Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Kann man noch besser machen!)

Als letztes Beispiel nenne ich das Beschwerdestellensystem, welches in allen Landkreisen und kreisfreien Städten installiert werden soll. Es ist sehr aufwendig ausgestaltet, wenn man sich die extrem detaillierte Festlegung zu deren Besetzung und die umfangreichen Dokumentations-, Anhörungs- und Berichtspflichten anschaut. Ich bin außerordentlich skeptisch, ob eine derartige Institutionalisierung wirklich dazu beiträgt, die in der Tat vorkommenden Probleme real zu lösen.

Anstelle einer weiteren bürokratischen Gremienlandschaft wäre es effektiver, die Betreuung und rechtliche Beratung der Betroffenen sowie die in Sachsen schon bestehenden Netzwerke zu stärken. Damit können Probleme wirklich behoben und Rechtsansprüche der Geflüchteten tatsächlich durchgesetzt werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch nicht verschweigen, dass sich aufgrund des parlamentarischen Verfahrens auch bei mir immer mehr der Eindruck verfestigt hat, dass es sich bei diesem Gesetzentwurf um einen Schnellschuss handelt. Sie wollen politische Signale setzen – das ist legitim –, aber um eine wirklich umsetzbare Weiterentwicklung der in der Tat extrem zersplitterten und in Teilen auch nicht sehr zeitgemäßen Regelungen scheint es der Linksfraktion nicht zu gehen. Schade!

Dieser Eindruck wurde noch verstärkt, weil Sie keinen Wert auf eine öffentliche Anhörung im federführenden Innenausschuss mit entsprechenden Stellungnahmen, zum Beispiel der kommunalen Spitzenverbände, gelegt haben. Zwar habe ich den Diskussionen im Ausschuss und der Einführungsrede von Kollegin Klotzbücher entnommen, dass fraktionsinterne Anhörungen hierzu stattgefunden haben sollen – Sie haben die Liste derer benannt, mit denen Sie gesprochen haben wollen –, aber die Ergebnisse dieser fraktionsinternen Anhörungen haben Sie weder den Bürgerinnen und Bürgern, also der Öffentlichkeit, noch den anderen Fraktionen zugänglich gemacht, was die Glaubwürdigkeit dieses Vorhabens schlicht und ergreifend schmälert. Wenn Sie es ernst meinen würden,

dann hätten Sie eine öffentliche Anhörung nicht nur nicht gescheut, Sie hätten sie geradezu gesucht.

Dies sind einige Punkte, aufgrund derer die SPD-Fraktion diesen Gesetzentwurf für unausgegoren und damit für nicht zustimmungsfähig hält. Daher werden wir ihn ablehnen, ohne dabei unsere Mitmenschlichkeit preiszugeben, Frau Kollegin Klotzbücher.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Sebastian Scheel, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Abg. Scheel.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich würde gern von der Möglichkeit einer Kurzintervention Gebrauch machen.

Bitte sehr.

Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Kollege, ich kann den Katzenjammer nicht so ganz verstehen, wenn es um ein Anhörungsrecht geht, das wir hätten in Anspruch nehmen müssen. Soweit ich weiß, ist jede Fraktion im Haus berechtigt und in der Lage, eine solche Anhörung zu beantragen, wie wir es hin und wieder zu Gesetzentwürfen Ihrer Fraktion, der Koalition oder der Staatsregierung tun.

Wenn Sie ein solches Interesse wirklich gehabt hätten und dies der Wahrheitsfindung hätte dienen sollen, dann wären selbstverständlich auch Sie gefordert gewesen, dieses Anhörungsrecht im parlamentarischen Verfahren geltend zu machen. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Wenn es um die Frage der Spitzabrechnung geht, dann schlagen wir im Gesetzentwurf vor, dass es um eine temporäre Regelung gehen soll. Dafür gibt es Gründe. Die Staatsregierung hat die Kommunen, die Verwaltungen aufgefordert, Ressourcen für die Unterbringung von Flüchtlingen vorzuhalten. Sie haben sich teilweise langfristig in Verträgen gebunden, um diese Ressourcen vorzuhalten.

Nun wissen wir alle, dass die Zahlen, wie sie einmal angedacht waren, nicht kommen. Jetzt bleiben die Kommunen, da es nur eine Pro-Kopf-Pauschalerstattung gibt, auf diesen Kosten sitzen. Um dieses Problems Herr zu werden, haben wir – dazu gab es in der Tat eine Anhörung – im Einklang mit der kommunalen Familie genau diese Spitzabrechnung gefordert, und sie ist, denke ich, immer noch das richtige Modell.

Des Weiteren freuen wir uns, dass die Pauschalen erhöht wurden. Wir hätten uns noch mehr gefreut, wenn sich die Koalition auch hier im Einklang mit der kommunalen Familie hätte durchringen können, eine Evaluationsklausel in den Gesetzentwurf hineinzubringen – nämlich ins Haushaltsbegleitgesetz –, um dauerhaft zu sichern, dass diese Pauschalen auskömmlich sind. Warum Sie sich dem

bis heute verweigert haben, ist für mich nicht schlüssig. – Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN – Albrecht Pallas, SPD, steht am Mikrofon.)

Das war die Kurzintervention von Herrn Abg. Scheel. Herr Pallas, Sie möchten erwidern.

Danke, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Scheel, das war eine sehr interessante Kurzintervention, und zwar auf mehreren Ebenen.

Sie haben im ersten Punkt die Frage in den Raum gestellt, warum nicht andere Fraktionen eine öffentliche Anhörung beantragt haben. Dem halte ich entgegen, dass Sie sich ständig darüber beschweren, wenn andere Fraktionen zu Ihren Anträgen Vorschläge machen, wie damit in den Ausschüssen oder im Plenum umgegangen werden soll. Nun plötzlich, weil wir dieses Argument vorbringen, ist es ganz schlimm und ganz schädlich. Das halte ich als Argument für nicht besonders glaubwürdig.

Zum zweiten Punkt, zur Frage Spitzabrechnung versus Pauschalensystem, möchte ich noch einmal darauf verweisen – entgegen Ihrer Behauptung, dass es im Interesse der Kommunen wäre –: Es hat eine Einigung zwischen dem Freistaat Sachsen und der kommunalen Ebene gegeben. Die Einigung ist so ausgefallen, wie es die Koalitionsfraktionen in der Haushaltsgesetzgebung

umgesetzt haben. Mehr muss man dazu nicht sagen. nur so viel: Ihre Behauptung, dass Sie im Interesse der Kommunen handeln würden, ist einfach nicht zutreffend, Herr Scheel.

Es geht in der Aussprache weiter. Die AfD-Fraktion ist an der Reihe; Herr Abg. Wippel. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen Abgeordnete! Wir wollen jetzt über die Änderung des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes nach Gusto der Linken reden. Ich kann es unspannend machen: Wir werden das Gesetz ablehnen. Theoretisch könnte ich jetzt schon gehen, aber ich möchte den Ausführungen des Kollegen Rico Anton von der CDU ganz klar zustimmen und noch etwas ergänzen.

Ich gehe in dieser ganzen Geschichte chronologisch vor: Es geht los mit dem Vorblatt, mit dem Buchstaben A. Dort führen Sie an, dass humanitäre Gesichtspunkte die Neufassung dieses sächsischen Gesetzes erfordern würden. Ja, das sind sehr große Worte, die Sie da wählen. Die Frage ist allerdings: Sind wir denn in Sachsen und insgesamt in Deutschland nicht menschlich mit Asylbewerbern umgegangen, dass wir jetzt hier solche Worte von Ihnen hören müssen?

Ich würde sagen: Deutschland ist dermaßen humanitär umgegangen, dass es fast schon bis an die Selbstaufgabe heranging, und das nicht nur mit großen Mengen Geld, die wir zur Verfügung gestellt haben, sondern örtlich

teilweise bis an die Grenze der kulturellen Belastbarkeit, weil wir keine Obergrenzen haben.

Humanitärer aus AfD-Sicht wäre es, die Hilfe in den Herkunftsländern bzw. herkunftslandnah zu leisten und dann auch auf die Schwächsten zu achten und nicht die ganze Welt hierher einzuladen.

Zu Ihrem Punkt b). „Der wesentliche Inhalt“ ist Ihre Überschrift – das ist keine Lappalie, keine kleine Randnotiz. Sie fordern politische Teilhabe für Asylbewerber. Hören Sie mal zu: politische Teilhabe für Asylbewerber, für Ausländer, in Deutschland politische Teilhabe. Wo sind wir denn?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ganz schlimm!)

Ja, das ist ganz schlimm.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das ist ganz schlimm, das möchten Sie ganz abschaffen, das ist klar!)

Denn diese Menschen kommen hierher, weil sie Schutz wollen in Deutschland, und den wollen wir ihnen gewähren. Wir sehen hier auch eine verschärfende Rhetorik über die ganzen Jahre. Früher war das Asylrecht ganz klar, da ging es um Schutz. Dann haben wir über gesellschaftliche Teilhabe geredet, über Teilhabe am Arbeitsmarkt, und jetzt haben Sie schon die politische Teilhabe. Da sehen wir auch, wen Sie mit politische Teilhabe meinen, zum Beispiel Ihren Flüchtlingsrat. Dass Sie von den LINKEN vielleicht etwas für eine Räterepublik übrig haben, das weiß ich ja, aber, na gut.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Nein, aus unserer Sicht geht es nicht, dass wir die deutsche Politik – auch nicht auf kommunaler Ebene – in die Hände von Asylanten und irgendwelchen selbst ernannten Initiativen legen. Nein, das geht einfach nicht!

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Jetzt reißen Sie sich aber bisschen zusammen!)

Jetzt kommen wir einmal zum inhaltlichen Teil. Es geht los mit Ihrem § 2. Dort regeln Sie zum Beispiel den Familiennachzug, zum Beispiel auch den Familiennachzug von UMAs. Das sind so Sachen, das wollen Sie uns hier so beiläufig eben mal unterjubeln. Wissen Sie, was Sie damit machen? Sie stärken dieses Ankerkindsystem, ja. Sie werden mit diesem Gesetz, wenn wir das annehmen, dafür sorgen, dass wir noch mehr unbegleitete Minderjährige hier haben, die losgeschickt werden von ihren Eltern, damit diese dann hier nach Deutschland nachkommen können. Da reden Sie von humanitär? Das ist überhaupt nicht humanitär. Das ist quasi – auch wenn Sie es nicht wollen – schon fast eine Verleitung zum Kindesmissbrauch; ja, wie ein Teil von dieser Kraft, die stets das Gute will und das Böse schafft.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Jetzt ist aber gut! – Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Wissen Sie überhaupt, worüber wir reden?)

Genau das sehe ich hier in Ihrem Gesetz.

Zu § 3 – den nennen Sie „Begriffsbestimmung“. Das ist eine Begriffsaufblähung. Ein paar Beispiele gefällig – aber gern doch. Asylsuchende – dann kommen erst einmal ein paar Definitionen, was einen Menschen zum Asylsuchenden macht. Dort steht zum Beispiel „Sonstige Verfolgung“. Ja, toll, super, da kann ja jeder alles behaupten. Was ist „Sonstige Verfolgung“? Wie wollen Sie das denn eingrenzen? Jeder kann hierherkommen und Asyl beantragen, dann ist er aus Ihrer Sicht ein Asylsuchender, und das berechtigt auch dazu.

Familienangehörige – Mutter, Vater, Kind, okay, kann ich nachvollziehen, meinetwegen auch noch Oma und Opa, wenn die Eltern nicht mehr leben; auch das ist in Ordnung. Aber Sie schreiben hier hinein, dass Sie Partner in dauerhafter Beziehung mittlerweile zur Familie rechnen. Wie wollen Sie das denn nachweisen? Da kann ja jeder kommen und sagen, ich bin mit der Frau oder dem Mann schon fünf Jahre zusammen. Das kann doch jeder machen. Wie wollen Sie das denn kontrollieren? So können Sie doch keine Gesetze schreiben – außer, Sie wollen es auf alle Menschen ausweiten, und das ist nämlich Ihr wirkliches Ziel.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: In welchem Jahrhundert leben Sie denn?!)

Sie reden von „besonders schutzbedürftigen Personen“. Ich kann vielen Punkten zustimmen, die Sie da nennen; aber was Sie zum Beispiel nicht sagen, ist, wann diese Leute der besonderen Verfolgung ausgesetzt worden sind, die diesen besonderen Schutz herleiten; quasi im Herkunftsland oder hier bei der Unterbringung im Heim, was sie dann zur besonderen Schutzbedürftigkeit macht.

Sie fordern im Übrigen auch, dass binnen zwei Wochen diese besondere Schutzbedürftigkeit überprüft und dann verbindlich wird. Das heißt, Sie wollen quasi binnen zwei Wochen die Überprüfung der vorgebrachten Asylgründe durchführen. Das soll die untere Unterbringungsbehörde leisten. Damit werden quasi Fakten geschaffen und dann versuchen Sie auf verwaltungsrechtlichem Wege einen anderen Asylbescheid durchzubekommen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Das geht überhaupt nicht, das funktioniert nicht. Wie wollen Sie es denn machen – mit psychischer Folter? So etwas können Sie überhaupt nicht messen; da kann jeder kommen und alles behaupten. Deswegen hat das Gesetz auch einen völlig falschen Namen. Es müsste eigentlich „Asylmissbrauchseinladungsgesetz“ heißen – das wäre der richtige Ausdruck dafür.

Nächster Punkt. Sie wollen alle möglichen Lobbyisten einbeziehen: Initiativen, Gruppen, Selbsternannte – wer ist das denn? Ist die alternative Flüchtlingshilfe auch gemeint bei Ihnen, oder ist sie nicht gemeint? Wo fängt es an, wo hört es auf? Sie benennen zum Beispiel den Flüchtlingsrat – das ist gut, den wollen Sie hineinhaben, das kann ich auch nachvollziehen; ich weiß auch, warum:

Da schreibt nämlich Pro Asyl direkt mit. Der Sächsische Flüchtlingsrat gehört zu Pro Asyl.

Jetzt – nehmen Sie es mir nicht übel – stelle ich einmal eine These in den Raum: Sie machen sich mit diesem Gesetz nämlich zum Büttel des Großkapitals.