Ein Erwiderung ist nicht beabsichtigt. Wir setzen die Aussprache fort. Für die SPD-Fraktion Herr Abg. Baumann-Hasske, bitte sehr.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier haben wir es eigentlich mit einem einigermaßen seriös klingenden Antrag zu tun, der erst beim genauen Nachlesen offenbart, worauf er sich richtet.
Die AfD möchte die deutsche Sprache als Kulturgut in die Sächsische Verfassung aufgenommen sehen und ihr Schutz gewähren. Auf den ersten Blick meint man, das sei ein ernsthaft diskutabler Antrag. Die Intervention zeigte es gerade, dass es auch Staaten gibt, in denen die Landessprache in den Verfassungen festgeschrieben und definiert ist. Allerdings handelt es sich dort meist um Sprachen, die in ihrer Existenz bedroht waren oder sind.
Auch der sächsische Verfassungsgeber hat sich darüber Gedanken gemacht, den Schutz der deutschen Sprache aber nicht in die Verfassung aufgenommen, weil er den besonderen Schutz der Verfassung nur für bedrohte Kulturgüter als erforderlich ansah. Der Verfassungsgeber war nicht der Auffassung, dass die deutsche Sprache bedroht sei. Bedroht sei vielmehr – und das ist eben schon gesagt worden – die sorbische Sprache. Sie ist schlicht vom Untergang bedroht. Sie muss in der Tat geschützt und gefördert werden. Das wird man von der deutschen Sprache kaum sagen können.
Es bliebe, glaube ich, der verfassungsrechtlichen Interpretation überlassen, ob die vorgeschlagene Regelung den Schutz der sorbischen Kultur und Sprache nicht in unzulässiger Weise relativieren würde.
In der Anhörung des Rechts- und Verfassungsausschusses wies Prof. Degenhart unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darauf hin, dass der Gesetzgeber begrenzte Möglichkeiten hat, in die Entwicklung der Sprache regulierend einzugreifen. Generell gab er den Hinweis, einen solchen Sinnzusammenhang, wenn überhaupt, dann im Grundgesetz herzustellen. Schließlich findet die deutsche Sprache – so sollte man jedenfalls meinen – in der ganzen Republik Verbreitung und nicht nur in Sachsen.
Meine Damen und Herren! Wenn man dann aber die Begründung des Antrages liest, dann verlässt den Leser schnell der Glaube an die Seriosität der Antragsteller. Es wird klar, dass es hier um pure Ideologie des Gestrigen geht. Die Antragsteller wollen nicht, dass die Menschen in Deutschland so reden, wie sie reden. Sie wollen ihnen den vermeintlich korrekten Gebrauch der Sprache vorschreiben und ihnen verbieten, fremdsprachliche Lehnwörter oder neue Wortschöpfungen zu gebrauchen. Die Anglizismen und die sogenannte Gendersprache sind ihnen ein besonderer Dorn im Auge.
Wie sie das tatsächlich durchsetzen wollen, bleibt ihr Geheimnis. Sollen sprachliche Abweichungen künftig als
Meine Damen und Herren! Hier scheint mir trotz der entgegenstehenden Aussagen von Frau Dr. Muster vorhin doch der Irrtum vorzuliegen, man könne die deutsche Sprache in einem bestimmten Moment einfrieren und konservieren. Die Sprache ist in einem ständigen Entwicklungsprozess begriffen. Sie braucht Einflüsse von außen. Sie braucht überzeugte Menschen, die Anspielungen machen, die ihre Sprache fortentwickeln wollen. Das ist nicht damit getan, dass man die deutsche Sprache schützt, man muss die Einflüsse vielmehr zulassen und mit ihnen umgehen.
Wir haben vorhin gerade gehört, in welchem Maße die deutsche Sprache in den letzten Jahrzehnten gewachsen ist. Wollen Sie das unterbinden oder wie soll der Schutz der deutschen Sprache aussehen?
Es ist völlig absurd, sich vorzustellen, dass Sprache etwas Statisches sei. Wenn wir die Sprache in irgendeiner Form fixieren wollen, welche soll es denn sein? Soll es das Alt- oder Mittelhochdeutsche sein? Soll es die Bibelübersetzung Luthers sein? Die Sprache Goethes und Schillers wurde zitiert.
Wir können uns nicht rückbesinnen, wenn es um unsere Sprache geht. Man sollte sich anschauen, was Goethe, Schiller, Marie von Ebner-Eschenbach, Bettina von Arnim oder Heinrich Heine an Sprache gebraucht haben. Sie haben unzählige Lehnworte gebraucht. Sie kannten das Abonnement oder die Adresse. Sie verabschiedeten sich mit Adieu. Sie aßen eine Bouillon, ein Kotelett, ein Bonbon. Sie versprühten Charme. Sie hatten Cousins und Cousinen, kleideten sich elegant, erhielten ein Engagement, beachteten Etikette, flanierten in einer Passage. Sie kannten das Wort Experten. Sie gingen zum Friseur oder zum Barbier. Sie sprachen einen Jargon. Man verdiente seine Marge brutto oder netto und zahlte sie auf ein Konto. Das sind alles Lehnwörter, die längst ins Deutsche übernommen, an- und eingepasst worden sind. Wollen Sie das unterbinden? Sollen wir keine Einflüsse von außen mehr zulassen?
Meine Damen und Herren! Ich will Sie nicht mit weiteren Beispielen langweilen. Aber die Dynamik unserer Sprache ist, glaube ich, damit evident.
So richtig entlarvt sich die Argumentation, wenn Sie gegen die Vergenderisierung der Sprache wettern. Hier geht es nicht um den Gebrauch vermeintlich nicht deutscher Wörter. Die AfD will vielmehr offensichtlich die verfassungsrechtliche Grundlage für ein Verbot schaffen, dass Menschen, die sich der Wirkung des Gebrauchs der Sprache bewusst sind, daran hindert, sie so einzusetzen,
dass sie niemanden diskriminiert. Hier geht es in Wirklichkeit um den Erhalt patriarchalischer Strukturen. Das hat die Sachverständige Frau Prof. Hellinger in der Anhörung eindrucksvoll herausgearbeitet.
Für ihre Begründung und für die Anhörung sind wir übrigens sehr dankbar, weil das Thema den Bürgerinnen und Bürgern, die wir hier vertreten, immer bewusster wird, je öfter man darüber spricht. Mit diesem Antrag haben Sie Gender einen Dienst erwiesen.
Meine Damen und Herren! Der Antrag ist zutiefst ideologisch. Er ist falsch. Die AfD will mal wieder eine deutschtümelnde Flagge zeigen. Um die qualifizierte Zweidrittelmehrheit für ihr angebliches Anliegen, die Verfassung zu ändern, hat sie sich nie gekümmert.
Meine Damen und Herren! Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Meier. Bitte sehr, Frau Meier.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD möchte die deutsche Sprache vor dem sicher geglaubten Sprachtod retten.
Die deutsche Sprache müsse geschützt und gefördert werden, weil ihr große Gefahren drohen. Zum einen werden in der Welt der AfD die Menschen in Zukunft nicht nur englisch sprechen, nein, sie werden auch englisch denken und darüber möglicherweise das Deutsche völlig vergessen.
Diese ganze Diskussion über Anglizismen und das sogenannte Denglisch kommt mir irgendwie bekannt vor. In der letzten Legislaturperiode gab es hier einen Antrag der NPD, der die deutsche Sprache unter Schutz vor Anglizismen stellen wollte,
und nun also ein Antrag der AfD, der über die Gefahren von Fremdeinwirkungen auf die deutsche Sprache aufklären möchte. Aber die größte Gefahr, die im Weltbild der AfD der deutschen Sprache droht und die es natürlich mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt, ist die geschlechtsinklusive, die gendergerechte Sprache. Ihrer Meinung nach zerstört sie das deutsche Sprachbild und würde als pure Ideologie den Bürgern oktroyiert.
Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir einmal auf den Boden der Tatsachen zurück. Der deutschen Sprache droht weder der Sprachtod, noch ist sie gänzlich unge
schützt ideologischen Vorgaben von oben ausgeliefert. Eine Sprache unterliegt doch einer stetigen Entwicklung durch den täglichen Gebrauch von uns allen. Bei Veränderungen werden neue Worte oder Schreibweisen hervorgebracht und fallen gesamtgesellschaftlich auf fruchtbaren Boden – oder eben auch nicht. Nimmt die Sprachgemeinschaft eine Veränderung oder Empfehlung nicht an, weil sie zu kompliziert, unattraktiv oder fernliegend ist, dann verschwindet sie eben auch wieder.
Verschwunden aber ist die geschlechtergerechte Sprache nicht. Den Anfang hat sie in den 1960er-Jahren in den USA genommen, als es darum ging, Frauen in der Sprache sichtbar zu machen. Es geht also um nicht mehr, aber eben auch um nicht weniger als darum, Frauen sichtbar zu machen. Es ist tatsächlich auch wissenschaftlich nachgewiesen, dass Frauen bei der Verwendung des generischen Maskulinums eben nicht mitgemeint sind und auch nicht automatisch mitgedacht werden. Machen Sie einmal einen Test und fragen Sie Ihre Kollegin oder Ihren Kollegen, sie bzw. er solle einmal einen Sportler oder Musiker nennen. Ich bin mir sicher, es werden vor allem Männernamen genannt werden.
Erste Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Sprache im deutschen Sprachraum gab es auch in den 1980erJahren. Die Ablösung der ausschließlich männlichen Sprachform ist seitdem sprachlicher Alltag geworden, und diese Veränderungen der deutschen Sprache sind nicht schnell wieder verschwunden, sondern in der Masse der Deutschsprechenden auf fruchtbaren Boden gefallen. Die Sprache hat sich hier also klassisch weiterentwickelt, genauso die Gesellschaft – im Gegensatz zur AfD. Solche Entwicklungen kann man nicht von oben aufdiktieren, einmal abgesehen davon, dass in den Achtzigerjahren „die da oben“, glaube ich, weit davon entfernt waren, feministisch zu denken oder gar aktiv zu sein.
Da Sprache Bestandteil und Ausdruck einer Gesellschaft ist, ist es nur logisch, dass Frauen auch in der Sprache aktiv sichtbar werden, und das wird auch die AfD nicht verhindern können, schon gar nicht mit diesem handwerklich dürftigen Gesetzentwurf. Wenn Sie sich wirklich für die deutsche Sprache einsetzen wollten, dann hätten Sie beim Schreiben Ihres Gesetzentwurfes einmal in den Duden schauen sollen. Dann wäre Ihnen nämlich aufgefallen, dass die deutsche Schriftsprache durch eine gendergerechte Schreibweise gar nicht verhässlicht werden kann, da sich das Wort „verhässlichen“ im deutschsprachigen Duden überhaupt nicht wiederfindet, ganz im Gegensatz zu Wörtern wie Gender Mainstreaming, Gender Budgeting oder Gender Studies, die ganz normal im Duden aufzufinden sind. Schauen Sie einmal nach!
Also, sehr verehrte Damen und Herren, willkommen in der Wirklichkeit der deutschen Sprache, die einen Schutz wie diesen Gesetzentwurf wahrlich nicht braucht! Wir lehnen ab.
Meine persönliche. – Sehr geehrte Frau Kollegin! Sie sagten, man könne es nicht von oben verordnen. Nun gibt es ja doch Versuche, auch die Einflüsse auf die Sprache von oben zu verordnen, sei es bei nicht gegenderten Doktorarbeiten an der Universität, wie es zum Beispiel in Leipzig einmal probiert worden ist, um dann Abzüge zu machen, oder auch durch die Arbeit Ihrer Gender-Vorkämpferinnen – X, Unterstrich, Sternchen; was weiß ich, wie Sie es schreiben –, auch in der Europäischen Union.
Dort hat man lange dafür gekämpft, dass diese Aufgabe, dieses Durchgendern, auch der Sprache, das ebenfalls Teil des Gender Mainstreamings ist, als Querschnittsaufgabe in allen Behörden der Bundesrepublik Deutschland und natürlich auch in den sächsischen Behörden verankert wird.
Herr Wippel, das war die zweite Kurzintervention der AfD-Fraktion. Möchten Sie erwidern, Frau Meier? – Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Frau Dr. Muster, bitte sehr.
(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ziehen Sie jetzt Ihren Gesetzentwurf zurück? Wir haben Sie doch überzeugt!)
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aufnahme neuer Staatszielbestimmungen in die Verfassung ist nichts Ungewöhnliches, sehr geehrter Herr Gebhardt.