Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Bitte zum Ende kommen.

Danach war das Gespräch dann schnell beendet. Viel verschwendetes Kerosin für eine halbe Stunde Holzhammerdiplomatie.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Dr. Maicher, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „20. Jahrestag der Deutsch-Tschechischen Erklärung – Europa basiert auf guter Nachbarschaft“ – das ist ein gutes, ein wichtiges Thema, über das wir auch hier im Sächsischen Landtag sprechen sollten, weil es notwendig ist, dass wir dieses Verhältnis nicht nur in Staatsakten und Vereinbarungen pflegen, sondern auch an die zukünftigen Beziehungen denken, darüber sprechen und eine europäische Öffentlichkeit schaffen. Das ist ein Signal ins Land, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, was aus meiner Sicht sehr wichtig ist.

In der Erklärung haben Deutschland und die Tschechische Republik nicht nur den Status quo der Beziehungen vor 20 Jahren festgehalten, was aus damaliger Sicht bereits ein wichtiger Schritt war, nein, sie war auch in die Zukunft gerichtet. Beide Seiten haben damit einen tief gehenden Prozess des Austausches angestoßen. Es sollte eben kein Staatsakt sein, sondern der Austausch vor Ort, der Austausch zwischen den Menschen und vor allem der Austausch in der Zivilgesellschaft.

Die Erklärung ist ein wichtiger Baustein für das deutschtschechische Verhältnis gewesen, gerade auch im damaligen Europa der Nachwendezeit. Sie klärte die jeweilige Verantwortung für die gemeinsame Geschichte.

Ich möchte kurz zu einer sehr konkreten und aus meiner Sicht sehr wichtigen Vereinbarung in der Erklärung eingehen, nämlich auf die Gründung des deutschtschechischen Zukunftsfonds. Seitdem konnten mehr als 9 400 kleine und große Projekte in den Ländern realistiert werden: Sprachaustausche, Gemeindepartnerschaften,

Geschichts- und Politikdiskurse, soziale und Umweltschutzprojekte, Stipendien, Austausch von Künstlerinnen und Künstlern. Hier steht verstärkt die deutsche und die tschechische Zivilgesellschaft im Mittelpunkt und auch die Frage, wie die Menschen miteinander arbeiten und zusammengebracht werden können. Darauf fußt aus meiner Sicht eine gute Nachbarschaft. Das könnte in dem

einen oder anderen Punkt sicher noch viel stärker geschehen.

Ich möchte noch auf zwei Projekte des interkulturellen Austauschs eingehen, die ich für sehr wichtig und beispielgebend halte, weil sie sich mit aktuellen Herausforderungen diesseits und jenseits der Grenze befassen. Es gibt ein Projekt, bei dem Lehramtsstudierende der beiden Länder in den Austausch miteinander treten und gemeinsam im Sprachunterricht für Asylbewerberinnen und Asylbewerber im jeweiligen Nachbarland hospitieren, um aus dieser Erfahrung heraus voneinander zu lernen. Es gibt das Beispiel von bildenden Künstlerinnen und Künstlern aus Tschechien und Deutschland, die sich gemeinsam in Form von Autorencomics den Themen Flucht, Grenze und illegaler Grenzübertritt gewidmet haben und diese Ausstellung in den beiden Ländern zeigen. Das ist ein wichtiger Punkt für unsere Geschichte diesseits und jenseits der Grenze.

Ja, die Bilanz des Zukunftsfonds ist positiv. Deswegen sollte eine langfristige finanzielle Perspektive nicht nur in Aussicht gestellt – sie ist ja nur bis zum Ende dieser Bundestagslegislatur im Koalitionsvertrag verankert –, sondern darüber hinaus festgeschrieben werden.

Es ist wichtig, dass wir heute diese Erklärung und die Vorhaben würdigen. Aber ich möchte darauf eingehen, welche Töne wir leider auch aus diesem Hause zum Beispiel von Vertreterinnen und Vertretern der Sächsischen Union immer wieder hören und die mich in andere Zeiten zurückversetzen.

Sie reden sehr gern, sehr oft, sehr ausgiebig und vorrangig von den Problemen mit Grenzkriminalität, Drogenschmuggel, Einbrüchen, Kfz-Diebstählen und von den Schlussfolgerungen daraus, welche in verstärkten Grenzkontrollen und dem Ende der offenen Grenze zu unseren Nachbarn bestehen. Herr Schiemann, Sie sind vor zwei Tagen in der „Sächsischen Zeitung“ genau zu diesen Problemen zitiert worden. Ich zitiere: „Es nützt nichts, die Haustür geschlossen zu halten, wenn die Hoftür offen steht.“ Wir haben 2015 vom Innenminister nach dem G-7Gipfel Worte gehört, die das Aushebeln des Schengenabkommens und das Wiedereinführen der Grenzkontrollen begrüßt haben. Das sei eine richtige Entscheidung gewesen. Man könne nicht wieder zur Tagesordnung zurückgehen.

Ich finde, das sind schwierige, falsche Zeichen. Wir haben mit dem EU-Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten 2004 – darunter waren Tschechien und die Slowakei – den Wegfall der ständigen Grenzkontrollen erlebt. Das war doch eine Freude, ein Erfolg gerade für uns hier, die doch schlimme, lebensbedrohliche Erfahrungen mit geschlossenen Grenzen gemacht haben. Das bedeutet für mich, dass wir uns nicht wieder dafür einsetzen sollten, Grenzen wieder entstehen zu lassen. Wir sollten Probleme und Herausforderungen, die es gibt, durch eine gute und enge behördliche Zusammenarbeit bei freiem Grenzverkehr zu lösen versuchen.

Ich möchte noch etwas zu den sächsischen Möglichkeiten, zu unserer Verantwortung hier sagen, die grenzüberschreitenden Projekte voranzubringen. Ich habe mich sehr gefreut, als die Nachricht der Kultusministerin kam, dass mehr Jugendliche in unserem Land, in unserem Freistaat Tschechisch lernen. Ich finde, das ist wichtig, das sollten wir unterstützen. Ich wünsche mir allerdings auch, das sich das nicht nur auf einen Grenzstreifen von 30 Kilometern oder etwas mehr bezieht, sondern dass man auch in Leipzig und in Dresden ganz selbstverständlich Tschechisch lernen kann. Es gibt in Leipzig kein Gymnasium, das Tschechisch als Fremdsprache anbietet. Das finde ich schade. Hieran sollten wir jenseits des Zukunftsfonds und jenseits von kurzfristigen Objekten mehr arbeiten.

Bitte kommen Sie zum Ende.

Es gibt noch viele andere Themen, bei denen es wichtig wäre, sie gemeinsam grenzüberschreitend zu besprechen, zum Beispiel in der Umweltpolitik, beim Hochwasserschutz, aber eben auch beim Braunkohleausstieg. All das sind Themen, die wir in Sachsen gemeinsam mit unseren Nachbarn anpacken und in guter Nachbarschaft bearbeiten können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir gehen jetzt in die zweite Runde. Es beginnt wieder die CDU, Herr Abg. Schiemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine Sache vergessens. Beim Journalistenpreis gab es auch sächsische Bewerber, die ich natürlich nennen will. Es waren ein Vertreter der „Sächsischen Zeitung“ und der Mitteldeutsche Rundfunk.

Es ist wichtig, dass sich unsere Herzen über die Grenze bewegen und Gemeinsamkeiten mit unseren Nachbarn suchen. Das ist der erste Punkt, den ich ansprechen möchte. Der zweite Punkt ist, dass uns diese Grenze mit dem tschechischen Volk verbindet und nicht teilt. Sie wird uns auch in Zukunft nicht teilen.

Aber wenn es Probleme an Grenzen gibt, dann muss man reagieren. Jeder ist schlecht beraten, Probleme zu negieren, so, als ob etwas nicht da wäre, das existiert. Wer mit tschechischen Polizisten spricht, sieht ganz genau, dass die sächsische Polizei und die Bundespolizei nur gemeinsam mit der tschechischen Polizei die Probleme lösen können. Diese existieren auch an der polnischen Grenze, sind dort aber etwas anders gelagert. Dort ist die Schleusung viel mehr zu Hause, als das auf der tschechischen Seite der Fall ist.

Dennoch glaube ich, dass die Tschechisch-Deutsche Erklärung – auch so kann man es benennen – ein bedeutender Meilenstein auch für unser Land ist. Für den Freistaat Sachsen ist gute Nachbarschaft Staatsaufgabe.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Es ist für den Freistaat Sachsen verpflichtend, eine gute Nachbarschaft mit der Tschechischen Republik und der Republik Polen zu fördern. Wir haben uns dazu auch in der Verfassung bekannt. Wir haben in Artikel 12 diese Regelung getroffen, und ich denke, sie ist richtig. Sie wird von jeder Staatsregierung deutlich nach vorn gebracht, in den Mittelpunkt des Regierungshandelns gerückt und vom staatlichen Handeln des Freistaates unterstützt. Ministerpräsident Tillich hat an dieser Stelle noch deutlicher den Weg nach Prag gesucht als seine Vorgänger Prof. Kurt Biedenkopf und Prof. Georg Milbradt, die die Fundamente gelegt haben.

Der Premierminister der Tschechischen Republik hat auf der Jubiläumskonferenz, die auch eine Zäsur sein sollte, noch einmal dargestellt, was gewesen ist, aber auch, was für die Zukunft notwendig ist. Ich gebe durchaus meinen Vorrednern recht, die gesagt haben: Wir haben noch etwas zu tun. Natürlich haben wir etwas zu tun. Wir müssen mehr für Sprachentwicklung tun. Wenn im Freistaat Bürger, Jugendliche, Schüler die tschechische Sprache lernen wollen, dann soll ihnen die Chance dafür gegeben werden, dann muss es so sein.

Wir werden auch helfen müssen, wenn die tschechische Seite sagt, wir benötigen Deutschlehrer, haben aber nicht so viele. Dann muss auch dort geholfen werden, selbst wenn wir bei dem Schulthema ein besonderes Problem zu lösen haben.

Beide Seiten sind sich ihrer Verpflichtung und Verantwortung bewusst, die deutsch-tschechischen Beziehungen im Geiste guter Nachbarschaft und Partnerschaft weiterzuentwickeln und damit zur Gestaltung des Zusammenwachsens in Europa beizutragen.

Premierminister Sobotka – um darauf zurückzukommen – hat dies gewürdigt. Er hat Mut gemacht für einen weiteren Ausbau der deutsch-tschechischen Beziehungen. Er hat Mut gemacht, diesen Weg weiterzugehen. Auf der Jubiläumskonferenz wurde deutlich gemacht, dass der deutschtschechische Zukunftsfonds, das Gesprächsforum, aber seit Neuem auch der strategische Dialog für diese Wege bedeutend sein können; denn das Gesprächsforum ist der Weg, mit dem die Gespräche gesucht werden und versucht wird, die Spannungen abzubauen.

Wenn der Vertreter des Internationalen Auschwitzkomitees, Prof. Dr. Felix Kolmer, deutlich gemacht hat, dass Vergebung auf der einen Seite, aber das Handreichen auf der anderen Seite das Fundament für die Nachgeborenen bilden, nicht mehr verantwortlich zu sein für das, was geschehen ist, aber die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass sich dieses nicht wiederholt, dann ist das für einen 95-Jährigen, der die Hölle von Auschwitz überstanden hat, ein Signal an die nächste Generation, Mut und Stärke zu beweisen, diese deutsch-tschechischen Beziehungen auszubauen. Das ist die Grundlage für den Freistaat Sachsen, weiterhin viele Initiativen auf den Weg zu bringen. Wir brauchen eine gute Nachbarschaft –

Bitte zum Ende kommen.

– zwischen dem Freistaat Sachsen und der Tschechischen Republik. Ich lade Sie alle dazu ein, mit Mut und mit viel Freude auf unsere tschechischen Nachbarn zuzugehen, die gastfreundlich sind, die gute Speisen haben –

(Heiterkeit)

Herr Schiemann, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

– und die gute touristische Möglichkeiten, zum Beispiel im Riesengebirge, bieten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wird von der SPD-Fraktion, Herr Baumann-Hasske, noch das Wort gewünscht? – Es wird nicht gewünscht, gut. Wird von der Linksfraktion noch einmal das Wort gewünscht? – Herr Kosel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf meinen Vorredner Herrn Kollegen Schiemann ausdrücklich Bezug nehmen, der nicht nur die Einladung zu guten tschechischen Speisen ausgesprochen hat, sondern sich vor allem klar zu dem Verfassungsauftrag unseres Freistaates, gute nachbarschaftliche Beziehungen zu Tschechien herzustellen, bekannt hat. Das macht es mir an dieser Stelle möglich, auf die Darstellung weiterer Verfehlungen von Politikern aus Ihrer Fraktion zu verzichten.

Ich möchte mich deshalb jetzt bewusst auf die Herausforderungen beziehen, die ich in der Gegenwart und der Zukunft sehe, was die Gestaltung des deutsch-tschechischen und vor allem des sächsisch-tschechischen Verhältnisses betrifft.

Meine Damen und Herren! Ich vertrete meinen HeimatLandkreis Bautzen als Kreisrat in der Euroregion Neiße. Deshalb weiß ich sehr genau, dass sich seit geraumer Zeit eine gewisse Stagnation breitmacht. Es gibt kaum noch neue Antragsteller. Diejenigen Gemeinden und Vereine, die Erfahrungen in der Antragstellung haben, machen es weiterhin, aber es kommen kaum neue hinzu. Deshalb halte ich es, erstens, für wichtig, dass die Staatsregierung ein klares Signal sendet, indem sie deutlich macht, dass sie die Euroregion stärken und die Förderbürokratie massiv abbauen will.

Zweitens halte ich es für wichtig, die Grundlagen eines gemeinsamen Arbeitsmarktes zu schaffen. Sozialdumping in den Grenzregionen darf es gerade vor der Verantwortung für ein gemeinsames Europa nicht geben.

Drittens muss der Freistaat Sachsen deutlich machen – die Möglichkeiten dazu hat er auf Bundesebene –, dass es

keinen deutschen Unilateralismus in der EU und keine Orientierung auf die „Großen“ in der Europäischen Union geben darf. Das hat sich in der Vergangenheit als kontraproduktiv erwiesen. Wir sollten davon Abstand nehmen.

Auch der Freistaat Sachsen selbst sollte zu einem partnerschaftlichen Umgang mit den tschechischen Regionen, zu den Kraje, finden und sich nicht immer nur auf Prag orientieren. Das ist auch wichtig für die innere tschechische Debatte.

Schließlich ist in einer erst im vergangenen Monat veröffentlichten Studie von Allensbach und dem tschechischen Institut STEM deutlich geworden, dass an der Entwicklung im Nachbarland eher ältere Menschen interessiert sind. Das mag erstaunen, und das mag sich auch nicht ganz mit dem treffen, was Herr Schiemann dargestellt hat. Gerade deshalb ist es wichtig – was die Jugendarbeit betrifft –, dass es ganz sicher dazu kommt, dass wir ein deutsch-tschechisches Jugendwerk – nach dem Vorbild des deutsch-polnischen – schaffen. Die Organisation TANDEM leistet Gutes, aber ich denke, wir sollten zu einer qualitativ neuen Situation kommen.

Ich hatte es bereits eingangs deutlich gemacht: Ich halte es für wichtig, dass wir den Strategischen Dialog zwischen der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland aufgreifen. Beide Außenministerien führen diesen Dialog und haben die Bundesländer, die Parlamente, die Gebietskörperschaften ausdrücklich

eingeladen, mitzutun. Das sollten wir tun.

Ich will Ihnen kurz einige Beispiele aus dem Arbeitsprogramm des Strategischen Dialogs nennen, um Interesse zu wecken und Lust auf Kooperation mit den tschechischen Partnern machen.