Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD-Fraktion wird dem gemeinsamen Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion zum Europäischen Forschungsrahmenprogramm „Horizont
2020“ zustimmen. Wir stimmen Ihrem Antrag zu, weil wir wissenschaftliche Forschung grundsätzlich begrüßen. Allerdings besteht für uns noch erheblicher Informationsbedarf.
Der uns vorliegende Antrag setzt sich aus zwei Teilen zusammen: dem ersten Teil, einem Berichtsantrag, und
dem zweiten Teil, einer Handlungsaufforderung an die Staatsregierung, sich weiterhin auf allen Ebenen für eine Stärkung Sachsens am Europäischen Forschungsprogramm einzusetzen.
Die Staatsregierung, genauer das Ministerium für Wissenschaft und Kunst, hat bereits eine Stellungnahme zum Antrag abgegeben. Die wichtigsten und interessantesten Fragen aus dem Berichtsteil wurden gar nicht oder nicht ausreichend beantwortet. In Teil 1.2 wird nach der Erfolgsquote der Projekte mit sächsischer Beteiligung gefragt. Statt einer Antwort liefert die Staatsregierung ein Statement. Verzeihen Sie, ich muss das Zitat noch einmal wiederholen: „Die Sächsische Staatsregierung und insbesondere mein Haus begrüßen und unterstützen diesen Antrag nachdrücklich.“ Es folgt viel Lob und Anerkennung für die sächsische Forschung – das ist gut und begrüßenswert; die AfD-Fraktion kann sich dem anschließen.
Aber, werte Frau Staatsministerin Stange, wenn Ihnen genau dieses Thema eine Herzensangelegenheit ist, warum haben Sie dann den ersten Teil des Berichtes nicht vollumfänglich beantwortet? Dem Parlament liegt ein Antrag der Regierungsparteien vor. Er wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen. Uns ist auch der Unterschied zwischen vorliegender Stellungnahme und nachfolgendem Bericht wohlbekannt. Aber, sehr geehrte Frau Staatsministerin Stange, hätten die wesentlichen Eckpunkte in der Stellungnahme nicht auch schon auftreten können, und Sie hätten uns über die Erfolgsquote informiert?
An anderer Stelle äußern Sie – Zitat –, dass Sachsen auf eine gute Erfolgsquote verweisen könne. Der Freistaat belegt im Ranking der deutschen Länder bei der Zuwendung immerhin den Platz 6.
Unter Teil 2.6 fällt die Stellungnahme nach unserer Auffassung viel zu kurz aus. Die Staatsregierung soll berichten, wie ZEUSS und EPC zukünftig für den Hochschul- und Forschungsstandort Sachsen wirksam werden. Das Projekt ZEUSS wird lang und breit beschrieben. ZEUSS ist am Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst angedockt. Zum EPC an der TU Dresden verliert die Staatsregierung lediglich einen nicht sehr aussagekräftigen Satz – schade!
Warum gibt es überhaupt zwei Ansprechpartner? Wer ist für wen und wofür zuständig? Ein Satz mehr hätte vielleicht mehr Klarheit gebracht. Dies gilt auch für andere Antworten im ersten Teil.
Nun zum zweiten Antragsteil, der Handlungsaufforderung. Alle Oppositionsparteien kennen bei ihren Kleinen Anfragen die Antwort „von einer Beantwortung wird abgesehen“. Wie transportiert man diesen Inhalt bei Koalitionsparteien und Koalitionsanträgen?
Die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme macht es sich besonders einfach. Sie verweist auf die Ausführungen zu Teil 1. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass diese lückenhaft waren. Eine Stellungnahme zu Teil 2 ist also
praktisch nicht vorhanden. Die Grundideen des zweiten Antragteils sind jedoch begrüßenswert. Die AfD hat folgende Fragen: Wer soll besser über „Horizont 2020“ informiert werden, wie soll die Vernetzung und der Erfahrungsaustausch gefördert werden? Für uns ist besonders interessant, wofür, wie und in welcher Höhe Forschungsmittel aus dem circa 70 Milliarden Euro umfassenden Förderprogramm „Horizont 2020“ nach Sachsen fließen.
Für uns ist besonders interessant, wofür, wie und in welcher Höhe Forschungsmittel aus dem circa 70 Milliarden Euro umfassenden Förderprogramm „Horizont 2020“ nach Sachsen fließen. Die Erfolgsquoten sind bekanntlich nicht besonders hoch. Die durchschnittliche Bewilligungsquote im Bereich der Industrie liegt bei gerade einmal 12 bis 14 %. Das vorangegangene Forschungsrahmenprogramm brachte eine Bewilligungsquote von 10 bis 21 %.
Wie steht es um die Forschungsförderung in Sachsen? Wie entwickelt sich diese? Frau Staatsministerin, es interessiert uns: Wie schneiden sächsische Hochschulen und Forschungseinrichtungen im europäischen Wettbewerb ab? Frau Staatsministerin, liegen Ihnen darüber keine Zahlen vor? Frau Staatsministerin, haben Sie darüber an anderer Stelle nicht schon einmal konkreter berichtet?
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der EU „Horizont 2020“ waren und sind große Hoffnungen verbunden. Das Bundesbildungsministerium spricht vom „weltweit größten in sich geschlossenen Forschungs- und Innovationsprogramm“. Das ist beachtlich, und das ist wichtig für Europa.
Es sind insbesondere die neue Ausgestaltung des Forschungsprogramms im Vergleich zu dem Vorgängerprogramm sowie dessen Ziele, die die europäische Forschung nach vorn bringen sollen. Die Bewältigung großer wissenschaftlicher Herausforderungen soll der zentrale Punkt des Programms sein, das dadurch einen strategischen Rahmen erhält. Forschungs- und Innovationsförderung
laufen nicht mehr nebeneinander her, sondern sind zu einem Programm verschmolzen worden. Damit kann der Transfer von Forschungsergebnissen in erfolgreiche Innovationen und letztlich vermarktbare Produkte besser gelingen. Die KMU sollen mehr profitieren. Dazu wurde schon einiges gesagt.
Sachsen hat, was die Beteiligung an eingeworbenen Zuwendungen betrifft, in Anbetracht seiner Forschungslandschaft durchaus noch Luft nach oben. Deutlich sind die gravierenden Unterschiede zwischen den Hochschultypen. Es finden sich aktuell in der Europäischen Forschungsdatenbank nur einige vereinzelte Einträge, die belegen, dass auch Hochschulen für angewandte Wissenschaften an „Horizont-2020“-Projekten partizipieren. Die Ministerin hat dazu im Herbst eingeräumt, dass kleinere Hochschulen und Forschungseinrichtungen insgesamt derzeit so gut wie gar nicht von den europäischen Programmen profitieren. Ich frage Sie: Wie wollen Sie das ändern?
Wir begrüßen es, dass die Koalition in ihrem Antrag die Staatsregierung auffordert, dem Landtag detailliert über das sächsische Abschneiden bei „Horizont 2020“ zu berichten. Besonders die Ausführungen der Staatsregierung zu den Erfolgsquoten von Projekten mit sächsischer Beteiligung sollten dabei tatsächlich interessant sein; denn diese Erfolgsquoten hat die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme verschwiegen.
In diesem Zusammenhang erwarte ich, dass die Staatsregierung auch konkrete Vorstellungen und Strategien entwickelt hat, um die Forderungen, die in dem Antrag unter Punkt II aufgeführt werden, zu erfüllen. Dazu werden Sie sicherlich auch in dem Bericht an den Landtag ausführen; dieser Bericht steht ja noch aus.
Lassen Sie mich auf den besagten Status quo zurückkommen. Welche Unterstützung haben denn potenzielle Antragsteller und Antragstellerinnen aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen in Sachsen derzeit, um ihre Erfolgschancen zu verstärken? Denn das ist doch das Ziel; das sollte es zumindest sein.
Die Staatsregierung benennt ihre Zentrale EU-Serviceeinrichtung Sachsen – kurz: ZEUSS –, eingerichtet erst sehr spät, im September 2016. Diese soll vor allem Beratungs- und Unterstützungsangebote für landesfinanzierte Forschungseinrichtungen und die Berufsakademie vorhalten. Des Weiteren richtet sich ihr Angebot an fast alle sächsischen Hochschulen. Die TU Dresden hält ja mit dem European Project Center ihr eigenes Beratungsinstitut vor. Es ist nicht nur deutlich älter als ZEUSS, sondern hat mit 35 Beschäftigten auch sehr, sehr deutlich mehr Personal als die drei Projektreferentinnen und -referenten und die eine Sachbearbeiterin, die sich Sachsen für seine Serviceeinrichtung leistet.
Es ist erfreulich, dass ZEUSS und EPC nach Aussage der Staatsregierung einen guten Informationsaustausch und komplementäre Arbeitsbeziehungen pflegen. Eine sehr gut ausgestattete Beratungs- und Serviceeinrichtung, die Beratung und Antragsbegleitung aus einer Hand statt
Für Sachsens überwiegend kleine und mittlere Unternehmen ist „Horizont 2020“ das, was für den Fuchs die Trauben sind: unerreichbare Früchte. Von den rund 160 000 sächsischen Unternehmen betreiben nur 800 regelmäßig FuE. Auch von denen berichten viele kritisch, insbesondere von immens hohem bürokratischem Aufwand bei Beantragung und Abwicklung der Förderung. Die Prüfverfahren und daraus resultierende lange Fristen wirken eben abschreckend auf kleinere, innovative Startups, die mit innovativen Ideen schnell auf den Markt kommen müssen, um ihren Platz zu behaupten.
Die Verfahren sind komplex, aufwendig und teuer. Deswegen ist die „Horizont-2020“-Prämie der Staatsregierung sicherlich gut gemeint. Aber die bescheidene Förderhöhe ändert wenig an den Problemen der KMU mit der komplexen EU-Förderung.
Wir werden Ihrem Antrag zustimmen. Wir erwarten mit Interesse den Bericht der Staatsregierung. Interessant wären darüber hinaus Ausführungen dazu, wie Sie die bereits laufenden Vorbereitungen des 8. Forschungsrahmenprogramms im Interesse auch sächsischer Forschungseinrichtungen und Unternehmen begleiten.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – CDU? – SPD? – Ich sehe keine Wortmeldungen.
Ich frage jetzt die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Dr. Stange, bitte sehr, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die Aussprache. Ich danke Ihnen auch für Ihr Interesse an dem Europäischen Forschungsrahmenprogramm und an den Themen Europas überhaupt. An dieser Stelle verweise ich auf den Beitrag meines Kollegen Herrn Schmidt, der sich in seinem Bereich entsprechend einsetzt. Verfahrensfragen spielen nämlich nicht nur bei Agrarprogrammen eine Rolle.
Herr Brünler, ich verstehe nicht – das schicke ich vorweg –, warum die LINKEN dem Antrag nicht zustimmen wollen. Sie fordern, dass zukünftig auch die Geistes- und Sozialwissenschaften stärker gefördert werden. Dass dies bisher nicht geschieht, haben auch die Allianz der Forschungsgemeinschaften und Herr Strohschneider von der Deutschen Forschungsgemeinschaft kritisiert; Sie haben schon darauf hingewiesen. In unserer Stellungnahme bringen wir zum Ausdruck, dass wir insoweit von der Fortschreibung des Forschungsrahmenprogramms eine Verbesserung erwarten. Vielleicht überlegen Sie sich noch einmal, ob Sie am Ende nicht doch zustimmen können.
Lassen Sie mich, bevor ich auf die einzelnen Fragen eingehe, noch etwas vorwegschicken: Im Europaausschuss wird regelmäßig der Halbjahresbericht zu wesentlichen Entwicklungen der sächsischen Europapolitik abgegeben. Möglicherweise wird diese Berichterstattung nur unzureichend wahrgenommen; mittlerweile ist der Elfte Bericht, Drucksache 6/7632, vorgelegt worden. In diesen Berichten wird im Zusammenhang mit der sächsischen Europapolitik auch ausführlich über die Wissenschafts- und Forschungspolitik berichtet.
Wir sind uns einig – das haben die Redebeiträge verdeutlicht –, dass die Europäische Union und damit auch das Europäische Rahmenprogramm für Forschung und Innovation für Sachsen herausragende Bedeutung haben. Herr Meyer hat schon angedeutet, in welchem Maße das finanzielle Volumen der Forschungsförderprogramme in den letzten Jahren angestiegen und wie deren Profil geschärft worden ist. Die Bedeutung der Forschungsförderprogramme ist zumindest in den europäischen Ländern, die großes Interesse daran haben, gewachsen. Mit 77 Milliarden Euro steht ein erheblicher Betrag von europäischer Seite zur Finanzierung von Forschung und Innovationen zur Verfügung. Damit ist die Erreichung des Ziels, 3 % Prozent des Bruttoinlandsprodukts auch auf der Ebene der Europäischen Union für Forschung und Innovation aufzuwenden, verbunden.
Die Beteiligung der 14 staatlichen sächsischen Hochschulen, der über 40 außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der über 800 Forschung und Entwicklung betreibenden Unternehmen in Sachsen an „Horizont 2020“ und damit an der Einwerbung von wettbewerblich, also unter Exzellenzgesichtspunkten vergebenen Forschungs-,
Entwicklungs- und Innovationsmitteln in der EU wird in Zukunft immer wichtiger. In verschiedenen Redebeiträgen ist schon auf das Thema „Brexit“ eingegangen worden. Ich will das nicht ausdehnen, aber doch darauf hinweisen, dass der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union und die Folgen für den Forschungs- und Innovationsstandort Europa gravierend sind – um es ganz liberal auszudrücken. Die Zahlen hat Herr Mann schon genannt.
Seit dem Start von „Horizont 2020“ konnten sächsische Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen eine Reihe von Erfolgen erzielen. Die 354 Beteiligungen und die über 185 Millionen Euro eingeworbene Mittel, die uns auf Rang 6 der deutschen Länder führen, sind in Anbetracht unserer Forschungsstruktur, aber vor allen Dingen vor dem Hintergrund unserer Wirtschaftsstruktur und unserer Unternehmen, die sich hieran beteiligen können, sehr beachtlich. Wir liegen damit hinter BadenWürttemberg, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen auf einem guten Platz. Wir haben dort auch noch Anstrengungen zu unternehmen, aber dazu brauchen wir natürlich auch die Stärke der Unternehmen.
Sächsische Unternehmen konnten mit 78 erfolgreichen Beteiligungen fast 53 Millionen Euro bei „Horizont 2020“ einwerben. Das heißt auch, besonders erfolgreich waren sächsische Hochschulen, Forschungseinrichtungen und
Unternehmen mit Anträgen im Bereich der Energie- und Ressourceneffizienz, der Biotechnologie, der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Nanotechnologie und Mikroelektronik sowie der Gesundheit, also alles Themenbereiche, die die Sächsische Staatsregierung durch strategische Partnerschaften in europäischen Forschungsnetzwerken, den sogenannten ERA-Nets, oder gemeinsamen Technologieinitiativen und Wissens- und Innovationsgemeinschaften, den sogenannten KICs, auf europäischer Ebene voranbringt.
Das sind alles Themen, die auch in Sachsen eine Stärke entwickelt haben. Auch wenn Sachsen bisher auf eine gute Erfolgsquote bei der Beteiligung an „Horizont 2020“ verweisen kann und das bei einem insgesamt sehr stark wettbewerblich betriebenen System, müssen noch weitere Anstrengungen unternommen werden, um diesen Stand zu halten und zu verbessern. Dabei können sächsische Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen auf ein umfangreiches Beratungsangebot zurückgreifen. Einiges ist ja hier schon genannt worden. Das ist zum Beispiel auch die nationale Kontaktstelle des Europabüros des BMBF. Aber auch die EU-Forschungsreferenten und -referentinnen an sächsischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen beraten und begleiten ihre Antragsteller in „Horizont 2020“ regelmäßig.
Dazu ein Wort zum European Project Center, dem Unterstützer der Technischen Universität Dresden. Dass wir das nicht ausführlicher in der Stellungnahme zum Ausdruck gebracht haben, liegt einfach daran, dass diese Institution schon seit mehreren Jahren sehr erfolgreich auf eigenen Füßen steht, und, liebe Frau Maicher, genau dahin wollen wir mit ZEUSS auch. Es ist niemals ausgeschlossen worden, ob es zukünftig eine Beratungsinstitution gibt, doch wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das EPC, das an der TU Dresden angesiedelt ist, nicht, wie es ursprünglich einmal geplant war, als Beratungsinstitution für alle Hochschulen und Forschungseinrichtungen die Akzeptanz gefunden hat, da die Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen auch in Konkurrenz zueinander stehen.
Bei aller Zusage der Geheimhaltung der entsprechenden Projektanträge besteht trotzdem eine Skepsis, ob nicht die TU Dresden durch die Lage des Antragstellers bevorteilt wird. Das war der Grund, und Herr Mann hat ausgeführt, warum wir zu der Erkenntnis gekommen sind, dass wir eine Beratungsinstitution zunächst neben dem EPC brauchen, und die muss aufgebaut werden. Wir haben das ZEUSS-Programm zurzeit am Ministerium angesiedelt, Frau Maicher, zwar als eigenständige Struktur, aber man hat sich dort noch nicht verständigt, wo es zukünftig angedockt sein soll, ob es an eine Hochschule, eine Forschungseinrichtung kommt oder tatsächlich als eigenständige Einrichtung auftritt.