1988 lag die Durchschnittsrente bei 380 Mark. Wenn man sich dann die Gehälter anschaut – im Durchschnitt 1 280 Mark –, dann war das schon deutlich weniger. Da können Sie jetzt über das Rentenniveau klagen, wie Sie wollen, dass dieses so niedrig sei. Aber es lag zu DDRZeiten noch einmal deutlich darunter. Natürlich nicht für alle, aber für 85 % war das Rentenniveau so niedrig. Für jene, die für die Stasi gearbeitet haben, lag es bei bis zu 90 % des vorhergehenden Gehalts.
Sehen Sie es uns bitte nach, dass das nicht die Gruppe ist, für die wir um höhere Renten kämpfen, weil ich niemandem erklären kann, der in Bautzen eingesessen hat, dass derjenige, der eingesperrt, auf Inhaftierte aufgepasst und sie drangsaliert hat, eine deutlich höhere Rente als jener
hat, den man geschnitten hat, zum Heizer gemacht hat und der jetzt keine anständige Rente bekommt. Dafür bitte ich um Verständnis.
Ich nenne noch einige weitere Punkte, die Sie uns aus der DDR hinterlassen haben: geschiedene Frauen. Im Westen war das anders geregelt. Dort gab es den Vermögensausgleich. Diesen gab es zu DDR-Zeiten nicht. Sosehr ich nachvollziehen kann, dass sich diese Frauen benachteiligt fühlen: Sie sind benachteiligt gegenüber denen, die im Westen gelebt haben und ab den 1970er-Jahren geschieden worden sind; bei jenen, die vorher geschieden worden sind, ist es ja das gleiche Problem.
Das kann ich sehr gut verstehen. Aber wir können leider nicht mehr all das, was an Unrecht geschehen ist, auch zu DDR-Zeiten, rückgängig machen. Auch das gehört zur Wahrheit; denn wir müssen dann auch jenen suchen, der als Mann zum Beispiel mehr Rente bekommt, und schauen, wie wir es ihm – in Anführungsstrichen – wegnehmen können. Deshalb ist das sehr kompliziert. Wir können leider nicht jedes Unrecht ungeschehen machen, sosehr wir es gern tun würden.
Vielen Dank. Herr Krauß, ich möchte jetzt nicht so sehr auf die strafrechtliche Seite der Rentenkürzungen für Angehörige der Staatssicherheit eingehen, obwohl mir schon etwas die Galle hochkommt, wenn ich daran denke, dass Angehörige der Deutschen Wehrmacht keine Rentennachteile in der Bundesrepublik Deutschland erfahren haben.
Haben Sie in Ihrem Redebeitrag noch vor, auf die im Antrag stehenden Sachverhalte einzugehen? Denn darum geht es eigentlich und nicht um die allgemeine Betrachtung.
Nebenbei bemerkt: Sie geben mir sicher recht, Herr Krauß, dass Frauen nach 1990 immer schon weniger Geld verdient haben als die
Männer und dieses Unrecht, das Sie den DDR-Zeiten vorwerfen, auch unter Ihrer Regierung nicht aufgehoben worden ist.
Außerdem hatten Sie 27 Jahre Zeit, dieses – Ihrer Meinung nach – Unrecht anzugleichen. Stattdessen diskriminieren Sie hier einen Teil der Bevölkerung und unterstellen, dass diese Lebensleistung einer Anpassung nicht wert sei. Sie haben für ihre Rentenansprüche eingezahlt. Diese sind schlicht und ergreifend ihr Recht und dürfen nicht vom Gutdünken der CDU-Regierung abhängig sein.
Die Frage ist: Wollen Sie unterstellen, dass jeder, dessen Rente nicht angeglichen ist, bei der Staatssicherheit war? Weil Sie sagten, dem Antrag könne nicht zugestimmt werden, weil Sie diesen Leuten kein Geld zahlen wollen.
Ich habe nur darauf hingewiesen, dass ich mich darüber wundere, dass Sie sich so stark für die Gruppe ehemaliger Stasi-Leute einsetzen, damit sie höhere Renten haben. Ich kann es verstehen, weil – –
(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das steht eindeutig nicht drin! Das ist eine Unwahrheit! – Klaus Bartl, DIE LINKE: Das steht doch ausdrücklich nicht drin, Herr Krauß! – Weitere Zurufe von den LINKEN)
Entschuldigung! Ihnen geht es genau um diese Gruppe von regimetreuen Mitarbeitern. Das war eine Gruppe, für die Sie immer aktiv gekämpft haben, weil sie in Ihrer Mitgliedschaft auch so stark vertreten ist.
Ich möchte noch auf ein anderes Missverständnis aufmerksam machen: Ich hatte immer so den Eindruck, für die LINKEN gibt es eine Staatsregierung oder einen Ministerpräsidenten, der alle Gehaltslisten im Freistaat Sachsen vorgelegt bekommt und dann einträgt, was jemand verdient. Das ist nicht so. Die Politik legt nicht fest, auch nicht individuell, wie hoch ein Lohn ist, und ich sage ganz deutlich: Bei den Renten gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen, das ist richtig, auch bei den Gehältern. Ich bitte aber auch darum, etwas fair zu sein. Man kann sagen, es gibt eine Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen von 22 %. Ja, das stimmt;
aber es ist eben nur die halbe Wahrheit. Wenn jemand in Teilzeit arbeitet, hat er einen geringeren Stundenlohn als jemand, der in Vollzeit arbeitet.
Wenn jemand Friseurin ist, dann hat diejenige einen geringeren Lohn als jemand, der Kfz-Mechaniker ist.
Entschuldigung! Ich habe kein Problem damit, wenn die Friseurin genauso viel wie der Kfz-Mechaniker verdient. Aber ich muss die Berufsgruppen miteinander vergleichen. Der Friseur verdient das Gleiche wie die Friseurin. Das muss doch das Ziel sein und nicht, dass man sagt: Jeder bekommt das Gleiche, ob er vier Stunden oder acht Stunden arbeitet, ob der Arzt oder Straßenkehrer ist.
(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Es ist schon komisch, dass frauentypische Berufe schlechter bezahlt werden! Und Ihnen ist das egal?)
Ich finde, es muss einen Unterschied geben. Man muss differenzieren. Deshalb hinken die Vergleiche, die Sie immer bringen, ganz stark.
Aber lassen Sie mich bitte wieder zu den Problemgruppen kommen, über die wir auch schon im letzten Plenum diskutiert haben. Es gibt verschiedene Gruppen – Sie haben sie genannt –: Balletttänzer, Beschäftigte, die bei der Braunkohleveredelung gearbeitet haben, DDRGeflüchtete, die bei der Rentenüberleitung unberücksichtigt geblieben sind, bei denen man die Feinheiten des Systems nicht richtig austariert hat. Man kann auch sagen: denen Unrecht widerfahren ist. Das ist nachvollziehbar.
Es gab bei den verschiedenen Parteien in den letzten 27 Jahren Bemühungen, hier Änderungen zu erreichen – stärker, wenn man in der Opposition war, etwas weniger ausgeprägt, wenn man an der Regierung war. Allen gleich ist aber, dass man es leider nicht lösen konnte, weil man 27 Jahre nach der Wende nicht alles zurückdrehen kann, auch wenn man es möchte.
(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie wollten es auch schon vor 20 Jahren nicht machen, Herr Krauß! Da hätte man es machen können!)
Das gab es schon, die Bemühungen gab es. Aber es ist ein sehr schwieriges Konstrukt. Wenn man einmal in das Rentensystem eingreift, ist das schwierig.
Deswegen sollten wir schauen, wo die Prioritäten liegen. Deshalb meine Bitte: Lassen Sie uns über die Prioritäten diskutieren. Was wollen wir bei der Rente wirklich erreichen? Ich habe es Ihnen gesagt: Uns war es wichtig, dass man die Menschen, die Kinder erzogen haben – die auch die Gelackmeierten waren, weil diese eine geringere
Rente haben werden als jemand, der keine Kinder hat – besserstellt. Das war und ist für uns wichtig.
Die zweite Priorität – das möchte ich Ihnen mitgeben – ist: Wir wollen, dass diejenigen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, am Lebensende eine höhere Rente haben, als jemand, der nie gearbeitet hat.
(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Das haben Sie jetzt schon dreimal gesagt! Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!)
Insofern setzt Ihr Antrag die falschen Prioritäten. Wir werden ihm nicht zustimmen. Wir wollen eine anständige Rente für all die Menschen, die wirklich ihr Leben lang gearbeitet haben.