keine politischen Diskussionen irgendwo. Von der Schule soll man sowieso fernbleiben. Das ist ein Grund dafür, dass Menschen gar keine Lust auf politische Bildungsangebote haben. Sie haben das Gefühl, dass sie über etwas in bester staatsbürgerkundlicher Manier belehrt werden, was ansonsten im normalen Leben schlecht ist. Das führt zu Folgendem: Wenn Bildungsinstitutionen anfragen, ob sie die Kantine des Krankenhauses XY für eine Veranstaltung nutzen können, sodass die Krankenhausmitarbeiter gleich dort
hingehen können, dann wird das abgelehnt, weil man keine politischen Veranstaltungen dort haben möchte. Das führt ebenfalls zu Folgendem: Wenn Bildungsinstitutionen fragen, ob sie die Aula einer Schule – vielleicht im Anschluss an den Elternabend – benutzen können, dann ist das nicht gewünscht.
Es gibt Eltern-Kind-Zentren. Wir sollten darüber nachdenken, ob wir dort nicht nur die Gelegenheit zum Dialog über die Ernährung und Erziehung nutzen, sondern vielleicht auch über gesellschaftliche Fragen. Das sind alles Möglichkeiten, so glaube ich, bei denen sich das Denken in Sachsen etwas ändern muss, bei denen ich aber den Eindruck habe, dass der Landesbeirat für Erwachsenenbildung sich in der Weiterbildungskonzeption vorgenommen hat, solche Überlegungen zu treffen. Wir haben es jetzt geschafft, die Ressourcen noch zu verbessern. Ich glaube, wir wären gut beraten, wenn wir in den nächsten Monaten ein genaueres Augenmerk darauf haben, wie wir das Ganze befördern können, was aus den Weiterbildungseinrichtungen selbst kommt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! An Frau Junge gerichtet: Das hörte sich an, als wollten Sie den Staatsbürgerunterricht durch die Hintertür wieder einführen. Das geht natürlich gar nicht.
Sowohl der Antrag der LINKEN als auch die Antwort der Ministerin demonstrieren das ganze Elend unserer politischen Kultur, auch und gerade in der politischen Erwachsenenbildung. Es geht nur um die Hege und Pflege des jeweiligen Milieus der Beeinflussung, nicht die Spur eines neuen Gedankens. Keine neue Idee zum Wesen, zum Sinn und Zweck politischer Bildung. Keiner der wertvollen Hinweise von Frank Richter, scheidender Leiter der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, wurde aufgegriffen. Es gibt keine Erweiterung der hoch attraktiven internationalen Jugendbegegnungen, und man hört und liest auch nichts über ein sächsisches Bildungsurlaubsgesetz.
Insoweit sei politische Bildung schon ein Wert an sich. Sie ist aber ein Produkt des Lebens, der persönlichen Lebensumstände und der Erfahrungen mit seinen Mitmenschen. Politische Bildung ist überall, in der Familie, bei der Arbeit, beim Sport und beim Spiel genauso wie in Schulen und Universitäten. Sie ist überall da, wo man kooperiert und sich mit anderen Interessen arrangieren und austauschen will. Sie ist eben nicht nur eine Sache von Unterrichtseinheiten und Veranstaltungen.
Demokratie erschöpft sich ja nicht im rhythmisch wiederholten Ankreuzen auf dem Stimmzettel, sondern ist alltägliche Lebenspraxis. Demokratie braucht den mündigen, den selbstbestimmten Bürger. Dieses übergeordnete Lernziel fehlt sowohl im Antrag als auch in der Antwort. Zur Demokratie gehört die politische Kontroverse, und dafür brauchen wir Freiraum – den Freiraum für selbstbestimmte Erfahrungen ohne staatlich alimentierte Besserwisser, die zum Beispiel die Umfrage des „Sachsenmonitors“ dazu benutzen, wie es unsere Kultusministerin in ihrem „SZ“-Artikel getan hat, um alle auf einen strikt einheitlichen Wertekanon zu verpflichten. Zum Glück für die Menschheit hat das aber noch nicht einmal die Inquisition geschafft.
Am vergangenen Samstag konnten wir also in der „Sächsischen Zeitung“ lesen, dass Frau Kurth feststellt: Schule darf kein unpolitischer Raum sein. Sie ist beunruhigt und alarmiert wegen angeblich menschenfeindlicher oder gar rechtsradikaler Einstellung bei jungen Sachsen. Wer wie die Kultusministerin glaubt, nur in den Echokammern der sozialen Medien würden unverrückbare Weltbilder produziert, der sieht, um es mit dem Evangelisten Matthäus zu sagen, den Splitter im Auge des anderen, aber bemerkt den Balken im eigenen Auge nicht.
Liebe Frau Kurth, das ist betriebsblind. Nicht nur die Echokammern des Internets sind gefährlich, sondern vor allem die Naivität, mit der hier das Problem der medialen Glaubwürdigkeit behandelt wird. Ich zitiere: „Wer so in seiner Sicht immer wieder bestärkt wird, denkt am Ende sogar, dass die Medien lügen.“ Natürlich lügen die Medien. Denn auch Halbwahrheiten sind Lügen. Es gibt glücklicherweise keine objektiven Journalisten. Sie alle schreiben für ihre Interessen, sei es für Geld oder für ihre politischen Ansichten.
Die sind bei uns nun einmal überwiegend grün, nochmals grün und rot. Ziel der politischen Erwachsenenbildung in der Demokratie muss die aktive, offene Bürgergesellschaft sein. Dafür brauchen wir das Internet. Niemand sollte in der Einsamkeit vor dem Fernseher verelenden, denn das ist die wirkliche Echokammer. Wer das nicht begreift, vermittelt keine Medienkompetenz, weder in der Schule noch in der politischen Bildung. Auch hier sind Sie betriebsblind. Im Gegensatz zur Einsamkeit vor dem Fernseher sind Internet und die sozialen Medien geradezu vorbildlich aktivierend. Sie brauchen keinerlei staatlich gelenkte Kontrolle.
Falschnachrichten – früher Enten, heute fake news – wie das baldige Ende des Erdöls oder das Waldsterben oder die Rente ist sicher oder der Euro wird genauso gut wie die D-Mark kamen nicht aus dem Internet.
Jeder Stammtisch, jeder Sport- oder Kegelverein ist eine bessere Kontrollinstanz als eine staatlich geförderte
Manipulation der Manipulateure – im Pädagogikjargon Multiplikatoren genannt –, denn, Herr Bienst hat es auch schon erkannt, bei der politischen Bildung geht es auch für Erwachsene nicht nur um Wissensvermittlung, sondern um den Diskurs, um den Austausch von Meinungen, um Toleranz gegenüber anderen Meinungen, um das Aushalten anderer, auch vielleicht falscher Positionen. Was nicht geht ist, Bürger, wie die wütenden Dresdner Spaziergänger, die sich freischaffend mobilisiert haben, mit Steuergeldern zu diskriminieren.
Machen wir also dem Bürger Angebote. Organisieren wir Vorträge und schaffen wir Räume für Begegnungen, fördern wir den Jugendaustausch mit unseren unmittelbaren Nachbarn, auch und gerade in strukturschwachen Regionen und gerade im ländlichen Raum. Der mündige Bürger weiß schon, welche Angebote ihn interessieren.
Und an Herrn Bienst gerichtet: Das richtige Angebot zur richtigen Zeit an die richtige Zielgruppe ist eigentlich ein Selbstläufer. Ich weiß, wovon ich rede. In meinem Kreisverband bin ich für die Planung und Organisation der Veranstaltungen zuständig.
In unserer kurzen Geschichte haben wir eine Vielzahl von Projekten erfolgreich und strikt demokratisch durchgeführt.
Wir haben mehr als 50 Vorträge und Lesungen mit renommierten Fachreferenten, Bestsellerautoren und Politikern aus unseren Nachbarländern veranstaltet, und das ganz ohne Fördermittel und selbst ohne eine parteinahe Stiftung, Frau Friedel.
Politische Bildungsarbeit entwickelt sich somit frei aus der politischen Praxis heraus und sollte so staatsfern wie irgend möglich organisiert werden. Auch hier gilt der Grundsatz: Hilfe zur Selbsthilfe.
Arbeit und Leben bieten genügend Stoff, aus dem sich ein politischer Diskurs entwickelt und auch entwickeln muss. Deshalb plädieren wir für weniger Subventionen, aber für mehr Freiräume mit mehr Freiheit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Wilke, ich sage Ihnen einmal, wofür Sie das Internet brauchen oder besser gesagt missbrauchen, nämlich, um Empörung zu erzeugen über die anderen Parteien, Ängste zu verstärken gegen alles
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst wollte ich gegen den Antrag sprechen, weil es beim ersten Lesen für mich eine Kleine Anfrage war und ich mich gefragt habe, was das im Plenum soll. Aber dann habe ich die Stellungnahme der Staatsregierung gelesen. Diese ist ein ganzes Stück weit ein Armutszeugnis. Die Fragen der LINKEN werden eher technisch abgearbeitet, so, als ob es die grundlegenden und tiefgreifenden Probleme der politischen Bildung in Sachsen gar nicht gäbe. Ich erlebe es doch seit Jahren. Es sprechen mich Bürger an, oft freundlich, oft ungeduldig, aber oft auch sehr aggressiv, die wenig Verständnis für die Abläufe der Demokratie haben, denen die Entscheidungsprozesse zu lange dauern, die die fehlende Unterstützung ihres Bürgerwillens einklagen, die bei mir quasi Lösungen ihrer Probleme bestellen, völlig ungeachtet von Ebenen, Zuständigkeiten oder der Gewaltenteilung, so, als wäre Politik eine Art Pizzaservice.
Ich habe nicht die Illusion, dass politische Bildung ein Allheilmittel für die Überwindung der wachsenden Unzufriedenheit in unserer Gesellschaft ist, aber es ist natürlich notwendig, den Versuch zu unternehmen, niedrigschwellige Angebote für Menschen unterschiedlichster Generationsschichten und Berufsgruppen zu machen, meine Damen und Herren, indem sie sich mit den Verfahrensweisen der Demokratie vertraut machen können, indem sie auch gegensätzliche Interessen als Ausdruck einer vielfältigen Gesellschaft begreifen. Gerade der „Sachsenmonitor“ hat die alarmierende Einstellung zur Demokratie in Sachsen offenbart, zum Beispiel den sehr weit verbreiteten Wunsch nach einer starken Partei, die zuerst die Volksgemeinschaft repräsentieren soll.
Das zeigt doch, dass wir viel zu wenig über Vielfalt, über Gegensätzlichkeit von Lebensentwürfen, Neigungen, Bedürfnissen bis hin zu widerstreitenden ökonomischen Interessen, auch politischen Interessen sprechen, dass es natürlich völlig legitim ist, widerstreitende Positionen und Interessen zum Ausdruck zu bringen. Es geht doch gerade bei der politischen Bildung auch um die Ermächtigung von Bürgerinnen und Bürgern, ihre eigenen Interessen zu erkennen und sich dann auch selbst einzumischen.
Jetzt hat sich aber in Sachsen leider eine politische Kultur etabliert, die sich in dem – auch hier im Haus – gern verwendeten Bild vom starken Staat zeigt. Diese Kultur bedient ja geradezu die fatale Vorstellung, dass der starke Staat alle Probleme des gesellschaftlichen Lebens regeln und lösen könne. Genauso habe ich in den letzten zwei Jahrzehnten das Gebaren mancher Minister, Landräte und Wahlkreisabgeordneten erlebt. Das Motto lautet ganz
häufig: Wir machen das schon! Wir wissen das sowieso alles besser. Mischt euch da mal nicht ein. So werden demokratische Prozesse aber gerade nicht erlebbar, meine Damen und Herren.
Es ist zudem dringend nötig, dass sich das Kultusministerium, Frau Kurth, aber auch die Staatskanzlei endlich mal mit den Ergebnissen der Ländervergleichstudien auseinandersetzen, in denen Sachsen bei der politischen Bildung jeweils mit deutlichem Abstand Platz 16 attestiert wird. Ein Kernproblem der politische Erwachsenenbildung ist, dass sie bislang fast nur mit Zielgruppen erfolgt, die ohnehin über größeres Vorwissen verfügen und ohnehin Engagement und Interesse zeigen.
Es kommt daher darauf an, Instrumente und Maßnahmen zu entwickeln und zu fördern, die bislang nicht erreichte Gruppen aktiv aufsuchen. Die Landeszentrale, die Volkshochschulen, freie Träger in der politischen Bildungsarbeit, auch Gemeinwesenprojekte können solche aufsuchenden Maßnahmen für Personen, die eher einen geringen Zugang zu Bildungsangeboten in den ländlichen Regionen haben – auch für Migrantinnen und Migranten – durchführen.