Protokoll der Sitzung vom 12.04.2017

Zur AfD sage ich nur: Wo der Glauben anfängt, hört das Wissen auf!

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun den Antrag in der Drucksache 6/9062 zur Abstimmung. Wer zustimmen möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat dieser Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 4

Erste Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Stärkung der Windenergienutzung im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/9197, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Daher spricht nur die Einreicherin, die Fraktion DIE LINKE. Herr Abg. Böhme, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben vor knapp einem Jahr der Staatsregierung und Ihnen im Landtag einen Antrag vorgelegt, mit dem die Staatsregierung aufgefordert werden sollte, einen Gesetzentwurf zur finanziellen Beteiligung an Windenergieanlagen vorzulegen. Leider wurde dieser Antrag im Wirtschaftsausschuss mit den Stimmen von SPD, CDU und AfD abgelehnt.

Dies hat mich und meine Fraktion jedoch nicht davon abgehalten, einen eigenen Gesetzentwurf zu schreiben. Dieser liegt Ihnen nun vor. Dessen wesentlicher Inhalt besteht darin, dass den Bürgerinnen und Bürgern die Beteiligung an neuen Windenergieanlagen, die in der Umgebung errichtet werden sollen, zwingend anzubieten ist.

Unser Gesetzentwurf orientiert sich an dem bestehenden Recht in Dänemark, wo seit Jahren die Einwohnerinnen und Einwohner Entschädigungen erhalten, wenn Windenergieanlagen gebaut werden. Er orientiert sich außerdem an einem Gesetz, das seit einem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern gilt, wo Einwohnerinnen und Einwohnern eine finanzielle Beteiligung an Windenergieanlagen ermöglicht wird. Dort regieren weder GRÜNE noch LINKE. Dennoch haben diese dort zugestimmt. Das Gesetz wurde vor einem Jahr mit den Stimmen von SPD und CDU beschlossen.

Daher bitte ich Sie eindringlich, sich den vorliegenden Gesetzentwurf genau anzuschauen und zu überdenken, ob Sie sich mit einer Fundamentalablehnung von Gesetzentwürfen der Opposition einen Gefallen tun.

Doch worum geht es uns konkret? Wir möchten zum einen das Landesplanungsgesetz ändern und zum anderen ein neues Gesetz einführen, das eine finanzielle Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und Gemeinden an neuen Windenergieanlagen ermöglicht. Es ist paradox, dass im strukturschwachen Osten eine so große Ablehnung von Windenergieanlagen vorhanden ist, und das, obwohl mit diesen Anlagen Milliardengewinne erzielt wurden und noch erzielt werden könnten.

Das Problem, das die Leute haben, ist, dass die Leute eben nichts davon haben, wenn eine Windenergieanlage in ihrem Ort gebaut wird. Genau das sollte geändert werden. In den Orten wird gesagt: „Sieh mal! Damit verdienen sich andere eine goldene Nase!“

In der Tat sind fast alle Windenergieanlagenbauer nicht vor Ort bzw. diejenigen, die Windenergieanlagen errichten, haben ihren Firmensitz nicht vor Ort, also nicht dort, wie die Anlagen entstehen. Das heißt, dass die Umsätze und die Steuern abwandern, die Windräder aber bleiben bei den Menschen, und genau das muss sich ändern.

(Beifall bei den LINKEN)

Vorbild sind sogenannte Bürgerwindparks, die von der Einwohnerschaft geplant, gebaut und finanziert werden. Genau dieses Modell wollen wir ein Stück weit für alle Windenergieanlagen. Wir wollen Bürgerwindparks für

alle, wenn man es so will. Denn die Energiewende gehört in Bürgerhand, zumindest anteilmäßig.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Schon heute können sich Bürgerinnen und Bürger zu Genossenschaften zusammenschließen und ein Bürgerwindrad finanzieren. Das war auch die Begründung, warum Sie damals unseren Antrag entsprechend abgelehnt haben. Das Problem ist nur – und das haben Sie damals nicht beachtet –: Laut einer Kleinen Anfrage von mir gibt es in Sachsen über 800 Windenergieanlagen, aber nur zwei – eine in Riesa und eine im Landkreis Zwickau –, an denen sich Bürgerinnen und Bürger finanziell beteiligen konnten.

Doch woran liegt das? An zwei Gründen: Erstens. Es fehlt den Menschen schlicht an Kapital vor Ort, um eine eigene Windenergieanlage zu planen, zu bauen und zu finanzieren. Zweitens gibt es keine Möglichkeit, wo sich Bürgerinnen und Bürger bei einem privaten Investor verpflichtend finanziell beteiligen können. An dem ersten Problem kann unser Gesetz nicht viel ändern, wir verbieten aber nicht, dass sich Menschen zu Genossenschaften zusammentun und ein Windrad bauen. Das zweite Problem wollen wir allerdings mit unserem Gesetz beheben. Wir wollen, dass jeder Investor verpflichtet wird, mindestens 20 % seines Investitionsvolumens zum Verkauf anzubieten. Dabei sollen 10 % an die Bürgerinnen und Bürger vor Ort gehen und 10 % an die betreffenden Gemeinden. Damit wollen wir Energieeinlagen, die neu gebaut werden – und es werden zum Glück nur noch Anlagen für erneuerbare Energien gebaut –, vergesellschaften. Damit wollen wir den Stromsektor zumindest ein Stück weit wieder in öffentliche Hand führen.

Zumindest für einen Teil wollen wir das umsetzen. Ganz genau geregelt ist das in den §§ 9, 10, 11 und 12 im Artikel 1 unseres neuen Gesetzes. Dort geht es im § 9 darum, wer überhaupt kaufberechtigt ist. Das sind zum einen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, die im Umkreis von 5 Kilometer zu einer geplanten Windenergieanlage wohnen. Das gilt für alle Wohnungen einer Gemeinde, die in diesem Radius liegen. Es muss nicht jedes einzelne Haus abgemessen werden, sondern nur die Grenze der Gemeinde. Das schafft außerdem eine größere Anzahl von Kaufberechtigten. Zum anderen sollen die Gemeinden selber kaufberechtigt sein, auch wieder im 5Kilometer-Radius, und diese haben noch die Möglichkeit, ihr Kaufrecht an kommunale Eigenbetriebe abzugeben, wenn sie das denn wollen.

Wollen oder können Gemeinden sich nicht finanziell beteiligen, wird der Investor verpflichtet, eine Ausgleichsabgabe zu zahlen. Dies regelt § 10, der Ihnen vorliegt. Dort können die Gemeinden nach drei Monaten entscheiden, ob sie entweder einen Anteilskauf tätigen, dann bekommen sie bis zu 10 % der Windenergieanlage und können jährlich von der Rendite profitieren, oder sie entscheiden sich gegen den Anteilskauf. Dann bekommen sie eine Ausgleichsabgabe vom Investor, die 2 % der Erlöse beträgt. Egal, wie sich die Gemeinden entscheiden,

das erhaltene Geld muss zwingend in Klima- und Umweltschutzmaßnahmen vor Ort verwendet werden und darf nicht in den allgemeinen Haushalt fließen.

Noch einmal zum Thema Anteilskauf. Entscheiden sich die Gemeinden dafür, können sie vier Monate lang Anteile zeichnen. Das gilt auch für die Bürgerinnen und Bürger. Das regelt § 11. Dabei kommt es zu einem Zuteilungsverfahren, wo jeweils die Bürgerinnen und Bürger und die Gemeinden in einem rundenbasierten Verfahren Anteile zeichnen können. Sollten die Bürgerinnen und Bürger ihre 10 % nicht vollkommen ausschöpfen, dann können die Gemeinden den Anteil übernehmen. Auch das ist dort geregelt. Zuvor muss aber der Investor eine öffentliche Informationsveranstaltung durchgeführt haben, wo der Kauf und die Regeln erläutert werden. Das Ganze muss nicht nur im Gemeindeblatt oder der Homepage der Gemeinde veröffentlicht werden, sondern auch in regionalen Tageszeitungen und anderen Anzeigen. Dort sind ausführliche Informationen zur wirtschaftlichen Leistung, den Kosten und auch den Risiken anzugeben.

Zum Schluss noch kurz zum Artikel 2 unseres Gesetzes. Dort geht es um Ergänzungen zum Landesplanungsgesetz und damit auch zum Landesentwicklungsplan. Im Landesplanungsgesetz wollen wir in den § 1 im Abschnitt b einen längeren Satz einfügen, der zusammengefasst die Möglichkeit der Beteiligung nach unserem Gesetz erwähnt. Außerdem wollen wir in Artikel 2 Abs. 2, dass bei Landesplanung zukünftig Vorranggebiete für Windenergieanlagen sowie dabei 2 % der Landesfläche und nicht nur 1 % festgesetzt werden. Weiterhin geht es um mehr Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger bei Planungen. Bisher sind die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger sehr unzureichend. Die Öffentlichkeit wird meist erst einbezogen, wenn der Planungsentwurf bereits erstellt ist. Die Mitsprache beschränkt sich auf schriftliche Einwände und Erörterungstermine, an denen man teilnehmen kann.

Das reicht unserer Meinung nach nicht. Deswegen wollen wir eine ehrliche Debatte, wo alle Bedenken und Hinweise gemeinsam betrachtet und bewertet werden können. Dazu sind Planungen frühzeitig transparent zu machen. Das soll folgendermaßen ablaufen: In einem ersten Schritt, ähnlich wie bei Lärmaktionsplänen, soll ein öffentlicher Termin mit Planungsträger und Projektgesellschaft gefunden werden, und in einem zweiten Schritt soll im Rahmen einer Planungszelle per Zufallsstichprobe eine repräsentative Gruppe der Bevölkerung gefunden werden, die wiederum ein Bürgergutachten erstellt zur Frage der Eignung des Windenergieanlagenstandorts –

Bitte zum Schluss kommen.

– und zur Beteiligungsmöglichkeit.

Jetzt ist meine Zeit um und ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss und bei der Sachverständigenanhörung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Böhme. Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Stärkung der Windenergienutzung im Freistaat Sachsen an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – federführend –, an

den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft sowie an den Innenausschuss zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an die Ausschüsse zustimmen möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisung beschlossen, meine Damen und Herren, und der Tagesordnungspunkt beendet.

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 5

Lebenslagen von „allein erziehenden“ Eltern und ihren Kindern in Sachsen

Drucksache 6/6596, Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

und die Antwort der Staatsregierung

Meine Damen und Herren! Zunächst spricht als Einbringer die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, danach die CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, sofern das Wort gewünscht wird. Wir beginnen mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Abg. Zschocke. Sie haben das Wort, Herr Zschocke.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lebensrealität von Familien hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr stark verändert. Allein erziehen ist heute normal, die offizielle Familienpolitik allerdings orientiert sich dagegen noch allzu oft an dem Leitbild einer Familie mit zwei Elternteilen. Wer von Ihnen Menschen kennt, die allein erziehen, kennt vielleicht auch das Selbstbewusstsein, das sie oft ausstrahlen. Ich bin stark, ich schaffe das schon, doch ein Blick hinter die Fassade zeigt die hohen Belastungen. Alleinerziehende sind sehr oft Alltagsjongleure, sind regelrechte Termin- und Ressourcenmanager. Allein erziehen ist möglich, ist inzwischen normale Lebensrealität in Sachsen, ist aber auch ein Balanceakt.

Zunächst möchte ich mich bei Ihnen, Frau Staatsministerin Klepsch, für die umfassende Analyse der Lebenslagen von Alleinerziehenden bedanken, die Ihr Ministerium auf unsere über 150 Fragen vorgelegt hat. Uns war klar, dass nicht zu jeder Frage Daten und Erkenntnisse vorliegen. Insofern sind auch die Fehlstellen bei den Antworten ein wichtiger und wertvoller Hinweis auf notwendige weitere qualitative Untersuchungen zu besonderen Lebenslagen.

Um die Antworten aus dem Ministerium richtig einordnen zu können, wäre eine differenziertere Definition des Begriffs alleinerziehend notwendig. Das ist nur bedingt möglich, weil das Ministerium bei der Beantwortung überwiegend auf die Daten des Mikrozensus angewiesen ist. Diese Statistik macht das Merkmal alleinerziehend an dem Haushalt fest, wo das Kind lebt, aber wir wissen natürlich, dass die Formen und Partnerschaften, in denen Eltern Kinder erziehen, bei den Alleinerziehenden genauso vielfältig und unterschiedlich sind wie bei den anderen Familien auch. Allerdings – und das zeigen die Antworten sehr deutlich – gibt es Herausforderungen, die sich

besonders Alleinerziehenden stellen. Sie und ihre Kinder sind eben häufiger von Armut bedroht. Sie haben schlechtere Ausbildungschancen, sie haben einen erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt und sie sind oft auch von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Auch viele Frauen, die allein erziehen, haben ein geringes Einkommen, die Hälfte von ihnen arbeitet in Teilzeit.

Die Zahl der Alleinerziehenden in Sachsen ist seit 2008 weiter deutlich angestiegen. 2015 waren es bereits 93 000 gegenüber 82 000 im Jahr 2008. Diese Familienform macht damit aktuell ein Viertel aller Familien in Sachsen aus. 144 000 Kinder lebten 2015 in Familien von Alleinerziehenden. Das macht deutlich, dass die Lebensphase, so möchte ich es einmal nennen, in der Mütter oder auch Väter allein erziehen, deutlich mehr familienpolitische Aufmerksamkeit braucht.

Dabei ist der Fokus eben nicht auf die Frage zu richten, warum jemand alleinerziehend ist, sondern wir müssen fragen: Wie ist das eigentlich zu schaffen? Wie sind die Herausforderungen zu bewältigen? Da offenbaren sich schon einige Handlungsbedarfe.

Erstens ist die Berufstätigkeit eine Herausforderung. Für Alleinerziehende ist es sehr schwer, eine Tätigkeit zu finden, die sich mit eingeschränkten Betreuungsmöglichkeiten und mit häufigen Ausfallzeiten durch kranke Kinder vereinbaren lässt. Familiengerechte Arbeitszeitmodelle sind noch nicht überall etabliert. In der sächsischen Verwaltung gibt es zwar eine Vielzahl an Angeboten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die in der Antwort auch dargestellt sind. Auffallend ist jedoch, dass die Angebote in den einzelnen Ministerien und Unternehmen des Freistaates sehr unterschiedlich ausgeprägt sind.

Nehmen wir die Herausforderung „Ausbildung und Studium“. Es gibt in Sachsen eine kontinuierliche Zunahme von Alleinerziehenden ohne beruflichen Abschluss. 2008 waren das 7 300 Personen, 2015 bereits 10 000. Diese Entwicklung steht dem allgemeinen Trend entgegen, denn der Anteil der Personen ohne beruflichen Abschluss ist in der Gesamtbevölkerung um ein Viertel