Der Staat heißt Staat. Er heißt Freistaat Sachsen. Das erkennt man an der Uniform, und das erkennt man an der Aufschrift „Polizei“. Im Übrigen kann man auch erkennen, wer der Bürger ist. Wenn man sich polizeiliches Handeln ansieht, wird es in aller Regel verschriftlicht; denn der Polizeiberuf ist ein schriftschaffender Beruf. Unter Anzeigen und sonstigen Vorgängen sind immer Namen registriert. Auch im Streifendienst ist es kein Problem, die Namen von Beamten zu erkennen. Für das, was Sie wollen, besteht einfach keine Notwendigkeit.
Auch wenn Sie das Ziel haben, sogenannte Polizeigewalt einzuschränken, ist Ihr Gesetz, glaube ich, nicht hilfreich; denn Sie führen in Ihrer Gesetzesbegründung zum Beispiel die USA an. Wir haben doch ständig die Bilder aus den USA, wo über Polizeigewalt debattiert wird. Die namentliche Kennzeichnung hilft also an dieser Stelle nicht weiter. Im Übrigen hat der Dienstherr auch so etwas wie eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten. Sie sagen in Ihrem Gesetzentwurf, Sie wollen eine Ausnahme von der Kennzeichnung zulassen, wenn es um Leib, Leben oder Freiheit geht. Das ist aber zu spät; denn in dem Moment, wo die Gefährdung eintritt, ist der Name schon bekannt, wenn Sie sich an meine einführenden Worte erinnern. In dem Moment kann ich mich nicht mehr hinsetzen und einen Antrag schreiben, dass der andere meinen Namen nicht erfährt. Das ist zeitlich völlig falsch angesiedelt. Gerade auch bei mittelbaren Bedrohnungen und impliziten Dingen, wie ich sie vorhin ansprach, wäre das vom Gesetz nicht erfasst. Insofern ist kein Schutz der Beamten vorhanden. Ihr Gesetzentwurf ist darüber hinaus auch nicht erforderlich.
Wie gesagt, die Polizei ist unheimlich beliebt. Noch höhere Beliebtheit geht kaum; davon können wir Politiker uns eine Scheibe abschneiden. Den Punkt mit der Anzeige und dem erkennbaren Namen kennen wir. Darüber habe ich vorhin schon gesprochen. Sie schreiben übrigens auch in Ihrem Gesetzentwurf und in der Begründung dazu, dass es heutzutage ja schon üblich ist, sich weitgehend vorzustellen, dass Polizeibeamte erkennbar sind.
Schauen Sie einmal: Die Beamten üben ein Ermessen aus für eine Regelung, die es gar nicht gibt. Das ist interessant. Das zeigt nämlich, dass es Ihr Gesetz gar nicht braucht. Denn die Beamten haben ein sehr feines Gespür für eine Situation, und sie werden sich vorstellen, wenn es opportun ist, wenn sie es für angezeigt halten. Dafür braucht es keine gesetzliche Regelung.
Im Übrigen schreiben Sie auch von „fast täglicher Unverhältnismäßigkeit bei Einsätzen anlässlich von Demonstrationen“ oder – wie Sie es nennen – „volatilen Lagen“. Das ist eine blanke Behauptung. Sie unterstellen nämlich unserer Polizei, dass sie bei demonstrativen Lagen regelmäßig, ja schon fast überwiegend, rechtswidrig handelt, weil sie unverhältnismäßig handelt.
Da frage ich mich: Wo sind denn die ganzen Gerichtsurteile gegen die Einsatzführer? Die Einsatzführer sind nämlich diejenigen, die zuallererst einmal für die Maßnahmen verantwortlich zeichnen. Es ist nicht der Beamte in der ersten oder zweiten Linie der Verantwortliche, außer wenn er wirklich einzeln handelt. Also insgesamt bekommt man das heraus. Wir können bis auf die Halbgruppe auch erfahren, wer an welcher Stelle eingesetzt ist, und Sie können die Halbgruppen identifizieren.
Im Übrigen haben wir natürlich auch für viele andere Fälle schon eine Vorschrift mit der Ausweispflicht in § 8 des Sächsischen Polizeigesetzes. Diese Ausweispflicht ist
vorhanden. Wenn man sich dieser Ausweispflicht aber entzieht, dann können Sie auch nichts machen. Genauso ist es, wenn ich ein Namensschild abdecke oder weil ich ein Namensschild nicht trage. Dann können Sie auch nichts machen. Das ist letzten Endes eine Frage der Umsetzung.
Im Übrigen möchte ich einmal aus der polizeilichen Kriminalstatistik zitieren: Hier hatten wir 140 Verfahren wegen Körperverletzung im Amt im Jahr 2014. Dazu sind 155 Tatverdächtige ermittelt worden. Sie sehen: Man kann Tatverdächtige ermitteln, und zwar in Größenordnungen.
Es wäre vielleicht einmal zu hinterfragen, was Sie eigentlich damit bezwecken. Ein Beispiel, das auch immer angeführt wird, ist, dass eine Person bzw. ein Polizist bei einer Demonstration den Ausweis nicht gezeigt bekommen hat. Da sind es komischerweise immer die gleichen Demonstrationen, bei denen Ausweise nicht gezeigt werden und die eskalieren. Hier stelle ich einmal die Frage nach der Selbstkritik. In solch einem Moment, wo eine Lage bei einer Demonstration eskaliert, ist nicht der Moment und der Zeitpunkt gegeben, um einen Ausweis vorzuzeigen. Dafür ist die gesetzliche Regelung, die wir haben, absolut ausreichend. Daher brauchen wir weitergehende Regelungen nicht. Wenn jemand zur Lagebereinigung nach vorn läuft, werden Sie mit Zettel und Stift nicht in der Lage sein, danebenzustehen und mitzuschreiben – das funktioniert einfach nicht.
Ihr Gesetz ist darüber hinaus auch unverhältnismäßig; das kommt noch obendrauf. Denn Sie wollen den Vor- und Nachnamen auf der Uniform erfassen. Das geht sogar Amnesty International zu weit, wie wir in der Anhörung erfahren konnten. Der Nachname allein hätte schon gereicht. Amnesty International hat dazu gesagt, Nummern würden es auch tun.
Die Aufklärungsquote von Amtsdelikten ging – wie wir ebenfalls in der Anhörung erfuhren – kaum nach oben. Das haben wir aus Brandenburg erfahren. Insofern erfassen Sie von vielen Leuten die Daten und geben diese bei ihrer Amtshandlung preis. Das ist genau das Gegenteil der Politik, die Sie sonst postulieren.
Insofern ist es ein unverhältnismäßiges Gesetz, das insgesamt abzulehnen ist. Wir als AfD werden Ihnen nicht zustimmen – nicht heute, nicht morgen und, wenn sich nicht sonderlich viel ändert, auch nicht in zehn Jahren.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen weiteren Redebedarf? – Ich sehe keine Wortmeldung. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Ulbig, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lippmann, ein Gutes hat der vorliegende Gesetzentwurf: Er ermöglicht es mir, meine Position zu der von Ihnen geforderten Kennzeichnungspflicht noch einmal in aller Öffentlichkeit hier im Plenum darzulegen.
Man könnte eingangs sagen: Obwohl wir vor anderthalb Jahren im Innenausschuss schon alle wichtigen Argumente miteinander ausgetauscht haben, hat sich an meinem Standpunkt zu diesem Thema bis heute nichts geändert.
Als zuständiger Minister bin ich für die Polizistinnen und Polizisten verantwortlich. Deswegen sage ich in aller Deutlichkeit: Den Schutz unserer Beamten, die schon im Dienst oft genug beleidigt, bedroht und angegriffen werden, dürfen wir auch außerhalb der Dienstzeit nicht vernachlässigen. Das sehen im Übrigen auch die Polizeigewerkschaften so, das sieht die kommunale Ebene so, das sieht der Sächsische Städte- und Gemeindetag sowie der Landkreistag so. Das ist auch bei den Bediensteten in ihren Polizeibehörden so, was im Rahmen der Anhörung am 3. September 2015 auch deutlich geworden ist. All diejenigen, die dabei waren, konnten sich davon überzeugen, dass selbst jene, die eine Kennzeichnungspflicht durchaus positiv sehen, wie beispielsweise Dr. Barczak von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, keinerlei rechtliche Verpflichtung dafür erkennen.
Es ist mir als Fachminister bewusst und es ist gerade ausgesprochen worden: Ja, es gibt einige Bundesländer, die sich für eine Kennzeichnungspflicht ihrer Polizeibeamten entschieden haben. Deren Argumente kenne ich auch, aber ich halte sie nicht für überzeugend. Erinnern wir uns daran, was Herr Dr. Dietrich vom Brandenburger Innenministerium bei der Anhörung im Innenausschuss über sein Land exemplarisch dargestellt hat:
Erstens hat die Regelung in Brandenburg eben nicht dazu geführt, dass dort vermehrt Dienstvergehen gegen Polizisten aufgrund der individualisierten Kennzeichnungspflicht aufgedeckt worden sind. Zweitens besteht die Gefahr von Angriffen auf Polizisten nach Dienstschluss durchaus weiter. Wenn ich da etwa an die Gewalt gegen den Polizeiposten in Connewitz denke, weiß ich, wie weit Menschen zu gehen bereit sind.
Daher will ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle gerade vor dem Hintergrund dessen, was ich auf der Seite „Linksunten-Indymedia“ in Vorbereitung auf den kommenden Samstag am 18. März in Leipzig lesen musste, noch einmal klar und deutlich sagen: Ich kann das nicht verstehen. Ich muss es verurteilen, wenn dort von Polizisten gesprochen wird, es seien „Schweine“, und wenn man die Demo-Teilnehmer auffordert, mit Demo-Smartphones nach Leipzig zu kommen. Jetzt heißt es weiter: „Dokumentiert die Schweine! Macht es öffent
Da muss ich klar und deutlich sagen: Ich erwarte, dass sich alle, die Verantwortung tragen, von solchen Äußerungen distanzieren. Das macht meine Position zu diesem Thema deutlich.
Ich will klar sagen, worüber wir hier im eigentlichen Sinne reden. Ganz abgesehen davon: In Sachsen stehen bereits jetzt jedem Bürger und jeder Bürgerin ausreichend Mittel zur Verfügung, um Fehlverhalten anzuzeigen.
Über das Thema Ausweispflicht ist gesprochen worden. Zum anderen können Beamte in der Einsatznachbereitung einer möglichen Anzeige zugeordnet werden, beim Beispiel Bereitschaftpolizei bis zur Halbgruppe hinunter, das heißt, konkret bis auf vier bis sechs Mann. Aufgrund ihrer Symbole können diese eindeutig zugeordnet und ein Fehlverhalten somit aufgedeckt werden.
Jetzt, Herr Lippmann, möchte ich noch ein Wort zu Ihrem Vorwurf sagen, dass die Verfahren, die Sie angesprochen haben, ein Hinweis dafür wären, dass etwas nicht funktioniert und dass Sie auf die sächsischen Probleme hingewiesen haben. Ja, von Januar 2015 bis Mai 2016 hat es gegen 767 Beschuldigte Ermittlungsverfahren gegeben. Das heißt aber auch, dass es sich – anders, als es hier beschrieben worden ist – um bestimmte Personen handelt, deren Namen bekannt gewesen sind. Ein großer Teil dieser Verfahren wurde aus unterschiedenen Gründen eingestellt; das ist richtig. Sehen wir es doch einmal so: Einerseits zeigt die hohe Zahl der Ermittlungen gegen die Polizeibeamten doch sehr deutlich, dass allen Vorwürfen ernsthaft nachgegangen wird.
Andererseits ist die geringe Verurteilungsquote ein klarer Beleg dafür, dass die Arbeit der Polizei zwar nicht fehlerfrei, aber insgesamt in guter Qualität erfolgt. Um es kurz zu machen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Für einen nicht nachweisbaren Nutzen viel zu riskieren, das ist nicht das Credo unserer Politik. Die besonderen Rechte und Pflichten unserer Polizei obliegen längst einer wirksamen Kontrolle.
Straftaten im Dienst gehören angezeigt und sollen angezeigt werden. Darüber hinaus ist jede konstruktive Beschwerde am Polizeihandeln – zum Beispiel über unsere Polizeibeschwerdestelle, die in den kommenden Tagen ihren Jahresabschlussbericht vorlegen wird – natürlich erwünscht.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Menschenfeinden und gewaltbereiten Extremisten Namen und damit gegebenenfalls Anschriften unserer Polizisten zu überlassen, das halte ich ganz besonders im Interesse
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz über die Kennzeichnungs- und Ausweispflicht der Bediensteten der Polizei, Drucksache 6/1554, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Da der Ausschuss die Ablehnung empfohlen hat, wird Grundlage der Abstimmung der Gesetzentwurf sein. Es liegen keine Änderungsanträge vor. Wer der Überschrift seine Zustimmung geben möchte, zeige das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke. Gibt es Enthaltungen? –
Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist der Überschrift dennoch nicht zugestimmt worden.
Wir kommen zur Abstimmung über Artikel 1. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier keine Enthaltungen, Stimmen dafür, aber nicht die erforderliche Mehrheit.
Ich lasse über Artikel 2, Inkrafttreten, abstimmen. Wer stimmt zu? – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Gibt es Enthaltungen? – Auch hier keine Enthaltungen, Stimmen dafür, aber nicht die erforderliche Mehrheit.
Da keiner der Bestandteile des Gesetzentwurfs die erforderliche Mehrheit gefunden hat, erübrigt sich eine Schlussabstimmung, es sei denn, sie wird ausdrücklich gewünscht. – Das ist nicht der Fall. Damit kann ich diesen Tagesordnungspunkt schließen.