Wir legen den Fokus auf das Kulturgut. Die Verbindung von Sprache, Kultur und Volk ist unserer Ansicht nach in Artikel 5 der Sächsischen Verfassung am besten aufgehoben. Wenn an dieser Stelle der Sächsischen Verfassung schon die Sprache der Minderheiten geschützt wird, dann sollte erst recht die Sprache der Mehrheit genannt werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, dass Frau Dr. Muster meine Zwischenfrage nicht zugelassen hat. Ich beziehe mich auf ihren Redebeitrag und möchte klar und deutlich daran erinnern, wer die deutsche Sprache zuerst erwähnt hat, denn das ist bei Ihnen zu kurz bekommen, und zwar war es der Nuntius Gregor von Ostia in einem Brief an Papst Hadrian I, cine aide mémoriale. Das fand im Jahre 786 statt und beschrieb die Ergebnisse der Synode von England, in der die Konzilbeschlüsse auf Latein und in der Volkssprache mitgeteilt worden sind, Frau Dr. Muster: „tam latine quam Þeodisce, quo omnes intellegere potuissent“ – nur falls Sie es nachvollziehen wollen. Es steht klar und deutlich darin, dass das auf Deutsch und Latein veröffentlicht worden ist. Ich darf Ihnen etwas sagen, um den althochdeutschen Begriff Þeodisc zu beschreiben: Damals haben zwei Ausländer miteinander über die deutsche Sprache kommuniziert.
Die erste Erwähnung der deutschen Sprache fand auch nicht auf Deutsch sondern auf Latein statt. Vielleicht sollten Sie sich da etwas besser weiterbilden.
Frau Dr. Muster, möchten Sie darauf erwidern? – Das ist nicht der Fall. In der Aussprache hören wir jetzt für die CDU-Fraktion Herrn Abg. Modschiedler. Bitte sehr, Herr Modschiedler, Sie haben das Wort.
Herzlichen Dank. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt kommen wir von der Lyrik wieder ins Verfassungsrecht, denn da ist es angesiedelt. Die AfD wünscht ein Gesetz zur Aufnahme der deutschen Sprache als Kulturgut in die Sächsische Verfassung. Das heißt, die deutsche Sprache ist, so die AfD, kein Kulturgut, sie sollte zusätzlich noch durch den Staat geschützt und gefördert werden, und das soll dann
Wenn man also die Sächsische Verfassung anschaut, muss man zunächst die Systematik der Verfassung betrachten. Sie ist vor 25 Jahren durch den Landtag nach einer langen und über alle Parteigrenzen hinweg geführten Diskussion beschlossen worden. Mit überwältigender Mehrheit stimmten damals 132 Abgeordnete für diese Verfassung. Man muss bedenken: Damals war das Plenum noch etwas größer, aber trotzdem, es waren nur 20 Stimmen, die, glaube ich, dagegen waren oder sich enthalten haben.
Sie, die Verfassung, beinhaltet den grundlegenden Rahmen für unsere staatliche Ordnung in Sachsen und enthält insbesondere – und das ist immer wieder sehr wichtig – Staatszielbestimmungen. Beispiel: In Artikel 1 ist als Verfassungsgrundsatz festgeschrieben, dass der Freistaat Sachsen der Kultur verpflichtet ist. Außerdem wurde in die Verfassung aufgenommen, dass die hier lebenden Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit gleichberechtigter Teil des Staatsvolkes sind.
Ihr Entwurf, liebe AfD, will ein Staatsziel in die Verfassung aufnehmen, das mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung der verschiedenen Volksgruppen kollidiert und die sorbische Volkszugehörigkeit durch Ihre Aussage, „Deutsch als Kulturgut zu fördern“, sogar infrage stellt. Mit Ihrem Fördergrundsatz verschlimmbessern Sie das noch. Ich kann nicht einerseits die Volkszugehörigkeit der Sorben als gleichberechtigtes Ziel der Verfassung benennen und im gleichen Atemzug die deutsche Sprache herausgehoben schützen und fördern. Schade, wirklich schade! Sie haben den Sinn der Sächsischen Verfassung nicht verstanden oder Sie haben ihn eher nicht verstehen wollen. Aber eines: So trampelt man seinen Mitmenschen, insbesondere unseren sorbischen Mitbürgern, nicht auf den Füßen herum.
Die Anhörung im Rechts- und Verfassungsausschuss hat sich ähnlich abgebildet. Na gut, neben einer Gendervorlesung einer Frankfurter Professorin – ich fand das sehr interessant, aber es ging an der Thematik der Anhörung völlig vorbei – erging sich dann der selbst ernannte Chefaufklärer und Chefstratege der AfD mehr in seinem Selbstlob und in Auswegsideen aus dem propagierten Untergang des Vaterlandes als in der konstruktiven Bewertung eben dieses Antrags der AfD. Das war auch wirklich schwerlich möglich. Der Sachverständige Prof. Degenhart brachte es nämlich auf den Punkt: „Man kann alles beschließen, wenn man es politisch will; aber notwendig und auch sinnvoll ist der Antrag nicht.“ Einfache Sprache, wie wir es gelernt haben: „Kann man machen, soll man aber nicht.“
Ein klares Argument des Sachverständigen war wieder unsere Sächsische Verfassung. Sprache ist Kultur, und unsere Kultur ist auch unser Kulturgut. Sprache ist vorhanden und wird durch die Menschen gelebt und auch immer wieder neu belebt. Die Sprache gehört zu uns und ist Teil der von uns verfassten Grundordnung. Sie wird nicht dadurch erhalten, dass man sie in die Verfassung
schreibt, wo sie übrigens als Teil unserer Kultur seit Anbeginn der Sächsischen Verfassung im Artikel 1 verewigt ist.
Untergangsstimmung zu verbreiten und den Leuten Ängste einzureden, liebe AfD, das ist ein altbekanntes und leider auch unsägliches Instrument von Ihnen. Für uns Christdemokraten gehört die deutsche Sprache ganz selbstverständlich zur Kultur, zum Kulturgut in Sachsen. Fazit des Antrags: unsensibel, populistisch, recht platt und im Hinblick auf unsere sorbischen Mitbürger hochgradig unanständig. So etwas gehört für uns nicht in die Verfassung.
Meine Damen und Herren! Nun die Fraktion DIE LINKE. Herr Abg. Sodann, bitte sehr, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die AfD will also mit ihrem Gesetzentwurf die deutsche Sprache als Kulturgut in den Artikel 5 der Verfassung aufgenommen wissen, damit der Freistaat Sachsen die deutsche Sprache schützt und fördert. Mein Gott, schon wieder so ein Höhepunkt national gedachter deutschtümelnder Anträge und Gesetzentwürfe! Man weiß ja schon gar nicht mehr, wo man bei so viel Quark – übrigens ein Lehnwort aus dem Sorbischen und nicht originär deutsch – beginnen soll.
Zunächst einmal suggeriert Ihr Entwurf, dass die deutsche Sprache bedroht ist. Gleich zu Beginn: Das ist sie mitnichten. Sie entwickeln ein Untergangsszenario und stellen in Aussicht, dass die deutsche Sprache Gefahr läuft, in den nächsten hundert Jahren zu einem Regionalidiom zu verkommen. Wissen Sie, schon seit dem 17. Jahrhundert wird in der Literatur der Untergang der deutschen Sprache befürchtet. Und was ist jetzt? Ich rede schon auf Deutsch mit Ihnen – oder? Und ich rede nicht nur allein deutsch, sondern 180 Millionen Menschen auf dieser Welt, davon 100 Millionen als Muttersprachler. Deutsch liegt auf dem 10. Platz der meistgesprochenen Sprachen. Allein das Ausblenden dieser Tatsache ist böswillige Ignoranz.
Deutsch steht eben nicht bei der UNESCO auf der Liste der bedrohten Sprachen, ganz im Gegensatz zu Ober- und Niedersorbisch. Mit Ihrem Entwurf wollen Sie nun aber erreichen, dass die deutsche Sprache staatlich geschützt und gefördert wird, während den anderen Menschen in unserem Land nur das Recht, ihre Sprache pflegen zu dürfen, zuerkannt wird. Ihr Entwurf unterscheidet – ich zitiere – „den expliziten Minderheitensprachschutz auf der einen Seite, die Nichterwähnung des vermeintlich Selbstverständlichen auf der anderen“. Mit dem Selbstverständlichen meinen Sie die deutsche Sprache, die
natürlich selbstverständlich ist, denn sie ist unsere Amtssprache, und genau darum geht es. Es sind die Minderheiten, die unseres Schutzes bedürfen, und nicht die Selbstverständlichkeiten.
Da ist sie wieder, die AfD. Ihnen geht es doch gar nicht darum, irgendwen oder irgendetwas zu schützen. Sie schwingen sich als vorgeblicher Vertreter der sächsischen Bevölkerung auf und fühlen sich stellvertretend gegenüber Minderheiten benachteiligt, und an dieser Stelle würde ich auch Ihnen ein Taschentuch reichen wollen.
Allein der letzte Absatz in der Begründung konterkariert Ihren Gesetzentwurf doch auf das Vorzüglichste. Da heißt es: „Eine Sprache muss sich dynamisch aus sich heraus entwickeln.“ Was für ein Humbug! Sprachen brauchen seit jeher auch Einflüsse von außen, von anderen Sprachen und Kulturen, damit sie sich weiterentwickeln und Menschen miteinander kommunizieren können. Ich sage Ihnen: Wenn es den steinzeitlichen Höhlenbewohnern in den Sinn gekommen wäre, ihre Lautsprache von „Na“, „Pa“, „Ga“, „Ma“ und „Scht“ bis hin zum ironisierten „Ugga-Ugga“ verfassungsrechtlich festzuschreiben und sie von Einflüssen von außen auf Strafe fernzuhalten,
Dann hätte es wahrscheinlich auch Goethe und Heine nicht gegeben. Aber genau diese Abschottung wünscht sich die AfD. Sie sucht in Zeiten der Komplexität von Problemlagen, welche nicht so eben eins zu eins beantwortet werden können, den Gegenentwurf zu einer sich im Wandel befindlichen globalisierenden Gesellschaft, und sie findet ihn. Sie findet ihn in der Vorstellung eines reaktionären, homogenen Nationalstaates als einfache Lösung aller Probleme. Nicht die derzeitigen Einflüsse auf die deutsche Sprache, ob Anglizismen oder Gendergerechtigkeit, sind gefährlich, sondern die Bestrebungen der AfD und ihrer Anhänger, Vokabeln aus dunklen Zeiten wie „Lügenpresse“, „völkisch“, „Volksverräter“, „Überfremdung“ wieder salonfähig zu machen.
Mit Ihrem Entwurf versuchen Sie, eine Deutungshoheit über unsere Sprache zu gewinnen. Zwar schreiben Sie, ebenfalls im letzten Absatz Ihrer Begründung: „Ideologische Eingriffe ,von oben herab‘ dürfen ihr“ – gemeint ist die deutsche Sprache – „nicht aufgezwängt werden.“ Aber
doch genau das wollen Sie, indem Sie eine identitätsfördernde Fortentwicklung des deutschen Wortschatzes und der deutschen Sprachkultur verlangen. Und was die Fortentwicklung und den quantitativen Reichtum unserer Sprache ausmacht, auch da kann ich Sie beruhigen, Kolleginnen und Kollegen von der AfD: Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung stellt in ihrem Bericht zur Lage der deutschen Sprache 2013 fest, dass der Wortschatz allein in den letzten 100 Jahren um 1,6 Millionen auf insgesamt 5,3 Millionen Wörter gewachsen ist.
Vor diesem Hintergrund kann man wohl kaum von einem Rückzug unserer Sprache sprechen. Sollte sich bei Ihnen jedoch der Eindruck der Verarmung manifestiert haben, so liegt es garantiert nicht an unserem Sprachschatz, sondern an denen, die von der Sprache Gebrauch machen. Populismus neigt zur Vereinfachung, und laut Gaulands Äußerungen sind Sie ja eine Partei desgleichen. Vielleicht liegt es ja an Ihnen und auch an Ihrem populistischen Umgang mit unserer Sprache, welche das Gefühl bei Ihnen überwiegen lässt, dass es mit dieser bergab geht.
Bleibt zum Schluss die Frage: Was also erreicht man, wenn man die deutsche Sprache als Schutzgut in die Verfassung aufnimmt? Ich sage Ihnen: Nicht mehr und nicht weniger als durch eine Verfassungsänderung, die festlegt, dass es in Deutschland vier Jahreszeiten gibt.
Im Gegensatz zu Ihnen wollen wir nämlich tatsächlich die Zukunft unserer Gesellschaft positiv gestalten. Wir wollen nicht zurück in die Vergangenheit, sondern aus ihr lernen. Unsere Fraktion DIE LINKE steht für die Verbesserung des Bildungssystems, der Lehrersituation, den Ausbau musischer und literarischer Fächer, die Vermittlung humanistischer Werte durch Kunst und Kultur und damit zur Befähigung, mit Sprachen und Inhalten umzugehen. Wir sind damit weit näher an der Zielstellung, friedlich, solidarisch, ohne Angst miteinander zu leben, als Sie mit Ihrem überflüssigen Gesetzentwurf, der das genaue Gegenteil bezweckt.
Ich habe kaum eine widerlichere Rede gehört, muss ich ganz ehrlich sagen. Wie Sie Andersdenkende beschimpfen, ist kaum hinnehmbar.
Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass in Frankreich die Sprache in der Verfassung steht? Sind das dort auch alles Rechtsextreme und ganz böswillige Menschenfeinde? Schauen Sie einmal nach! Vielleicht können Sie Ihre Rede noch einmal korrigieren.