Protokoll der Sitzung vom 15.03.2017

(Andreas Nowak, CDU: Auch sie sind eigenverantwortlich!)

Das ist richtig. Trotzdem haben Sie hier die Möglichkeit, einzuwirken.

Aber kommen wir zum – aus SPD-Sicht – Herzstück des Kapitels Verkehr, dem Bildungsticket. Sie wollten ein einheitliches, sachsenweit gültiges und kostengünstiges Bildungsticket einführen. Bis zum 31. Dezember 2015 wollten Sie einen Vorschlag vorlegen. Der Termin ist seit 15 Monaten verstrichen.

Ja, ich weiß: Die Umsetzung ist höchst kompliziert und wirklich schwierig. Aber der nun in Rede stehende Vorschlag, das Bildungsticket nur in einer Modellregion zu testen, ist doch Nonsens! Ein Bildungsticket kann nur funktionieren, wenn es in ganz Sachsen für alle Schülerinnen und Schüler und alle Auszubildenden gültig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Worüber ich mich gefreut habe: Ich konnte im Koalitionsvertrag etwas von dem grünen Kernprojekt „Integraler Taktfahrplan“ lesen. Darüber diskutieren wir schon seit Jahren. Idealerweise wird darüber auch in der Strategiekommission beraten. Ja, die Strategiekommission ist etabliert; sie arbeitet. Ich hoffe, dass in diesem Jahr auch noch etwas auf dem Tisch liegen wird.

Aber nach langer und auch persönlich intensiver Arbeit in dieser Kommission erkenne ich zwei wesentliche Defizite, die wir übrigens von Anfang an benannt haben. Ein Defizit: Die Kommission hat sich von Anfang an keine konkreten Ziele gesetzt, was eigentlich am Ende herauskommen soll. Genau das, so glaube ich, war kalkuliert; denn je unkonkreter die Ziele, desto unkonkreter sind auch die Handlungsempfehlungen, die im Zweifel am Ende nichts kosten.

Legendär ist die Aussage, die vor den Haushaltsverhandlungen durch die Kommission getroffen wurde, nämlich: Im Rahmen der Haushaltsverhandlungen gibt die Kommission keine Handlungsempfehlung. – Das ist doch völlig absurd!

Kommen wir zum Radverkehr – Sie haben sicherlich schon darauf gewartet. Ich hatte mir viel von Ihnen versprochen, und der Koalitionsvertrag gibt insoweit einiges vor, zum Beispiel eine nennenswerte Erhöhung des Anteils des Radverkehrs am Gesamtverkehr, den Ausbau der Fahrradinfrastruktur und der Verknüpfungsstellen zum ÖPNV – wir haben es heute schon gehört – sowie die Erhöhung der Mittel für den Radverkehr.

Aber ob sich der Radverkehrsanteil im Laufe der Regierungszeit überhaupt geändert haben wird, das werden wir nie feststellen. Warum? Weil Sachsen nicht in der Lage ist, den Modal Split, also den Anteil der einzelnen Verkehrsmittel am Gesamtverkehr, für den Radverkehr

überhaupt zu ermitteln. In anderen Bundesländern ist es möglich, Radverkehr und Fußverkehr getrennt zu betrachten; in Sachsen ist das nicht möglich. Für mich völlig absurd!

Kommen wir zum Geld. Ja, Sie haben mehr Geld für den Radverkehr eingestellt. Das finde ich wirklich großartig.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie allerdings verschweigen: dass der größte Anteil davon ungenutzt bleibt bzw. aus dem Topf für kommunale Radwegeförderung nicht abgerufen wird. Somit wird mit diesen Mitteln der kommunale Straßenbau finanziert. Im Jahr 2015 wurden zum Beispiel die Fördermittel für den Bau von Radwegen an Staatsstraßen zu 70 % nicht abgerufen. Zur Erinnerung: Für die Radwege an Staatsstraßen ist das SMWA bzw. das LASuV zuständig. Alles Fördergeld nutzt nichts, wenn es nicht abgerufen wird.

Wir haben darüber schon im Rahmen der Haushaltsverhandlungen debattiert. Was fehlt, ist Personal im LASuV. Ja, Sie haben jüngst Personal eingestellt. Im Ausschuss sind Sie mir aber auf die Frage, ob die denn tatsächlich dafür zuständig sind, Radwege zu planen, eine Antwort schuldig geblieben.

Nicht nur im LASuV brauchen wir Personal. Ich glaube, wir brauchen auch eine extra Abteilung im SMWA, die als Ansprechpartner für die Kommunen dient und diese unbürokratisch unterstützen sollte.

(Staatsminister Martin Dulig: Sie haben von Verwaltung keine Ahnung!)

Was mich heute überrascht hat, waren Ihre mit Verve vorgetragenen Sätze zu den Radstationen. Also wirklich! Erst stellen Sie die Möglichkeit, dass Kommunen Radstationen fördern können, ein. Dann schreibe ich Ihnen Briefe; mir kam es schon fast vor wie betreutes Regieren. Daraufhin haben Sie die Förderrichtlinie – endlich! – geändert. Ich danke Ihnen. Es ist sehr gut, dass es jetzt Radstationen geben wird. Aber Sie sehen, auch bei diesem Thema mussten wir Sie eher zum Jagen tragen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber zurück zum Koalitionsvertrag! Sie wollten sich für mehr Verkehrssicherheit im Straßenverkehr einsetzen und die Zahl schwerer Unfälle „signifikant“ reduzieren. Sehr gut! Dazu haben Sie sich in der Verkehrsministerkonferenz und im Bundesrat für die Änderung der StVO eingesetzt, damit vor Kitas, Schulen, Altenheimen usw. grundsätzlich Tempo 30 gilt. Aber die Änderung der StVO allein reicht nicht aus, sondern es braucht dafür noch eine Verwaltungsverordnung. Diese wurde am vergangenen Freitag im Bundesrat behandelt. Zu dieser Verwaltungsverordnung gab es mehrere Änderungsanträge. Zwei davon wollten aus dem geplanten Regelfall eine Kannbestimmung machen. Was hat die sächsische Regierung gemacht? Was haben Sie gemacht, Herr Dulig? Sie haben für diesen Wischiwaschi-Vorschlag gestimmt.

(Staatsminister Martin Dulig: Stimmt nicht!)

Sie haben dagegen gestimmt, dass Tempo-30-Anordnungen vor den genannten sozialen Einrichtungen zum Regelfall werden. Zum Glück haben diese Vorschläge – –

(Staatsminister Martin Dulig: Das ist falsch!)

Das ist nicht falsch. Ich habe mir das im Internet genau angeschaut.

(Staatsminister Martin Dulig: Es gab zwei Änderungsanträge!)

Ich kann es Ihnen dann zeigen, Herr Dulig.

Zum Glück haben diese Änderungen keine Mehrheit gefunden.

(Beifall bei den GRÜNEN – Staatsminister Martin Dulig: Sie müssen schon bei der Wahrheit bleiben!)

Lassen Sie mich noch einige Worte zum Stand der Elektromobilität verlieren. Nach Angaben des KraftfahrtBundesamtes waren zum 1. Januar 2016 in Sachsen ganze 735 Elektroautos zugelassen, was einem bundesweiten Anteil von weniger als 3 % entspricht. Mit viel Tamtam haben Sie im vergangenen Jahr der Polizei 44 Elektroautos übergeben. Mit dieser Aktion beträgt der Anteil der Elektroautos am Fuhrpark der sächsischen Polizei ganze 1,6 %. Na ja.

Was das sogenannte „Schaufenster Elektromobilität“ angeht: Es ist Ihnen nicht gelungen, die Unterstützung der angelaufenen Projekte im Rahmen der Bundesförderung hier in Sachsen zu verstetigen. Für Sachsen und Bayern standen von 2012 bis 2016 Mittel in Höhe von 130 Millionen Euro zur Verfügung. Im aktuellen Doppelhaushalt sind es nur noch 600 000 Euro. Kontinuität und Verstetigung stelle ich mir anders vor.

Aber verlassen wir zu guter Letzt den Koalitionsvertrag und schauen noch einmal auf das, was nicht im Koalitionsvertrag steht, nämlich der Fußverkehr – eine Leerstelle. Er kommt bei Ihnen überhaupt nicht vor, was – wir erinnern uns – möglicherweise auch daran liegt, dass es keine unterschiedliche Erhebung gibt. Es scheint die Einzigartigkeit dieser Koalition oder dieser Regierung zu sein, dass weder der Rad- noch der Fußverkehr für den Modal Split gesondert erhoben wird.

Wenn wir uns die Bundeszahlen ansehen – auf diese müssen wir uns dann verlassen –, dann macht im Modal Split der Fußverkehr inzwischen 25 % aus. Dass das Thema wirklich boomt, habe ich just am Wochenende beim BUVKO erleben dürfen. Wenn inzwischen jeder vierte Weg mittels der gesündesten, preiswertesten und umweltverträglichsten Art der Fortbewegung zurückgelegt wird, dann könnte man auf den Gedanken kommen, dass man für Fußgängerinnen und Fußgänger im Freistaat etwas tun muss. Aber weit gefehlt, ich sehe keine Aktivitäten.

Wir geben Ihnen jetzt mit unserer Großen Anfrage, die wir in dieser Woche eingereicht haben, die Gelegenheit, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. Wir werden

darüber sicherlich auch im Plenum diskutieren. Darauf freue ich mich schon heute.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns wirklich bemüht. Wir haben uns ganz in Ruhe den Koalitionsvertrag angeschaut, wo die mobilitätspolitischen Erfolge von Ihnen liegen. Wie gesagt, wir sind nicht wirklich fündig geworden. Aber ich verspreche Ihnen, dass wir Sie in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode weiterhin kritisch und freundlich begleiten werden, um den verpassten Eintritt in eine moderne, umwelt- und klimapolitisch sinnvolle Mobilitätspolitik in Sachsen wenigstens noch ansatzweise umzusetzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war Frau Kollegin Meier von der Fraktion GRÜNE. Damit sind wir am Ende zumindest der ersten Rederunde angekommen. Jetzt möchte Herr Kollege Homann eine Kurzintervention vornehmen – vermutlich.

Genau, eine Kurzintervention. Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich wollte mich erst einmal bei Frau Kollegin Meier für den engagierten Redebeitrag bedanken. Ich habe einmal mitgezählt: Ihre meistgenutzte Wortgruppe war „sehr gut“. Sie haben uns sechs Mal gelobt. Ich wollte mich für die Anerkennung unserer Arbeit bei Ihnen ausdrücklich bedanken. Sie haben anerkannt, dass wir mehr Geld für den ÖPNV ausgeben. Sie haben anerkannt, dass wir mehr Geld für Radwege ausgeben. Sie haben unseren Koalitionsvertrag gelobt. Das finde ich wirklich anständig von Ihnen, dass Sie unsere Arbeit anerkennen.

(Beifall bei der SPD)

Dann hätte ich einen kurzen Hinweis. Erst einmal Danke schön für die Anerkennung meines Engagements für die Strecke Döbeln – Meißen. Ich wollte noch einmal darauf hinweisen, dass über die Zukunft der Strecke eben nicht der Sächsische Landtag und auch nicht der Verkehrsminister entscheiden, sondern das ist Aufgabe der Zweckverbände und damit der kommunalen Ebene. Sie können davon ausgehen, dass die Aktivitäten meiner Fraktion – und ich weiß auch, dass es bei unserem Koalitionspartner so ist –, dass unsere Aktivitäten, die wir vor Ort leisten, mit sehr viel Sympathie unterstützt werden. Dabei ist auch Herr Liebhauser zu nennen, der sich mit einbringt. Die Entscheidung wird aber vor Ort getroffen. Deshalb geht der Vorwurf, dass sich der Landtag nicht darum kümmern würde, an der Sache schlichtweg vorbei.

Eine Korrektur habe ich noch zu Ihrem Redebeitrag. Wir fördern das Schaufenster Elektromobilität im aktuellen Doppelhaushalt mit 1,2 Millionen Euro. Wo eine Kürzung herkommen soll, die Sie uns vorgeworfen haben, verstehe ich an dieser Stelle nicht. Nach meinem Wissen verstetigen wir die Mittel der letzten Jahre.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Auf die Kurzintervention von Herrn Kollegen Homann, die sich natürlich auf den Redebeitrag von Frau Kollegin Meier bezog, könnte jetzt reagiert werden.

(Katja Meier, GRÜNE, schüttelt den Kopf..)

Möchten Sie nicht. Damit könnten wir jetzt – Sie haben es angekündigt, Herr Böhme – eine zweite Rederunde eröffnen.

(Marco Böhme, DIE LINKE, geht zum Rednerpult.)

Gut. Sie tun das auch für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Ich habe angekündigt, zum Entschließungsantrag zu sprechen, aber eine Minute meiner Redezeit war, glaube ich, noch übrig gewesen.

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