Protokoll der Sitzung vom 02.02.2017

Nein, nein. Statistik können selbst Sie nicht herumbiegen, Herr Wurlitzer. Selbst Sie nicht!

(Uwe Wurlitzer, AfD: Hat gar keiner gesagt! – Sebastian Wippel, AfD: Darin sind Sie ja Profi!)

Das heißt, dass Sie hier etwas als Aktuelle Debatte darzustellen versuchen, was eben nicht wirklich für eine Aktuelle Debatte taugt,

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das entscheiden aber nicht Sie!)

weil man tiefer in das Thema eintauchen muss, um es tatsächlich zu verstehen. Dazu kommt als Zweites – –

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE – Detlef Spangenberg, AfD, steht am Mikrofon.)

Jetzt ist Herr Spangenberg weg. – Ach, dort ist er.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Spangenberg?

Bitte, Herr Kollege Spangenberg.

Nur eine Frage, da Sie das Thema anscheinend nicht beherrschen: Wohnen Sie in Deutschland, und haben Sie schon einmal etwas von Wohnungseinbruch gehört?

(Gelächter bei den LINKEN)

Herr Spangenberg, im Gegensatz zu Ihnen unterscheide ich nicht, ob es sich um – wie sagten Sie – allgemeine deutsche Kriminalität oder um Kriminalität durch Öffnung der Grenzen, durch Migration handelt, sondern zunächst einmal ist für jeden – im Übrigen für jeden, dessen Wohnungstür aufgebrochen wurde – überhaupt nicht erkennbar, wer der Täter ist. Das bleibt ja anhand der sinkenden Aufklärungszahlen selbst unseren Sicherheitsbehörden in großen Teilen verborgen. Der Fakt, dass eine Wohnungstür aufgebrochen worden ist, ist für jeden natürlich ein erschreckendes Ereignis. Das ist völlig klar.

Aber wenn wir uns hier im Parlament damit befassen und hoffentlich irgendwann Rückschlüsse daraus ziehen wollen – ich bezweifle ja bei Ihnen, dass Sie das wollen –, dann muss man sich tatsächlich mit den Fakten befassen. Mit Fakten, nicht postfaktisch, sondern mit Fakten! Und die sind knallhart aus der Statistik seit 1993 erkennbar. Wir haben es also nicht mit einer so dramatischen Entwicklung zu tun, wie Sie sie versuchen herbeizubeten.

Zweiter Entwicklungsstand: Wir haben es mit einer völligen Veränderung der Haushaltsgrößen und der Haushaltsanzahl zu tun, zum Beispiel in unseren Großstädten durch die Versingelung. Was Sie an anderer Stelle wieder geißeln, kommt Ihnen natürlich hier entgegen, denn durch ein Anwachsen der Haushaltszahlen haben wir es natürlich auch mit einem Anwachsen von Tatgelegenheiten zu tun. Im Übrigen ein ganz wichtiger Fakt bei der kriminologischen Betrachtung. Das entzieht sich Ihrer Betrachtungsweise, das ist mir völlig klar, wenn man postfaktisch unterwegs ist.

Fakt ist aber, dass man das ebenso betrachten muss, was übrigens auch für die Prävention wichtig ist, weil wir mehr Tatgelegenheiten zu betrachten haben.

Dann kommt ein nächster Punkt hinzu. Wenn wir die Aufklärungsquoten betrachten, dann müssen wir – nur an dieser Stelle gebe ich Ihnen recht – die Personalentwicklung bei unserer Polizei im Blick haben. Diese ist tatsächlich dramatisch, was sich unter anderem – unter anderem! – als ein Aspekt in dem Absinken der Aufklärungsquoten widerspiegelt.

Das hat aber auch damit zu tun: Wenn Sie sich die Zahlen wirklich angeschaut haben, werden Sie festgestellt haben, dass die Aufklärungsquoten manchmal auch sprunghaft sind. Das sagt nämlich nicht viel über den Einzeltäter aus, sondern eher darüber: Wenn man einer Bande habhaft geworden ist, die 25, 30, 40 Einbruchsdiebstähle auf dem Kerbholz hat, dann wurde die Aufklärungsquote schlagartig nach oben gedrückt. Wenn man ihrer nicht habhaft wird, bleibt es im Dunkeln.

Mir wäre es wichtig, dass wir bei diesem Thema nicht die populistische Schlammschlacht versuchen, wie Sie es tun, sondern dass wir uns den Fakten nähern. Das wäre sehr hilfreich bei der Betrachtung und vor allem sehr hilfreich für die erforderlichen Schlussfolgerungen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das war Herr Stange für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt ergreift für die SPDFraktion in dieser zweiten Aktuellen Debatte Kollege Pallas das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir führen hier auf Wunsch der antragstellenden Fraktion eine Debatte über – ja worüber eigentlich? – das Phänomen von Wohnungseinbrüchen oder eher über die allgemeine

Kriminalitätsentwicklung in Deutschland. Anhand des Debattentitels kann man sich nicht wirklich sicher sein. Ich gebe zu, auch der Kollege aus der antragstellenden Fraktion, der hier die erste Runde geführt hat, hat nicht für besonders viel Klarheit bei mir gesorgt.

Ich denke, dass es sich trotzdem lohnt, über das Phänomen von Wohnungseinbruchsdiebstählen und deren Entwicklung in diesem Rahmen zu sprechen, denn – das klang heute schon an – natürlich ist es auf individueller Ebene für die Opfer von solchen Wohnungseinbrüchen immer schlimm. Das ist auch ganz klar. Die Wohnung ist sozusagen der intimste Bereich des Lebens und wenn der verletzt wird, durch zunächst Unbekannte, dann sorgt das dafür, dass das Sicherheitsgefühl mit einem Schlag auf ein Minimum sinkt.

Es gibt – das klang auch schon an – viele Opfer solcher Straftaten, die sich nie wieder sicher fühlen können in ihrer Wohnung und unter Umständen umziehen müssen. Damit muss sich die Polizei, damit muss sich aber auch die Politik beschäftigen. Das ist aber auch nichts wirklich Neues.

Wie entwickelt sich nun das Phänomen der Wohnungseinbruchsdiebstähle? Herr Stange hat schon auf einige statistische Aspekte hingewiesen. Es ist dennoch sinnvoll, ein paar Punkte herauszugreifen. Wenn man sich einmal die Entwicklung von 2006 bis 2015 anschaut, stellt man fest, dass die Erhöhung der Fallzahlen ein Fakt ist, mit dem man umgehen muss und der verschiedenste Ursachen haben kann.

Bedenklich finde auch ich die sinkende Aufklärungsquote in diesem Zeitraum von immerhin 35 % auf 20 % in Sachsen. Auch das kann unterschiedliche Ursachen haben. Ich komme gleich noch darauf zu sprechen.

Interessant wird es, wenn man die einzelnen Regionen in Sachsen betrachtet und sieht, wie sich die Zahlen entwickeln. Daraus ergibt sich, was eigentlich auf der Hand liegt: Wir haben den absoluten zahlenmäßigen und prozentualen Schwerpunkt in den Ballungsräumen. Leipzig reißt nach oben aus, was separat untersucht werden muss. Dafür gibt es verschiedene Ansätze, um das zu erklären, aber das ist nicht meine Aufgabe hier.

Im Verhältnis zum ländlichen Raum – auch im Verhältnis zum grenznahen Raum, der immer wieder als Schwerpunkt vorgebracht wird – stellt sich das gar nicht so dar. Die Ballungsräume sind die Schwerpunkte. Im grenznahen Raum haben wir interessanterweise nur einen Landkreis, in dem die Zahlen gestiegen sind. Bei allen anderen Landkreisen im grenznahen Raum ist es ein Auf und Ab bei den Zahlen, was aber nichts mit dem subjektiven Empfinden der dort wohnenden Menschen oder auch der Unternehmer zu tun hat. Ich denke aber, dass es wichtig ist, darauf noch einmal hinzuweisen.

Die Aufklärungsquote ist auf 20 % gesunken, das heißt, in 80 % der Fälle ist es nicht klar, welche Täter oder welche Tätergruppen dafür verantwortlich sind. Es ist nicht klar deren Struktur, Herkunft usw. Aus diesen 20 % Trends

abzulesen, was die Struktur der Täter angeht, sollte man mit Vorsicht genießen.

Wir sollten uns aber auch die Frage stellen, welche Relevanz dieses Phänomen für die Sicherheitslage insgesamt in Sachsen hat. Auch das gehört zur Wahrheit dazu, also jenseits der individuellen Betroffenheit, die man nicht hoch genug würdigen kann. Darin sind wir uns, glaube ich, alle einig. Welche Relevanz hat Wohnungseinbruchsdiebstahl für die generelle Sicherheitslage in Sachsen? Auch dazu kann man sich die PKS, die Polizeiliche Kriminalstatistik, hernehmen und zum Beispiel die Wohnungseinbruchskriminalität vergleichen mit den

Gesamtstraftaten, auch mit der Gesamteinbruchskriminalität. Ich will drei Zahlen für Sachsen im Jahr 2015 nennen: Wohnungseinbruchsdiebstähle hatten wir 4 200 Fälle, gesamte Einbruchskriminalität 75 000 Fälle und Straftaten insgesamt etwas über 300 000.

Schon daran sehen Sie, dass die Relevanz – objektiv betrachtet – für die gesamte Sicherheitslage relativ niedrig einzuschätzen ist. Aber noch einmal: Das hat nichts damit zu tun, dass die individuelle Betroffenheit der Opfer sehr hoch sein kann. Ich möchte das individuelle Leid auch überhaupt nicht kleinreden.

Sie hätten also Ihren Titel der Aktuellen Debatte nicht nennen sollen „Wie sicher sind die Bürger in Sachsen?“, sondern eher: „Wie sicher fühlen sich die Bürger in Sachsen?“– Ich glaube, dann wäre es Ihrer Intention ein bisschen näher gekommen, „liebe“ antragstellende Fraktion.

Die Redezeit!

Zu weiteren Aspekten, was man vor allem dazu tun kann, werde ich in der zweiten Runde ausführen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Als Letzter in dieser ersten Runde spricht jetzt Herr Kollege Lippmann. Er spricht für seine Fraktion, GRÜNE.

Verehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung zu den Ausführungen von Herrn Spangenberg. Sie haben es mal wieder geschafft, das grundsätzliche Staatsverständnis der AfD auf den Punkt zu bringen.

Am Umgang des Staates mit Gefangenen zeigt sich sein wahrer Umgang, nämlich mit jenen, denen er die Freiheit entzieht. Wenn Sie sagen, dass man auf Gefangene keine Rücksicht nehmen müsse, dann ist das das Credo, was Diktatoren, Autokraten und Despoten verfolgen, und dort sind Sie wahrscheinlich mit in einer Liga.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Die PKS wird wahrscheinlich erst im März vorgelegt. Es wäre sinnvoller

gewesen, mit dieser Debatte vielleicht noch etwas zu warten, denn wir reden jetzt wahlweise über Zahlen aus dem Jahr 2015 oder über unvollständige Zahlen und damit über ein sehr unvollständiges Bild. Die bisherige Debatte, insbesondere vonseiten der Antragsteller, hat schon bewiesen, dass es wenig substanziell wird.

Deshalb kann ich im Wesentlichen das vortragen, was ich schon bei der letzten Aktuellen Debatte, als es um die Polizeiliche Kriminalstatistik ging, vorgetragen habe. Wir haben schon damals auf das Problem hingewiesen, dass die hohe Aufklärungsquote, die die sächsische Polizei mit 55,7 % hat, sich ausweislich bei den Wohnungseinbruchsdiebstählen nicht niederschlägt. Von 4 257 Fällen wurden dort lediglich 20,7 % aufgeklärt, im Jahr 2006, als es noch über 2 000 Wohnungseinbrüche weniger gab, lag die Aufklärungsquote indes noch bei 35,7 %. Kollege Stange hatte es bereits angesprochen.

Wie nun damit umgehen? Es ist allen klar, dass allein höhere Strafvorschriften, wie sie gern gefordert werden, nichts bringen. Der Täter schaut im Vorfeld selten ins Strafgesetzbuch und überlegt sich dann, ob er nun die Tathandlung begeht oder nicht.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Was ist denn das für ein Schwachsinn!)

Das wesentliche Element ist, des Täters habhaft zu werden und ihn möglichst auf frischer Tat zu ertappen. Die beste Verbrechensprävention funktioniert also durch eine gute Polizeiarbeit.

Ich halte, weil derzeit – gestatten Sie mir diesen kurzen Exkurs – die Debatten auch auf Bundesebene darüber geführt werden, ob der Wohnungseinbruchsdiebstahl in den Katalog der Verbrechen aufgenommen werden soll, dies für eine Scheindebatte.