Protokoll der Sitzung vom 15.03.2017

Meine Damen und Herren! Unter Bezugnahme auf die eben geführte Debatte möchte ich Ihnen vorschlagen, über die drei Bestandteile des Gesetzentwurfs en bloc abzustimmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Wir stimmen ab über die Überschrift: Artikel 1 – Gesetz zum Staatsvertrag über die gemeinsame Einrichtung für Hochschulzulassung – und Artikel 2 – Inkrafttreten. Wer möchte zustimmen? – Die Gegenstimmen! – Stimmenthaltungen? – Bei keinen Gegenstimmen und Stimmenthaltungen ist den Bestandteilen des Gesetzentwurfes mehrheitlich entsprochen worden.

Ich rufe zur Schlussabstimmung auf: „Gesetz zum Staatsvertrag über die gemeinsame Einrichtung für Hochschulzulassung“. Wer möchte der Fassung in der zweiten Beratung seine Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Auch hier keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Damit ist das Gesetz beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Verzahnung der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung

Drucksache 6/8568, Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Wir beginnen mit der Aussprache. Es spricht für die CDUFraktion Herr Abg. Fischer. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Durch Schulden gebunden ist durch Sorgen gebunden“ sagt ein Sprichwort aus Norwegen, und es stimmt.

Die Anzahl verschuldeter Menschen hat sich seit 20 Jahren verdoppelt. Ohne professionelle Beratung ist es sehr schwer, ein Entkommen aus diesem Teufelskreis der Schulden zu finden. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, denn die komplette Gesellschaft hat nicht nur mit den finanziellen Ausfällen zu kämpfen, sondern sie muss auch die dadurch entstehenden Mehrausgaben bei den sozialen Sicherungssystemen schultern. Daraus resultierend gibt es eine verminderte Kaufkraft, die uns allen und somit auch der Volkswirtschaft schadet.

Aus dem Dritten Armuts- und Reichtumsbericht ist klar ersichtlich, dass es Erfolge gibt. Nach einem Jahr Beratung können Schulden erkennbar zurückgefahren werden – und nicht nur virtuell bei RTL, sondern auch in der Realität, in der Lebenswelt derer, die betroffen sind. Die Anzahl von Inhabern gesicherter Arbeitsplätze nimmt um zwei Drittel zu. Das ist ein großer Erfolg.

Die Bayerische Staatsregierung, in diesem Fall das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, hat festgestellt, dass die Anzahl der jungen Schuldner unter 30 Jahren im Jahr 2014 über 1,7 Millionen betrug. Das ist eine enorm große Zahl.

Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen nur empfehlen – auch wenn Sie persönlich nicht verschuldet sind –, sich einmal einen Termin bei einer Schuldnerberatung zu holen und sich das anzuschauen. Ich selbst habe diese Gelegenheit bei mir in Großenhain wahrgenommen. Ich bin sehr dankbar für die Arbeit, die dort geleistet wird. Erwähnenswert finde ich aber das Ergebnis, was ich nach der Verabschiedung hatte. Dann gehen Sie nämlich wieder die Treppe nach oben, und dann ist dort ein Schild, auf dem steht: „Ab hier geht es aufwärts“. Das ist es, was die Schuldner- und Verbraucherberatung leistet. Es soll wieder aufwärtsgehen im Leben. Deswegen ist die Inanspruchnahme von Hilfe der erste Schritt.

Es gibt zum einen die Schuldnerberatung. Das ist eine psychosoziale Arbeit, die Unterstützung zur Lösung von finanziellen und persönlichen Problemen des Schuldners anbietet. Hierfür sind die Landkreise zuständig. Diese Investition in den sozialen Zusammenhalt, die hierbei

geleistet wird, amortisiert sich in der Regel nach zwei Jahren. Es ist also eine sehr sinnvolle Sache.

Weiterhin gibt es – bis jetzt – die Insolvenzberatung. Sie ist anders aufgetan. Es ist eine persönliche Beratung und mit einer eingehenden Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners verbunden.

Die Aufgabe liegt beim Freistaat Sachsen. Es wird aktuell auch gefördert. Wir sind aktuell im Förderzeitraum 2017 bis 2019. Beide Angebote werden oftmals von demselben Personal angeboten. Beide Angebote erfüllen die Funktion einer wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung. Auch ich – wie Sie sicherlich auch – bin immer wieder von den Trägern und den dort arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf eine Verzahnung angesprochen worden. Mit dieser Verzahnung, die wir jetzt beantragen, meinen Damen und Herren, können wir viel erreichen. Wir können die fachlichen Kompetenzen kombinieren, wir können das Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Schuldner auf eine dauerhafte und abgesicherte Grundlage stellen. Das ist ganz wichtig bei einem solchen Thema; denn wir wissen, dass es auf das persönliche Vertrauen, auf das persönliche Ansprechen ankommt.

Die Betroffenen gewinnen wieder eine Lebensperspektive. Die Justiz wird von Zwangsmaßnahmen entlastet, Schwarzarbeit kann zurückgefahren und reduziert werden. Das Verbraucherinsolvenzverfahren, das eine sehr sinnvolle Sache ist, um wieder Perspektive für Verschuldete zu schaffen, hat die Beratung trotz der guten Möglichkeiten, die sie bietet, verkompliziert. Mit dieser Initiative wollen wir die Fachlichkeit stärken. Die Zusammenführung soll laut unserem Antrag vom Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz – das in Zukunft übrigens mit „SMSV“ abgekürzt werden sollte und nicht mit „SMS“ – geprüft und umgesetzt werden.

Die unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten

werden zusammengeführt. Wir bieten Hilfe für Verbraucherinnen und Verbraucher, für Schuldner an, und zwar aus einem Guss, aus einer Hand, mit einer Perspektive.

Wir bitten die Staatsregierung, im Zusammenwirken mit den anderen Akteuren eine Konzeption zu erarbeiten, um die Synergien zu stärken. Der Bayerische Landtag hat schon am 9. November 2011 dazu entschieden. Hierbei sollten wir nachziehen. Wir sollten die Verzahnungen der Mechanismen sicherstellen, um bessere Ergebnisse zu bekommen.

Meine Damen und Herren! Ich schließe mit Heinrich Heine: „Mensch, bezahle deine Schulden. Lang ist ja die Lebensbahn. Und du musst noch manchmal borgen, wie du es so oft getan.“

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Nun die SPD-Fraktion; Frau Abg. Lang. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn sich zu einem Thema sämtliche Fachleute einig sind, dann muss etwas dran sein. So einfach könnte man das Anliegen unseres Koalitionsantrages beschreiben.

Zum hier diskutierten Thema sind sich alle einig. Der einheitliche Tenor lautet: Eine fachliche Trennung zwischen Insolvenzberatung und sozialer Schuldnerberatung macht eigentlich keinen Sinn. Die Übergänge zwischen beiden sind fließend. Beide sind letztendlich ein Teil der Schuldnerberatung.

In einem Papier der AG Schuldnerberatung der Wohlfahrtsverbände aus dem Jahr 2003 wird bereits gefordert: keine Trennung von Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen. Dass dies bisher noch nicht geschehen ist, hat keinen fachlichen, sondern leider einen häufig vorkommenden anderen Grund. Das Problem liegt auf dem Gebiet der Finanzen. Die Frage lautet: Wer gibt wofür wie viel Geld?

Im Moment sind die Schuldnerberatungen, die Landkreise und kreisfreien Städte, zuständig. Bei Menschen, die Arbeitslosengeld II bekommen, ist es die Agentur für Arbeit. Für die Insolvenzberatung hingegen ist das Land verantwortlich. In unseren Beratungsstellen in Sachsen sitzen Schuldnerberater und Insolvenzberater in einigen Fällen meist gemeinsam in einem Gebäude. Beide Formen der Beratung werden vom selben Personal durchgeführt, nur verursachen die verschiedenen Finanzierungsformen und Zuständigkeiten einen enormen Aufwand. Das kostet zusätzliche Ressourcen.

Mal ehrlich: Müssen wir denn einem Bürger erklären – er würde uns gewiss verständnislos dabei anschauen –, alle sind sich einig, aber trotzdem wird nichts geändert? Deswegen brauchen wir endlich einen neuen Anstoß. Mit unserem gemeinsamen Antrag möchten CDU und SPD einen Impuls geben.

Die beteiligten Akteure, angefangen vom Sozialministerium über die kommunale Ebene bis hin zu den Wohlfahrtsverbänden, müssen diese Aufgabe endlich gemeinsam lösen. Die Liga hat sich schon vor einigen Jahren Gedanken gemacht, wie die Finanzierung zusammengeführt werden könnte. Dazu müsste zunächst die Förderrichtlinie geändert werden. Die Liga hat Modellrechnungen angestellt, mit denen sie Möglichkeiten der bedarfsgerechten Finanzierung von sozialer Schuldnerberatung und Insolvenzberatung aufzeigt.

Beispiele, an denen man sich orientieren kann, gibt es. So hat die Liga ihr Konzept an das Modell von MecklenburgVorpommern angelehnt. Dort wurde bereits im Jahr 2004 die Finanzierung in einer Förderrichtlinie zusammengeführt. Kollege Fischer hat den Bericht aus Bayern er

wähnt. Die Grundaussage ist dort ganz klar. Das Zitat „Eine Zusammenführung von Schuldner- und Insolvenzberatungen wäre grundsätzlich sinnvoll und rechtlich möglich. Es wird vorgeschlagen, die Insolvenzberatung auch den Kommunen zu übertragen und entsprechende Gelder mitzugeben.“

Mit diesen Vorbildern können wir arbeiten. Wir müssen die Diskussionsrunde hier in Sachsen nicht bei Null anfangen. Inhaltlich sind wir uns ja einig. Es müsste lediglich die Frage geklärt werden, wie man das gemeinsame Ziel erreicht. In unseren Augen braucht es einfach einen Anstoß von politischer Seite, um die Diskussion wieder in Fahrt zu bringen. Mit dem vorliegenden Antrag möchten wir diesen Anstoß geben, der hoffentlich bald zu einem positiven Abschluss führt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Nun Frau Abg. Pfau für die Fraktion DIE LINKE. – Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ihr Antrag hat mich etwas überrascht. Mitte des vergangenen Jahres hatten Sie einen Antrag mit dem Titel „Insolvenz privater Haushalte im Freistaat Sachsen“ ins Plenum eingebracht. Meine Fraktion hatte dazu einen Änderungsantrag verfasst, der unter anderem forderte, die Trennung von Insolvenz- und Schuldnerberatung zu beenden. Sie haben unserem Änderungsantrag bekanntermaßen nicht zugestimmt. Aber wir freuen uns natürlich, dass ein Umdenken auch bei Ihnen begonnen hat.

Im vergangenen Jahr habe ich einige Schuldnerberatungen verschiedener Träger in Sachsen besucht. Alle waren sich einig, dass die Trennung zwischen Insolvenz- und Schuldnerberatung kontraproduktiv ist. Aufgabe der Schuldnerberatungsstelle ist nicht die reine Analyse der finanziellen Situation, sondern die Existenzsicherung, die Schuldenregulierung, die Budgetberatung, der Schuldnerschutz, psychosoziale Hilfe und Hilfen zur Überwindung der aktuellen materiellen Notlage.

Durch die Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens sind damals zwar weitere fachliche Anforderungen hinzugekommen und machten Weiterbildungen notwendig, jedoch ergab und ergibt sich auch heute kein fachlicher Grund für eine Trennung der Verbraucherinsolvenzberatung und der Schuldnerberatung. Da es sich beim Verbraucherinsolvenzverfahren um ein nachrangig rechtliches Instrument zur Regulierung der Schulden handelt – außergerichtliche Vereinbarungen haben hier den Vorrang –, ist es ein Teil des gesamten Bereiches der Schuldnerberatung.

Im Mittelpunkt der Beratungs- und Entschuldungsarbeit müssen die betroffenen Menschen stehen. Leider kommen die meisten Betroffenen viel zu spät zu Schuldnerbera

tungsstellen. Große Mengen an Rechnungen werden verschlossen in den Schubladen verstaut, und der Kontakt zur Schuldnerberatung wird erst gesucht, wenn die Wohnung bedroht ist oder andere Beteiligte, beispielsweise die Sozialämter oder enge Freunde und Verwandte, sie zu diesen Beratungsstellen schicken.

Für viele der Betroffenen ist es schwierig, die eigenen finanziellen Probleme in den Beratungsstellen offen preiszugeben. Dies erfordert eine intensive Beziehungsarbeit, und nicht selten kommen weitere Probleme hinzu. Leider kann nur einem kleinen Teil der Menschen, welche die Beratungsstellen um Hilfe ersuchen, durch eine einfache Entschuldung geholfen werden. In den meisten Fällen empfiehlt sich leider der Weg zur privaten Insolvenz. Das heißt aber, dass die Berater, die erste Anlaufstelle, der man sich geöffnet hat, in diesen Fällen nicht weiterhelfen können und dann der Weg zur Insolvenzberatung ansteht. Das heißt wiederum, dass die Menschen nochmals, meist bei einer anderen Person, oft sogar bei einem anderen Träger – das ist leider in Sachsen so –, all ihre finanziellen Probleme offenlegen müssen.

Die Zusammenführung von Schuldner- und Insolvenzberatung sollte keinesfalls dazu führen, dass sich das Land aus der Finanzierung zurückzieht. Landkreise und kreisfreie Städte sind zunehmend zum Sparen angehalten. Das macht auch vor den Beratungsstellen keinen Halt, was wiederum zu einer Verringerung des Angebotes und zu Wartezeiten auf einen Beratungstermin für die Hilfesuchenden führt. Viele Beraterinnen und Berater haben mir vor Ort mitgeteilt, dass ihnen eine reine Finanzierung durch das Land lieber wäre als eine reine Finanzierung durch die Kommunen.

Leider hat sich, da durchaus Wartetermine vorkommen, auch schon ein kommerzieller Markt für kostenpflichtige Schuldnerberatungsangebote entwickelt. Es sind Anbieter, die zudem versuchen, Kapital aus der finanziellen Notsituation zu ziehen, und die Schuldnerinnen und Schuldner geraten dann noch tiefer in die Schuldenfalle.

Auch wenn heute die aktuellen Zahlen darüber herauskamen, dass die Insolvenzverfahren in Sachsen um 6,6 % im letzten Jahr abgenommen haben, ist die Zahl der Menschen, die Hilfe brauchen, immer noch groß. Bei vielen Menschen in Sachsen wurden Zahlungsschwierigkeiten registriert, und es liegt vielleicht sogar schon eine Verschuldung vor, aber sie gehen nicht zu den Hilfestellen, um sich Hilfe zu suchen. Das heißt, dass neben der Beratung auch die Prävention ein sehr wichtiger Schritt zur Verhinderung von Schulden werden muss. Viele Beratungsstellen haben mir in den Gesprächen berichtet, dass sie gern mehr Präventionsarbeit machen würden, was aber aufgrund des engen Personalschlüssels nicht möglich sei, da die Beratung der Hilfesuchenden selbstverständlich vorgeht.

Frühzeitige Sensibilisierung und Aufklärung in den Schulen ist besonders wichtig. Viele junge Menschen sind mit den ersten eigenen Vertragsabschlüssen für Wohnungen, Autokäufe und Handyverträge alleingelassen. Nur

eine aktive Aufklärungsarbeit im Umgang mit Finanzen bereits in der Schule kann helfen, einer Verschuldung vorzubeugen.

Da die Finanzwelt immer bessere Ideen entwickelt, um angeblich überaus günstige Kredite zu vermitteln, die Verlockung von angeblich supergünstigen Verträgen für Handys oder Klubmitgliedschaften groß ist, ist es zwingend erforderlich, dass auch die Aufklärungsarbeit der Verbraucherzentralen gestärkt wird.

Kurz zu Ihrem Antragstenor im Einzelnen. In Stufe 1 möchten Sie einmal die Konzeption zu einer Verzahnung zwischen Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen

erarbeiten lassen. Diese Konzeption soll in Stufe 2 dem Landtag bis zum 3. Juni 2018 vorgelegt werden. In der 3. Stufe soll dann noch ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt werden. Ganz sicher steht dann aber schon die Landtagswahl vor der Tür. Geschehen ist aber wenig, wenn nicht gar nichts.

Eine Konzeption allein genügt nicht. Der Landtag als Gesetzgeber muss schon bei der Frage der Zusammenlegung der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung durch entsprechende Änderungen der sächsischen Ausführungsgesetze zu § 305 der Insolvenzverordnung und des Sozialgesetzbuches befasst werden. Zudem hat sich – wie schon erwähnt wurde – der Bayerische Landtag bereits vor zwei Jahren intensiv mit dem Thema befasst, und es gibt von den verschiedenen Trägern schon entsprechende Konzepte.