Allein diese Zahlen zeigen, dass die Auswirkungen des Brexit auf den europäischen Forschungsraum nicht zu unterschätzen sind. Zudem bleiben derzeit mehr Fragezeichen als Antworten auf die zukünftige Ausgestaltung des neuen Programms.
Für Sachsen – deshalb legen wir Ihnen auch diesen Antrag mit dem entsprechenden Beschlussteil vor – steht aus unserer Sicht fest, dass wir alle Anstrengungen unternehmen sollten, an diesen bewährten Kooperationen so gut als möglich anzuknüpfen. Dazu gehört für uns auch, dass das Forschungsrahmenprogramm künftig genauso finanzstark ausgestattet ist wie bisher. Bisher waren es 77 Milliarden Euro. Diese sollen auch zukünftig zur Verfügung stehen, und – erlauben Sie mir diese Zwischenbemerkung – möglichst ohne Einschnitte am laufenden Programm, wie in der aktuellen Förderperiode geschehen.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Staatsregierung hat sich im Evaluierungsprozess „Horizont 2020“ positioniert. Mit dem vorliegenden Antrag rücken wir das Thema heute in den Fokus der Öffentlichkeit und leisten unseren Beitrag, um die Bedeutung dieses Programmes zu unterstreichen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die öffentliche Finanzierung von Wissenschaft, also den Grundlagen der angewandten Forschung aus Steuermitteln, hat immer das Ziel,
neues Wissen zu generieren, damit aus Forschung und Entwicklung – möglichst als Verbundprojekte zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und den Transfer daraus – Innovationen werden. Es geht also um am Markt realisierte Produkte und Dienstleistungen. Das ist aus meiner Sicht eine Art Kreislauf, der entsteht, aus dem neue Steuermittel generiert werden. Das rechtfertigt aus meiner Sicht auch den öffentlichen Einsatz von Geld.
Ich beginne meine Reden eigentlich ungern mit trockenen Zahlen, aber anhand der Forschungshaushalte der vergangenen Rahmenprogramme wird deutlich, wie sich die politischen Prioritäten in der Europäischen Union verändert haben. Wenn man sich das 5. Forschungsrahmenprogramm von 1998 bis 2002 anschaut, sieht man, dass es mit knapp 15 Milliarden Euro ausgestattet ist. Das 6. Forschungsrahmenprogramm war mit 18 Milliarden Euro, das 7. Forschungsrahmenprogramm von 2007 bis 2013 schon mit 55 Milliarden Euro und das derzeitige ist mit 80 Milliarden Euro ausgestattet. Es ist das weltweit größte Forschungsprogramm, das mit öffentlichen Mitteln gespeist wird.
Obgleich manche Instrumente zusammengelegt worden sind, verdeutlicht es in den Zahlen, wie sich im modernen Europa die Wissens-, Wirtschafts- und Innovationsgesellschaft weiterentwickelt hat und dass dieses Programm letztlich mehr als ein reines Forschungsprogramm ist.
Bisher getrennt geführte Förderelemente – Kollege Mann ist schon darauf eingegangen – sind KIC und Ähnliches, aber auch das europäische Innovations- und Technologieinstitut. Die innovationsrelevanten Teile des Programms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation und das Forschungsrahmenprogramm selbst sind zusammengeführt worden und jetzt ein strategischer Rahmen für Forschung und Innovation. Das gehört zusammen, und das tun wir auch im Freistaat Sachsen.
Interessanterweise ist der Freistaat Sachsen bei der EU in der Forschungs- und Entwicklungsintensität ganz vorn mit dabei. Wir müssen aber die Früchte dessen noch ernten. So liegen wir bei den Patenten eher im Mittelfeld. Aber da ist Potenzial nach oben. Die Statistik wiederum zeigt in erschreckender Weise, wie sich Europa nach wie vor uneinheitlich entwickelt. Das heißt, dass der Zugang aus den Mitgliedsstaaten zu den Forschungsprogrammen nötig ist, um letztlich politische Mehrheiten für diese Thematik zu bekommen.
Deswegen haben wir auch diesen Antrag geschrieben; auch mit Blick auf den Brexit. Man sieht, dass sich auch in einem Land, das bisher sehr wissensintensiv in der EU Mitglied war, die politische Mehrheitslage verschieben kann. Wir müssen alles dafür tun, dass die Europäische Union auch in den nächsten Förderperioden an diesem Trend zur Wissensgesellschaft, an Forschung und Innovation festhält.
Das EU-Forschungsrahmenprogramm gewinnt vor allem vor dem Hintergrund der in geringem Umfang zur Verfügung stehenden Struktur- und Investitionsfondsmittel immer mehr an Bedeutung, kann das aber nicht ersetzen.
Der Freistaat hat sich dieses Ziel gesteckt und betreibt erfolgreich Forschung und Entwicklung, weil wir wissen, dass die Strukturmittel zurückgehen. Wir haben mit den vier Universitäten, fünf staatlichen Hochschulen und vielen außeruniversitären Einrichtungen, letztlich Industrieforschungseinrichtungen, ausgezeichnete Bedingungen, um gewisse Kompensationen vorzunehmen.
Wir haben uns das 3-%-Ziel der EU-Strategie gesetzt, dass wir also 3 % unserer Mittel in diesem Bereich verausgaben. Das ist, glaube ich, eine angemessene Zielzahl, gemessen an unserem gesamten Haushalt.
Nun zu dem Antrag. Wir haben den Antrag in einen Berichtsteil gegliedert, der als eine Art Bestandsaufnahme den Erfolg von Projekten unter sächsischer Beteiligung darstellen soll. Die Wirkungsweise des neuen Instrumentes ZEUSS – Kollege Mann ist schon darauf eingegangen –, das auch die Fachhochschulen unterstützt, soll an den Forschungsmitteln der EU partizipieren. Letztlich sind es auch die Folgerungen aus der Halbzeitüberprüfung, die den mehrjährigen Finanzrahmen beleuchten, was also die Staatsregierung dahin gehend an Erkenntnissen gewinnt, die dann entscheidend für die Weiterentwicklung und die Positionierung Sachsens und Deutschlands in der Haushaltsgestaltung für die nächste Förderperiode sind.
Im zweiten Teil des Antrags möchten wir darauf hinwirken, dass noch mehr Unternehmen, vor allem mittelständische, an den Forschungsprogrammen der EU partizipieren, dass wir verstärkt Gutachter aus Sachsen nach Brüssel entsenden, die auch eine Vernetzung erzeugen, und dass wir in Brüssel mehr Einfluss darauf nehmen, dass die Forschungsförderung in der Förderperiode von 2021 bis 2027 diese Mittel mindestens in gleicher Höhe vorsieht. Wichtig ist, dass die Kriterien der Exzellenzwirkung, also „Impact“, und die Qualität, der gesellschaftliche Nutzen und die Effizienz an erster Stelle stehen.
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass vor Ende des Jahres 2017, wenn der erste Vorschlag der EUKommission vorliegen wird, diese Prioritäten auch bei uns klar sind und wir uns politisch darüber verständigt haben. Die Herausforderungen sind nun einmal die zukünftige Mittelausstattung. Ich bin bereits darauf eingegangen. Der Brexit wird auch dieses Thema ein Stück weit überschatten. Letztlich geht es um die strategische Schwierigkeit, dass sich Regionen unterschiedlich entwickeln, also die Mittelverteilung nicht gleichmäßig ist, sondern zwei Drittel dieser Zuwendungen in „Horizont 2020“ auf nur fünf europäische Mitgliedsstaaten entfallen und die fiskalischen Effekte in anderen Regionen Europas nicht so zum Tragen kommen. Dies muss man sich vor Augen führen.
Es muss darum gehen, dass die „Horizont“-Mittel nicht zur Finanzierung anderer Programme verwendet werden. Das sind alles Positionen, in die wir uns einbringen müssen. Es ist auch wichtig, wie sich Sachsen im europäischen Forschungsraum darstellt. Man muss schauen, wie das Programm attraktiver werden kann, das sich schon
Ich möchte nur noch auf ein Instrument eingehen, das auch über das Wirtschaftsministerium unterstützt wird. Es geht um die „Horizont“-Prämie, bei der Unternehmen in die Lage versetzt werden, von den europäischen Mitteln zu partizipieren, weil die Anträge und die Netzwerkbildung sehr komplex sind und es deshalb notwendig ist, kleinere Unternehmen, die nicht diese Kapazitäten haben, zu unterstützen.
Wir möchten diesen Antrag gezielt in den öffentlichen Raum bringen, damit wir darüber sprechen und die Bedeutung von Forschung und Entwicklung für den Freistaat Sachsen deutlich machen. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass auch künftig über das, was ich eingangs sagte, Wissen, innovative Produkte und Dienstleistungen auf den Markt kommen, die Wertschöpfung generieren sowie Arbeitsplätze sichern und ausbauen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Debatte steht einmal wieder ein Antrag, wie er für die Koalition typisch ist. Die Regierungskoalitionäre CDU und SPD fordern die Staatsregierung auf, zu berichten, was sie Segensreiches für das Land Sachsen vollbringt. Darüber zeigt sich diese dann hocherfreut und teilt in der Antwort auf den Antrag mit – ich zitiere –: „Die Sächsische Staatsregierung und insbesondere mein Haus“ – gemeint ist das SMWK – „begrüßen und unterstützen den Antrag nachdrücklich.“
Zum Abschluss der Stellungnahme wird dann – wie bei solchen Anträgen ebenfalls üblich – ausführlich darauf verwiesen, dass die Staatsregierung in der Sache bereits tätig ist. Wer hätte das gedacht? Der Landtag mal wieder als Pressestelle der Staatsregierung.
Aus diesem Grunde werden wir – das möchte ich gleich zu Beginn sagen – Ihrem Antrag auch nicht zustimmen, sondern uns enthalten.
Aber lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zur Sache machen; denn es gibt auch inhaltliche Gründe, warum wir nicht zustimmen werden.
Zweifellos ist „Horizont 2020“ ein bedeutendes Forschungsprogramm, mit dem nachhaltiges Wachstum und zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden sollen. Das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“
baut dabei auf den in der Strategie Europa 2020 verankerten Zielen – Exzellenzen der Wissenschaftsbasis, führende Rolle in der Industrie und Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen – auf.
Dementsprechend sind eigentlich drei Säulen vorgesehen: zum Ersten Exzellenz, zum Zweiten aber gesellschaftlich indizierte Forschung, wie etwa Forschung im Bereich Gesundheit, demografischer Wandel und Nahrungsmittelsicherheit, und zu guter Letzt auch die industriedominierte Forschung, also Forschung unter expliziter Beteiligung von Unternehmen etwa im Rahmen von Maßnahmen für kleinere und mittlere Betriebe.
Von strategischer Bedeutung für Sachsens Wirtschaft, die überwiegend aus KMU besteht, ist zweifellos die Innovations- und Marktorientierung des EU-Programms.
Mit „Horizont 2020“ kann die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft ausgebaut werden; das ist auch gut so. Entsprechend spricht das SMWK in seiner Stellungnahme auch von beachtlichen Erfolgen, die hier zu verzeichnen seien. Laut Antwort der Staatsregierung beteiligten sich sächsische Unternehmen 118-mal am Rahmenprogramm für Forschung und Innovation. Das entspricht immerhin Rang 6 im gesamtdeutschen Maßstab; davon fielen 78 Beteiligungen auf KMU.
Trotz solcher Erfolge verweist das SMWK auf weitere Anstrengungen, die nötig sind, um das Förderpotenzial auszuschöpfen. So sind in Sachsen neben einem neuen, verbesserten Beratungs- und Unterstützungsangebot für die sächsischen Hochschulen durch das Projekt ZEUSS die Fördermöglichkeiten für die „Horizont“-Projekte übersichtlicher gestaltet und verbessert worden. Das heißen wir ausdrücklich gut.
Aber das alles ist nur die eine Seite. Neben den unbestreitbaren Erfolgen gibt es auch deutliche Kritik an dem Programm. Diese richtet sich gegen eine Forschungspolitik, die sich auf technokratische Abwege begibt, wie jüngst auch in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zu lesen war. Es geht um die dritte Säule des Programms, die Forschung zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen, also um die Geistes- und Sozialwissenschaften. Nach ihnen fragen weder die Koalitionäre in ihrem Antrag, noch erfährt man von der Staatsregierung in ihrer Antwort etwas über Forschungsaktivitäten in diesem Wissenschaftsbereich. Die Geistes- und Sozialwissenschaften werden durch das europäische Forschungsprogramm „Horizont 2020“ marginalisiert, obwohl sie Beiträge zur Lösung gesellschaftlicher Probleme leisten könnten.
Eine eigenständige, international anschlussfähige sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung in Europa ist jedoch unabdingbar, kritisiert die Allianz der Wissenschaftsorganisation.
Diese Allianz ist nicht irgendwer. Zu ihr gehören die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Fraunhofer Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Leibniz-Gemeinschaft, die
Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die Hochschulrektorenkonferenz und die Nationale Akademie der Wissenschaften – Leopoldina. Wir wissen uns also mit unserer Kritik durchaus in guter Gesellschaft.
Weiter heißt es dort: „Doch das Arbeitsprogramm ,Social Sciences and Humanities‘, das bis 2014 einen festen Platz im Forschungsrahmen hatte, wurde kurzerhand gestrichen.“
Die EU betrachtet die Forschung fast ausschließlich als Impulsgeber für die Wirtschaft, während die erkenntnisgeleitete Forschung außer Acht gerät. Der DFG-Präsident, Peter Strohschneider, spricht von einem ökonomischen Reduktionismus in der EU und sieht Populismus und Technokratie als zwei Seiten derselben Medaille. So heißt es in der Stellungnahme der Allianz der Wissenschaftsorganisation zur Zwischenevaluation von „Horizont 2020“ vom 13. Juli 2016: „Darüber hinaus machen neue Herausforderungen für Europa wie beispielsweise Migration und Flucht deutlich, welchen Beitrag die Sozial- und Geisteswissenschaften zur Problemlösung leisten können. Bisher werden die Sozial- und Geisteswissenschaften in ,Horizont 2020‘ jedoch marginalisiert. Sie sollten einerseits integrativer und gleichwertiger Bestandteil aller gesellschaftlichen Herausforderungen sein; zum anderen sind der Erhalt der EU und die Reflexion eines gemeinsamen europäischen gesellschaftlichen und kulturellen Raumes eine für sich stehende Herausforderung, für die eine eigenständige, international anschlussfähige sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung in Europa unabdingbar ist.“
Denn sonst, meine Damen und Herren, ist es auch schneller als gedacht mit der Mission der führenden Rolle in der Industrie vorbei. Als LINKE können wir nur raten, die Kritik an einer Forschungspolitik, die die Geistes- und Sozialwissenschaften vernachlässigt, ernst zu nehmen. Das zeigt die Krise der EU. Wir könnten uns dann auch ein weiteres CDU-nahes Forschungsinstitut zum gesellschaftlichen Zusammenhalt sparen.
Meine Damen und Herren, das war Herr Brünler für die Fraktion DIE LINKE. Nun die AfD-Fraktion, Frau Abg. Dr. Muster; bitte sehr.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD-Fraktion wird dem gemeinsamen Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion zum Europäischen Forschungsrahmenprogramm „Horizont