Protokoll der Sitzung vom 16.03.2017

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das würden wir nie machen!)

Wir haben die gesetzlichen Regelungen: § 60 Aufenthaltsgesetz lässt zu, dass die Länder eigenverantwortlich über einen Abschiebestopp entscheiden können, und das ist gut so.

(Albrecht Pallas, SPD: Für drei Monate! – Der Bund muss das entscheiden!)

Lieber Kollege Albrecht Pallas, ja für drei Monate – aber lesen Sie den Antrag doch einmal richtig! Darin steht, diese drei Monate sollen genutzt werden, um zu einer neuen Bewertung der Sicherheitslage zu kommen. Das steht in diesem Antrag und nicht: Wir setzen die Abschiebungen drei Monate aus und schauen dann einmal, wo es uns hintreibt. – Nein! Sie können doch nicht einerseits sagen, dass Sie jetzt sozusagen Ihre Kontakte spielen lassen, dass es da eine veränderte Haltung in der Bundesregierung gibt, und andererseits, dass wir zum Rechtsbruch auffordern würden oder dass das nicht gehen würde. Nein! Wir brauchen eine konzertierte Aktion

(Albrecht Pallas, SPD: Ich habe das

Dilemma dargestellt, Frau Zais! Da

gibt es nicht nur Schwarz und Weiß!

lassen Sie mich ausreden! –, und wir brauchen auch das Signal aus Sachsen, dass wir eine menschenrechtsbasierte, humanitäre Flüchtlingspolitik wollen.

Selbst der Wehrbeauftragte der Bundesregierung schätzt Afghanistan mittlerweile als unsicher ein. Das ist nicht irgendwer – es sind eben nicht nur der UNHCR und Flüchtlingsorganisationen, die das machen. Das muss man doch einmal zur Kenntnis nehmen, und da darf man uns doch nicht Ideologie oder sonst etwas unterstellen.

(Albrecht Pallas, SPD: Das habe ich nicht gemacht!)

Es geht um den humanitären Kern unserer Flüchtlingspolitik.

(Karin Wilke, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Frau Zais, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. Ich habe nicht so viel Zeit, deshalb muss ich Nein sagen. – Das Schlimmste ist, dass wir in unserem Land zuschauen, wie zunehmend Entwicklungspolitik und Asylpolitik miteinander verquickt werden.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Richtig!)

Wer hätte sich das träumen lassen, dass man meint, für Geld diese humanitären Ansätze unserer Asyl- und Flüchtlingspolitik, auf die Deutschland immer stolz sein konnte, sozusagen wegschmeißen zu können.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Was reden Sie für einen Unsinn, Frau Zais?)

Ich kann Ihnen nur Zustimmung zu diesem Antrag empfehlen; denn es wäre gut, wenn auch einmal solch ein Signal aus dem an guten Signalen armen Sachsen kommen würde.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – Oh-Rufe von der CDU – Zuruf von der AfD: Na, jetzt ist gut! – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Herr Wendt, Sie wünschen?

Eine Kurzintervention.

Bitte sehr.

Ich beziehe mich auf den Redebeitrag von Frau Zais.

Das versteht sich.

Vielen Dank. – Frau Zais, wenn Sie nun fordern, dass beispielsweise alle Afghanistan verlassen sollten oder nicht zurückkehren sollten – so ähnlich haben Sie sich ausgedrückt – –

(Petra Zais, GRÜNE: Nein! Diese Menschen sind schon hier, schon seit Jahren!)

Das kann doch nicht im Interesse aller sein, dass alle das Land verlassen, und mehr oder weniger diejenigen, die es nicht verlassen können, werden dann den Taliban überlassen. Im Gegenteil! Insbesondere die jungen Männer sollten zurückgehen und Hand in Hand mit den afghanischen Streitkräften für Demokratie und Sicherheit sorgen. – Ich war dort unten, und ich aktualisiere ständig meine Informationen. – Selbstverständlich besteht diese Mög

lichkeit. Wenn alle Kräfte, die Afghanistan irgendwann einmal sicher erleben wollen, dieses Land verlassen, dann kommen wir dort keinen Schritt weiter.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war die Kurzintervention von Herrn Abg. Wendt. – Frau Zais, Sie möchten erwidern?

Herr Wendt, ich weiß nicht, ob Sie überhaupt zuhören. Ich rede von Menschen, die sich schon zwölf Jahre hier aufhalten. Zwölf Jahre lang hat Deutschland nicht nach Afghanistan abgeschoben. Woher nehmen wir denn das Recht, auf einmal zu sagen, jetzt ist dieses Land sicher? Nein, dieses Land ist heute so destabilisiert wie schon lange nicht. Daran tragen wir auch mit Schuld, wenn man sich die Geschichte dieses Landes, der kriegerischen Auseinandersetzungen in den letzten 40 Jahren ansieht.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Die grüne Partei trägt Schuld!)

Was die von Ihnen hier dargestellten jungen Männer anbelangt, die jetzt vielleicht mit einer Blume im Gewehr dort dieses Land verteidigen: Sehen Sie sich doch einmal die Altersstruktur derer, die da abgeschoben werden, an.

(Zuruf der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Die sind zum Teil 40 Jahre alt, es sind Familien. Wir kennen afghanische Familien mit Kleinkindern, denen jetzt gesagt wird: Ihr müsst ausreisen. Wo leben wir denn?!

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen weiteren Redebedarf für eine zweite Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Ich erteile nun dem Sächsischen Ausländerbeauftragten, Herrn Abg. Mackenroth, das Wort. Bitte sehr, Herr Ausländerbeauftragter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In meiner Arbeit als Sächsischer Ausländerbeauftragter erfahre ich ja täglich von schlimmen Einzelschicksalen, und ich weiß, Frau Kollegin Zais, Frau Nagel, um die menschlichen Tragödien, die mit Flucht und Vertreibung einerseits, andererseits aber auch mit jeder Abschiebung verbunden sind. Viele der Menschen, die Deutschland wieder verlassen müssen, tun mir schlicht leid. Aber ich bin natürlich auch geltendem Recht verpflichtet. Das geltende Recht bestimmt, wer sich in Deutschland aufhalten darf; und wer sich nicht in Deutschland aufhalten darf, der ist verpflichtet auszureisen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Als Jurist wissen Sie: Man kann Recht ändern!)

Darauf komme ich zurück, Herr Gebhardt.

Den Zielkonflikt zwischen Barmherzigkeit im Einzelfall und genereller Gleichbehandlung und damit Gerechtigkeit entscheidet in unserem Rechtsstaat nicht das Mitgefühl, sondern das Gesetz. Als zusätzliches Instrument staatlicher Barmherzigkeit hat genau dieses Gesetz die Sächsische Härtefallkommission installiert. Kollege Pallas, die hat keine Rückstände. Wir haben weitere Vakanzen, Möglichkeiten selbst für Flüchtlinge aus Afghanistan.

Im Übrigen, wenn jemand zwölf Jahre hier ist, Frau Kollegin Zais, gibt es nach neuer Rechtslage automatisch einen Aufenthaltstitel.

Wenn nun jemand seiner Ausreisepflicht nicht nachkommt, dann sieht das Recht als Ultima Ratio seine zwangsweise Rückführung vor. Deren Durchsetzung ist nach meiner festen Überzeugung unverzichtbar, andernfalls verlöre das geltende Recht jede Akzeptanz. Recht wäre beliebig, und das geht nicht.

(Beifall bei der CDU und des Abg. André Wendt, AfD)

Deswegen, Kollege Gebhardt, halte ich pauschale Forderungen wie „unbefristetes Bleiberecht für alle“ oder „Stopp aller Abschiebungen“ für falsch. Diejenigen, die das wollen, müssen sich bitte zunächst in den Gesetzgebungsorganen die politischen Mehrheiten suchen, um dies ins Gesetzblatt zu schreiben. Dann wäre das geltendes Recht, an das ich mich ebenfalls halten würde.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das können wir Ihnen versprechen, am 24. September!)

Schauen wir einmal.

(Zuruf von der AfD: Wunschdenken!)